Eine verweltlichte Kirche entschuldigt sich dafür, den Weg zum Heil zu kennen


Heilige Messe(Rom) Der Jour­na­list Ales­san­dro Gnoc­chi und der Rechts­phi­lo­soph Mario Pal­ma­ro bil­de­ten eine genia­le publi­zi­sti­sche Gemein­schaft. Gemein­sam ver­öf­fent­lich­ten sie meh­re­re Bücher und zahl­rei­che Auf­sät­ze. Zu letz­te­ren gehört eine Rei­he in der Tages­zei­tung „Il Foglio“, mit der sie sich kri­tisch mit dem der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kat aus­ein­an­der­setz­ten und die inzwi­schen in Buch­form erschie­nen ist („Die­ser Papst gefällt zu sehr“). Mit dem zu frü­hen Tod von Mario Pal­ma­ro ist noch Ales­san­dro Gnoc­chi übrig, der das Erbe sei­nes intel­lek­tu­el­len Part­ners und Mit­au­tors fort­führt. Am 10. April ver­öf­fent­lich­te Gnoc­chi den ersten Auf­satz im „Il Foglio“ ohne Pal­ma­ro, für des­sen Wit­we in der Zwi­schen­zeit eine Stif­tung für den Lebens­un­ter­halt und die Aus­bil­dung der vier Kin­der ins Leben geru­fen wur­de, die für Zuwen­dun­gen dank­bar ist. Hier der Auf­satz von Ales­san­dro Gnoc­chi und der Hin­weis auf den letz­ten gemein­sam mit Mario Pal­ma­ro ver­faß­ten Arti­kel: Ohne Dok­trin gibt es kei­ne Chri­sten – ‚Erfah­rung‘ und Fas­zi­na­ti­on genü­gen nicht, um Jesus nach­zu­fol­gen.

Anzei­ge

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Das Hinterzimmer der Liturgie

von Ales­san­dro Gnocchi

Kein Mensch, wie Hegel sag­te, ent­geht dem Tadel des Kam­mer­die­ners, der die gehei­men Zim­mer regiert. Genau­so­we­nig kön­nen sich die Revo­lu­tio­nen und ihre refor­ma­to­ri­schen Trau­ma­ta dem Urteil des Alt­wa­ren­händ­lers ent­zie­hen, der im Hin­ter­zim­mer ver­kehrt, in dem die Über­re­ste der ver­flos­se­nen Epo­che und der gestürz­ten Ord­nung auf­be­wahrt werden.

So ver­steckt sie auch sein mögen, es gibt immer einen Ort, in dem das Aus­nah­me­we­sen und das epo­cha­le Ereig­nis gezwun­gen sind, ihre inner­ste Natur zu zei­gen, und sei es nur in einem Detail. Auch die in der Kir­che Ende der 60er Jah­re voll­zo­ge­ne Lit­ur­gie­re­form ent­geht nicht der Hegel­schen Guil­lo­ti­ne. Auch der gro­ße Sprung hin zur Welt, den man ange­sichts der Umkeh­rung der Gebets­rich­tung gegen­über frü­her als Revo­lu­ti­on bezeich­nen kann, hat sein ent­hül­len­des Hin­ter­zim­mer. Es genügt in den Pfarr­häu­sern, Kon­ven­ten und Sakri­stei­en nach den alten Meß­ge­wän­dern zu suchen, um einen Beweis dafür zu finden.

Der Manipulus ist kaum mehr auffindbar

Mit etwas Geduld und viel Bereit­schaft zur Demut fin­det man auf einer sol­chen lit­ur­gi­schen Erin­ne­rungs­rei­se immer irgend­wo einen Prie­ster, eine Ordens­frau oder noch wahr­schein­li­cher einen alten Mes­ner, der mit einem weh­mü­ti­gen Seuf­zer über die Zei­ten als die Mes­se noch wirk­lich eine Mes­se war, Kaseln, Orna­te, Tunicel­len, Dal­ma­ti­ken, Biret­te und Chor­hem­den her­vor­sucht. Aber selbst sie, mit weni­gen Aus­nah­men, sind nicht imstan­de den Mani­pel zu fin­den, jenes schma­le, sto­la­ähn­li­che Stoff­teil, das der Zele­brant am lin­ken Hand­ge­lenk trägt.

Wegen irgend­wel­cher obsku­rer Plä­ne, woll­te man offen­bar sogar die Erin­ne­rung an die­ses lit­ur­gi­sche Klei­dungs­stück aus­lö­schen, das aus der mappu­la her­vor­ge­gan­gen ist, einem klei­nen Lei­nen­tuch, das der römi­sche Adel am lin­ken Arm trug und dazu benütz­te, Trä­nen und Schweiß abzu­wi­schen und um das Zei­chen für den Beginn der Kämp­fe im Zir­kus zu geben. In den Ost­kir­chen ent­spricht der Mani­pu­lus dem Epi­ma­niki­on.

Merear, Domi­ne, port­are mani­pu­lum fle­tus et dolo­ris; ut cum exsul­ta­tio­ne reci­piam mer­ce­dem labo­ris“, betet der Prie­ster jedes Mal, wäh­rend er bei der Anklei­dung den Mani­pel küßt und anlegt. „Möge ich wür­dig sein, o Herr, den Mani­pel der Trä­nen und des Schmer­zes zu tra­gen, auf daß ich mit Jubel den Lohn mei­ner Arbeit emp­fan­ge.“ Und erneut beginnt der Kampf gegen die Welt und ihren Für­sten, indem der Prie­ster auf mysti­sche Wei­se als alter Chri­stus weint, schwitzt, blu­tet und kämpft bis hin­auf aufs Kreuz.

In anstrengungsloser „Rettung“ ist kein Platz für Zeichen des Kampfes

Die­se schmerz­haf­te und mann­haf­te Durch­drin­gung im Opfer ist aber not­wen­dig, und der schma­le Mani­pu­lus ist als Schweiß­tuch Zei­chen und Instru­ment dafür. Dort aber, wo man bereit­wil­lig die Erin­ne­rung dar­an ver­lo­ren hat, um sich dem Fest­mahl einer anstren­gungs­lo­sen „Ret­tung“ hin­zu­ge­ben, ist kein Platz für die Zei­chen des Kamp­fes, für den man den eige­nen Kör­per ein­set­zen und aus­lie­fern muß.

Die Pein eines hei­li­gen Pater Pio und sei­nes stig­ma­ti­sier­ten Flei­sches, die Eksta­sen eines hei­li­gen Phil­ipp Neri, die Visio­nen des hei­li­gen Johan­nes Chry­so­sto­mos, der dem Her­ab­kom­men des Blitz­strahls auf den Altar bei­wohn­te, und alle Hei­li­gen Mes­sen bis hin zu jenen des unwür­dig­sten Prie­sters, der auch nur ein biß­chen Glau­ben an das Wun­der der Trans­sub­stan­tia­ti­on hat, waren immer gleich­zei­tig Herz und Frucht die­ses Kamp­fes gegen den Für­sten die­ser Welt.

Impo­ne, Domi­ne, capi­ti meo gale­am salu­tis, ad expug­n­an­dos dia­bo­li­cos in cur­sus“, betet der Prie­ster zur Abwehr des Bösen, wäh­rend er bei der Vor­be­rei­tung auf die Hei­li­ge Mes­se das Schul­ter­tuch über sein Haupt legt. Ein wei­te­res lit­ur­gi­sches Gewand, das den Kampf und das Opfer in Erin­ne­rung ruft, das in der refor­mier­ten Mes­se abge­kom­men ist. „Set­ze, o Herr, auf mein Haupt den Helm des Hei­les, um alle teuf­li­schen Anfech­tun­gen zu bezwingen.“

Kleriker und Laien berauscht von der illusorischen Kraft des Geredes

Heu­te, in der nach­kon­zi­lia­ren Kir­che redet man um des Redens wil­len, dia­lo­gi­siert man des Dia­logs wegen und pflegt eine freund­li­che Kon­ver­sa­ti­on mit der Welt, berauscht von einer illu­so­ri­schen Über­zeu­gungs­kraft des Gere­des. Es braucht kein Gewand mehr wie das Schul­ter­tuch, das zum Helm des Got­tes­krie­gers auch die casti­ga­tio vocis sym­bo­li­siert und aus der lit­ur­gi­schen Hand­lung jedes Wort ver­bannt, das nicht zum Ritus gehört, als völ­lig über­flüs­sig, unpas­send und die hei­li­ge Hand­lung störend.

Man hat die Hal­tung zum Ritus ver­lo­ren und daher auch die Hal­tung zum Gebot und des­halb haben die Prie­ster auch auf ihre Prie­ster­klei­dung ver­zich­tet. Gil­bert Keith Che­ster­ton schrieb in „Was Unrecht ist an der Welt“, indem er Frau­en kri­ti­sier­te, die es vor­zie­hen, Hosen zu tra­gen, daß die Män­ner, wenn sie fei­er­lich und feh­ler­los auf­tre­ten wol­len, „wie im Fall der Rich­ter, Prie­ster und Köni­ge, den Rock, das lan­ge rau­schen­de Kleid der weib­li­chen Wür­de tra­gen. Die gesam­te Welt wird von den Sou­ta­nen auf­recht­erhal­ten, da sogar die Män­ner sie anzie­hen, wenn sie regie­ren wollen.“

Akedia, die Trägheit, das perverseste aller Hauptlaster

Die Vor­stel­lung vom Gebot und dem Kampf, der Waf­fen und der Waf­fen­rü­stung im Geist ist von den Chri­sten abge­legt wor­den, die es lie­ben, von der Träg­heit ein­ge­lullt zu wer­den, dem per­ver­se­sten aller Haupt­la­ster. Die­se töd­li­che Fal­le, die die Kir­chen­vä­ter Ake­dia oder Ace­dia nann­ten, brei­te­te sich von Gläu­bi­gem zu Gläu­bi­gem aus, bis sie das gan­ze kirch­li­che Cor­pus befal­len hat­te. Dar­aus ist eine Unru­he und ein Unwohl­be­fin­den gewor­den, eine Häre­sie, die ein Prä­lu­di­um für die unter­schied­lich­sten Irr­tü­mer ist, die als extre­me Frat­ze des mann­haf­ten und kämp­fe­ri­schen Grund­sat­zes des aus­ge­schlos­se­nen Wider­spruchs sogar im Wider­spruch zuein­an­der ste­hen können.

Entschuldigung dafür, Jahrhunderte dem Menschen den Heilsweg aufgezeigt zu haben

Krank an Ake­dia ist die Kir­che soweit gekom­men, sich selbst als Pro­blem zu sehen und zu prä­sen­tie­ren anstatt als Lösung des Pro­blems für das inti­me Übel des Men­schen. Selbst wenn sie von der Welt spricht, ver­mit­telt sie heu­te den Ein­druck, als wür­de sie sich selbst für unfä­hig hal­ten, einen Heils­weg auf­zu­zei­gen, ja so als woll­te sie sich dafür ent­schul­di­gen, genau das vie­le Jahr­hun­der­te lang ver­sucht zu haben. Sie zwei­felt in erster Linie an den eige­nen intel­lek­tu­el­len und aske­ti­schen Grund­sät­zen. Und absur­der­wei­se erklärt sie, gera­de indem sie pro­kla­miert, sich der Welt zu öff­nen, unfä­hig zu sein, die Welt zu ken­nen, zu defi­nie­ren und daher zu erzie­hen und zu bekeh­ren. Besten­falls bie­tet sie an, die Welt ohne Gewähr zu interpretieren.

„Die Ake­dia“, schreibt der hei­li­ge Johan­nes Kli­ma­kos in sei­ner „Trep­pe zum Para­dies“ und er scheint damit genau die Kir­che unse­rer Zeit zu beschrei­ben, „bringt die See­le zu Fall, sie ist Schwä­chung des Gei­stes, Nach­läs­sig­keit in der Aske­se, Haß gegen das Bekennt­nis, sie hält jene für glück­se­lig, die in der Welt leben, sie ist eine Ver­leum­de­rin Got­tes, es man­gelt ihr an Mit­leid und Lie­be für die Men­schen. Sie ist Erschlaf­fung in der Psal­mo­die und Schwach­heit im Gebet.“ Als wah­rer Mann Got­tes und daher Ken­ner der mensch­li­chen Natur, zeigt der hei­li­ge Mönch auf, den Bene­dikt XVI. zitier­te, wel­che flüch­ti­gen und ver­rä­te­ri­schen Fol­gen die Ake­dia als Krank­heit her­vor­bringt, die sich durch und durch hin­ter­li­stig sich selbst als illu­so­ri­sches Heil­mit­tel prä­sen­tiert. Des­halb sei sie immer eif­rig im Akti­vis­mus und bereit zur manu­el­len, statt zur gei­sti­gen Arbeit.

Tango y Corazon: Der Aktivismus der Trägheit

Auch die Ake­dia emp­fiehlt die Auf­nah­me der Gäste. Die List ist nicht gleich erkenn­bar. Sie ver­an­laßt manu­el­le Arbei­ten zu ver­rich­ten, Almo­sen zu sam­meln, Kran­ke zu besu­chen, indem sie an jenen erin­nert, der sag­te: Ich war krank und ihr seid zu mir gekom­men; sie for­dert dazu auf, die Ent­mu­tig­ten zu besu­chen, um ihnen Stär­kung zu brin­gen. In Wirk­lich­keit aber besu­chen dabei Mut­lo­se nur ande­re Mut­lo­se. Wäh­rend wir im Gebet ver­wei­len, läßt sie uns drin­gen­de Auf­ga­ben in den Sinn kom­men und setzt jede nur denk­ba­re Stra­te­gie ein, um uns aus irgend­ei­nem durch­aus ver­nünf­tig klin­gen­den Grund vom Gebet weg­zu­zie­hen. Genau sie, die so unver­nünf­tig ist.

Was der hei­li­ge Mönch im 7. Jahr­hun­dert als Mah­nung für ein­zel­ne Glie­der ver­faß­te, gilt heu­te für das gesam­te Cor­pus der Kir­che, das zur Beu­te die­ser Krank­heit namens Akti­vis­mus gewor­den ist: ein biß­chen Tan­go y Cora­zon (Tan­go und Herz), ganz nach dem Geschmack des media­len Bewe­gungs­drangs und des inti­men Mini­ma­lis­mus des der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kats. Die Welt über­zeugt man aber nicht, indem man sich ihr gleich macht und ihre Spra­che über­nimmt. Die­ses Jahr­hun­dert gewinnt man nicht, indem man die Gesten und Wor­te begei­stert nach­ahmt, die für den Ritus casti­ga­tio sind. Die Welt hat vor allem Abscheu vor sich selbst und der Christ gewinnt sie nicht, indem er sich verweltlicht.

Wenn wir Gott nicht auf die Altäre rufen, werden sie von Dämonen besetzt

„Geh in dei­ne Zel­le und setz dich hin“, sag­te ein ande­rer Wüsten­va­ter, der hei­li­ge Moses der Star­ke zum trä­gen Mönch, „und dei­ne Zel­le wird dich alles leh­ren“. In ihrem Auf­satz „Über­na­tür­li­che Sin­ne“ schreibt Cri­sti­na Cam­po: „Nicht unge­straft prak­ti­ziert man die schee­le Homöo­pa­thie, die emp­fiehlt, die hoff­nungs­los an Schmutz, Anony­mi­tät, Pro­fa­nem und Aus­ge­las­se­nem erkrank­te Welt mit Hil­fe von Schmutz, Anony­mi­tät, Pro­fa­nem und Aus­ge­las­se­nem zu hei­len.“ Und wei­ter: „Es ist kin­disch zu mei­nen, die Rege­ne­rie­rung des Pro­fa­nen, die „Wei­he der Welt“ könn­te sich auch anders­wo voll­zie­hen als auf den Gip­feln des Ber­ges Sinai. Gemein­sam mit Freun­den, wo und wie einem die Phan­ta­sie es ein­gibt, ein sym­bo­li­sches Mahl ein­zu­neh­men, im Geden­ken an einen Phil­an­thro­pen der alten Zeit, ist Ver­we­sung des Sakra­len und Ver­lust des Pro­fa­nen zugleich. […] wenn wir auf­hö­ren, Gott auf unse­re Altä­re her­un­ter­zu­ru­fen, wer­den unent­rinn­bar die Dämo­nen sie besetzen.“

Der Altar aber, die gro­ße Prü­fung vor die der Mensch im Akt der Reli­gi­on geru­fen ist, ist auf das Eng­ste mit dem Dog­ma ver­bun­den, der gro­ßen Prü­fung, vor die der Mensch im Akt der Intel­li­genz geru­fen ist. Wenn eine ver­sagt, fällt auch die ande­re und löst einen Teu­fels­kreis aus, der sich auf per­ver­se Wei­se immer wei­ter selbst antreibt.

Luthers Aggression gegen Liturgie und Dogma

Der Bene­dik­ti­ner Pro­sper Gué­ran­ger schrieb in sei­nen „Insti­tu­ti­ons lit­ur­gi­ques“: “Schließ­lich kam Luther, der nichts sag­te, was nicht bereits sei­ne Vor­gän­ger gesagt hat­ten, der aber den Anspruch erhob, den Men­schen gleich­zei­tig von der Skla­ve­rei des Den­kens gegen­über der leh­ren­den Macht zu befrei­en und von der Skla­ve­rei des Kör­pers gegen­über der lit­ur­gi­schen Macht.“

Das Laster der Ake­dia, die das Volk Got­tes krank­macht, indem sie es die Unter­schei­dung zwi­schen Ortho­do­xie und Häre­sie ver­lie­ren läßt, hat sei­ne Wur­zeln im reli­giö­sen Dra­ma des deut­schen Augu­sti­ners, das sich sowohl in Aggres­si­on gegen die Lit­ur­gie als auch gegen die Ver­nunft, sowohl gegen den Altar als auch gegen das Dog­ma, gegen die Lex oran­di und die Lex cre­den­di ent­lud. An sich nicht ver­wun­der­li­ches, wenn man bedenkt, daß der Mensch ein ratio­na­les Wesen ist, weil er ein lit­ur­gi­sches Wesen ist und im Letz­ten die Anbe­tung zum Ziel hat. So kann er auch nicht den Ritus aus sei­nem Den­ken und Sein eli­mi­nie­ren, son­dern muß sich dar­auf beschrän­ken, ihn zu per­ver­tie­ren. Glei­ches gilt für die Ver­nunft: Wenn der Mensch sie nicht hei­ligt, pro­sti­tu­iert er sie.

Die Angrif­fe auf den mysti­schen Leib Chri­sti erfol­gen immer über die Zer­stö­rung der Lit­ur­gie. Der häre­ti­sche Geni­us des Ari­us brei­te­te sich dank sei­ner reli­giö­sen Hym­nen aus. Der ortho­do­xe Geni­us des hei­li­gen Ambro­si­us besieg­te ihn dank ande­rer reli­giö­ser Hymnen.

Mensch will Verlust des Gnadenstatus nicht mehr akzeptieren

Altar und Dog­ma sind der Maß­stab für das Heil, sie ent­spre­chen der lit­ur­gi­schen und ratio­na­len Essenz des Men­schen, der sich als Geschöpf das Heil nicht selbst geben kann. Altar und Dog­ma ver­hül­len, was jeder Mensch sehen möch­te. Die­se Ver­hül­lung, die mit dem Sün­den­fall zusam­men­hängt, ist dem moder­nen Men­schen ver­haßt. Er, der alles sehen, tech­nisch beherr­schen, dienst­bar machen und mani­pu­lie­ren will, ist unfä­hig auf natür­li­che Wei­se das Essen­ti­el­le zu erfas­sen, weil er den Sta­tus der Gna­de ver­lo­ren hat.

Allein ist der Mensch nicht mehr imstan­de, den eigent­li­chen Sinn der Din­ge zu erfas­sen und daher auch nicht den Sinn der Lit­ur­gie. Des­halb behalf er sich dabei, bis er dem Glit­zer und Glim­mer der Welt erlag, indem er die Mate­rie zusätz­lich umklei­de­te. Durch das Sicht­ba­re die­ser Umklei­dung, an der Gren­ze zwi­schen End­li­chem und Unend­li­chem, führt die Anbe­tung die mensch­li­che Intel­li­genz dazu, die Schön­heit und Ver­nünf­tig­keit des Dog­mas zu erah­nen. Und plötz­lich ver­hüllt der Schlei­er nicht mehr, son­dern wird zum sicht­ba­ren Zei­chen der Gna­de und einer für die Augen des Men­schen unsicht­ba­ren Hei­lig­keit, die die inner­ste Essenz der Din­ge anzeigt.

Es braucht aber Glau­ben, wie der hei­li­ge Tho­mas in sei­nem eucha­ri­sti­schen Hym­nus sagt: “Ado­ro te devo­te“: Visus, tac­tus, gustus, in te fal­litur, /​ Sed audà­tu solo tuto creditur:/ Cre­do quid­quid dixit Dei Fà­lius; /​ Nil hoc ver­bo veri­ta­tis veri­us“.

„In Demut bet‘ ich dich, ver­bor­ge­ne Gott­heit, an, Die du den Schlei­er hier des Bro­tes umge­tan. Mein Herz, das ganz in dich anschau­end sich ver­senkt, Sei ganz dir unter­tan, sei ganz dir hin­ge­schenkt. Gesicht, Gefühl, Geschmack betrü­gen sich in dir, Doch das Gehör ver­leiht den siche­ren Glau­ben mir, Was Got­tes Sohn gesagt, das glaub‘ ich hier allein, Es ist der Wahr­heit Wort, und was kann wah­rer sein? Am Kreu­zes­stam­me war die Gott­heit nur ver­hüllt, Hier hüllt die Mensch­heit auch sich gnä­dig in ein Bild. Doch bei­de glaubt mein Herz, und sie bekennt mein Mund, Wie einst der Schä­cher tat in sei­ner Todes­stund‘. Die Wun­den seh‘ ich nicht, wie Tho­mas einst sie sah, Doch ruf‘ ich: Herr, mein Gott, du bist wahr­haf­tig da!“

Der Welt eine Torheit

Nur in die­sen so dün­nen Ebe­nen, die aber doch so kon­kret sind, daß sie berührt, geges­sen und getrun­ken wer­den kön­nen, ist es mög­lich, den archi­me­di­schen Punkt zu fin­den, in dem das Heil zu Hau­se ist, das Kreuz: Tor­heit für die Welt, die den Chri­sten für einen Ver­rück­ten hält, der dazu bestimmt ist, gewis­ser­ma­ßen gegen die Schwer­kraft mit dem Kopf nach unten zu leben. Und doch ist es genau so, wie der hei­li­ge Petrus im Augen­blick sei­ner Kreu­zi­gung mit dem Kopf nach unten, daß der Anhän­ger des Kreu­zes im Gegen­zug die wun­der­ba­re und kind­li­che Schau der Welt gewinnt, wie sie wirk­lich von Gott geschaf­fen wurde.

Zubaráns Gemälde des toten lebenden Franz von Assisi

Die­se Sicht­wei­se, der Blick des Gekreu­zig­ten ist es, der die Welt in einen sol­chen Abscheu über sich selbst stürzt, und die Men­schen gewin­nen läßt, ohne welt­li­ches Wort oder welt­li­che Geste. Es ist der Aus­druck, den Fran­cis­co de Zubarán in größ­ter Fröm­mig­keit in sei­nem Gemäl­de des hei­li­gen Franz von Assi­si in Ekt­sase dar­ge­stellt hat. Ein Bild, das von den bei­den ver­geist­lich­ten Augen des Hei­li­gen beherrscht wird, eines vom Licht durch­drun­gen, das ande­re in den Schat­ten ein­ge­taucht, die einer ande­ren Welt ange­hö­ren und nichts ande­res sehen. Und wenn sie auf mate­ri­el­le Din­ge fal­len, dann tun sie es nur, um pro­fa­ne Augen die ver­hüll­te und uner­reich­ba­re Schön­heit erah­nen zu lassen.

Die Dar­stel­lung des ste­hen­den Man­nes mit dem Kopf in der Kapu­ze ver­bor­gen, die Hän­de in den Ärmeln der Kut­te ver­steckt und dem zum Him­mel gerich­te­ten Blick, die der spa­ni­sche Maler geschaf­fen hat, stellt den Hei­li­gen nicht zu Leb­zei­ten dar, son­dern zeigt sei­nen unver­we­sten Kör­per nach dem Tod, wie er in der Kryp­ta von Assi­si vor­ge­fun­den wur­de. Das Bild der Auf­fin­dung des hei­li­gen Fran­zis­kus wird nor­ma­ler­wei­se erzählt. Zubarán aber zeigt den Hei­li­gen tat­säch­lich bild­lich und zwar auf­recht in einem ewi­gen lit­ur­gi­schen Moment, vom Licht und Schat­ten model­liert, von der Gna­de und vom Schlei­er. Nur das Gesicht, des­sen Hälf­te in den Schat­ten getaucht ist, ist von sei­nem ver­hüll­ten Kör­per sicht­bar. Das allein genügt, um hier jeman­dem Sicht­bar­keit zu ver­lei­hen, der aus der Welt der Toten zurück­kehrt in einer Epi­pha­nie frei von jeder erschrecken­den Note, die gemein­hin der Tod für die Leben­den hat, denn sei­ne See­le ist erfüllt von über­na­tür­li­cher Ruhe und Seligkeit.

Wo immer ein Priester an den Altar tritt, wird Herrlichkeit Gottes und der Schöpfung sichtbar

Auch in der letz­ten Kapel­le irgend­wo auf dem Land, wo sich der Geruch von bil­li­gem Weih­rauch mit dem von abge­stan­de­nem Wachs ver­mengt, hat der Ein­tritt des zur Zele­bra­ti­on des Hei­li­gen Meß­op­fers berei­ten Prie­sters den­sel­ben sakra­len Ursprung im Gött­li­chen, das in die Welt ein­tritt, wie es der spa­ni­sche Visio­när erahnte.

Introi­bo ad alta­re Dei. Ad Deum qui lae­ti­fi­cat juven­tu­tem meam.“ Und wäh­rend der Prie­ster an den Altar Got­tes tritt, der sei­ne Jugend erfreut, auch wenn er sich nicht direkt mit jener von Zubarán gemal­ten Herr­lich­keit schmücken kann, spricht er zu jedem Geschöpf des Uni­ver­sums, und ist  mit den sicht­ba­ren Zei­chen die­ser Herr­lich­keit umhüllt, ob er nun ein unwür­di­ger Sün­der ist, wie Gra­ham Green in „Die Kraft und die Herr­lich­keit“ erzählt, oder ein Mär­ty­rer, wie Robert Hugh Ben­son in „By What Aut­ho­ri­ty?“ (Mit wel­cher Voll­macht?). „Einer der Die­ner, der bemerk­te, daß er nicht die Kraft hat­te, allei­ne die prie­ster­li­chen Gewän­der anzu­le­gen“, wie Ben­son die Hei­li­ge Mes­se eines von angli­ka­ni­schen Häschern gefol­ter­ten Prie­sters schil­dert, „leg­te ihm das Schul­ter­tuch um den Hals; dann leg­te er ihm das Chor­hemd um und band es mit dem Zin­gu­lum fest; er gab ihm die Sto­la zum Kuß, band den Mani­pu­lus um den lin­ken Unter­arm und zuletzt leg­te er ihm die rote Kasel um und der Prie­ster stand wie­der, wie am Sonn­tag zuvor in sei­nen roten Gewän­dern; aber wie ver­än­dert war er doch! Dann knie­te der Die­ner neben ihm nie­der und der Prie­ster begann die Gebe­te zu spre­chen, die zur Vor­be­rei­tung zur größ­ten Hand­lung der Reli­gi­on not­wen­dig sind. Er trat dann an den Altar, ver­neig­te sich lang­sam, küß­te ihn und die Mes­se begann.“

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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