(Rom) Welche Verantwortung hat der Papst als Nachfolger des Apostels Petrus im Zeitalter der Gender-Ideologie zu tragen? Mit dieser Frage beschäftigt sich die katholische Historikerin und Publizistin Cristina Siccardi.
Zwei päpstliche Vorbilder für den Papst
von Cristina Siccardi
Zwei Päpste, die in besonderer Weise den Sinn der Verantwortung des Petrus spürten, waren der heilige Innozenz I.(401–417) und der heilige Gregor der Große (590–604). Das liturgische Gedenken fällt für beide auf den 12. März. Für den Ersten im Neuen Ritus und für den Zweiten im Alten Ritus.
Die Barbaren von gestern und von heute
Was verstehen wir unter der Verantwortung des Petrus? „Ganz Europa ist in der Hand der Barbaren… und dennoch suchen die Priester noch immer für sich selbst und schmücken sich mit neuen und weltlichen Titeln der Überheblichkeit!“. Diese Worte stammen von Gregor dem Großen, einem der größten Päpste der Geschichte, der sich der ganzen Verantwortung bewußt war, die ihm das Amt des Petrus auferlegte und dem sich ein Stellvertreter Christi auf Erden zu stellen hat. Heute wie gestern scheint ganz Europa in der Hand von Barbaren, heute wie damals wollen sie die christlichen Wurzeln zerstören. Die Barbaren von heute töten sogar die noch nicht einmal geborenen Kinder (weil sie weder den Wert des Lebens noch eine über sie hinausgehende Zukunft begreifen), sie töten die Leidenden (weil sie das Leben weder als Kreuzweg noch die Möglichkeit eines Wunders begreifen), und sie verbreiten gerade unter den unschuldigen Kindern durch zersetzende, staatlich verordnete Schulprogramme die dämonische Gender-Theorie.
Dramatisches Herrenwort
Wie könnte der Papst unserer tragischen Zeit diesen Schlächtern und Menschenschindern entgegentreten? Sicher nicht mit der „Gewissensfreiheit“.
Jesus sagte: „Töchter Jerusalems, weint nicht über mich; weint über euch und eure Kinder! Denn es kommen Tage, da wird man sagen: ‚Wohl den Frauen, die unfruchtbar sind, die Mutterschöße, die nicht geboren und die Brüste, die nicht gestillt haben‘. Dann wird man zu den Bergen sagen: ‚Stürzt auf uns!‘, und zu den Hügeln: ‚Deckt uns zu!‘ Denn wenn das mit dem grünen Holz geschieht, was wird dann erst mit dem dürren Holz werden?“ (Lukas 23,18–31).
Gregor der Große verhandelte da die staatliche Macht versagte
Im Angesicht der Barbaren von damals, handelte der heilige Gregor der Große verantwortungsbewußt. Das noch heidnische Volk der Langobarden war 586 aus der Pannonischen Tiefebene als Eroberer in das damals oströmische Italien eingedrungen. Der Klerus floh oder wurde gefangengenommen. „Mit meinen eigenen Augen habe ich die Römer gefesselt mit einem Seil um den Hals gesehen, wie sie fortgebracht wurden, um als Sklaven verkauft zu werden.“
Da die staatliche Autorität abwesend war, bemühte sich der Papst, einen Frieden zwischen der einheimischen Bevölkerung und den Eroberern zu schließen. Bemühungen, die Kaiser Maurikios im fernen Konstantinopel ablehnte. Der Kaiser beschuldigte den Papst der Untreue gegenüber dem (Ost-)Römischen Reich und der Sinnlosigkeit seiner Versuche. Der Papst antwortet mit einem Schreiben, in dem er dem Kaiser empfahl, sich vor schlechten Ratgebern zu hüten, die ihn zu umgeben schienen: „Italien wird jeden Tag mehr zur Gefangenen unter dem Joch der Langobarden gemacht, und während man meiner Argumentation nicht glaubt, wachsen die Kräfte der Feinde immer mehr.“ Der Papst setzte als einizige von den Langobarden anerkannte Autorität die Verhandlungen fort und konnte für die Bevölkerung gute Ergebnisse erzielen.
Entschlossene Mission der Germanen
Doch Gregor der Große war an vielen Fronten aktiv. Er missionierte unter den germanischen Völkern und konnte viele vom alten Heidentum abbringen. In weniger als zwei Jahren bekehrten sich 10.000 Angelsachsen einschließlich ihres Königs Ethelbert von Kent. Auch die Langobarden ließen vielfach vom Arianismus ab und wurden katholisch dank der Unterstützung, die der Papst in der einflußreichen Langobardenkönigin Theudelinde (598–626) fand, einer Tochter des Herzogs der bereits katholischen Baiern.
Der Gregorianische Gesang
Der Schriftverkehr und die Predigten des heiligen Gregor belegen seinen hervorragenden Bildungsgrad, seine gründliche Vorbereitung und seine vielfältigen Aktivitäten, unter denen die Neuordnung der Römischen Liturgie und besonders die Gregorianischen Gesänge hervorstechen. Die Ikonographie stellt ihn häufig mit einer Taube auf der Schulter dar, während die Tradition (überliefert vom langobardischen Intellektuellen am Hof Karls des Großen, Paul Warnefried, besser bekannt als Paulus Diaconus) berichtet, daß der Papst, seine Gesangsdiktate an einen Mönch mit langen Pausen alternierte. Der neugierig gewordene Mönche schaute hinter die Sichtblende, die ihn vom Papst trennte, um zu sehen, was er denn während der langen Pausen mache. Da sah er das Wunder: eine weiße Taube, der Heilige Geist, saß auf der Schulter des Papstes und diktierte ihm die Gesänge ins Ohr.
Innozenz I. und die Plünderung Roms
Auch der heilige Innozenz I. verteidigte das Papsttum und die Christenheit. Sein Eifer ist bezeugt durch die zahlreichen Briefe, die er den verschiedenen Bischöfen schrieb, die ihrer Bedeutung wegen von seinen Nachfolgern zum festen Bestandteil des päpstlichen Lehramtes gemacht wurden. 410 belagerten die Westgoten unter ihrem König Alarich die Stadt Rom, eroberten und plünderten sie. Wie der spätantike Historiker Orosius berichtet, ließ Gott diese „letzte Strafe“ als der Papst Rom verlassen hatte zu, um das sündhafte heidnische Treiben vieler Römer zu strafen. Wie die Kirchenväter Augustinus und Hieronymus überliefern, bedeutete die Eroberung und die Plünderung der Stadt tatsächlich nicht das Ende der päpstlichen Autorität und der Kirche, sondern deren Stärkung.
Ein Westgote, aber bereits Christ, drang in eine Domus ecclesiastica ein und verlangte nach den Kirchenschätzen. Eine alte, gottgeweihte Jungfrau zeigte sie ihm. Über deren Menge und Pracht war er ganz außer sich. Nachdem die gottgeweihte Jungfrau sie ihm gezeigt hatte, fügte sie jedoch hinzu: „Das sind die heiligen Kultgegenstände des Petrus, dem dieses Haus untersteht. Nimm sie, wenn du den Mut hast. Du bist für das verantwortlich, was du tust. Da ich sie nicht verteidigen kann, wage ich sie auch nicht zurückzuhalten.“ Der Westgote, so Orosius, der „mächtig“, aber auch „Christ“ war, wurde von solcher Gottesfurcht befallen und beeindruckt vom Glauben der gottgeweihten Jungfrau, daß er Alarich um Anweisungen fragen ließ. Dieser erteilte den Befehl, daß alle Kultgegenstände des Petrus, des Fürsten der Apostel, von den Christen in dessen Basilika gebracht werden durften und die Jungfrau Christi und die anderen Christen, die sich anschließen wollten, sogar zu ihrem Schutz von seinen Kriegern eskortiert werden sollten.
Der rettende Triumphzug der Christenheit
Da die nicht näher beschriebene Domus ecclesiastica, wahrscheinlich ein frühes Kloster, weit weg vom Petersdom lagen, mußte die ganze Stadt durchquert werden. So bot sich, wie Orosius schreibt, ein ganz außergewöhnliches Bild. Die Christen teilten die Kultgegenstände, die sie aus allen Kirchen holten, auf und brachten sie in einem langen Zug, beschützt von den Schwertern ihrer Angreifer unter Gebet und Gesängen in den Petersdom. Gleichzeitig brachten sie dadurch auch sich selbst in Sicherheit. Aus allen Orten, wo sie sich vor den Feinden versteckt hatten, kamen sie hervor. Auch viele Heiden schlossen sich dem Zug an, um ihr Leben zu retten und die Christen erlaubten es ihnen.
Die Schilderung der schrecklichen Eroberung und Plünderung der Stadt Rom wurde dadurch auf wunderbare Weise zu einem sichtbaren öffentlichen Triumph der Christen über die Heiden. Dem Christengott hatten die Menschen ihr Leben zu verdanken, weil sie im Schutz des Petersdoms die dreitägige Plünderung überstanden.
Aus den Leben der beiden heiligen Päpste wird deutlich, daß in ihrem Verantwortungsbewußtsein, ein göttliches Mandat auszuüben, die Verteidigung des Glaubens und der Braut Christi immer an erster Stelle stand und daß sie niemandem, auch nicht den Barbaren es erlaubten, den Glauben und die Kirche mit Füßen zu treten.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Terra Cristiana