Papst küßt „antiklerikalem“ Priester die Hand – Die linke Welt des Don Michele De Paolis


Handkuß des Papstes - unstandesgemäße, peinlich-kuriose Gesten eines Papstes. Unterstützt Franziskus die Inhalte von Don Michele?
Handkuß des Papstes - unstandesgemäße, peinlich-kuriose Gesten eines Papstes. Unterstützt Franziskus die Inhalte von Don Michele?

(Vati­kan) Vor zwei Tagen, am 6. Mai wur­de der Sale­sia­ner Don Miche­le De Pao­lis von Papst Fran­zis­kus emp­fan­gen. Der 93 Jah­re alte Prie­ster kon­ze­le­brier­te am Mor­gen mit dem Papst die Hei­li­ge Mes­se im Gäste­haus San­ta Mar­ta. Der Grün­der und heu­te Ehren­prä­si­dent der Gemein­schaft Emma­us in der apu­li­schen Stadt Fog­gia konn­te anschlie­ßend für „weni­ge Minu­ten“ mit dem Papst zusam​men​tref​fen​.Am Ende küß­te der Papst sei­nem Besu­cher die Hand. Die Sze­ne hat bereits für sich etwas irri­tie­rend Skur­ri­les. Wem aber küß­te der Papst da eigent­lich die Hand?

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Don De Pao­lis und sein Beglei­ter über­ga­ben dem Kir­chen­ober­haupt einen Meß­kelch und eine Hosti­en­scha­le aus Oli­ven­holz. Eine freund­li­che Geste und ein Geschenk, wenn auch laut kirch­li­chen Vor­schrif­ten nicht für den Meß­ge­brauch geeig­net. Aber sol­che „Klei­nig­kei­ten“ haben Don Miche­le De Pao­lis noch nie berührt, der dem Papst auch sein jüng­stes Buch mit dem Titel: „Ein unbe­que­mer Prie­ster“ (Un pre­te sco­mo­do) über­reich­te, dazu noch ein Gebets­an­lie­gen. Papst Fran­zis­kus, mit der ita­lie­ni­schen Spra­che noch nicht ganz ver­traut, mach­te unab­sicht­lich aus „sco­mo­do“ ein „inco­mo­do“, was soviel heißt wie „Ein Prie­ster der Umstän­de macht“. Was man­che Katho­li­ken Apu­li­ens durch­aus für zutref­fend hal­ten. Die eigent­li­che Über­ra­schung folg­te jedoch am Ende der Kurz­be­geg­nung, als der Papst Don De Pao­lis die Hand küß­te. „Eine Geste, um die Demut eines gro­ßen Man­nes vor einem ande­ren glei­cher Grö­ße zu bezeu­gen“, wie die links­an­ge­hauch­te Inter­net-Tages­zei­tung L’Immediato schwärmte.

Papst Franziskus: „Alles ist möglich. Sprich mit Kardinal Maradiaga“

„Don Miche­le“ wie der Prie­ster von allen genannt wird, berich­te­te auf sei­ner Face­book-Sei­te über die Begeg­nung mit dem Papst. „Ich habe mit dem Papst Fran­zis­kus kon­ze­le­briert. Ich habe das Evan­ge­li­um gele­sen. Nach der Zele­bra­ti­on emp­fing der Papst die Anwe­sen­den in einem ande­ren Saal. Wir, ich und mein Beglei­ter, waren die letz­ten.“ Man durf­te es nicht anders erwar­ten, gehö­ren Wor­te wie die „Letz­ten“, „Aus­ge­grenz­te“, „Mar­gi­na­li­sier­te“, „Aus­ge­sto­ße­ne“ zum Stan­dard­vo­ka­bu­lar eines Selbst­ver­ständ­nis­ses, das jenem der radi­ka­len Lin­ken ver­blüf­fend ähn­lich ist. Tat­säch­lich sind die Kon­tak­te in die­se Rich­tung sehr gut. Apu­li­en wird seit 2005 vom beken­nen­den Homo­se­xu­el­len und Kom­mu­ni­sten Nichi Ven­do­la regiert.

De Pao­lis wei­ter auf sei­nem Face­book-Ein­trag, was er dem Papst sag­te: „Wir möch­ten so gern eine Audi­enz für uns von Emma­us. Ist das mög­lich?‘ ‚Alles ist mög­lich. Sprich mit Kar­di­nal Mara­dia­ga und er soll alles vor­be­rei­ten.‘ Und dann (unglaub­lich) hat er mir die Hand geküßt! Ich habe ihn umarmt und geweint.“ Sei­ne Rüh­rung ist ver­ständ­lich. Man soll­te sich den­noch davor hüten in die Wort­fal­le die­ser anar­cho-katho­li­schen Rich­tung zu tap­pen. Sie jon­gliert mit berüh­ren­den Begrif­fen, wäh­rend ihre Dik­ti­on mar­xi­stisch zu den­ken ist. Unbe­darf­te Außen­ste­hen­de kön­nen sich da leicht ein­lul­len las­sen. Das von Papst Fran­zis­kus schon mehr­fach kri­ti­sier­te „ideo­lo­gi­sche“ Chri­sten­tum hat­te das Kir­chen­ober­haupt gewis­ser­ma­ßen leib­haf­tig vor sich ste­hen. Doch statt einer Ermah­nung, küß­te er dem süd­ita­lie­ni­schen „Don Gal­lo“ die Hand (zu Don Gal­lo sie­he den Bericht Don Gal­lo, der Prie­ster der fast alles leug­ne­te – Skan­dal bis ins Grab).

Ein ideologisches Christentum

Don Miche­le De Pao­lis ist gera­de­zu kli­schee­haft der Prie­ster, den man sich hin­ter dem von ihm gewähl­ten Titel für sein Buch erwar­tet. Der „unbe­que­me“ Prie­ster ver­stößt als untrüg­li­ches Erken­nungs­merk­mal gegen Regeln und Dog­men und schwimmt inner­kirch­lich „meist gegen den Strom“. Der aus wohl­ha­ben­dem Haus stam­men­de De Pao­lis (Jahr­gang 1921) wird von Freun­den als „extrem kom­ple­xe“ Per­sön­lich­keit beschrie­ben. Bei Kriegs­en­de trat er in den Sale­sia­ner­or­den ein, ging etli­che Jah­re in die Mis­si­on nach Mit­tel­ame­ri­ka, rück­te poli­tisch weit nach links und mach­te sich die Befrei­ungs­theo­lo­gie zu eigen. Die Prä­dis­po­si­ti­on dazu brach­te er bereits aus Euro­pa mit.

Alles spielt sich auf der zwi­schen­mensch­li­chen Ebe­ne ab, ist sozi­al moti­viert, der „Feind steht rechts“ und so weiß man nie recht, ob man einen Prie­ster, einen Sozi­al­ar­bei­ter oder einen Polit­ak­ti­vi­sten vor sich hat. Ob zu Abtrei­bung, Eutha­na­sie oder Homo­se­xua­li­tät habe er eine „authen­ti­sche Ant­wort, die sich nicht hin­ter Dog­men ver­steckt“, wie es in einer Rezen­si­on sei­nes Buches heißt.

Ent­schei­dend ist unter sei­nes­glei­chen eben, immer klar zu wis­sen, wozu man nicht gehört, wovon man sich distan­ziert. Hier die „freie“, undog­ma­ti­sche, mensch­li­che, „wah­re“, „pro­phe­ti­sche“ Do-it-yours­elf-Kir­che, dort die fin­ste­re, dog­ma­ti­sche, unmensch­li­che, macht­ver­ses­se­ne Amts­kir­che. Es ist die Adap­tie­rung der mar­xi­sti­schen Sicht vom immer­zu zor­ni­gen Arbei­ter gegen die Aus­beu­tung durch das Kapi­tal. Es ist die Welt des „authen­ti­schen Men­schen“, der immer­zu zor­nig ist über die „Unge­rech­tig­kei­ten“ in der Welt. Was „unge­recht“ ist, deckt sich wie­der­um mit der mar­xi­sti­schen Welt­sicht. Jeder Zwei­fel ist laut Don Miche­le berech­tigt und ver­langt nach einer Ant­wort. Gleich­zei­tig fügt er im dia­lek­ti­schen Zir­kel­schluß hin­zu: „Nie­mand von uns besitzt die Wahrheit“.

Das laizistische-antiklerikale „Credo“ von Don Michele

Auf sei­ner Face­book-Sei­te fin­det sich das per­sön­li­che „Cre­do“ des betag­ten, aber uner­müd­li­chen (No pasa­ran) Prie­sters: „Ich füh­le mich lai­zi­stisch, als demü­ti­ger Gläu­bi­ger, immer auf der Suche, Prie­ster für einen bereit­wil­li­gen, unei­gen­nüt­zi­gen, selbst­lo­sen Dienst in der christ­li­chen Gemein­schaft und der Gesell­schaft, an der Sei­te der Letz­ten. Ich füh­le mich anti­kle­ri­kal, das heißt kei­ner Kaste zuge­hö­rend, kei­ner Kate­go­rie; ich füh­le mich nicht als Funk­tio­när der Reli­gi­on. Ich ver­su­che den Men­schen Frie­den und Freu­de zu geben, die sich in den dra­ma­tisch­sten Situa­tio­nen der Exi­stenz befin­den: Ungläu­bi­ge, Getrenn­te, Geschie­de­ne, in eine Abtrei­bung Gera­te­ne, Homo­se­xu­el­le, Ver­zwei­fel­te, die Viel­zahl der Aus­ge­grenz­ten. Ich suche das Licht des Evan­ge­li­ums zu in der Kir­che umstrit­te­nen The­men, wie den Zöli­bat der Prie­ster, das Frau­en­prie­ster­tum, die Pädo­phi­lie, die Krank­heit und das Lebens­en­de.“ Nicht nur Homo­se­xua­li­tät, son­dern auch noch die Pädophilie?

Zu den Favo­ri­ten des lai­zi­stisch-anti­kle­ri­ka­len Prie­sters gehört der Athe­ist Euge­nio Scal­fa­ri, der maß­geb­lich die kir­chen­fer­ne Marsch­rou­te in Poli­tik und Kul­tur auf der Apen­ni­nen­halb­in­sel vorgibt.

Position der Kirche zur Homosexualität ist „maximale Heuchelei“

2010 grün­de­te Don Miche­le De Pao­lis mit einem „respekt­vol­len Athe­isten“ und Homo­se­xu­el­len Gabrie­le Scalf­arot­to die Homo-Grup­pe AGe­DO (Glau­be und Homo­se­xua­li­tät). Scalf­arot­to ist ein „har­ter Kämp­fer in der Schlacht für die Rech­te der LGBT. Don Miche­le ist mit ihm, um die­se Schlacht zu kämp­fen und zu gewin­nen“, so die Grup­pe LGBT-Chri­sten von Paler­mo. Zu Homo­se­xua­li­tät und Homo­se­xu­el­len hat der Prie­ster des lin­ken Gen­res kla­re Vor­stel­lun­gen: „Heu­te ist die Hal­tung der Kir­che zu den Homo­se­xu­el­len streng, unmensch­lich und ver­ur­sacht viel Leid, indem sie behaup­tet, daß Homo­se­xua­li­tät Sün­de ist. Eini­ge Kir­chen­leu­te sagen: ‚Es ist in Ord­nung homo­se­xu­ell zu sein, aber sie dür­fen kei­ne Ver­hält­nis­se haben, sie dür­fen sich nicht lie­ben!‘ Das ist maxi­ma­le Heu­che­lei. Das ist als wür­de man einer Pflan­ze sagen: ‚Du darfst nicht blü­hen, du darfst kei­ne Früch­te tra­gen!‘ Das schon ist gegen die Natur!“ So der Prie­ster in einem Inter­view mit der LGBT-Grup­pe Bethel von Genua.

„Nicht alle in der Kirche sind an Homophobie erkrankt“

Don Miche­le De Pao­lis ist ein „Kämp­fer gegen alle Vor­ur­tei­le, die aus den Köp­fen und Her­zen vie­ler Per­so­nen aus­ge­merzt wer­den müs­sen, denen er auf sei­nem Weg als Prie­ster begeg­net. Das sei das min­de­ste was jeder jeden Tag tun kann, ob er nun reli­gi­ös oder nicht reli­gi­ös ist, so Don Miche­le.“ Und über­haupt, so De Pao­lis, sei­en in der „hei­li­gen Kir­che Got­tes nicht alle an Homo­pho­bie erkrankt“. Des­halb schrieb der Prie­ster in einem Bei­trag für die LGBT-Grup­pe von Lec­ce: „Aus euch ‚Hete­ro­se­xu­el­le‘ machen zu wol­len, hie­ße, wider die Natur han­deln und aus euch unglück­li­che Psy­cho­pa­then zu machen. Wir müs­sen uns in den Kopf set­zen, daß Gott unser Vater will, daß wir, sei­ne Kin­der, glück­lich wer­den, indem wir die Gaben frucht­bar machen, die Er uns in unse­re ‚Natur‘ gelegt hat! (…) Ihr habt das Recht euch einen Part­ner zu suchen. Und seid ganz unbe­sorgt: wo aga­pe ist, ist Gott. Lebt eure Lie­be mit Freu­de. Und mit unse­rer Mut­ter Kir­che müs­sen wir Geduld haben. Ihre Hal­tung zu Homo­se­xu­el­len wird sich ändern. In die­sem Sinn ent­ste­hen bereits zahl­rei­che Initiativen.“

Gefahr des „Fundamentalismus“: „Nicht wörtlich nehmen, was in der Bibel steht“

In einem ande­ren Auf­satz schrieb De Pao­lis im Zusam­men­hang mit Homo­se­xua­li­tät: „Wir müs­sen unser Den­ken von einer Gefahr befrei­en: den Fun­da­men­ta­lis­mus, das heißt, das wört­lich zu neh­men, was die Bibel sagt. Der neue Gehor­sam gegen­über dem Evan­ge­li­um ist frei­er, ver­ant­wor­tungs­vol­ler und bewuß­ter. Statt Ener­gien in end­lo­sen kirch­li­chen Pole­mi­ken zu ver­geu­den, zielt man dar­auf ab, eine neue christ­li­che Spi­ri­tua­li­tät der freu­di­gen Annah­me von sich selbst auf­zu­bau­en, der Dank­bar­keit gegen­über Gott im Bewußt­sein, daß die homo­se­xu­el­le Lie­be Sein Geschenk ist, nicht weni­ger als die heterosexuelle.“

Papst Fran­zis­kus küß­te dem Anar­chop­rie­ster die Hand. Was woll­te er damit sagen?

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: L’Im­me­dia­to (Screen­shot)

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