Widersprüchliche Erklärungsversuche: Handelt einmal Papst Franziskus, ein andermal Jorge Mario Bergoglio? – Noch einmal vom schwierigen Umgang katholischer Medien mit diesem Pontifikat


Telefonseelsorge von Papst Franziskus(Rom) Der jüdi­sche Kon­ver­tit Ari­el Levi di Gual­do, der katho­li­scher Prie­ster wur­de, schrieb dem Chef­re­dak­teur einer bekann­ten katho­li­schen Inter­net­sei­te einen Brief. Anlaß war der Tele­fon­an­ruf von Papst Fran­zis­kus bei einer Argen­ti­nie­rin und die dabei angeb­lich von ihm gemach­ten Aus­sa­gen. Grund ist die Art und Wei­se, wie von bestimm­ten katho­li­schen Medi­en umstrit­te­ne Aktio­nen des der­zei­ti­gen Pap­stes gerecht­fer­tigt, ver­harm­lost, mini­miert, aus­ge­blen­det und umge­deu­tet werden.

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Seit Beginn des Pon­ti­fi­kats von Papst Fran­zis­kus befin­den sich eini­ge kir­chen­treue, katho­li­sche Medi­en in einer nicht benei­dens­wer­ten Zwick­müh­le. Wie mit dem Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus umge­hen? Die Koor­di­na­ten der ver­gan­ge­nen Jah­re unter Papst Bene­dikt XVI. gel­ten nicht mehr. Eine bedin­gungs­lo­se Vogel-Strauß-Hal­tung nach dem Mot­to: „Alles ist super, was der Papst macht“, läßt sich nur um einen hohen und vor allem bit­te­ren Preis durchhalten. 

Sie erfor­dert, kri­ti­sches Den­ken abzu­stel­len, und jede abwei­chen­de Anfra­ge als Maje­stäts­be­lei­di­gung zu eli­mi­nie­ren. Dabei muß es schmerz­haft auf­sto­ßen, sich plötz­lich mit den­sel­ben Leu­ten im Jubel­chor wie­der­zu­fin­den, die man viel­fach bis gestern teils unter Opfern kri­ti­sier­te, weil sie für schwer­wie­gen­de Miß­stän­de in den Orts­kir­chen ver­ant­wort­lich sind oder die­se zumin­dest dul­den. Da muß sich gera­de­zu die Fra­ge auf­zwin­gen, ob man nicht im fal­schen Boot sitzt. Muß?

Man­che schei­nen ziem­lich resi­stent. Wann immer Papst Fran­zis­kus sich eine „Berg­o­glia­de“ gelei­stet hat, weil er immer wie­der zu ver­ges­sen scheint, der Papst und damit der Stell­ver­tre­ter Chri­sti und Nach­fol­ger des Petrus zu sein und nicht ein gefäl­li­ger, unver­bind­lich-salop­per, qua­si anony­mer Pfar­rer irgend­wo, kom­men die­se kir­chen­treu geblie­be­nen, aber unkri­tisch gewor­de­nen Katho­li­ken und voll­zie­hen wah­re akro­ba­ti­sche Mei­ster­lei­stun­gen um in allen nur denk­ba­ren Vari­an­ten kri­tisch Anfra­gen­den zu ver­klickern, daß alles in bester Ord­nung und der Rest ledig­lich „Miß­ver­ständ­nis­se“ sei­en, daß immer jemand ande­rer etwas falsch ver­stan­den hat und immer jemand ande­rer schuld ist.

Dazu gehö­ren auch schi­zo­phre­ne Erklä­rungs­va­ri­an­ten, wie die Unter­schei­dung eines „offi­zi­el­len“ Pap­stes und eines „pri­va­ten“ Pap­stes, als sei der Han­deln­de in bestimm­ten Fäl­len Papst Fran­zis­kus, in ande­ren Jor­ge Mario Berg­o­glio. Sie kom­men an den umstrit­te­nen „Berg­o­glia­den“ nicht vor­bei, weil sie meist jedes papst­ge­mä­ße Han­deln an öffent­li­cher Auf­merk­sam­keit in den Schat­ten stel­len und in Win­des­ei­le auch im letz­ten Win­kel die­ser Erde bekannt sind. Sie mei­den es aber krampf­haft, zum Kern der Fra­ge vor­zu­drin­gen: Bergoglio.

Der katho­li­sche Prie­ster Ari­el Ste­fa­no Levi di Gual­do schrieb dem Chef­re­dak­teur einer katho­li­schen Inter­net­sei­te, der treu katho­lisch und fromm ist, auch vie­le Fra­gen stellt, doch die Kern­fra­ge mei­det, einen Brief, um die­sen span­nungs­ge­la­de­nen Wider­spruch auf­zu­zei­gen. Hier die deut­sche Über­set­zung. Wir ver­zich­ten dabei dar­auf, den Namen des Chef­re­dak­teurs und sei­ner Inter­net­sei­te zu nen­nen. Statt­des­sen kann jeder selbst Namen ein­set­zen. Kan­di­da­ten dafür gibt es ja auch im deut­schen Sprachraum.

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Wer spekuliert mit den Telefonanrufen Bergoglios?

von Ari­el S. Levi di Gualdo

Dein jüng­ster Arti­kel ist wirk­lich tadel­los und sogar nach­voll­zieh­bar, vor allem wenn Du schreibst:

„Kurz­um, der Effekt Berg­o­glio hat nur am Ran­de mit dem wirk­li­chen Papst Fran­zis­kus zu tun, viel aber mit den Wün­schen und den Erwar­tun­gen der Welt – und eines Teils der Kir­che – bezüg­lich des der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kats. Und das gilt auch für jene in der Kir­che, die sich selbst zu offi­zi­el­len Inter­pre­ten des Pap­stes ernannt haben. Der jüng­ste Fall ist der einer Argen­ti­nie­rin, die im ver­gan­ge­nen Sep­tem­ber dem Papst in einem Brief ihre Situa­ti­on als Frau geschil­dert hat, die seit 19 Jah­ren mit einem geschie­de­nen Mann ver­hei­ra­tet ist und des­halb dar­an gehin­dert ist, die Kom­mu­ni­on zu emp­fan­gen. Der Papst – berich­te­te der Mann – rief sie gleich nach Ostern an, ent­schul­dig­te sich für die ver­spä­te­te Ant­wort und sag­te ihr, daß sie getrost die Kom­mu­ni­on emp­fan­gen kön­ne und sich ohne­hin der Vati­kan mit die­sem Pro­blem befasse.“

War­um behaup­te ich aber, daß Du um die Scha­le her­um­tanzt, Dich aber davor hütest, zum Kern zu kom­men, was ohne Zwei­fel bit­ter und schmerz­voll ist, für vie­le treue Katho­li­ken und vie­le treue Prie­ster sogar beschä­mend? Weil Du, trotz Dei­nes wah­ren Glau­bens und Intel­lekts Dir die zen­tra­le Fra­ge nicht stellst und kei­ne Ant­wort dar­auf gibst. Mit ande­ren Wor­ten: Wer ver­ur­sacht denn bestimm­te Miß­ver­ständ­nis­se, nicht sel­ten sogar sehr schwer­wie­gen­de, die dann akro­ba­ti­sche Aus­le­gun­gen ver­lan­gen, um zu sagen, daß der Papst das viel­leicht nicht gesagt hat, oder nicht so gesagt hat, oder wenn er es doch gesagt hat, damit nicht das sagen woll­te, was ande­re von dem miß­ver­stan­den haben, was er gesagt hat?

Es ist gera­de das manch­mal unbe­dach­te Reden von Jor­ge Mario Berg­o­glio, das häu­fig nicht klar, son­dern zwei­deu­tig und vage ist, vor allem wenn er sich äußern soll­te, wie es sich für den Römi­schen Papst Fran­zis­kus gehört.

Der Römi­sche Papst hat eine ihm eige­ne und vor allem uni­ver­sa­le Spra­che, und nicht irgend­ei­nen Jar­gon von „neben­an“. Der Römi­sche Papst ver­fügt eben­so über eige­ne For­men, über die er sich äußert: Homi­li­en, Loku­tio­nen, Enzy­kli­ken, Brie­fe und Apo­sto­li­sche Schrei­ben … und häu­fig wer­den die­se Tex­te vor ihrer Ver­laut­ba­rung, Ver­öf­fent­li­chung und Ver­brei­tung geprüft von den besten Theo­lo­gen, Phi­lo­so­phen, Histo­ri­kern, Juri­sten, Sozio­lo­gen, Poli­to­lo­gen, Diplo­ma­ten und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­auf­tra­gen, die etwas pro­fes­sio­nel­ler sind, als es Pater Feder­i­co Lom­bar­di ist, der dem wirk­li­chen Genie Joa­quin Navar­ro-Valls nach­ge­folgt ist, weil nach so vie­len Jah­ren, in denen das vati­ka­ni­sche Pres­se­amt von einem füh­ren­den Ange­hö­ri­gen des Opus Dei gelei­tet wur­de, irgend­wie auch den Gegen­spie­lern, den Jesui­ten, ein Bon­bon gege­ben wer­den muß­te. Um uns zu ver­ste­hen: im gegen­tei­li­gen Fall wären die Din­ge anders ver­lau­fen, schließ­lich spre­chen wir von zwei Hun­den – wie eine alte Fabel sagt – die am sel­ben Kno­chen nagen wol­len, schlim­mer noch, die ihn in ihren Besitz brin­gen wol­len. Sowohl die einen wie die ande­ren sind der Kir­che und dem Papst­tum treu erge­ben, solan­ge die Kir­che und das Papst­tum das tun, was sie wol­len, andern­falls zögern sie nicht, mit gebo­te­ner Iro­nie zu erklä­ren, ja nicht die Schwei­zer Gar­de des Pap­stes zu sein.

Der Hei­li­ge Vater ist sowohl als Nach­fol­ger des Petrus als auch als Pri­vat­leh­rer frei, alle „Tele­fon­seel­sor­ge zu machen, die er will“, wäh­rend es aber Bischö­fen ver­schie­de­ner Welt­ge­gen­den, die in sehr schwie­ri­gen Situa­tio­nen der offe­nen Ver­fol­gung ihrer Orts­kir­chen und ihrer Gläu­bi­gen leben, nicht ein­mal gelingt emp­fan­gen zu wer­den. Oder wäh­rend gute Prie­ster, die gera­de dafür häu­fig inner­halb der Diö­ze­sen oder kirch­li­cher Struk­tu­ren einem regel­rech­ten kle­ri­ka­len Abschlach­ten aus­ge­setzt sind, nie eine Ant­wort auf ihre Bit­ten erhiel­ten, obwohl ihre Lage manch­mal wirk­lich him­mel­schrei­end ist.

Ich wer­de nicht auf­hö­ren im Römi­schen Papst Fran­zis­kus den recht­mä­ßi­gen Nach­fol­ger Petri zu sehen und zu ehren, so sehr es mich gleich­zei­tig betrübt, daß Jor­ge Mario Berg­o­glio zuwei­len zeigt, auch durch Aktio­nen einer „neu­en Tele­fon­seel­sor­ge“, daß er Pro­ble­me damit zu haben scheint, nicht mehr Simon zu sein. So deut­lich, daß man­che sogar einen schreck­li­chen Zwei­fel äußern, der ande­ren über­trie­ben scheint, der aber gera­de des­halb einer gründ­li­che­ren Über­le­gung bedürf­te: „Simon hat Petrus ent­thront“ (Mario Pal­ma­ro und Ales­san­dro Gnoc­chi: Chri­stus ist kei­ne Opti­on unter vie­len, schon gar nicht für sei­nen Stell­ver­tre­ter auf Erden – War­um uns die­ser Papst nicht gefällt, 9. Okto­ber 2013). Ein Simon, der unter ande­rem nicht imstan­de scheint, ent­schie­den und deut­lich Ja zu sagen, wenn es Ja ist und Nein zu sagen, wenn es Nein ist, im Bewußt­sein, daß das zuviel, aber in die­sen Zei­ten auch das zuwe­nig, vom Bösen kommt (vgl. Mt. 5,37).

Wenn Du meinst, dann spiel wei­ter mit der Scha­le des „Wer hat nicht ver­stan­den?“, um den Kern, das wirk­li­che The­ma nicht auf­grei­fen zu müs­sen: „Wer ist es denn, ganz kon­kret, der sich schlecht ausdrückt?“
Ich wer­de nun ver­su­chen, zu erklä­ren, wer sich schlecht aus­drückt, indem ich aus­zugs­wei­se die Gedan­ken eines pri­va­ten Gesprächs zwi­schen mir und einem geschätz­ten Mit­bru­der im Prie­ster­amt und erfah­re­nen Theo­lo­gen, dem Domi­ni­ka­ner Gio­van­ni Caval­co­li wiedergebe.

„(…) Der welt­wei­te Erfolg des Pap­stes hängt damit zusam­men, daß die gro­ßen Strö­mun­gen und die ober­sten Mäch­ti­gen der Lai­zi­sten, Frei­mau­rer, Libe­ra­len, Befrei­ungs­theo­lo­gen und Moder­ni­sten ihn – indem sie sich völ­lig irren und täu­schen – für einen der ihren hal­ten. Und er scheint sich der­zeit ja tat­säch­lich nicht sehr dar­um zu bemü­hen, die­ses unheim­li­che Miß­ver­ständ­nis auf­zu­klä­ren. Ganz im Gegen­teil, manch­mal hat man fast den Ein­druck, daß er mit die­sem Miß­ver­ständ­nis auf unüber­leg­te und gefähr­li­che Wei­se spielt. Bei vie­len Gele­gen­hei­ten steht er nur auf einer Sei­te und ver­nach­läs­sigt die ande­re und erscheint dadurch ein­sei­tig und par­tei­isch. Man den­ke nur an die kom­mis­sa­ri­sche Ver­wal­tung für die Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta, die sich „schul­dig“ gemacht haben – und wir wis­sen es genau – inter­na­tio­na­le Tagun­gen orga­ni­siert zu haben, um die Theo­lo­gie aller gefähr­li­chen Stars der Nou­vel­le Théo­lo­gie zu demon­tie­ren, ange­fan­gen von Karl Rah­ner (bei­spiels­wei­se). Treff­lich unter­stützt wur­den sie in die­ser höchst ver­dienst­vol­len Auf­ga­be von Anto­nio Livi, Gio­van­ni Caval­co­li und in deren India­ner­re­ser­vat, in das sie ver­bannt sind, auch ich irgend­wann vor­ge­sto­ßen bin.

Mit schmerz­li­cher Betrüb­nis müs­sen wir fest­stel­len, daß der Papst vom Fort­schritt spricht, aber nicht von der Tra­di­ti­on, daß er die Unbe­weg­lich­keit kri­ti­siert, aber nicht den Histo­ris­mus, daß er das Kon­kre­te betont, aber nicht das Uni­ver­sa­le, daß er vom sub­jek­ti­ven Gewis­sen spricht, aber nicht vom objek­ti­ven, daß er von der Pra­xis spricht, aber nicht von der Leh­re, vom Volk, aber nicht von der Hier­ar­chie, von der Wahr­heit, aber nicht von der Häre­sie, vom Wort Got­tes, aber nicht vom Dog­ma, von der Öku­me­ne, aber nicht von den Irr­tü­mern gewis­ser getrenn­ter Brü­der, von der Barm­her­zig­keit, aber nicht von der Gerech­tig­keit. Er zitiert das Zwei­te Vati­ka­num, aber nicht das Erste Vati­ka­num, das unter ande­rem das Dog­ma ent­hält, das ihn unmit­tel­bar betrifft, eben­so­we­nig das Kon­zil von Tri­ent, ohne das weder das Erste Vati­ka­num noch das Zwei­te Vati­ka­num über­haupt denk­bar gewe­sen wären. Er zeigt mit dem Fin­ger auf bestimm­te flam­men­de Gläu­bi­ge und bezeich­net sie als Pela­gia­ner, scheint aber zu ver­ges­sen, was theo­lo­gisch und dog­ma­tisch prä­zi­se, klar und exakt der hei­li­ge Augu­sti­nus in De natu­ra et gra­tia im Wider­spruch zu dem bekräf­tig­te, was ein eben­so her­aus­ra­gen­der, wie häre­ti­scher Kopf wie Pela­gi­us ver­trat. Viel­leicht macht er sich vor, die Men­schen auf die­se Wei­se für Chri­stus zu gewin­nen. Soll­te er das wirk­lich glau­ben, gibt er sich einer from­men Illu­si­on hin, die zudem auch noch sehr gefähr­lich ist.“

Ari­el S. Levi di Gualdo

Erst­ver­öf­fent­li­chung: Ris­cos­sa Christiana
Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Ris­cos­sa Christiana

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