(Rom) Eine Initiative mehrerer Schriftleiter katholischer Nachrichtenseiten und Blogs rief die Bischöfe auf, zur Gründonnerstagsliturgie in den Kathedralkirchen zu bleiben und dort mit dem Volk die Heilige Messe im Gedenken an das letzte Abendmahl, die Einsetzung der Eucharistie und des Priestertums zu zelebrieren. Liturgische Handlungen von fundamentaler Bedeutung für die Kirche. Aus diesem Grund zelebrierten die Päpste am Gründonnerstag nicht im Petersdom, sondern in ihrer eigentlichen Kathedralkirche, der Lateranbasilika. Die Aufforderung galt vor allem Papst Franziskus, der im vergangenen Jahr am Gründonnerstag nicht in der Lateranbasilika zelebrierte, sondern ein Jugendgefängnis in Rom aufsuchte und dort unter Ausschluß der Öffentlichkeit zelebrierte. In den Medien wurde davon vor allem bekannt, daß er jungen Gefangenen im Rahmen der Liturgie die Füße wusch. Die menschlich sympathisch wirkende, liturgisch jedoch umstrittene Geste löste heftige Diskussionen aus, zumal nur tröpfchenweise Details bekannt wurden. Darunter auch, daß unter den ausgewählten zwölf Gefangenen auch Moslems und Mädchen waren.
2013 aliturgische, aber mediengerechte Fußwaschung von Moslems und Mädchen
Was die meisten weltlichen und kirchenoffizielle Medien begeistert als weiteren Akt einer außergewöhnlichen Demut des neuen Papstes begrüßten, ist innerkirchlich sehr umstritten. Bis heute ist ungeklärt, ob Papst Franziskus auch Moslems die Heilige Kommunion spendete. Der zuständige Gefängniskaplan, der mit dem Vatikan den Besuch des Papstes koordiniert hatte und selbst anwesend war, weigerte sich ebenso entsprechende Nachfragen zu beantworten wie das Presseamt des Vatikans.
Hochfest der Hochfeste durch plakativen Sozialaktivismus überlagert?
2014 kündigten einige medienaffine Bischöfe an, dem päpstlichen Vorbild folgen zu wollen und Sozialeinrichtungen aufzusuchen, um an den „existentiellen Rändern“ die Füße zu waschen. Dagegen richtet sich der Appell, in den Kathedralen zu bleiben. Den Initiatoren geht es darum, die „wahre Bedeutung“ der Missa in Coena Domini nicht zu verdunkeln. Die Liturgie des letzten Abendmahls sei keine plakative Sozialaktion, sondern Teil des Triduum Sacrum, der drei heiligen österlichen Tage. Das Triduum stellt nach dem Verständnis der Katholischen Kirche vom Abend des Gründonnerstag bis zur Vesper des Ostersonntags eine zusammenhängende, durchgehende Liturgie dar, ein einziges, das bedeutendste Hochfest des Kirchenjahres.
Appell an Bischöfe, am Gründonnerstag nicht die Kathedralkirchen zu verlassen
„Die Einsetzung des Altarsakraments und des Priestertums bildet den Mittelpunkt der Gründonnerstagsliturgie und ist auf das Engste mit der Kirche als geweihtem Kultort und damit als Sakralraum verbunden. Das Schwinden des eucharistischen Verständnisses und der Mangel an Bewußtsein für das Sakrale werden mit dem Bedeutungsverlust der Heiligen Eucharistie als Realpräsenz des Gottessohnes in Verbindung gebracht.“ Das Verlassen der Kathedralen durch die Bischöfe verstärke diese Tendenz noch, so die Kritik. Dem Horror missae, einem zunehmenden liturgischen Mißbrauch sei entgegenzuwirken, nicht aber zu fördern. Die Fußwaschung habe eine ganz konkrete Bedeutung in der Liturgie des Letzten Abendmahls und sei nicht frei gestaltbar. Abgesehen davon sei sie zwar ein wichtiges Element, aber nur Beiwerk der Gründonnerstagsmesse, das nur mit Blick auf den eigentlichen Mittelpunkt, die Einsetzung des Altarsakraments verständlich werde und Sinn habe. Eine sozialbetonte und mediengerechte Gestaltung der Fußwaschung lenke die Aufmerksamkeit vom Wesentlichen zu einem umgeformten Nebenschauplatz.
Papst Franziskus ging schon als Erzbischof von Buenos Aires „eigene“ Wege
Bei Papst Franziskus fiel der Appell nicht auf fruchtbaren Boden. Nachdem zunächst vom Vatikan lange Stillschweigen darüber bewahrt wurde, was der Papst am Abend des Gründonnerstags tun werde, ist das Programm seit einigen Tagen bekannt. Papst Franziskus wird, wie er es bereits zu seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires getan hat und es im ersten Jahr als Papst tat, erneut die für die Zelebration ausdrücklich vorgeschriebene Kathedralkirche verlassen und eine verwaiste Lateranbasilika zurücklassen. Zur Heiligen Messe in Coena Domini wird er eine Behinderteneinrichtung der Stiftung Don Carlo Gnocchi besuchen und dort zelebrieren. Auch 2014 wird er dies unter Ausschluß des gläubigen Volkes, aber nicht der Öffentlichkeit tun. Die Folge ist eine erneute Achsenverschiebung in der Wahrnehmung von der Heiligen Eucharistie zur Fußwaschung. Dies gilt bereits für die Mitteilungen und Bekanntmachungen des Presseamtes des Vatikans und von Radio Vatikan, die sich bereitwillig diesem aktionistischen Perspektivenwechsel anzupassen scheinen.
Perspektivenwechsel an die „existentiellen Ränder“
Der Wechsel von der Kathedrale als „Zentrum“ zur „existentiellen Peripherie“, ein Anspruch, den dieses Pontifikat selbst erhoben hat und der von ihm seither vielfach erwartet wird, läßt sich dadurch anschaulich demonstrieren. Ist er substantiell jedoch von Bedeutung oder zumindest nützlich oder verdunkelt er vielleicht sogar das Wesentliche? In der Heiligen Messe am Abend des Gründonnerstags wird nicht der Tag der Caritas begangen, sondern der Eucharistie. Die Einsetzung der Eucharistie verleiht der Liebe erst ihren vollen und übernatürlichen Sinn. Ohne sie wäre die Caritas nur eine Form von Philanthropie. Die Eucharistie ohne die Liebe wäre leerer Ritualismus, die Liebe ohne Verankerung in der Eucharistie, in der sich Christus den Menschen schenkt, wäre nur eine gute Tat, wie sie auch von Nicht-Christen begangen werden kann.
Exklusive Zelebration unter Ausschluß des Gottesvolkes
Die Bestimmungen der Gottesdienstkongregation zur Zelebration der Heiligen drei Tage erwähnen ausdrücklich, davon Abstand zu nehmen, in kleinen Kapellen oder Gruppen zu zelebrieren, weil das Hochfest so feierlich wie möglich zu begehen sei und in der Gemeinschaft des Gottesvolkes. Kleinere Gruppen von Klerikern oder Laien sollten daher auf eine eigene Zelebration verzichten und sich in die größeren Kirchen begeben. Papst Franziskus geht den umgekehrten Weg. Papst Franziskus wählte erneut eine kleine Kapelle, die im Gegensatz zur Patriarchalbasilika es unmöglich macht, daß Gläubige freien Zugang haben. Tatsächlich ist keine Ausgabe von Zugangskarten zur Zelebration vorgesehen, weil der knappe Platz von den Insassen und Betreuern der Einrichtung belegt wird. Eben eine exklusive Zelebration. „Die Öffentlichkeit darf sich dann als Osterfreude vor der Osterhasensuche für die Kinder und dem Ausflug am Osterwochenende statt über die Auferstehung Jesu Christi über die neue rührende Geste des Papstes freuen“ (Traditio Catholica).
Papst wird Behinderten „unterschiedlichen Glaubens, Volkszugehörigkeit und Alters“ die Füße waschen
Wie Msgr. Angelo Bazzari, der Vorsitzende der Stiftung Don Carlo Gnocchi Radio Vatikan erklärte, wird Papst Franziskus das römische Zentrum Santa Maria della Provvidenza der Stiftung aufsuchen und dort mit den Behinderten und ihren Betreuern zelebrieren. Die Füße werde der Papst zwölf Behinderten waschen, die „unterschiedlichen Glaubens, Volkszugehörigkeit und Alters“ sein werden.
Im Vorjahr im Jugendgefängnis wurde nur vermutet, daß die zwölf Gefangenen, und daher auch die Moslems und die Mädchen unter ihnen, in Absprache und auf Wunsch des Papstes gezielt ausgewählt worden waren. Der diesjährige Besuch im Behindertenzentrum bringt die Bestätigung. Msgr. Bazzari sagte wörtlich: „Für den Ritus der Fußwaschung haben wir zwölf Behinderte unterschiedlichen Alters ausgewählt, die verschiedenen Ethnien und Religionen angehören und mit unterschiedlichem Grad an Behinderung. Es handelt sich ja wirklich um eine universale Geste eines Gottes, der sich zum Menschen macht und der ganzen Menschheit dient. Und es ist ein Zeichen der evangelischen Barmherzigkeit, die durch die Geste des Papstes die ganze Welt des Leidens umarmen will“. Es sei eine „Geste der Zärtlichkeit“ des Papstes, für die „Welt der Verletzbaren“, die „Hoffnung“ schenken wolle, so der Stiftungsvorsitzende.
Kirche auf Sozialaktionismus reduzieren?
Die Heilige Messe am Abend des Gründonnerstags reduziert sich auf Sozialaktivismus. Die Einsetzung des Altarsakraments und des Priestertums entschwinden in einem undefinierten Hintergrund, während der Papst durch seinen Gestenaktivismus die Kirche als jene „Mega-Caritas“ (Mario Palmaro) präsentiert, die er bei anderer Gelegenheit den Worten nach kritisierte, wenn er in Predigten sagte, die Kirche dürfe nicht zu einer „humanitären Nichtregierungsorganisation“ reduziert werden.
Msgr. Bazzari berichtete dem Vatikansender, wie es dazu kam, daß Papst Franziskus in diesem Jahr die Behinderteneinrichtung besucht. „Die Sache war ganz einfach: Ich habe dem Papst einen Brief geschrieben und ihn dann für einige Minuten am Petersplatz getroffen und ihm gegenüber die Einladung bekräftigt. Er sagte mir: ‚Warum nicht? Wir werden es uns überlegen‘. Dann wurde uns seine Entscheidung mitgeteilt, die in uns allen große Bewunderung, Freude und gespannte Erwartung ausgelöst hat. Wir sehen darin eine große Wertschätzung für die ganze Welt der Behinderung.“
Verwaiste „Mutter aller Kirchen“
Die Lateranbasilika aber, wo sich das Volk Gottes um seinen Hirten scharen kann, bleibt auch 2014 vom Papst verwaist. Im Kalender des Amtes für die päpstlichen Zeremonien scheint keine Gründonnerstagsliturgie auf, weil sie unter Ausschluß der Gläubigen stattfindet, während mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, daß die Medien ausführlich berichten werden.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Messa in Latino/Traditio Catholica