Ist es irgendwie möglich, teilweise katholisch zu sein? – Interview mit Raymond Leo Kardinal Burke (1. Teil)


burke5_1022Emi­nenz, ist es irgend­wie mög­lich, teil­wei­se katho­lisch zu sein? Wir hören oft Äuße­run­gen wie: „Ich bin katho­lisch, aber …“ In wel­chem Maße ist es Katho­li­ken erlaubt, Kom­pro­mis­se ein­zu­ge­hen, wenn es um die Ver­tei­di­gung des mensch­li­chen Lebens, der Ehe und der Fami­lie geht?

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Die Auf­fas­sung von einem „teil­wei­sen Katho­li­zis­mus“ ist ein Wider­spruch in sich selbst, der die gegen­wär­ti­ge kul­tu­rel­le Nei­gung zu Indi­vi­dua­lis­mus und Rela­ti­vis­mus reflek­tiert – mit ande­ren Wor­ten: die Nei­gung, jeg­li­che Rea­li­tät den eige­nen Gedan­ken und Wün­schen anzu­pas­sen, unge­ach­tet ihrer objek­ti­ven Natur. Katho­li­ken, die eine sol­che Auf­fas­sung von ihrem katho­li­schen Glau­ben und der Pra­xis haben, wer­den manch­mal „Cafe­te­ria-Katho­li­ken“ genannt, weil sie selbst aus­wäh­len, wel­che Tei­le des Lehr­amts der Kir­che zu Glau­be und Moral sie glau­ben und prak­ti­zie­ren wol­len. Ein wah­rer Katho­lik nimmt – ohne Kom­pro­miss – alle Wahr­hei­ten an, wel­che die Kir­che lehrt bezüg­lich des Glau­bens und des sitt­li­chen Lebens.

War­um wird Unschuld heu­te so her­un­ter­ge­spielt – ich spre­che hier vom Leben unge­bo­re­ner Kin­der, von Kin­dern, die wäh­rend des ver­pflich­ten­den Sexu­al­kun­de­un­ter­rich­tes psy­cho­lo­gisch ver­ge­wal­tigt wer­den, und von der Unschuld, die man ver­steht als Rein­heit der Gedan­ken und Rein­heit des Fleisches?

Die gänz­lich säku­la­re Agen­da, soll­te sie erfolg­reich sein, muss Kin­der und Jugend­li­che für ihre Denk­wei­se gewin­nen. Erzie­hung ist der ulti­ma­ti­ve Schlüs­sel für ihren Sieg in der Gesell­schaft. Der ein­zi­ge Weg, Kin­der und Jugend­li­che an sich zu rei­ßen, ist die Usur­pie­rung der ern­sten Pflicht der Eltern und Leh­rer, in Über­ein­stim­mung mit dem Wah­ren, Guten und Schö­nen zu erzie­hen. Eltern sowie Leh­rer, die mit den Eltern in der kor­rek­ten Erzie­hung ihrer Kin­der zusam­men­ar­bei­ten, müs­sen not­wen­di­ger­wei­se die Zeit der Unschuld von Kin­dern und jun­gen Men­schen voll­stän­dig respek­tie­ren. Indem sie die­se natür­li­che Unschuld respek­tie­ren, die eine Reflek­ti­on des Gewis­sens ist, das Gott jedem Kind schenkt, berei­ten Eltern und Leh­rer Kin­der und jun­ge Men­schen dar­auf vor, klar und mutig jenen Ein­flüs­sen zu ant­wor­ten, die sie ihrer Unschuld berau­ben wür­den – sowohl von innen (wegen der Aus­wir­kun­gen der Erb­sün­de) als auch von außen, bei­spiels­wei­se durch schlech­te Gefähr­ten und schlech­ten Medi­en­kon­sum, etwa Por­no­gra­fie im Inter­net. Eltern und Leh­rer soll­ten wach­sam sein, dass nichts in den Lehr­plan ein­ge­bracht wird, was die Unschuld eines Kin­des ver­letzt und sich sogar dar­an macht, dem Kind ernst­lich fal­sche Denk­wei­sen anzu­er­zie­hen. So etwa der Lehr­plan, der von einer gewis­sen wich­ti­gen Regie­rung emp­foh­len wird und vier- bis fünf­jäh­ri­gen Kin­dern bei­bringt, dass die Ehe ande­re For­men anneh­men kann als die ein Leben lang dau­ern­de, treue und frucht­ba­re Ver­bin­dung von einem Mann und einer Frau.

Hip­po­kra­tes war kein Katho­lik, und doch schwor er vor sei­nen Göt­tern: „Auch wer­de ich nie­man­dem ein töd­li­ches Gift geben, auch nicht, wenn ich dar­um gebe­ten wer­de, und ich wer­de auch nie­man­den dabei bera­ten; auch wer­de ich kei­ner Frau ein Abtrei­bungs­mit­tel geben. Rein und fromm wer­de ich mein Leben und mei­ne Kunst bewah­ren.“ Heut­zu­ta­ge neh­men die Angrif­fe auf das mensch­li­che Leben immer stär­ker zu. Selbst dem Namen nach katho­li­sche Ärz­te, die eben­falls eine (moder­ne) Ver­si­on des Hip­po­kra­ti­schen Eides lei­sten, ten­die­ren dazu, die Unver­letz­lich­keit des mensch­li­chen Lebens auf die leich­te Schul­ter zu neh­men und Lösun­gen zu erlau­ben, die Tötung ein­schlie­ßen (Abtrei­bung und Eutha­na­sie), um die per­sön­li­che Lebens­er­fül­lung, Kom­fort oder die Eli­mi­nie­rung eines Pro­blems einer Ein­zel­per­son sicher­zu­stel­len. Wie kön­nen wir ver­hin­dern, dass sich die­ses intrin­si­sche, ver­kapp­te Böse wei­ter verbreitet?

Die Situa­ti­on, die Sie beschrei­ben, ist tra­gi­scher­wei­se Wirk­lich­keit. Es macht mich oft tief trau­rig zu sehen, dass die medi­zi­ni­sche Kunst­fer­tig­keit, die von Natur aus auf die Hei­lung und Bewah­rung des mensch­li­chen Lebens aus­ge­rich­tet ist, redu­ziert wird zu einer Tech­no­lo­gie der Zer­stö­rung und des Todes. Es ist ent­schei­dend, Kin­dern, unter denen die zukünf­ti­gen Ärz­te der Welt sind, eine soli­de Kate­che­se ange­dei­hen zu las­sen – ein­schließ­lich grund­le­gen­der Bil­dung hin­sicht­lich der unver­letz­li­chen Wür­de des unschul­di­gen und hilf­lo­sen Lebens, der Unver­sehrt­heit von Ehe und Fami­lie sowie der frei­en Aus­übung eines kor­rekt gebil­de­ten Gewis­sens. Es ist eben­falls ent­schei­dend, den Ärz­ten und ande­ren Beschäf­ti­gen im Gesund­heits­we­sen Anläs­se zu bie­ten, um zusam­men­zu­kom­men zur Fort­bil­dung ange­sichts ethi­scher und reli­giö­ser Dimen­sio­nen des Gesund­heits­we­sens wie auch zum Auf­bau ihrer Soli­da­ri­tät im Kampf gegen die Kul­tur des Säku­la­ris­mus und des Todes. Ein vor­züg­li­ches Bei­spiel der­ar­ti­ger Arbeit ist die „St. Gian­na Physician’s Guild“, die einen katho­li­schen Hip­po­kra­ti­schen Eid aus­ge­ar­bei­tet hat.

Am 29. Juni 1975 emp­fing Ray­mond Leo Bur­ke durch Papst Paul VI. im Peters­dom das Sakra­ment der Prie­ster­wei­he. Von 1975 bis 1980 war er in sei­nem Hei­mat­bis­tum La Crosse außer­or­dent­li­cher Rek­tor an der Kathe­dra­le St. Joseph der Arbei­ter (Cathe­dral of St. Joseph the Work­man) in La Crosse, Wis­con­sin. Zudem erteil­te dar­über hin­aus Reli­gi­ons­un­ter­richt an der Aqui­nas High School. Von 1980 bis 1984 absol­vier­te Bur­ke ein Dok­to­rats­stu­di­um zum Dr. iur. can. in Kano­ni­schem Recht an der Gre­go­ria­na in Rom. Anschlie­ßend war er in der Diö­ze­san­ver­wal­tung des Bis­tums La Crosse tätig und wur­de dort zum Mode­ra­tor curiae sowie zum Vize­kanz­ler ernannt.

1989 wur­de er der erste aus den USA stam­men­de Ehe­band­ver­tei­di­ger am Ober­sten Gerichts­hof der Apo­sto­li­schen Signa­tur in Rom. Von 1985 bis 1994 hat­te er eine stän­di­ge Gast­pro­fes­sur für Kano­ni­sches Recht an der Gre­go­ria­na inne. 1993 wur­de er von Papst Johan­nes Paul II. zum Ehren­prä­la­ten ernannt.

Am 10. Dezem­ber 1994 ernann­te ihn Papst Johan­nes Paul II. zum Bischof von La Crosse und spen­de­te ihm am 6. Janu­ar 1995 im Peters­dom die Bischofs­wei­he; Mit­kon­se­kra­to­ren waren die Kuri­en­erz­bi­schö­fe und spä­te­ren Kuri­en­kar­di­nä­le Gio­van­ni Bat­ti­sta Re und Jor­ge Marà­a Mejà­a. Die offi­zi­el­le Amts­ein­füh­rung mit Inthro­ni­sa­ti­on in der Kathe­dra­le von La Crosse fand am 22. Febru­ar des­sel­ben Jah­res statt.

Wäh­rend sei­ner Amts­zeit in La Crosse ließ Bur­ke Unse­rer Lie­ben Frau von Gua­d­a­lu­pe, der Schutz­pa­tro­nin von Mexi­ko, einen Schrein errichten.

Am 2. Dezem­ber 2003 berief ihn Johan­nes Paul II. zum Erz­bi­schof von St. Lou­is – als Nach­fol­ger von Justin Fran­cis Riga­li, der nach Phil­adel­phia beru­fen wur­de – wo Bur­ke am 26. Janu­ar 2004 offi­zi­ell in sein Amt ein­ge­führt wur­de. Erz­bi­schof Bur­ke rich­te­te Meß­fei­ern in der außer­or­dent­li­chen Form des römi­schen Ritus ein. Er lud das Insti­tut Chri­stus König und Hoher­prie­ster ein, in der Diö­ze­se eine Nie­der­las­sung zu errich­ten. In sei­ner Zeit als Erz­bi­schof von St. Lou­is war er geist­li­cher Lei­ter des Zusam­men­schlus­ses der geweih­ten Jung­frau­en in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten. Am 6. Mai 2008 wur­de Bur­ke von Papst Bene­dikt in den Päpst­li­cher Rat für die Geset­zes­tex­te und die Kon­gre­ga­ti­on für den Kle­rus berufen.
Prä­fekt der Apo­sto­li­schen Signa­tur und Kardinal

Am 27. Juni 2008 ernann­te ihn Papst Bene­dikt XVI. zum Prä­fek­ten der Apo­sto­li­schen Signa­tur und gleich­zei­tig zum Prä­si­den­ten des Ober­sten Gerichts­hofs des Vati­kan­staa­tes. Damit war er der erste Nicht-Euro­pä­er, der einem Tri­bu­nal der Kurie vor­stand. Wei­ter­hin wur­de er zum 10. US-Ame­ri­ka­ner, der in der römi­schen Kurie dien­te. Im fei­er­li­chen Kon­si­sto­ri­um vom 20. Novem­ber 2010 nahm ihn Bene­dikt XVI. als Kar­di­nal­dia­kon mit der Titel­dia­ko­nie Sant’Agata dei Goti in das Kar­di­nals­kol­le­gi­um auf.

Am 16. Dezem­ber 2013 wur­de Bur­ke von Papst Fran­zis­kus in der Kon­gre­ga­ti­on für die Bischö­fe abge­löst, der er seit 2011 ange­hör­te. Am 19. Dezem­ber 2013 wur­de Bur­ke aus der Kon­gre­ga­ti­on für die Selig- und Hei­lig­spre­chungs­pro­zes­se abbe­ru­fen. (Wiki­pe­dia)

Das Inter­view führ­te Iza­bel­la Parowicz (Polo­nia Chri­stia­na) und wur­de von M. Bene­dikt Buer­ger (Katho​li​sches​.info) ins Deut­sche über­tra­gen. Im Auf­trag von Kar­di­nal Bur­ke wur­de die deut­sche Über­set­zung von Kanon Karl W. Len­hardt vom Insti­tut Chri­stus König und Hoher­prie­ster geprüft und für Katho​li​sches​.info autorisiert.
Bild: Archiv

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