Was genau ist ein Traditionalist?


tradsDaß es heu­te Katho­li­ken gibt, die als „Tra­di­tio­na­li­sten“ bezeich­net wer­den, ist eine bei­spiel­lo­se Ent­wick­lung in der gesam­ten bis­he­ri­gen Geschich­te der katho­li­schen Kir­che. Selbst auf dem Höhe­punkt der aria­ni­schen Kri­se – die ange­mes­sen­ste Ana­lo­gie zu unse­rer Situa­ti­on – war die Kir­che nicht auf­ge­teilt zwi­schen Tra­di­tio­na­li­sten und Nicht-Tra­di­tio­na­li­sten, son­dern viel­mehr zwi­schen jenen, wel­che die Häre­sie des Ari­us nicht ange­nom­men hat­ten, und jenen, wel­che sie ange­nom­men hatten.

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Doch was genau ist ein Tra­di­tio­na­list? Ein Blick zurück dar­auf, wie die Din­ge einst waren, könn­te die Bedeu­tung des Begriffs wir­kungs­vol­ler ver­mit­teln als die übli­chen Ver­su­che einer for­ma­len Definition:

  • Einst gab es kei­nen in die gewöhn­li­chen Spra­chen der Welt über­setz­ten Ritus der Mes­se. Es gab nur die uni­ver­sa­le lit­ur­gi­sche Spra­che einer zeit­lo­sen Kir­che, wie man es sieht im uralten römi­schen Ritus, des­sen orga­ni­sche Ent­wick­lung bei­na­he umerk­lich seit dem fünf­ten Jahr­hun­dert fort­schritt, oder in den ehr­wür­den öst­li­chen Riten, fast eben­so alt, die über­wie­gend dem rasen­den lit­ur­gi­schen Van­da­lis­mus ent­ge­hen konn­ten, der die wich­tig­ste Lit­ur­gie der Kir­che ver­wü­stet hat.
  • Einst gab es kei­ne Altar­ti­sche nach luthe­ri­schem Stil in unse­ren Kir­chen, son­dern aus­schließ­lich auf Gott ori­en­tier­te Hoch­al­tä­re, deren Aus­se­hen allein den Sinn für Ehr­furcht und Andacht weckte.
  • Einst gab es kei­ne Lai­en als Lek­to­ren, Lai­en als „Kom­mu­ni­on­hel­fer“ oder Mäd­chen im Altar­raum, son­dern nur Prie­ster, Dia­ko­ne auf dem Weg zum Prie­ster­tum und männ­li­che Altar­die­ner, wel­che die haupt­säch­li­che Ursa­che für eine Gene­ra­ti­on nach der ande­ren mit prie­ster­li­cher Beru­fung waren und die Semi­na­ri­en füllten.
  • Einst gab es kei­ne pro­fa­ne Musik wäh­rend der Mes­se, son­dern nur gre­go­ria­ni­schen Cho­ral oder Poly­pho­nie, die See­le zur Kon­tem­pla­ti­on des Gött­li­chen bewe­gend – und eben nicht Klop­fen mit den Füßen, Klat­schen mit den Hän­den oder blo­ße Langeweile.
  • Einst gab es kei­ne weit­ver­brei­te­ten lit­ur­gi­schen Miss­bräu­che. Im schlimm­sten Fall gab es Prie­ster, wel­che die tra­di­tio­nel­le Mes­se ver­huscht zele­brier­ten, aber inner­halb eines rubri­zi­sti­schen, text­li­chen und musi­ka­li­schen Rah­mens, der trotz allem das zen­tra­le Myste­ri­um vor jeder Mög­lich­keit der Pro­fa­nie­rung schütz­te und die höch­ste Wür­de des Got­tes­dien­stes vor mensch­li­cher Schwä­che bewahrte.
  • Einst gab es kei­ne „Homo-Mafia“ in den Semi­na­ri­en, den Kanz­lei­en und im Vati­kan selbst, oder kle­ri­ka­le „Raub­tie­re“, die Jun­gen auf der gan­zen Welt sexu­ell miss­brau­chen, weil die Auto­ri­tä­ten der Kir­che die Norm anwand­ten, wonach „Ordens­ge­lüb­de und Wei­hen jenen ver­wei­gert sein sol­len, die geplagt sind durch schlech­te Nei­gun­gen zu Homo­se­xua­li­tät oder Päderastie …“
  • Einst gab es kei­ne leer­ste­hen­den Semi­na­ri­en, leer­ste­hen­den Klö­ster, auf­ge­ge­be­nen Pfar­rei­en und ver­las­se­nen katho­li­schen Schu­len. Es gab nur Semi­na­ri­en, Klö­ster, Pfar­rei­en und Schu­len, gefüllt mit Gläu­bi­gen aus gro­ßen Familien.
  • Einst gab es kei­nen „Öku­me­nis­mus“. Es gab nur die Über­zeu­gung, daß die katho­li­sche Kir­che die ein­zig wah­re Kir­che ist, außer­halb derer nie­mand erlöst ist. Katho­li­ken folg­ten der Leh­re der Kir­che, wonach „es den Gläu­bi­gen nicht erlaubt ist, auf irgend­wel­che Wei­se aktiv zu hel­fen bei oder teil­zu­neh­men an dem Kult von Nicht-Katho­li­ken“, und sie ver­stan­den, wenn auch nur impli­zit, wor­auf Papst Pius XI. bestand: „Ihr seht, ehr­wür­di­ge Brü­der, wie sehr die­se Fra­ge Uns am Her­zen liegt, und auch alle Unse­re Kin­der sol­len das erfah­ren, so ist es Unser Wunsch, nicht nur jene, die schon zur katho­li­schen Kir­che gehö­ren, son­dern auch alle, die von Uns getrennt sind. Wenn die­se in demü­ti­gem Gebet das Licht vom Him­mel erfle­hen, dann wer­den sie ohne Zwei­fel die eine wah­re Kir­che Jesu Chri­sti erken­nen und wer­den dann in sie ein­tre­ten und mit Uns in voll­kom­me­ner Lie­be ver­bun­den sein.“
  • Einst gab es kei­nen „Dia­log“. Es gab nur Evan­ge­li­sie­rung durch Kle­rus und Lai­en­a­po­lo­ge­ten, mit dem Ziel, ande­re zur wah­ren Reli­gi­on zu bekeh­ren. Und es gab in der Tat Kon­ver­ti­ten. Sie tra­ten zur Kir­che über in so gro­ßer Zahl, daß es den Anschein hat­te, als wer­den die Ver­ei­nig­ten Staa­ten eine katho­li­sche Nati­on – schau­ten doch 30 Mil­lio­nen Ame­ri­ka­ner jeden Sonn­tag Bis­hof Ful­ton Sheen.
  • Einst gab es kei­nen Mas­sen­ab­fall von Prie­stern, Ordens­leu­ten und Lai­en, was zu einer „schwei­gen­den Apo­sta­sie“ in Euro­pa und im gan­zen Westen führ­te. Es gab viel­mehr das, was ein Kon­zils­va­ter des Zwei­ten Vati­ka­nums zu Beginn des Kon­zils beschrieb: „Die Kir­che, unge­ach­tet der Ver­häng­nis­se, wel­che die Welt pla­gen, durch­lebt ein herr­li­ches Zeit­al­ter, wenn man das christ­li­che Leben des Kle­rus und der Gläu­bi­gen betrach­tet, die Ver­brei­tung des Glau­bens, und den heil­sa­men all­ge­mei­nen Ein­fluss der Kir­che in der Welt heute.“
  • Einst gab es kei­ne „katho­li­schen Cha­ris­ma­ti­ker“, „Neo­ka­techu­me­na­len“ oder ande­re „neue geist­li­che Gemein­schaf­ten“, die merk­wür­di­ge neue Arten des Kul­tes, erfun­den von ihren Grün­dern, vor­an­trei­ben. Es gab nur Katho­li­ken, die auf die glei­che Wei­se wie ihre Vor­fah­ren bete­ten, mit unge­bro­che­ner Kon­ti­nui­tät durch die Jahrhunderte.
  • Einst gab es kei­ne Tra­di­tio­na­li­sten, denn es bestand kei­ne Not­wen­dig­keit, einen Katho­li­ken mit die­sem Begriff zu beschrei­ben. Alle Katho­li­ken akzep­tier­ten instink­tiv, was eine Rei­he von Päp­sten als Teil unse­res Glau­bens­be­kennt­nis­ses vor­schrieb: „Die apo­sto­li­schen und kirch­li­chen Über­lie­fe­run­gen und die übri­gen Gewohn­hei­ten und Ver­ord­nun­gen die­ser Kir­che neh­me ich fest und freu­dig an.“

Das sind die Din­ge, wie sie einst waren. Und wann war die­ses ver­gan­ge­ne Zeit­al­ter, von dem ich schrei­be? Nicht vor Jahr­hun­der­ten, nicht ein­mal vor einem Jahr­hun­dert oder einem ein­zi­gen Lebens­al­ter, son­dern vor gera­de 50 Jah­ren, im leben­di­gen Gedächt­nis von Mil­lio­nen Katho­li­ken heute.

Was ist also ein Tra­di­tio­na­list? Er ist nicht mehr oder weni­ger als ein Katho­lik, der dabei geblie­ben ist, den Glau­ben genau so zu prak­ti­zie­ren, wie er ihn in sei­ner Kind­heit gelernt hat, oder der den­sel­ben unver­än­der­ten Glau­ben von sei­nen Eltern emp­fan­gen hat und ihn sei­ner­seits sei­nen eige­nen Kin­dern wei­ter­gibt. Ein Tra­di­tio­na­list, mit ande­ren Wor­ten, ist ein Katho­lik, der den Glau­ben lebt, als hät­ten die kirch­li­chen Ver­häng­nis­se der post­kon­zi­lia­ren Epo­che nie statt­ge­fun­den – wahr­haf­tig so, als hät­te das Zwei­te Vati­ka­num nie statt­ge­fun­den. Und die erstaun­li­che Wahr­heit über den Tra­di­tio­na­li­sten ist, daß nicht eine Leh­re oder dis­zi­pli­nä­re Norm der Kir­che ihm ver­bie­tet, so zu glau­ben und Gott auf genau die­se Wei­se zu ver­eh­ren, auch wenn das gro­ße Über­macht der Katho­li­ken dies nicht län­ger tut.

Die Katho­li­ken, die schlicht wei­ter geglaubt und gebe­tet haben, wie Katho­li­ken vor dem Kon­zil es immer getan haben, sind dazu gekom­men, Tra­di­tio­na­li­sten genannt zu wer­den – histo­risch betrach­tet voll­kom­men unver­mit­telt. Daß das Wort „Tra­di­ti­on“ jetzt die­se ver­hält­nis­mä­ßig weni­gen Katho­li­ken von der gewal­ti­gen Mehr­heit der Kir­chen­mit­glie­der unter­schei­det, ist das unbe­streit­ba­re Zei­chen einer Kri­se, die ungleich jeder ande­ren ist, wel­che die Kir­che je erleb­te. Jene, die dies ver­nei­nen, müß­ten erklä­ren, war­um der Glau­be nur inner­halb die­ser trans­for­mier­ten gewal­ti­gen Mehr­heit, kor­rekt als „neo-katho­lisch“ beschrie­ben, kon­ti­nu­ier­lich die Leu­te aus der Hand gibt, wobei vie­le in die „stil­le Apo­sta­sie“ abfal­len, die Johan­nes Paul II. zuletzt beklag­te, nach­dem er für so vie­le Jah­re der „kon­zi­lia­ren Erneue­rung“ zuju­bel­te, die in Wirk­lich­keit ein mas­si­ver Zusam­men­bruch des Glau­bens und der Dis­zi­plin war.

Spe­zi­ell müß­ten sie erklä­ren, war­um wir nur inner­halb der gewal­ti­gen Mehr­heit von „Kon­zils­ka­tho­li­ken“ die Beob­ach­tung machen, daß

  • mehr als ein Vier­tel aller Ehen in Schei­dung enden, mit Mil­lio­nen von geschie­de­nen und „wie­der­ver­hei­ra­te­ten“ Katho­li­ken welt­weit, deren andau­ern­dem Ehe­bruch Kar­di­nal Kas­per ent­ge­gen­kom­men will, mit der schein­ba­ren Unter­stüt­zung des der­zeit herr­schen­den Papstes;
  • Gebur­ten, Tau­fen, sakra­men­ta­le Ehen, Bekeh­run­gen und die Teil­nah­me bei der Mes­se seit dem Kon­zil uner­bitt­lich abnehmen;
  • es eine weit­ver­brei­te­te Ableh­nung der unfehl­ba­ren Leh­re der Kir­che zu fun­da­men­ta­len Ange­le­gen­hei­ten des Glau­bens und der Moral gibt;
  • es zu einem plötz­li­chen und dra­ma­ti­schen Ver­lust priest­li­cher Beru­fun­gen, der das katho­li­sche Prie­ster­tum etwas weni­ger umfang­reich hin­ter­läßt als es 1970 der Fall war, sowie seit­her zu einer dra­sti­schen Abnah­me der Zahl von Ordens­leu­ten kam – trotz einer Ver­dop­pe­lung der Weltbevölkerung.

Sie müß­ten auch erklä­ren, war­um nur inner­halb der win­zi­gen Min­der­heit der Katho­li­ken, die jetzt als Tra­di­tio­na­li­sten bezeich­net wer­den, kei­nes die­ser Anzei­chen kirch­li­chen Ver­falls offen­bar wird.

In den ver­gan­ge­nen Tagen scheint die kirch­li­che Kri­se, mit der wir nun seit mehr als einem hal­ben Jahr­hun­dert zusam­men­le­ben, einen Tief­punkt erreicht zu haben, von dem es ohne wun­der­sa­me gött­li­che Inter­ven­ti­on kei­ne Ret­tung gibt. Die Welt singt dem neu­en Papst „Hosan­na“, wäh­rend sie ihn drängt zur end­gül­ti­gen Voll­endung – per impos­si­bi­le – des Pro­zeß­es der kirch­li­chen Selbst­zer­stö­rung, den Paul VI. in sei­nen letz­ten Jah­ren beklag­te, obwohl er ihn selbst in Gang gesetzt hat­te. Und doch setzt das neo-katho­li­sche Estab­lish­ment sei­nen zuver­sicht­lich Marsch jen­seits des Punk­tes, von dem an es kein Zurück mehr gibt, fort, indem es die Anzei­chen des Desa­sters weg­in­ter­pre­tiert, wäh­rend es Tra­di­tio­na­li­sten von oben her­ab als hart­näcki­ge Lieb­ha­ber der Sehn­sucht nach der Ver­gan­gen­heit behan­delt, deren Emp­fin­dun­gen man eine Hei­mat geben kann, auch wenn sie für die Zukunft der Kir­che nicht län­ger von Bedeu­tung sind. Aber in Wahr­heit sind die Tra­di­tio­na­li­sten die Zukunft der Kir­che, wie die Geschich­te über unse­re Zeit ver­mer­ken wird, wenn sie geschrie­ben wurde.

Was genau ist ein Tra­di­tio­na­list? Er ist, was jeder Katho­lik einst war – und wie­der sein wird, wenn die Kri­se vor­über ist.

Text: Chri­sto­pher A. Ferrara/​ The Rem­nant
Über­set­zung: M. Bene­dikt Buerger
Bild: The Remnant

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