Wunderlose Heiligsprechung und Kirchenpolitik – Capovilla: Nennt Johannes XXIII. nicht den „gutmütigen Papst“


Johannes XXIII., wunderlose Heiligsprechung, die nur wegen Heiligsprechung Johannes Pauls II. erklärbar ist(Rom) Johan­nes XXIII., der Papst, der das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil ein­be­ru­fen hat und in weni­gen Tagen  von Papst Fran­zis­kus wun­der­los hei­lig­ge­spro­chen wird, fand all­ge­mein als „guter“ und „gut­mü­ti­ger“ Papst Ein­gang in das kol­lek­ti­ve Gedächt­nis. Dage­gen pro­te­stier­te nun sein per­sön­li­cher Sekre­tär Loris Capo­vil­la: „Bit­te, nennt ihn nicht mehr den ‚gut­mü­ti­gen Papst‘“.

Capovillas Kardinalserhebung als Ehrung des Konzils

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Msgr. Loris Capo­vil­la war per­sön­li­cher Sekre­tär von Johan­nes XXIII. wäh­rend des Pon­ti­fi­kats. Am ver­gan­ge­nen 22. Febru­ar erhob ihn Papst Fran­zis­kus in den Kar­di­nals­stand. Capo­vil­la, Jahr­gang 1915 ist seit­her der älte­ste leben­de Kardinal.
Er kämp­fe schon seit 50 Jah­ren gegen die­se Bezeich­nung Johan­nes XXIII. als der „gute Papst“ oder „gut­mü­ti­ge Papst“, gab Kar­di­nal Capo­vil­la in eini­gen Inter­views zur Hei­lig­spre­chung von Papst Ron­cal­li bekannt. Die Gestalt Johan­nes XXIII. wer­de durch die­se „Gut­mü­tig­keit“ erdrückt, so Capo­vil­la, denn Papst Ron­cal­li sei „sehr ent­schlos­sen“ und in erster Linie „für die Kir­che und die Welt und den Frie­den von gro­ßer Bedeu­tung gewe­sen. Sei­ne größ­te Bedeu­tung hängt mit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil zusam­men“, so Capo­vil­la in der Tage­zei­tung Eco di Ber­ga­mo.

Johannes XXIV. oder Franziskus?

Erneut beton­te der fast hun­dert Jah­re alte Kar­di­nal mit beson­de­rem Nach­druck eine Ähn­lich­keit zwi­schen Johan­nes XXIII. und Papst Fran­zis­kus. Fran­zis­kus erin­ne­re die Men­schen „sehr“ an Papst Ron­cal­li, so Capo­vil­la. Der argen­ti­ni­sche Kar­di­nal habe sich für einen Moment sogar Johan­nes XXIV. nen­nen wol­len. „Papst Fran­zis­kus und Papst Johan­nes ähneln sich sehr. Kar­di­nal Berg­o­glio hat­te dar­an gedacht, den Namen Johan­nes anzu­neh­men. Er woll­te der Nach­fol­ger Johan­nes XXIII. sein. Aber er hat auch an Fran­zis­kus gedacht. Dann sprach er mit dem bra­si­lia­ni­schen Kar­di­nal Dama­s­ce­no und der emp­fahl ihm, einen Namen anzu­neh­men, der zu den Armen und von der Armut spricht. So hat sich Berg­o­glio für Fran­zis­kus ent­schie­den. Aber Papst Johan­nes war in sei­nen Gedanken“.

Heiligsprechung als kirchenpolitisch motivierter Willkürakt?

Papst Fran­zis­kus ist es auch, der das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil zwar sel­ten erwähnt, die­se Zäsur in der jün­ge­ren Kir­chen­ge­schich­te jedoch demon­stra­tiv aus­zeich­net. Dazu gehört die Kar­di­nals­er­he­bung von Loris Capo­vil­la am 22. Febru­ar, des­sen Ver­dienst es vor allem ist, Sekre­tär von Johan­nes XXIII. gewe­sen zu sein und uner­müd­lich die „epo­cha­le Bedeu­tung“ des Zwei­ten Vati­ka­nums betont zu haben. Dazu gehört vor allem die Hei­lig­spre­chung von Johan­nes XXIII. am 27. April unter Umge­hung der kir­chen­recht­lich dafür vor­ge­schrie­be­nen Stan­dards. Zwei Ereig­nis­se mit denen Papst Fran­zis­kus sich im gro­ßen inner­kirch­li­chen Kon­flikt, auf der einen Sei­te Johan­nes XXIII. und Paul VI., auf der ande­ren Sei­te Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI., unaus­ge­spro­chen ver­or­tet. Die Hei­lig­spre­chung Johan­nes XXIII. ist in die­sem kir­chen­in­ter­nen Rin­gen letzt­lich ein Zufalls­pro­dukt, das unmit­tel­bar mit der Hei­lig­spre­chung Johan­nes Pauls II. zusammenhängt.

Die nicht mehr verhinderbare Erhebung Johannes Pauls II. zu den Altären

Kurz nach­dem Kar­di­nal Berg­o­glio zum Papst gewählt wur­de, ver­sam­mel­te sich am 2. Juli 2013 die Hei­lig­spre­chungs­kon­gre­ga­ti­on, um das Wun­der anzu­er­ken­nen, das den Weg für die Hei­lig­spre­chung des pol­ni­schen Pap­stes frei­mach­te. Der Ter­min­plan stand zum Zeit­punkt der Papst­wahl bereits fest. Dabei han­del­te es sich nur mehr um einen For­mal­akt, da die Prü­fung und Fest­stel­lung des Wun­ders sowohl von medi­zi­ni­scher wie theo­lo­gi­scher Sei­te bereits erfolgt war. Damit stand fest, daß die Hei­lig­spre­chung inner­halb eines Jah­res statt­fin­den wür­de. Nur ein Gewalt­akt des neu­en Pap­stes hät­te sie noch ver­hin­dern kön­nen, was ihm jedoch die Geg­ner­schaft beträcht­li­cher Tei­le der Kir­che, nicht nur der Polen, ein­ge­bracht hät­te, für die Johan­nes Paul II. als Ori­en­tie­rungs­punkt gilt. Die Vor­stel­lung, daß aus­ge­rech­net er Johan­nes Paul II. zu den Altä­ren erhe­ben und damit des­sen Kir­chen­ver­ständ­nis sicht­ba­re Gel­tung ver­schaf­fen soll­te, scheint dem argen­ti­ni­schen Papst kei­nes­wegs gemun­det zu haben.

Causa Johannes XXIII.: den „Polen“ neutralisieren, das Konzil kanonisieren

So wur­de kur­zer­hand von Papst Fran­zis­kus auch die Cau­sa Johan­nes XXIII. auf die Tages­ord­nung der Hei­lig­spre­chungs­kon­gre­ga­ti­on gesetzt. Aller­dings gibt es für den Ron­cal­li-Papst bis heu­te kein aner­kann­tes Wun­der. Als Kar­di­nal Ange­lo Ama­to, der Prä­fekt der Kon­gre­ga­ti­on für die Selig- und Hei­lig­spre­chungs­pro­zes­se zu Papst Fran­zis­kus ging, um ihm die Ent­schei­dung der Kon­gre­ga­ti­on zu Johan­nes Paul II. mit­zu­tei­len, ent­schied der neue Papst nicht nur erwar­tungs­ge­mäß den pol­ni­schen Papst, son­dern auch völ­lig uner­war­tet, den Kon­zils­papst heiligzusprechen.
Wie die­se wun­der­los gesche­hen kön­ne, dar­über schweigt man sich seit­her in Rom ziem­lich ver­schämt aus. Die offi­zi­el­len Medi­en des Hei­li­gen Stuhls haben das The­ma nie ange­schnit­ten und die mei­sten beim Vati­kan akkre­di­tier­ten Jour­na­li­sten drücken eini­ger­ma­ßen par­tei­isch bei­de Augen zu, weil es sich um den „gut­mü­ti­gen Papst“ han­delt, der ja schließ­lich das Kon­zil ein­be­ru­fen hat.

Beide große Nachkonzils-„Seelen“ der Kirche gleichberechtigt? – Nur vordergründig

Am 27. April wer­den gewis­ser­ma­ßen bei­de gro­ßen „See­len“ der Katho­li­schen Kir­che, die seit dem Kon­zil ein gegen­sätz­li­ches Kir­chen­ver­ständ­nis ver­tre­ten, zu den Altä­ren erho­ben. So der Ein­druck. Aus­gangs­punkt war jedoch, daß das Hei­lig­spre­chungs­ver­fah­ren Johan­nes Paul II. zum Zeit­punkt der Wahl von Papst Fran­zis­kus bereits zu weit fort­ge­schrit­ten war, um es noch auf die lan­ge Bank schie­ben zu kön­nen, wie es hin­ge­gen für Pius IX. und Pius XII. seit Jahr­zehn­ten der Fall ist. Die Selig­spre­chung Pius IX. war im Jahr 2000 auch nur in einem kir­chen­po­li­ti­schen Manö­ver mög­lich gewor­den. Sie wur­de im Gegen­zug für die Selig­spre­chung Johan­nes XXIII. abgerungen.

Die Dop­pel­hei­lig­spre­chung von Päp­sten am 27. April 2014 wird in erster Linie als Lehr­bei­spiel kir­chen­po­li­tisch moti­vier­ter Ent­schei­dun­gen in die Kir­chen­ge­schich­te eingehen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons

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