(Tübingen) In einem Interview mit der Südwest Presse gibt sich der häretische Schweizer Theologe Hans Küng begeistert von Papst Franziskus. „Er hat schon einige Dinge erreicht, die nicht mehr zurückzunehmen sind“, ist Küng überzeugt. „Es lässt sich noch gar nicht absehen, was die bereits eingeleiteten Veränderungen bedeuten.“
Selbst für Hans Küng scheint es Zweifel darüber zu geben, welchen Kurs der argentinische Papst eigentlich verfolgt. Seiner „Freude“ über den neuen Papst, tue das aber keinen Abbruch. Zwar „ist noch nicht entschieden, welchen Kurs er wirklich einschlagen wird“, aber „zu meinen, er sei kein Reformer, hieße, die Augen vor den Tatsachen zu verschließen“. Daß Franziskus ein Reformer ist, macht Küng zunächst an der Form fest. Zurecht stellt er fest: „Sie hat ja Einfluss auf den Inhalt. Allein wenn ein Papst die Leute mit „buona sera“ begrüßt, ist das ein Signal.“
Papst „ist Jesuit und damit einer, der sich durchsetzen kann“
Die Papstwahl war für ihn eine „positive Überraschung“, „hocherfreut“ sei er gewesen, berichtet Küng. Franziskus „ist Jesuit und damit einer, der sich durchsetzen kann.“ Zeichen setze Franziskus „auch mit seiner Kleidung – dem Verzicht auf Gold, Spitzen und Edelsteine“. Neu wäre auch „die einfache, direkte Sprache“. „Die Menschen verstehen ihn, fühlen sich angesprochen,“ ist Küng angesichts der bewußt mehrdeutigen, schwammigen Sprache des Papstes überzeugt. „Ich habe ja im Laufe meines Lebens viele Reformvorschläge gemacht. Aber dass ein Papst auf so elegante Weise aus dem päpstlichen Palast ausziehen könnte, das konnte ich mir nicht vorstellen.“
Zu wiederverheiratet Geschiedenen verfolgt Papst „eine große Strategie“
In Bezug auf die wiederverheiratet Geschiedenen ist Küng überzeugt, daß Franziskus „eine große Strategie“ verfolge. „Zunächst hat er die Gruppe der acht Kardinäle befragt, dann das ganze Kardinalskollegium. Im Herbst wird es schließlich eine Synode zum Thema Familie geben. Natürlich ist jeder Schritt ein Wagnis. Doch wenn Franziskus das Kardinalskollegium hinter sich hat, ist er nicht mehr allein. Er legt insgesamt großen Wert auf Kollegialität.“ Küng ist überzeugt, daß „die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten“ sich von allen Reformwünschen der Progressiven am ehesten umsetzen lasse. „Da ließe sich die Barmherzigkeit, von der er so oft redet, in die Tat umsetzen.“ Auf die Frage, wie groß „der innerkirchliche Widerstand gegen Reformen“ sei, antwortet Küng „Das ist nicht einfach einzuschätzen, denn es gibt in Kurie und Kirche Hardliner. Es gibt auch unter den Laien Widerstandsgruppen wie das konservative Katholische Forum. Doch diesem Papst ist es erstaunlicherweise gelungen, viele Menschen aller Lager quasi in kürzester Zeit für sich und seinen Kurs einzunehmen.“
Küng betont, für das Frauenpriestertum zu sein, sieht dessen Einführung jedoch als „noch schwerer“, als die „Überwindung des Zölibats“. Für Küng lasse sich die „Frauenordination“ mit der „Aufwertung rechtfertigen“, die Jesus „Frauen zukommen ließ“. Der Schweizer Theologe gibt gleichzeitig allerdings zu, daß die Frage „umstritten“ sei. Die „pastorale Not der Gemeinden“ durch den Priestermangel könnte vielleicht zu deren Einführung „zwingen“.
„Hardliner“ versuchen „Reformen“ zu verhindern
Gegner seiner Thesen bezeichnet Küng als „Hardliner“ und „Widerstandsgruppen“ und meint damit unter anderem Kardinal Gerhard Ludwig Müller und das Forum Deutscher Katholiken. Er stellt sie in direkten Gegensatz zu Papst Franziskus, dem es „erstaunlicherweise gelungen“ sei, „viele Menschen aller Lager quasi in kürzester Zeit für sich und seinen Kurs einzunehmen“.
Die Erhebung des Präfekten der Glaubenskongregation in den Kardinalsstand tut Küng als „unvermeidlich“ ab. Eine Nicht-Erhebung „hätte eine Konfrontation heraufbeschworen, die niemandem dienen würde“. Offenbar sieht Küng durch eine solche „Konfrontation“ die Chance für die „Reformen“ von Papst Franziskus, die er als die seinen darstellt, gefährdet. So betont Küng sofort, daß Franzikus auf „bezeichnende Weise“ eben „nicht Müller“, sondern Kardinal Walter Kasper mit dem Einführungsreferat beim Kardinalskonsistorium zum Thema Familie betraute.
Küngs „Sorge“ vor einem Schattenpapst Benedikt XVI. „vermindert“
Gleichzeitig warnt Küng vor „falschen Kompromissen“. Besorgt scheint der Schweizer Theologe auch ein Jahr nach dem Amtsverzicht von Benedikt XVI., dieser „könnte ein Schattenpapst werden“. In seinem „jüngsten Brief schrieb mir Joseph Ratzinger“, daß er es als „seine einzige Aufgabe ansehe, Franziskus durch sein Gebet zu helfen“. Diese Aussage habe Küngs Sorge etwas „vermindert“.
Küng schließt das Interview, indem er sagt, sich über Papst Franziskus zu „freuen“. Er habe „immer gesagt, Papstkritiker ist kein Beruf“. „So bin ich jetzt hocherfreut, dass ich nicht mehr als Papstkritiker auftreten muss.“ Damit aber schon alles an seinem Platz bleibt, fügt er umgehend hinzu: „Allerdings betone ich: Wenn erneut eine Restauration stattfände, würde ich auch wieder zum Papstkritiker werden“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Clarin