Europawahl: „Keine falschen Kompromisse“ – Christen haben eine Wahl – Gespräch mit Tobias Teuscher


Europawahl 2014: Wählen gehen, christlich wählen(Brüs­sel) Am 25. Mai wird das Euro­päi­sche Par­la­ment der EU gewählt. EZB und Euro-Ret­tungs­pa­ke­te haben den Bür­gern die Macht­ver­la­ge­rung aus den Mit­glieds­staa­ten nach Brüs­sel sicht­bar gemacht. Die Annah­me des Lun­acek-Berichts weni­ge Mona­te vor Ende der aus­lau­fen­den Legis­la­tur­pe­ri­ode ver­deut­licht, daß es in Brüs­sel und Straß­burg auch um eine grund­le­gen­de Rich­tungs­fra­ge geht: Wie soll das Euro­pa von mor­gen aus­se­hen? Wird es nach christ­li­chen Wert­maß­stä­ben gestal­tet sein, oder wird es öko­no­misch von einer Finanz­olig­ar­chie und gesell­schafts­po­li­tisch von einer rot-grü­nen Ideo­lo­gie bestimmt sein?
Katho​li​sches​.info führ­te dazu ein Inter­view mit dem aus Bran­den­burg stam­men­den EU-Exper­ten Tobi­as Teu­scher, um zu erfah­ren, um was es bei der kom­men­den EU-Wahl wirk­lich geht. Der 38-Jäh­ri­ge ist seit meh­re­ren Jah­ren im Euro­pa-Par­la­ment per­sön­li­cher Refe­rent der in Zürich gebo­re­nen slo­wa­ki­schen Abge­ord­ne­ten Anna Zábor­ská, einer der pro­fi­lier­te­sten christ­li­chen Poli­ti­ke­rin­nen Euro­pas. Teu­scher, der sei­ne per­sön­li­chen Schwer­punk­te vor allem in der Fami­li­en­po­li­tik und Armuts­be­kämp­fung sieht, die­sem The­ma wid­me­te er sei­ne Arbeit als wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter des Frei­en Uni­ver­si­tät Brüs­sel. Teu­scher ist im Euro­pa-Par­la­ment Ver­tre­ter des größ­ten euro­päi­schen Bür­ger­be­geh­rens One of Us – Einer von uns. Im ver­gan­ge­nen Janu­ar warf er den Grü­nen vor, über das Euro­päi­sche Par­la­ment im Ver­bund mit Sozi­al­de­mo­kra­ten und Libe­ra­len die Pädo­phi­lie legi­ti­mie­ren zu wol­len. Tobi­as Teu­scher ist Sekre­tär der frak­ti­ons­über­grei­fen­den Arbeits­grup­pe Fami­lie, Kin­der­rech­te und Soli­da­ri­tät zwi­schen den Gene­ra­tio­nen im Euro­päi­schen Par­la­ment. Er kan­di­diert bei den Wah­len zum EU-Par­la­ment in Frank­reich für die im Herbst 2013 aus dem Wider­stand gegen die sozia­li­sti­sche Gesell­schafts­po­li­tik her­vor­ge­gan­ge­ne neue Liste Force Vie.

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Interview mit Tobias Teuscher

Tobias Teucher kandidiert für Force Vie1. Am 25. Mai wird in der EU ein neu­es Euro­päi­sches Par­la­ment gewählt. 1979 fand die erste Direkt­wahl statt. Die Bür­ger neh­men EU-Annehm­lich­kei­ten durch­aus an, ein wirk­li­cher Sym­pa­thie­trä­ger ist die EU aller­dings bei ihren Bür­gern nie gewor­den. 2009 gaben nur 43 Pro­zent der Wäh­ler ihre Stim­me ab. Vie­le Bür­ger hal­ten das Euro­päi­sche Par­la­ment für unbe­deu­tend, was es aber längst nicht mehr ist. War­um gibt es noch immer die­se Wahrnehmungsverzerrung?

TEUSCHER: Das Man­dat des Euro­pa-Abge­ord­ne­ten ist ver­hält­nis­mä­ßig jung. Bür­ger iden­ti­fi­zie­ren sich mit den am näch­sten ste­hen­den Ent­schei­dungs­trä­gern, also Bür­ger­mei­ster, Land­rat, natio­na­ler Abge­ord­ne­ter. In der Tat wur­de das EU-Par­la­ment nie ein wirk­li­cher Sym­pa­thie­trä­ger. In vie­len Mit­glieds­staa­ten wird aus­ran­gier­ten Natio­nal-Poli­ti­kern durch das EU-Par­la­ment ein Ver­sor­gungs­po­sten geschaf­fen. Erin­nern Sie sich an Herrn Stra­sser von der ÖVP. In Frank­reich wer­den in die­sem Jahr die Mini­ster der ehe­ma­li­gen Regie­rung von Nico­las Sar­ko­zy recy­celt. In Deutsch­land macht Frau Mer­kel Euro­pa-Wahl­kampf, obwohl sie gar nicht kan­di­diert. Aus Bel­gi­en wer­den alte Sena­to­ren nach Straß­burg wei­ter­ge­reicht. Dabei geht es nicht um Euro­pa-Kom­pe­tenz, son­dern um Par­tei­po­li­tik. 2014 soll für Ver­trau­en in Euro­pa gewor­ben wer­den. Den­noch ver­brei­ten alle gro­ßen natio­na­len Par­tei­en in allen Mit­glieds­staa­ten die größ­te Lüge in der Geschich­te der EU-Par­la­ment über die „Wahl des Spit­zen­kan­di­da­ten für den Vor­sitz der EU-Kom­mis­si­on“. Noch nie wur­de der EU-Ver­trag öffent­lich so mas­siv ver­letzt. Der Ver­trau­ens­ver­lust in die gro­ßen Volks­par­tei­en in allen Mit­glieds­staa­ten ist gewal­tig. Des­we­gen soll­ten am 25. Mai die Kan­di­da­ten inno­va­ti­ver und neu­er Par­tei­en gewählt wer­den, die die­se Unehr­lich­keit nicht mit­ma­chen, und die sich ganz dezi­diert ganz­tä­gig in Straß­burg und Brüs­sel für die Ein­hal­tung der Ver­trä­ge und des Sub­si­dia­ri­täts­prin­zips einsetzen.

2. Die EU steht für unnö­ti­ge Büro­kra­tie und teu­re Euro-Ret­tungs­pa­ke­te. Es geht aber auch ganz kon­kret um die poli­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung über die ideo­lo­gi­sche Aus­rich­tung der EU. Wer gibt den Ton an im Euro­pa­par­la­ment und warum?

TEUSCHER: Die Euro­päi­sche Gemein­schaft hat­te von Anfang an zum Ziel, Wer­te und Nor­men zu beein­flus­sen. Die Auf­ga­be der EU als Steue­rungs­ein­heit sozia­ler Dyna­mi­ken, Wer­ten und Nor­men mit­tels der gemein­schaft­li­chen Rechts­set­zungs­ver­fah­ren und den dazu­ge­hö­ri­gen Haus­halts­mit­teln steht bereits in den Römi­schen Ver­trä­gen. Ange­sichts eines Ver­bunds von 28 Mit­glieds­staa­ten und über 500 Mil­lio­nen Men­schen (fast dop­pelt so viel Ein­woh­ner wie die USA!) müss­te mal geklärt wer­den, um wel­che Nor­men und Wer­te es sich eigent­lich han­delt. Es ist bekannt, dass die Demo­kra­tie von Grund­la­gen lebt, die sie selbst nicht beein­flus­sen kann. Die­ser Pro­zess wird von  Poli­ti­kern bestimmt, die in den Mit­glieds­staa­ten gewählt wer­den. Die Fami­li­en in den Wahl­krei­sen ver­fü­gen ganz kon­kret über Wort und Wäh­ler­stim­me, um über die ethi­sche Aus­rich­tung der EU mit­zu­be­stim­men. Es ist jedoch auch rich­tig, dass im Euro­pa-Par­la­ment eine ein­zi­ge gro­ße Dau­er-Koali­ti­on regiert, die bei etwa 90% der nament­li­chen Abstim­mun­gen gemein­sam abstimmt. Des­we­gen ist der EU-Wahl­kampf stel­len­wei­se furcht­bar nichts­sa­gend: Wie sol­len die natio­na­len Par­tei­en Rechen­schaft able­gen und poli­ti­sche Unter­schie­de zu EU-The­men unter­ein­an­der auf­zei­gen, wenn sie vor­her 5 Jah­re lang in Euro­pa-Har­mo­nie zusam­men­ge­ar­bei­tet haben und die­se roman­ti­sche Regen­bo­gen­ko­ali­ti­on nach den Wah­len fort­set­zen müs­sen? Im EU-Par­la­ment arbei­ten wir mit wech­seln­den Mehr­hei­ten. Jede Frak­ti­on ist mal die größ­te Min­der­heit. Auch inner­halb der Frak­tio­nen ist die Wil­lens­bil­dung oft nicht ein­fach. Poli­ti­ker, die Ehe und Fami­lie, Embryo­nen­schutz und Gewis­sens­frei­heit zur Ver­hand­lungs­mas­se erklä­ren, oder anti­kle­ri­ka­le Grup­pen, die das natio­na­le Staats­kir­chen­recht durch EU-Pro­ze­du­ren aus­he­beln wol­len, gibt es in allen Frak­tio­nen, und zwar auch in der Euro­päi­schen Volks­par­tei. Wenn Chri­sten in Euro­pa die ideo­lo­gi­sche Aus­rich­tung der EU beein­flus­sen wol­len, müs­sen sie die­sem berech­tig­ten Anlie­gen mit ihrer Stim­me am 25. Mai Aus­druck verleihen.

3. In drei Anläu­fen schei­ter­te der Bericht von Edi­te Est­re­la (PS, Por­tu­gal), der vor dem Hin­ter­grund der Gen­der-Theo­rie ein bedin­gungs­lo­ses Grund­recht auf Abtrei­bung in die EU-Rechts­ord­nung auf­neh­men woll­te. War­um fand der Initia­tiv-Bericht von Ulri­ke Lun­acek hin­ge­gen eine Mehr­heit? Liegt das am star­ken Ein­fluss der LGBT-Lobby ?

TEUSCHER: Die Vor­be­hal­te gegen­über den EU-Lob­bies sind gerecht­fer­tigt, ohne sie zu ver­teu­feln. Die LGBT-Lob­by kann sich auf ein eige­nes Bud­get im EU-Haus­halt beru­fen, weil die EU Maß­nah­men zur Bekämp­fung der Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund der sexu­el­len Ori­en­tie­rung ergreift. Wir soll­ten jedoch über­prü­fen, ob ange­sichts der Finanz­kri­se die mas­si­ve und unkon­trol­lier­te Finan­zie­rung die­ser Inter­es­sen­grup­pen durch die EU wirk­lich gerecht­fer­tigt ist. Außer­dem ist es jedem Euro­pa-Abge­ord­ne­ten frei­ge­stellt, sich zu orga­ni­sie­ren. Wenn sich die christ­li­chen Abge­ord­ne­ten aus Angst vor ihrem eige­nen Schat­ten nicht stra­te­gisch auf­stel­len, um knall­hart ihre Posi­tio­nen durch­zu­set­zen, kann man die­ses Defi­zit schlecht der Oppo­si­ti­on anla­sten. Frau Lun­acek konn­te ihren Bericht durch­brin­gen, weil der Rela­ti­vis­mus vie­le Anhän­ger in der Volks­par­tei hat. Das gilt für Ehe und Fami­lie, Chri­sten­ver­fol­gung und Lebens­rechts­schutz sowie den „Gen­de­ris­mus“. Die Angst vie­ler bür­ger­li­cher Abge­ord­ne­ter vor der Ver­leum­dungs-Attacke der homo­se­xu­el­len Inter­es­sen­grup­pen ist lei­der berech­tigt. Des­we­gen soll­ten am 25. Mai Euro­pa-Abge­ord­ne­te mit ech­ten Über­zeu­gun­gen für Ehe und Fami­lie gewählt wer­den, die die­sem Druck standhalten.

4. Ein gro­ßer Teil der Euro­päi­schen Volks­par­tei hat für den Lun­acek-Bericht gestimmt und wider­sprach damit dem eige­nen Par­tei­pro­gramm. Ist das als Zei­chen zu wer­ten, daß die links­li­be­ra­len Posi­tio­nen auch bei den Kon­ser­va­ti­ven die Ober­hand gewon­nen haben?

TEUSCHER: Der EU-Ver­trag sieht seit 20 Jah­ren den Kampf gegen Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund der „sexu­el­len Ori­en­tie­rung“ vor, was immer das hei­ßen mag. Die Vor­gän­ger­ge­ne­ra­ti­on hät­te bes­ser auf­pas­sen sol­len, als der Maas­tricht-Ver­trag ver­fasst wur­de! Auf die­ser Rechts­grund­la­ge auf­bau­end ent­wickel­te die euro­päi­sche LGBT-Inter­es­sen­grup­pe jene Berichts­vor­la­ge, der Frau Lun­acek ihren Namen gab. Alle Frak­tio­nen waren gespal­ten, vor allem im bür­ger­li­chen Lager. Sogar die Abge­ord­ne­ten der ÖVP-Dele­ga­ti­on muss­ten durch ihre Wäh­ler müh­sam und lan­ge gebe­ten wer­den. Ech­te Wert­ori­en­tie­rung schaut anders aus. Die „akti­ve Neu­tra­li­tät“ ist auch eine Fol­ge der sich über vie­le Jah­re hin­weg ein­ge­präg­ten fal­schen Kom­pro­miss­kul­tur bei den Kon­ser­va­ti­ven. Das lin­ke Frak­ti­ons­bünd­nis gewann, weil es sich im ent­schei­den­den Augen­blick als eine ein­heit­li­che Front aufstellte.

5. Die christ­de­mo­kra­ti­schen Grün­der­vä­ter der EU, die ein gemein­sa­mes spi­ri­tu­el­les und kul­tu­rel­les Erbe teil­ten, haben die EU in ihren Ursprün­gen gegrün­det und gestal­tet. Die EU schlug nach dem Zwei­ten Welt­krieg ein neu­es christ­de­mo­kra­ti­sches Kapi­tel in der Geschich­te Euro­pas auf. Wird aus der christ­de­mo­kra­ti­schen Grün­dung eines euro­päi­schen Staa­ten­bun­des ein gen­de­ri­sier­ter EU-Einheitsstaat?

TEUSCHER: In der EU regie­ren vie­le Inter­es­sen­ver­tre­ter, die nicht die mensch­li­che Per­son und das Gemein­wohl ver­tre­ten, son­dern ihre eige­nen Inter­es­sen. Dafür wer­den sie von der EU-Kom­mis­si­on mit Haus­halts­mit­teln ver­sorgt. Chri­sten kön­nen das nur dann ver­än­dern, wenn sie gemein­sam poli­tisch aktiv wer­den. Die Grün­der­vä­ter wür­den heu­te kei­ne Auf­nah­me mehr in ihre eige­ne EU fin­den. Das kön­nen die Chri­sten aber am 25. Mai – Euro­pa-Wahl­tag – ändern. Wenn Euro­pa-Abge­ord­ne­te wie Ewald Stad­ler und sei­ne Kan­di­da­ten der Reform­kon­ser­va­ti­ven ins EU-Par­la­ment zurück­kom­men, kön­nen sie wert­vol­le Arbeit für ein christ­li­ches Euro­pa lei­sten. Um die Wahl­ent­schei­dung hin­sicht­lich einer fami­li­en­ori­en­tier­ten Poli­tik zu erleich­tern, hat die Föde­ra­ti­on der katho­li­schen Fami­li­en­ver­bän­de Euro­pas (www​.faf​ce​.org) eine stich­hal­ti­ge Befra­gung der Kan­di­da­ten des Euro­pa-Par­la­ments ver­öf­fent­licht (www​.vote​for​fa​mi​ly​2014​.eu). Die­ser Fra­ge­bo­gen soll­te von allen Kan­di­da­ten beant­wor­tet werden.

6. Wel­che Aus­sich­ten bestehen, daß das neue Euro­päi­sche Par­la­ment näher bei den Bür­gern sein wird, weni­ger zen­tra­li­stisch, weni­ger eta­ti­stisch, und vor allem wel­che Aus­sich­ten bestehen, daß christ­li­che Posi­tio­nen im Lebens­schutz (Abtrei­bung, Eutha­na­sie), zu Homo­se­xua­li­tät, Fami­lie und gegen die Gen­der-Theo­rie ver­stärkt zum Tra­gen kom­men? Wenn ja, wo in der EU sehen Sie Kräf­te und Staa­ten, von denen die Erneue­rung aus­ge­hen könnte?

TEUSCHER: Erneue­rung ist mög­lich mit Chri­sten als akti­ven Bür­gern. Chri­sten sind ja kei­ne Bür­ger zwei­ter Klas­se! Jede Stim­me zählt bei der „Über­zeu­gungs-Wahl“ am 25. Mai. Gro­ße Hoff­nun­gen ruhen auf der jun­gen Bewe­gung REKOS – Liste Ewald Stad­ler (Die Reform­kon­ser­va­ti­ven), in der vie­le jun­ge Men­schen enga­giert sind. Die EU ist ein zivi­li­sa­to­ri­sches Pro­jekt. Ein Erken­nungs­merk­mal ist die Wei­ter­ga­be von Wis­sen und Erfah­rung an die nach­fol­gen­de Gene­ra­ti­on. Das gilt auch für Poli­ti­ker. Ewald Stad­ler hat in der ablau­fen­den Legis­la­tur­pe­ri­ode wesent­li­che Impul­se für christ­li­che Wer­te gesetzt, die bei vie­len Mit­glie­dern in ver­schie­de­nen Frak­tio­nen zu einem Umden­ken geführt haben. Er hat offen die Untä­tig­keit der EU gegen die Ver­fol­gung christ­li­cher Min­der­hei­ten kri­ti­siert, er hat sich nach­hal­tig in der Arme­ni­en­fra­ge und bei ONE OF US enga­giert. Bei der ein­zi­gen offi­zi­el­len Ver­an­stal­tung im Euro­päi­schen Par­la­ment zu One of Us war er sogar der ein­zi­ge deutsch­spra­chi­ge Abge­ord­ne­te, der mit einem sehr kla­ren Bei­trag Pro­fil zeig­te und das EU-Recht im Bereich des Embryo­nen­schutzs ver­tei­dig­te! Wir hof­fen, dass die REKOS sich auf lan­ge Sicht eta­blie­ren können.

7. Frank­reich ging in den ver­gan­ge­nen andert­halb Jah­ren neue Wege. Mil­lio­nen Bür­ger sind auf­ge­stan­den und haben gegen die Gesell­schafts­po­li­tik der sozia­li­sti­schen Regie­rung pro­te­stiert. Die Bür­ger­rechts­be­we­gung Manif pour tous ist dar­aus ent­stan­den und eine gan­ze Rei­he ande­rer neu­er Initia­ti­ven. Was ist in Frank­reich anders, daß dort der Bür­ger­pro­test nicht links steht und der Kampf um die kul­tu­rel­le Hege­mo­nie noch kei­nes­wegs ent­schie­den scheint? War­um wirkt der deut­sche Sprach­raum dage­gen wie erstarrt, als hät­te er sich fata­li­stisch mit einer links­li­be­ra­len Mei­nungs­ho­heit abgefunden?

TEUSCHER: Frank­reich ist eine Kul­tur der Revo­lu­ti­on. Wenn die bür­ger­li­chen Kräf­te kei­nen Wider­stand lei­sten, schrei­tet der von sexu­el­len Lin­ken betrie­be­ne Rela­ti­vis­mus in allen Bevöl­ke­rungs­grup­pen vor­an. Als die Sozi­al­de­mo­kra­ten Frank­reichs den zivi­li­sa­to­ri­schen Wan­del ein­läu­te­ten und Ehe und Fami­lie dem Rela­ti­vis­mus preis­ga­ben, reg­te sich blitz­schnell Wider­stand. Das war mög­lich, weil die katho­li­schen Fami­li­en­ver­bän­de seit über 100 Jah­ren durch täg­li­che Basis­ar­beit die Grund­la­gen des Wider­stands leg­ten. Außer­dem konn­ten wir in Frank­reich sehr auf den Rück­halt der Bischö­fe zäh­len. Die Her­aus­for­de­run­gen waren grund­le­gen­der Natur, und des­we­gen nahm auch das fran­zö­si­sche Epi­sko­pat dazu ein­deu­tig Stel­lung. Hier wei­sen die Bischö­fe Frank­reichs ande­ren Bischofs­kon­fe­ren­zen ein Bei­spiel. Aber die Bevöl­ke­rung hat­te auch die Nase voll: anstatt die Wirt­schaft anzu­kur­beln und die Indu­strie nicht mit unnö­ti­gen Regeln zu bela­sten, kon­zen­trier­te sich die Links-Regie­rung auf die Steue­rung sozia­ler Wer­te und Nor­men. Auch die bür­ger­li­che Par­tei UMP hat ihren Anteil am fort­schrei­ten­den Rela­ti­vis­mus in der fran­zö­si­schen Gesell­schaft. Der Erfolg der Lin­ken war ja nur mög­lich, weil die Bür­ger­li­chen ihre poli­ti­schen Posi­tio­nen rela­ti­vier­ten. Wenn die Volks­par­tei­en die Mit­te ver­las­sen, wen­den sich kon­sens­ori­en­tier­te Men­schen ab. Das erle­ben Sie in Deutsch­land mit dem Erfolg der Alter­na­ti­ve für Deutsch­land, wel­che in wirt­schafts­po­li­ti­schen Fra­gen die FDP erset­zen wird und nun­mehr auch eine sehr brauch­ba­re Alter­na­ti­ve für wert­kon­ser­va­ti­ve CDU-CSU-Anhän­ger dar­stellt. In Öster­reich gibt es die Reform­kon­ser­va­ti­ven. In Frank­reich ent­stan­den neue Par­tei­en und die gro­ße zivil­ge­sell­schaft­li­che Bewe­gung zum Schutz von Ehe und Fami­lie. Wis­sen Sie, dass die katho­li­schen Fami­li­en­ver­bän­de in Frank­reich seit über 100 Jah­ren täg­lich Basis­ar­beit lei­sten? Der Erfolg der zivil­ge­sell­schaft­li­chen Bewe­gung für Ehe und Fami­lie muss in die­ser Per­spek­ti­ve gese­hen wer­den. Ohne die­se Basis­ar­beit wäre die Revol­te gegen die lin­ke Regie­rung und den zivi­li­sa­to­ri­schen Wan­del gar nicht mög­lich gewesen.

8. Wie reagiert das fran­zö­si­sche Par­tei­en­sy­stem auf die­ses Phä­no­men, das der katho­li­sche Histo­ri­ker Rober­to de Mat­tei einen „latei­ni­schen Früh­ling“ nannte?

TEUSCHER: Frank­reich leb­te bis­lang in einem Zwei­par­tei­en­sy­stem: eine gro­ße bür­ger­li­che und eine gro­ße links­ge­rich­te­te Par­tei. Damit ist seit den Kom­mu­nal­wah­len in die­sem Früh­jahr Schluss. Die Natio­na­le Front konn­te sich als dritt­stärk­ste Par­tei eta­blie­ren. Sie hat also offen­bar einen gro­ßen Rück­halt in allen Bevöl­ke­rungs­grup­pen Frank­reichs. Soll­te man sie des­we­gen ver­teu­feln, oder die Skle­ro­se der Volks­par­tien behan­deln? Das Ende des fran­zö­si­schen Zwei­par­tei­en-Systems auf­grund der Natio­na­len Front ist eine Chan­ce und eine Gefahr zugleich. Um lang­fri­stig arbei­ten zu kön­nen, müs­sen wir uns ver­bün­den, auf Kern­the­sen beschrän­ken, kei­ne fal­schen Kom­pro­mis­se noch vor den Ver­hand­lun­gen ein­ge­hen, nicht zu jedem The­ma eine Grund­satz­de­bat­te ent­fa­chen und ein­fach auch den Mut haben, den poli­ti­schen Rela­ti­vis­mus der bür­ger­li­chen Par­tei­en auf­zu­zei­gen. Mit Respekt und Klarsicht.

Force Vie kandidiert in Frankreich zur Europawahl am 25. Mai 20149. Sie selbst kan­di­die­ren bei den Euro­pa­wah­len für die neue fran­zö­si­sche Liste Force Vie. Kön­nen Sie uns die Liste kurz vorstellen?

TEUSCHER: Gemein­sam mit Antoine Renard (Prä­si­dent der Euro­päi­schen Katho­li­schen Fami­li­en­ver­bän­de) sind wir eine Liste für muti­ge, wehr­haf­te Bür­ger. Wir sind eine freie Liste mit Kan­di­da­ten, die vor allem für ihren zivil­ge­sell­schaft­li­chen Ein­satz bekannt sind. Ich bin der ein­zi­ge wirk­li­che deut­sche Kan­di­dat bei der EU-Wahl in Frank­reich. Mar­tin Schulz von der SPD ist ja Kan­di­dat in Deutsch­land, selbst wenn der sozia­li­sti­sche Lügen­ba­ron aus Aachen so tut, als sei er Kan­di­dat ein biss­chen über­all und selbst in Frank­reich. Der Wahl­kampf ermög­licht, Men­schen über Euro­pa zu infor­mie­ren und Fra­gen zu beant­wor­ten, denen die­se Berufs-Poli­ti­ker ausweichen.

Vie­len Dank für das Interview!

Dan­ke auch.

Einleitung/​Interview: Giu­sep­pe Nardi
Bild: BMdI/​ECPM/​Force Vie

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5 Kommentare

  1. Dan­ke für das Inter­view. Es blei­ben aber Fra­gen: wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter der Frei­en Uni­ver­si­tät Brüs­sel??? Ist das nicht eine der Frei­mau­rer­hoch­bur­gen Bel­gi­ens? Krie­gen Chri­sten hier eine ver­meint­li­che „Oppo­si­ti­on“ vor­ge­setzt. Und noch etwas: Auch in der Slo­wa­kei ist nicht alles Gold, was glänzt, sie­he z.B. in der Buch­pu­bli­ka­ti­on „Die Löwen kommen“.

  2. Sogar die frü­her christ­li­che ÖVP bröckelt in der Fra­ge der Schwu­len-Geset­ze, kon­kret was die Gleich­stel­lung homo­se­xu­el­ler Paa­re in Sachen Kin­der-Adop­ti­on angeht.
    Dabei waren die bür­ger­li­chen, rechts­kon­ser­va­ti­ven Par­tei­en die­je­ni­gen die in der ver­gan­ge­nen Par­la­ments­pe­ri­ode gegen den Homo-Wahn­sinn gestimmt haben und die Lin­ken waren dafür. Wer ist aber jetzt noch wähl­bar, wenn sogar die kon­ser­va­ti­ven Par­tei­en nicht mehr kon­ser­va­tiv sind?

    • Ent­schul­di­gung, wo ist das Pro­blem, wenn Homo­se­xu­el­le hei­ra­ten dür­fen? Und wenn sie Kin­der adop­tie­ren, die viel­leicht vor­her per Abtrei­bung umge­bracht wer­den soll­ten? Tut lie­ber alles dafür, dass Kin­der leben dürfen!!!

  3. Lie­be Leute!

    Wer die AUF-Par­tei wählt, wählt christ­li­che Poli­ti­ker, die dem lin­ken main­stream Wider­stand lei­sten wer­den! Des­halb am 25. Mai die AUF-Par­tei wäh­len und über­zeug­ten Chri­sten eine Stim­me geben!

    • AUF ist für mich lei­der kei­ne Alter­na­ti­ve, vor allem will ich kei­ne Frau Meves im Par­la­ment sehen. Einer­seits begrü­ße ich ihr Enga­ge­ment für den Schutz der Unge­bo­re­nen, aber auf der andern Sei­te stellt sie eigent­lich gesun­de Men­schen in die kran­ke Ecke. Homo­se­xua­li­tät ist eine Erschei­nung in der Natur. Lasst doch lie­ber die Men­schen ihr Leben leben anstatt, dass sie dau­ernd sich unter­drücken müs­sen, mit Fol­gen, wie Ver­ge­wal­ti­gung, Abtrei­bung, Mord, Selbst­mord. Lebens­schutz und Lebens­recht bedeu­tet auch, dass Men­schen wie Homo­se­xu­el­le ihr Leben dür­fen, sie selbst sein dür­fen. Dies gilt eigent­lich für alle Men­schen. Und ein Mensch, der erst ein­mal er selbst ist, han­delt von Natur aus ver­ant­wor­tungs­vol­ler als ein Mensch, der sich unter­drücken muss. Oder anders: Ein glück­li­cher Mensch wird wohl kein Ver­bre­chen begehen…zumindest ist das sehr unwahrscheinlich.

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