(Rom) Ein wiederkehrendes Problem in der Katholischen Kirche ist die Frage nach der Selbständigkeit der Ortskirchen gegenüber Rom. Ein Problem, das in jüngster Zeit auf erstaunliche Weise an Aktualität gewonnen hat.
Der neueste umstrittene Fall ist der Fall Fabienne Brugere. Die Rede der Philosophin war am 19. März von der Französischen Bischofskonferenz abgesagt worden.
Gallikanische Gedankenspiele von Frankreichs Bischöfen?
Die Absage löste in Frankreich heftige Diskussionen aus. Stephanie Le Bars, schrieb in ihrem Blog bei Le Monde, der Fall „beweist, daß innerhalb der katholischen Kirche starke Meinungsverschiedenheiten herrschen, die durch die Diskussion über die ‚Ehe für alle‘ aufgebrochen sind“. Als „Ehe für alle“ wird in Frankreich das Gesetz zur Legalisierung der „Homo-Ehe“ bezeichnet, weshalb sich die Gegenbewegung „Manif pour tous“ nennt.
Die Entscheidung der Bischofskonferenz, die Philosophin Fabienne Brugere auf einer Fortbildungstagung sprechen zu lassen, wurde in katholischen Kreisen kritisiert. Brugere, die bereits Gastprofessuren in Hamburg und München hatte, gilt als Vertreterin eines Brückenschlags, den der tonangebende Teil der Bischofskonferenz mit der Regierung sucht. Die Bischöfe bekämpften als Bischofskonferenz die Einführung der „Homo-Ehe“ lauwarm. Eine aktive Minderheit unterstützte allerdings den Widerstand und zwang die Mehrheit der Bischöfe Position zu beziehen.
Suche nach einem Arragements der Bischöfe mit der Regierung
Kaum war die „Homo-Ehe“ jedoch vom Parlament gebilligt worden, zogen sich die meisten Bischöfe vom Widerstand zurück und suchen seither wieder eine Form des Arrangements mit der Regierungsmehrheit, obwohl diese wie kaum eine andere einen radikal anti-katholischen Kurs verfolgt. Die Einladung an Brugere sollte beim „Arrangements“ behilflich sein.
Doch dagegen erhob sich in der Kirche Protest. Die Ausladung wird daher „bestimmten katholischen Kreisen“ zugeschrieben, wobei die Etikettierungen wer gut und wer böse ist, von den säkularen Medien schnell vergeben sind. Pater Louis-Marie Guitton äußerte hingegen auf der Internetseite der traditionsfreundlichen Diözese Frejus-Toulon, daß die Französische Bischofskonferenz mit einem neuen Gallikanismus liebäugle: „Da Papst Franziskus sich für eine wirkliche Subsidiarität in der Kirche ausspricht, ist zu befürchten, daß die alten Dämonen des Gallikanismus nicht alle tot sind. Die ‚Büros‘, ‚Referate‘ und Kommissionen“ der Bischofskonferenz sind aber nicht die ‚französische Kirche‘“.
2000 Disput zwischen Kardinal Ratzinger und Kardinal Kasper über das Kirchenverständnis
Können die Bischofskonferenzen autonom sein oder müssen die Bischöfe als „Nachfolger der Apostel“ immer in völliger Übereinstimmung untereinander und um so mehr mit dem Papst sein? Die Frage ist nicht neu. Anfang 2000 fand eine berühmte Debatte zwischen dem damaligen Kardinal Joseph Ratzinger und Kardinal Walter Kasper statt. Der künftige Papst Benedikt XVI. verteidigte das Kirchenverständnis als Weltkirche. Die Weltkirche bezeichnete er als „eine Realität, die ontologisch und chronologisch immer vor jeder Einzel- oder Partikularkirche“ komme. Ein Kirchenverständnis, das vom damaligen Sekretär des Päpstlichen Rats für die Förderung der Einheit der Christen, Kardinal Kasper, kritisiert wurde. Kasper drehte das Kirchenverständnis auf den Kopf. Nicht eine Weltkirche mit einem klaren Zentrum, die sich in zahlreiche Ortskirchen gliedert, sondern zahlreiche Ortskirchen, die erst ein gemeinsames Ganzes bilden. Wem kommt der Primat zu: Rom oder den Ortskirchen?
Ist Diözese oder Summe der Diözesen eines Staates Ortskirche?
Die konkrete Frage geht noch weiter: Welche Bedeutung kommt den nationalen Kirchen in Form von Bischofskonferenzen zu? Wobei bereits die Definition von „Nationalkirchen“ anhand der aktuellen Staatsgrenzen eine Unterordnung der geistlichen Dinge unter die weltlichen der Staaten bedeutet. Oder anders ausgedrückt: Mit dieser Gliederung fällt die Entscheidung zugunsten praktischer Dinge aus und nicht der Glaubenslehre. Wer ist eigentlich Ortskirche? Ist es, nach dem Kirchenverständnis von Benedikt XVI. die einzelne Diözese mit ihrem Bischof, der die Verantwortung und alleinige Entscheidungsbefugnis in seinem Bereich ausübt? Oder sind die Diözesen nur untergeordnete Anhängsel der Bischofskonferenzen, die als autonome Institution die Rechte der Diözesen übernommen haben?
Zwischen Kirchenrecht und Wirklichkeit
Kirchenrechtlich betrachtet liegen die Dinge, wie sie Benedikt XVI. definierte. Der Diözesanbischof und nicht der Vorsitzende einer Bischofskonferenz ist in der Kirche eine sakramentale Realität. Doch in der Wirklichkeit sind die Bischofskonferenzen mit ihrem Apparat vielfach an die Stelle von Rechten und Pflichten der einzelnen Bischöfe getreten. Durch die Mehrheitsentscheidungen in der Bischofskonferenz soll eine einheitliche Meinung geformt werden. Das bedeutet zunächst vor allem, daß mögliche Minderheiten nicht berücksichtigt werden sollen. Weil sich der Churer Bischof Vitus Huonder nicht dem anderslautenden Diktat der Mehrheit in der Bischofskonferenz unterwerfen wollte, veröffentlichte er seine Antwort auf den Fragebogen Roms zur Morallehre der Kirche, zu wiederverheiratet Geschiedenen und Homosexuellen eigenständig, wie es das Kirchenrecht von ihm verlangt. Das brachte ihm viel Kritik ein, weil er die Absicht durchkreuzte, eine Einheitsmeinung für die ganze Schweiz nach Rom zu melden. Eine Meinung, die mit jener Bischof Huonders nur wenig gemeinsam hat. Huonder wurde durch seinen „Alleingang“ zum Spielverderber einer uniformen Position, die abweichende Meinungen kaum duldet und durch das „Einheitsvotum“ der Bischofskonferenz Druck auf Rom ausüben will.
Ein anderer Aspekt der Bischofskonferenzen ist die Möglichkeit, die sie Bischöfen bietet, sich hinter ihr zu verstecken. Die Bischofskonferenz enthebt jedoch keinen Bischof seiner Verantwortung?
Kardinal Baldisseri: Stärkung der Bischofskonferenzen
Das Auseinanderstreben der Kirche weg von Petrus, dem Zentrum der Einheit, hin zu einer Verselbständigung der Ortskirchen, stellt eine ernsthafte Gefahr für die Einheit von Glauben und Lehre dar. Papst Franziskus scheint mit Msgr. Lorenzo Baldisseri, den er zum Sekretär der Bischofssynode und Ende Februar auch zum Kardinal machte, das Risiko einzugehen, die Einheit der Kirche zerbrechlicher zu machen. Der Preis für eine solche Entwicklung steht fest, wo aber liegt der Nutzen?
Die Entscheidung von Papst Franziskus, Kardinal Walter Kasper beim Konsistorium das einzige Referat halten und seine umstrittenen Thesen zu den wiederverheiratet Geschiedenen darlegen zu lassen, ist zumindest auch unter dem Blickwinkel eines deutschen „Gallikanismus“ zu lesen.
„Prozeß der Dezentralisierung“ hin zu Nationalkirchen
Kardinal Baldisseri sagte in einem Interview von Jean Mercier: „Der Prozeß der Dezentralisierung erfolgt in dem Maßstab, in dem man den Bischofskonferenzen und anderen regionalen und kontinentalen Bischofskonferenzen Bedeutung verleiht“. Die Diskussion um „Subsidiarität“ und „Dezentralisierung“ meint daher nicht jene zwischen Rom und den Diözesen als Ortskirchen, sondern zwischen Rom und den Bischofskonferenzen als „Nationalkirchen“.
Im Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium sagt Papst Franziskus, das Zweite Vatikanische Konzil habe die Bischofskonferenzen mit den alten Patriarchaten verglichen. Wie diese könnten auch die Bischofskonferenzen auf vielfache und fruchtbare Weise ihren Beitrag leisten, damit sich das kollegiale Empfinden konkret verwirkliche.
In diese Richtung weist die Marschrichtung, die der C8-Kardinalsrat von Papst Franziskus eingeschlagen hat. Ein risikoreicher Weg.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Messa in Latino
Ich verstehe diese Organisation in Nationalkirchen nicht. Ein Diozösanbischof ist Bischof seines Bistums und der Papst ist Bischof der ganzen Welt. Warum überhaupt die Organisation in Nationalkirchen? Das ist ja genauso wie bei den orthodoxen und protestantischen Kirchen. Die katholische Kirche besitzt aber keine nationalen Grenzen, sondern bildet eine weltweite Einheit. Deswegen können wegweisende Entscheidungen nur vom Papst und nicht von den Ortskirchen getroffen werden, denn sonst sähe die Kirche überall anders aus und die Einheit würde verlorengehen.
Per Mariam ad Christum.
Da die Offizialkirche auch nur ein Marketing-Channel für den Weltfreigeist geworden ist, brauchen die politischen Gauleiter natürlich einen Ansprechpartner. Es ist ja kein Zufall, daß beispielsweise die erste Bischofskonferenz in Deutschland 1848 zusammenkam.
Freunde!
Ich muss es immer wieder betonen: Hier geht es NICHT um den Abfall in eine Nationalkirche, sei sie französisch, deutsch, schweizerisch oder österreichisch!
Sondern hier geht es um den Abfall in die Eine-Welt-Kirche der humanistischen Globalisten à la Weltethos, um „Demokratie“, „Menschenrechte“ (jeweils unter Anführungszeichen) usw.
Von Gallikanismus kann man daher mMn nicht sprechen.
Sie bringen es auf den Punkt.
Das Kirchenverständnis von Kasper, der ja von Mister Bergoglio so hofiert wird, ist ja offensichtlich gar nicht katholisch. Es ist konstruktivistisches Menschenwerk, Kirche „von unten“. Sagenhaft.
Der Artikel beschreibt sehr gut die divergierende Tendenzen in der Kirche in Frankreich.
WAs nicht gesagt wird und was zugleicherzeit die Nervosität bei den Modernisten erklärt, ist die Tatsache daß die traditionalistisch orientierte Priester jredes Jahr mehr werden und daß in einige Jahren die Mehrzahl der frischgeweihten Priestern traditionsverbunden sein wird.
Allein in der Diözese Fréjus-Toulon wird 1/4 aller künftigen Priestern ausgebildet (25 %!).
Daß die modernistische Bischöfe hierdurch zutiefst frustriert sind, ist klar; durch ihre schwache Haltung lösen sie in eigenem Lande auch keine Begeisterung aus.
Nicht umsonst verschwinden sie aus der eigenen kirchlich abgebrannnten Diözese um im Ausland dann Vorträge zu halten (z.B. der modernistische und glücklose Bischof von Angoulême in dem ebenfalls total desorientiertem Gent.
Es sind objektiv betrachtet die Staupen einer bankrotten, ursprünglich in der Kirche entstandenen reformistischen Bewegung.