(Vatikan) Die Theologen-Consultoren der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse haben eine wissenschaftlich nicht erklärbare Heilung eines noch ungeborenen Kindes als Wunder anerkannt. Sie wird der Fürsprache von Papst Paul VI. zugeschrieben, dessen baldige Seligsprechung damit wahrscheinlich wird.
Die Consultoren der Kongregation haben Anfang dieser Woche einstimmig ein Wunder anerkannt, das der Fürsprache von Giovanni Battista Montini zugeschrieben wird, der von 1963 bis 1978 als Paul VI. katholisches Kirchenoberhaupt war. Zuvor hatte das medizinische Beratungsgremium der Kongregation die Heiligung für wissenschaftlich unerklärbar bezeichnet. Nun hat die Vollversammlung der Kongregation und damit die Kardinäle und Bischöfe darüber zu entscheiden, ob und wann Papst Franziskus der Akt zur Letztentscheidung vorgelegt wird. Sollten diese letzten Schritte zügig erfolgen, so wäre die Seligsprechung bereits „in den nächsten Monaten“ denkbar, wie Vatican Insider „gutinformierte Quellen“ an der Heiligsprechungskongregation zitiert.
Wundersame Heilung als Bestätigung der Enzyklika Humanae vitae
Der Postulator im Seligsprechungsverfahren, Pater Antonio Marrazzo hatte unter den eingegangen Gebetserhörungen das Augenmerk auf die Heilung eines noch ungeborenen Kindes gelenkt. Der Vorfalle hatte sich Anfang der 90er Jahre in Kalifornien ereignet. Die Ärzte hatten während der Schwangerschaft einen Defekt beim Fötus festgestellt. Wegen der schwerwiegenden Gehirnschäden, die in einem solchen Fall auftreten, rieten die Ärzte der Mutter als einzigen Ausweg zur Abtreibung. Die Mutter verweigerte sich jedoch standhaft der Tötung ihres Kindes. Statt dessen vertrauten sie und ihr Ehemann ihr Ungeborenes der Fürsprache von Papst Paul VI. an, der 1968 die prophetische Enzyklika Humanae vitae veröffentlicht hatte. Die Ärzte waren aufgrund ihrer Untersuchungen überzeugt, daß das Kind schwerst körperlich und geistig behindert zur Welt komme und wenig Überlebensaussichten habe.
Die Geburt verlief jedoch problemlos und das Kind kam völlig gesund zur Welt. Es wurde dennoch bis in das Jugendalter gewartet, um auch eventuelle Spätfolgen auszuschließen. Da diese nicht auftraten, gilt der Fall seither als vollständige Heilung. „Ein wirklich außergewöhnliches und übernatürliches Ereignis“, hatte der Postulator 2012 Radio Vatikan gesagt. Es handelt sich zudem um ein Wunder, das „das kirchliche Lehramt bestätigt“. Papst Paul VI. hatte für viele unerwartet und trotz heftiger innerkirchlicher Widerstände, auch aus dem deutschen Sprachraum, die Enzyklika Humanae vitae veröffentlicht. Das Wunder ist mit der „Verteidigung des Lebens verbunden, die in der Enzyklika eingefordert wird, aber auch mit der Verteidigung der Familie, weil die Enzyklika auch von der ehelichen Liebe spricht. Die Eltern des geheilten Kindes, das heute bereits Erwachsen ist, haben gemeinsam eine Entscheidung für das Leben getroffen und sich gegenseitig gestützt. Diese Heilung entspricht ganz dem, was Papst Montini mit seiner Enzyklika sagen wollte“, so der Postulator.
Am 20. Dezember, kurz vor der Bekanntgabe seines Amtsverzichts, hatte Papst Benedikt XVI. den heroischen Tugendgrad seines verstorbenen Vorgängers anerkannt. Seither fehlt für die Seligsprechung nur mehr die Anerkennung eines Wunders.
Kirchenpolitisch „ausgleichende“ Heiligsprechung von zwei Päpsten am 27. April
Bereits am 27. April 2014 werden in einem außergewöhnlichen Doppelakt gleich zwei Päpste der jüngsten Kirchengeschichte heiliggesprochen: Johannes Paul II. (1978–2005) und Johannes XXIII. (1958–1963). Als das nötige Wunder für die Heiligsprechung von Johannes Paul II. anerkannt wurde, entschied Papst Franziskus im vergangenen Sommer kurzerhand auch Johannes XXIII. heiligzusprechen, obwohl noch kein auf seine Fürsprache zurückgehendes Wunder anerkannt wurde. Der ungewöhnliche, den kirchenrechtlichen Bestimmungen für Heiligsprechungen widersprechende Schritt wird im Zusammenhang mit dem 50-Jahrgedenken des Zweiten Vatikanischen Konzil gesehen. Eine Form von indirekter „Sanktifizierung“ des Konzils durch die Person seines Einberufers. Eine kirchenpolitische Maßnahme, die verstärkt wird durch die „Ausgleichung“ der Heiligsprechung von Johannes Paul II. mit jener Johannes XIII. In der nachkonziliaren Blockbildung in der Kirche werden die beiden Päpste als gegensätzliche Ausdrucksformen des Kirchenverständnisses in Anspruch genommen und unterschiedlichen „Blöcken“ zugeordnet.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican Insider