Ein nicht verhandelbarer Papst? – Franziskus zertrümmert weiteres zentrales Element Benedikts XVI.


Relativistischer Papst?(Mai­land) Papst Fran­zis­kus ließ am Ascher­mitt­woch ein­mal mehr durch die umstrit­te­ne Form eines Zei­tungs­in­ter­views auf­hor­chen. Kei­ne zehn Tage nach einer von Fran­zis­kus gewoll­ten und demon­stra­tiv in Text und Bild der Welt prä­sen­tier­ten „Über­ein­stim­mung“ und „Kon­ti­nui­tät“ zwi­schen ihm und sei­nem Vor­gän­ger Bene­dikt XVI. zer­trüm­mer­te Fran­zis­kus ein wei­te­res zen­tra­les Ele­ment des Pon­ti­fi­kats sei­nes Vorgängers.

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Mit einer für einen Papst befrem­dend unaus­ge­reif­ten Salopp­heit schwingt sich das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt von einer Fra­ge zur ande­ren. Der Papst, nicht etwa Jor­ge Mario Berg­o­glio, nein der Papst sei ein „ganz nor­ma­ler Mensch“, der zudem, da „kein Exper­te für Bio­ethik“ nichts zur Eutha­na­sie, nichts zum Ster­ben der Men­schen, dem ent­schei­den­den und dra­ma­tisch­sten Moment der mensch­li­chen Exi­stenz zu sagen habe.

Papst Bene­dikt XVI. präg­te in nüch­ter­ner Kennt­nis der aktu­el­len Lage und ihrer gro­ßen Her­aus­for­de­run­gen zwei zen­tra­le Begrif­fe: jenen der „Dik­ta­tur des Rela­ti­vis­mus“, um die größ­te Gefahr unse­rer Zeit zu benen­nen, und jenen der  „nicht ver­han­del­ba­ren Wer­te“ als Ant­wort darauf.
Papst Fran­zis­kus betont, im Namen der Pasto­ral, hin­ge­gen ein „Ja, aber…“ (er lobt die Enzy­kli­ka „Hum­a­nae vitae“ als „pro­phe­ti­sche Genia­li­tät“ und läßt das Herz der Lebens­schüt­zer höher schla­gen; er nennt aber die Din­ge nicht beim Namen, wes­halb außer den Lebens­schüt­zern sonst kaum jemand ver­steht, was er damit eigent­lich mei­nen könn­te; gleich­zei­tig fügt er ein „Aber“ hin­zu, das „was den Men­schen mög­lich ist“, was im sel­ben Atem­zug genau­so­gut die König­stei­ner, Maria Tro­st­er und Solo­thur­ner Erklä­rung sank­tio­nie­ren könn­te, wer weiß das schon genau, enn wie sagt der Papst selbst: „Alles hängt davon ab, wie man Hum­a­nae vitae intepre­tiert“) und er ver­wirft vor allem die „nicht ver­han­del­ba­ren Wer­te“, weil „alle Wer­te gleich“ seien.

Sind sie das aber wirk­lich? In einer Zeit, in der das Wort „Wer­te“ so infla­tio­när gebraucht wird, daß bei­spiels­wei­se sogar jedes Unter­neh­men eine eige­ne „Phi­lo­so­phie“ und „Wer­te“ behaup­tet. Zu den Mecha­nis­men des Rela­ti­vis­mus gehört wesent­lich die Usur­pie­rung, Aus­höh­lung und Neu­tra­li­sie­rung von Begrif­fen. Bene­dikt XVI. wuß­te das und reagier­te mit sei­ner Begriffs­schöp­fung dar­auf. Fran­zis­kus scheint im Gewan­de eines nai­ven Dorf­pfar­rers aus den Hochan­den des Weges zu kom­men, der soeben nach Jahr­zehn­ten wie­der ins Tal hin­un­ter­ge­stie­gen ist (die Anden­prie­ster mögen den Ver­gleich ent­schul­di­gen). Als Jesu­it ist er das natür­lich kei­nes­wegs. Er ver­wirft jedoch ohne Not einen müh­sam ein­ge­führ­ten Begriff, ersatz­los und spielt damit das Spiel des Rela­ti­vis­mus. So bleibt die beklem­men­de Fra­ge nach dem eigent­li­chen Beweg­grund die­ses päpst­li­chen Handelns.

Mit der Ver­wer­fung der „nicht ver­han­del­ba­ren Wer­te“, mit denen Fran­zis­kus ein wei­te­res zen­tra­les Stück des Pon­ti­fi­kats von Bene­dikt XVI. ent­sorgt, befaßt sich in der heu­ti­gen Aus­ga­be auch der Chef­re­dak­teur der Tages­zei­tung „Il Foglio“, Giu­lia­no Fer­ra­ra, bekannt vor allem durch sei­ne muti­ge For­de­rung nach einem inter­na­tio­na­len Abtrei­bungs­mo­ra­to­ri­um, mit dem er 2007/​2008 für Auf­se­hen sorg­te. Er bezeich­net den Papst als „Witz­bold“, wenn die­ser ankün­digt, den „gehei­men Text“ der Rede von Kar­di­nal Wal­ter Kas­per vor dem Kar­di­nals­kon­si­sto­ri­um öffent­lich machen zu wol­len, und weiß dabei offen­sicht­lich mehr, was hin­ter den Kulis­sen zur Ver­brei­tung der Rede alles getan wur­de. Fer­ra­ras Tages­zei­tung „Il Foglio“ selbst hat­te den Text bereits am 1. Febru­ar welt­weit exklu­siv veröffentlicht.

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Ein nicht verhandelbarer Papst

In Erwartung des Friedensnobelpreises sagt der Papst dem Corriere della Sera Dinge …

von Giu­lia­no Ferrara

Ein Papst, der in Rom über den Cor­rie­re del­la Sera ankün­digt, den gehei­men Text über Mensch und Fami­lie von Wal­ter Kas­per öffent­lich machen zu wol­len, auf deutsch, hat den nicht ver­han­del­ba­ren Geist eines Witz­bol­des. Aber nicht nur das. Fran­zis­kus hat auch gesagt, daß er kein Exper­te für Bio­ethik ist, wes­halb über das Ster­ben der Män­ner und der Frau­en und der Kin­der, wie im unglück­li­chen Bel­gi­en, Exper­ten zu befra­gen sei­en. Maka­brer Humor eines Prie­sters, der eigent­lich per defi­ni­tio­nem Exper­te der Mensch­lich­keit sein soll­te, der die wich­tig­sten Din­ge des Lebens, Tau­fen, Hoch­zei­ten und Beer­di­gun­gen voll­zieht. Im Grun­de soll­ten die Prie­ster in die­sen Din­gen die ande­ren unter­wei­sen und nicht umge­kehrt. Aber, das soll noch durch­ge­hen. Fast wört­lich ant­wor­tet der Papst: ja, ein­ver­stan­den, zur Pädo­phi­lie gibt es Instru­men­ta­li­sie­run­gen, und auch zur Kind­heit, aber die Kir­che hat ihr Haus geord­net. Nun gut. Dann aber ant­wor­tet er gene­rell zu den soge­nann­ten nicht ver­han­del­ba­ren Wer­ten, daß er den Begriff nie ver­stan­den hat und nicht teilt und daß die Wer­te alle gleich sind.

Da Bene­dikt XVI. der eme­ri­tier­te Papst, nicht weit von ihm ent­fernt wohnt und soviel Wert auf die Beto­nung der Kon­ti­nui­tät zwi­schen den bei­den gelegt wird, könn­te Fran­zis­kus ohne viel Ener­gie und Zeit auf­brin­gen zu müs­sen, ja ein­fach nach­fra­gen und ihn sich erklä­ren las­sen. Er wür­de dann viel­leicht hören, daß das Wort Wer­te eine Abstra­hie­rung ist und zudem abge­nutzt und mißbraucht.

Alle behaup­ten Wer­te zu haben. Spre­chen wir also von Kri­te­ri­en für die Wer­te. Es gibt das Kri­te­ri­um der Ehr­lich­keit und der Her­zens­schön­heit und es ist not­wen­dig, sich mit Red­lich­keit und Füg­sam­keit ihnen anzu­glei­chen, aber jeder macht das auf sei­ne Wei­se, mit sei­nem per­sön­li­chen Glau­ben, vor allem in der von Fran­zis­kus mit dem Nach­druck eines Jesui­ten des 16. Jahr­hun­derts gewoll­ten Kir­che der evan­ge­li­schen Barmherzigkeit.

Dann gibt es noch ande­re Kri­te­ri­en, fast bana­le, wie man mit der eige­nen Frei­heit umzu­ge­hen hat. So all­täg­li­che Din­ge, daß sie bis zu einem gewis­sen Punkt das Leben der ande­ren beein­flus­sen, kom­ple­men­tär Mann und Frau ver­voll­stän­di­gen, „als Mann und Frau schuf Er sie“, grund­sätz­lich gehei­ligt in ihrer mensch­li­chen Per­sön­lich­keit, die an der gött­li­chen Tran­szen­denz hängt.

Da nun kom­men wir zu den nicht ver­han­del­ba­ren Kri­te­ri­en. Das sind kei­ne seman­ti­schen Gewalt­ak­te eines deut­schen Theo­lo­gie­pro­fes­sors, nicht rigi­de Bestim­mun­gen, die die Men­schen vom katho­li­schen Glau­ben fern­hal­ten, oder vom „nicht katho­li­schen“ Gott der heu­ti­gen latei­ni­schen Kir­che. Es sind die grund­sätz­li­chen Din­ge von ratio­na­ler, unver­rück­ba­rer Sub­stanz, ewig­gül­tig, auf unauf­lös­li­che Wei­se an die Natur und die Kul­tur gebunden.

Ent­we­der bist Du Mann oder Frau. Der Herm­aphro­di­tis­mus ist ein Mythos, man­chen ein Wunsch­bild, eine außer­ge­wöhn­li­che Ver­hal­tens­wei­se, aber kei­ne Rea­li­tät. Das ist nicht verhandelbar.

Ein­mal gezeugt, wirst du ent­we­der gebo­ren oder sie sau­gen dich vor­her ab oder ver­gif­ten dich im Schoß dei­ner Mut­ter, und las­sen dich nicht in die Frei­heit, in die Freu­den und in die Lei­den des Lebens gebo­ren wer­den, weil du bereits als defek­ter Embryo aus­sor­tiert wur­dest, oder ein­fach nur, weil du uner­wünscht, nicht gewollt bist und als „Kran­ken­haus­ab­fall“ in den Müll­ei­mer gewor­fen wirst.

Das Kri­te­ri­um des Leben ist nicht ver­han­del­bar. Ent­we­der bist du Mensch oder Instru­ment, ent­we­der ein pro­du­zier­ba­res Kind als Phar­ma­kum oder Ersatz­teil­la­ger oder die Pro­jek­ti­on der Wün­sche dei­ner Eltern. Einen drit­ten, ver­han­del­ba­ren Weg gibt es nicht. Ent­we­der bist du drin­nen in einer hei­li­gen Ehe offen für die Zukunft, für den Auf­bau einer Fami­lie und die Erzie­hung der Kin­der, oder du bist in einer kom­pli­zier­ten, viel­leicht legi­ti­mier­ten Bezie­hungs­ge­schich­te, die aber für das alles auf nicht natür­li­che Wei­se offen ist, die durch nichts kano­ni­siert wer­den kann, als besten­falls durch eine Stem­pel­mar­ke ex post eines Staa­tes, der von der Kir­che ganz ver­schie­den ist. Es gibt kei­ne ande­ren Ehen als die Ehe.

Ent­we­der lebst du oder du bist tot. Ari­el Scha­ron und Benia­mi­no And­re­at­ta, ein Jude und ein Katho­lik, haben Jah­re in einem Tief­schlaf ver­bracht. Die bel­gi­schen Kin­der nicht mehr, dort erle­digt man es früher.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati­can Insider

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