Kardinal Kaspers Revolution – „Aber bitte, nennt es nicht Revolution“


Walter-Kasper-und-seine-Revolution(Rom) In den kom­men­den Tagen erscheint in Ita­li­en das Buch „Evan­ge­li­um der Fami­lie“ von Kar­di­nal Wal­ter Kas­per. Es wird den voll­stän­di­gen Text der Eröff­nungs­an­spra­che beim Kar­di­nals­kon­si­sto­ri­um ent­hal­ten. Es kann, trotz anfäng­lich anders­lau­ten­den Behaup­tun­gen, kei­nen ver­nünf­ti­gen Zwei­fel geben, daß die Ver­öf­fent­li­chung und Ver­brei­tung der „revo­lu­tio­nä­ren“ Rede von Anfang an geplant war. Der blo­ße Hin­weis auf eine ent­spre­chen­de Ankün­di­gung des Her­der-Ver­lags und Aus­sa­ge von Kar­di­nal Rein­hard Marx („Das wird man nicht geheim­hal­ten kön­nen“) soll genü­gen. Den­noch wirft Kas­per der Tages­zei­tung „Il Foglio“ erbost vor, daß sie mit der Erst­ver­öf­fent­li­chung und dem dazu ver­öf­fent­lich­ten Kom­men­tar des Histo­ri­kers Rober­to de Mat­tei den Papst sabo­tie­ren woll­te (sie­he Was Gott ver­eint, kann auch Kas­per nicht tren­nen – Ver­such einer para­do­xen Kul­tur­re­vo­lu­ti­on in der Kir­che). „Die wol­len die Dis­kus­si­on been­den. Der Papst aber will eine offe­ne Dis­kus­si­on“, so der Kar­di­nal.  Zu den „hei­ßen The­men“ des Buches, so Radio Vati­kan (ita­lie­ni­sche Redak­ti­on) gehört auch die Fra­ge der Wie­der­zu­las­sung wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ner zur Kom­mu­ni­on. Kar­di­nal Kas­per ver­tei­digt frei­mü­tig sei­ne The­sen. Die Kir­che müs­se einen „Mit­tel­weg“ zwi­schen der „Pra­xis der Mehr­heit“ und der Leh­re der Kir­che fin­den. Um das zu errei­chen brau­che sie einen „Aus­weg“.

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Phil­ip­pa Hit­chen führ­te mit Kar­di­nal Kas­per ein Inter­view für Radio Vati­kan, dar­in ver­tei­digt der deut­sche Kar­di­nal sei­ne Vor­schlä­ge. „Evan­ge­li­um der Fami­lie“, so der Titel des Buches, aber auch der Titel sei­nes Refe­rats. Es war das Mot­to des Kon­si­sto­ri­usm und wird wahr­schein­lich auch das Mot­to der Bischofs­syn­ode sein, und der Stich­wort­ge­ber für die Deu­tung ist Kar­di­nal Kas­per. Der Titel bedeu­te, so Kas­per, „daß Gott das Wohl der Fami­lie will und daß die Fami­lie von Gott gegrün­det ist vom Anfang der Schöp­fung an: es ist die älte­ste Insti­tu­ti­on der Mensch­heit“. Jesus Chri­stus habe die Fami­lie „geschätzt“ und „sie zum Sakra­ment erho­ben und das will sagen, daß die Lie­be zwi­schen dem Mann und der Frau in die Lie­be Got­tes inte­griert ist. Des­halb ist sie ein Sakra­ment.“ Die Kir­che müs­se die­se „Rea­li­tät“ heu­te neu stär­ken, in einer Zeit, in der es eine Kri­se der Fami­lie gibt“. Es brau­che der Hil­fe der Kir­che, denn „die gro­ße Mehr­heit der jun­gen Men­schen will eine Fami­lie, will eine sta­bi­le Bezie­hung für das gan­ze Leben. Das Glück der Men­schen hängt auch vom fami­liä­ren Leben ab“. Doch nach die­ser „kon­ser­va­ti­ven“ Ein­lei­tung kommt Kar­di­nal Kas­per auf sein eigent­li­ches Anlie­gen zu sprechen.

Hit­chen: Sie schla­gen ein tole­ran­te­res Her­an­ge­hen an Fami­li­en in Schwie­rig­kei­ten vor, ohne die unauf­lös­li­che Natur des Eheskra­ments zu leug­nen: Was schla­gen Sie genau vor?

Kas­per: Ich schla­ge einen Weg jen­seits von Stren­ge und Lax­heit vor. Es ist selbst­ver­ständ­lich, daß die Kir­che sich nicht nur an den Sta­tus quo anpas­sen kann, den­noch müs­sen wir einen Mit­tel­weg fin­den, der der Weg der tra­di­tio­nel­len Moral der Kir­che war. Ich erin­ne­re vor allem an den Hei­li­gen Alfons von Liguo­ri, der die­sen Weg zwi­schen den bei­den Extre­men woll­te, und die­sen müs­sen wir auch heu­te fin­den. Das ist auch der Weg des Hei­li­gen Tho­mas von Aquin in sei­ner Sum­ma Theo­lo­gi­ca, wes­halb ich mich mit mei­nem Vor­schlag in guter Gesell­schaft befin­de. Er ist nicht gegen die Moral, er ist nicht gegen die Leh­re, son­dern viel­mehr für eine rea­li­sti­sche Anwen­dung der Leh­re auf die aktu­el­le Situa­ti­on der gro­ßen Mehr­heit der Men­schen und um zum Glück der Men­schen beizutragen.“

Hit­chen: „Sie spre­chen vom Abgrund zwi­schen der aktu­el­len Leh­re der Kir­che und der Pra­xis vie­ler Katho­li­ken. Eini­ge geben die Schuld Grup­pen, die eine aggres­si­ve Poli­tik gegen die tra­di­tio­nel­le Vor­stel­lung von Fami­lie betreiben…

Kas­per: Es ist klar, daß es Per­so­nen und Grup­pen gibt, die ein poli­ti­sches Inter­es­se gegen die Fami­lie haben: das ist klar. Aber die Kir­che wur­de immer ange­grif­fen, in ihrer gan­zen Geschich­te. Es gibt aber nicht nur die­se ideo­lo­gi­schen und poli­ti­schen Inter­es­sen. Es gibt auch öko­no­mi­sche Pro­ble­me, Pro­ble­me, die die Arbeits­be­din­gun­gen betref­fen und die heu­te sehr schwer­wie­gend sind. Die Lebens­be­din­gun­gen in der Gesell­schaft haben sich sehr geän­dert und vie­le haben Schwie­rig­kei­ten, ihr Pro­jekt zum Glück zu ver­wirk­li­chen. Die Mehr­heit der jun­gen Men­schen aber will eine sta­bi­le Bezie­hung, eine sta­bi­le Fami­lie, aber es gelingt ihnen nicht. Und die Kir­che ihrer­seits muß den Men­schen hel­fen, die sich in Schwie­rig­keit befinden.

Hit­chen: „Sie zie­hen einen Ver­gleich mit der Art, mit der das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil eine wirk­li­che Revo­lu­ti­on in die öku­me­ni­schen und inter­re­li­giö­sen Bezie­hun­gen gebracht hat, ohne das Lehr­amt der Kir­che zu leug­nen. Sind Sie daher Opti­mist, daß die Syn­ode über die Fami­lie die­sel­be Art von Revo­lu­ti­on brin­gen wird?

Kas­per: Ich wür­de nicht von Revo­lu­ti­on spre­chen, son­dern viel­mehr von einer Ver­tie­fung und einer Ent­wick­lung, weil die Leh­re der Kir­che ein Fluß ist, der sich ent­wickelt und so hat sich auch die Ehe­leh­re ent­wickelt. So den­ke ich, daß der der­zei­ti­ge Schritt ein ähn­li­cher Schritt wie jener des Kon­zils ist, wo es Posi­tio­nen der Römi­schen Kurie gegen die Öku­me­ne und gegen die Reli­gi­ons­frei­heit gab. Das Kon­zil hat die ver­bind­li­che Leh­re bewahrt – und auch hier will ich die ver­bind­li­che Leh­re bewah­ren – aber es hat einen Weg gefun­den, um jene Fra­gen zu über­win­den und zwar einen Aus­weg. Und genau den müs­sen wir heu­te auch suchen. Und so han­delt es sich nicht um etwas Neu­es, son­dern um eine Erneue­rung der kirch­li­chen Pra­xis, die immer not­wen­dig und mög­lich ist.

Hit­chen: Ihre Rede an die Kar­di­nä­le soll­te ver­trau­lich blei­ben, statt des­sen ist sie an die Pres­se gelangt und hat eine Debat­te entfacht…

Kas­per: Aber ja, es ist not­wen­dig eine Debat­te zu haben, und in Wirk­lich­keit habe ich es mir auch erwar­tet und habe es auch dem Papst gesagt: Anfangs wird es eine Debat­te geben. Und der Papst hat gesagt: „In Ord­nung. Wir wol­len eine Debat­te. Wir wol­len kei­ne Kir­che, die schläft. Wir wol­len eine leben­di­ge Kir­che.“ Das ist nor­mal. Aber es war kein Geheim­do­ku­ment. Ein Text in der Hand von 150 Per­so­nen kann nicht geheim blei­ben, das wäre unrea­li­stisch und uto­pisch. Daher habe ich gedacht, den Text zu ver­öf­fent­li­chen und es wur­de mir gesagt, daß ich frei bin, ihn zu ver­öf­fent­li­chen. Was aber eine ita­lie­ni­schen Tages­zei­tung gemacht, also ihn ohne Geneh­mi­gung zu ver­öf­fent­li­chen, ist gegen das Gesetz. Mei­nes Erach­tens haben sie auf die­se Wei­se den Wil­len des Pap­stes sabo­tiert. Sie wol­len die Dis­kus­si­on been­den, wäh­rend der Papst eine offe­ne Dis­kus­si­on in der Syn­ode will. Dann wird das Ergeb­nis von der Syn­ode und vom Papst abhän­gen. Ich habe einen Vor­schlag gemacht, so wie der Papst es von mir gewünscht hat, und dann wird man sehen, wie die Dis­kus­si­on in den bei­den näch­sten Jah­ren weitergeht.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Secre­tum meus mihi

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