Viele Politkampagnen – Wo aber ist das Missionsideal ad gentes geblieben?


Comboni-Missionar Pater Alex Zanotelli als Politaktivist für eine "gewaltlose und solidarische" Welt: konkret im Kampf gegen eine Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke zwischen Frankreich und Italien(Vero­na) Der Ver­band der Mis­si­ons­me­di­en hält am kom­men­den Mar­kus­tag, den 25. April in Vero­na einen „Tag des Wider­stan­des“ für die Abrü­stung ab. „Wenn heu­te das öffent­li­che Bild des Mis­sio­nars fast zur Unkennt­lich­keit ver­schwom­men ist, dann auch, weil wir uns sol­che Kam­pa­gnen zu eigen machen“, so der Mis­sio­nar Pie­ro Ghed­do auf sei­nem Blog Armag­hed­do. Der 1929 gebo­re­ne Mis­sio­nar gehört dem Päpst­li­chen Insti­tut für die aus­wär­ti­gen Mis­sio­nen (PIME) an.

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Die Are­na von Vero­na ist bekannt für ihre Opern­auf­füh­run­gen und ande­re musi­ka­li­sche Groß­ereig­nis­se. Die Mis­si­ons­me­di­en wol­len sie zur „Are­na des Frie­dens“ machen und haben dazu einen „Tag des Wider­stan­des und der Befrei­ung“ aus­ge­ru­fen. Um genau zu sein, lau­tet das Mot­to: „Der Wider­stand heu­te heißt Gewalt­lo­sig­keit. Die Befrei­ung nennt sich Abrü­stung“. Soweit so gut, meint Pater Ghed­do: „Eine Kund­ge­bung für den Frie­den kann vie­le Jugend­li­che und Men­schen guten Wil­lens anzie­hen, ein Tag des Nach­den­kens und der Dis­kus­si­on über den Frie­den ist freund­lich zu unterstützen“.

Politisierung des Evangeliums

„Scha­de dar­an ist aller­dings, daß eine Ver­an­stal­tung, die von Mis­si­ons­in­sti­tu­ten und Mis­si­ons­wer­ken ad gen­tes orga­ni­siert wird, sofort in eine Poli­ti­sie­rung des Evan­ge­li­ums mün­det“, so der PIME-Mis­sio­nar. Der von Jesus ver­hei­ße­ne Frie­den wird umge­hend in eine ganz bestimm­te poli­ti­sche Sicht­wei­se gepreßt und exklu­siv als sol­che aus­ge­legt. Jesus aber sagt: „Frie­den hin­ter­las­se ich euch, mei­nen Frie­den gebe ich euch; nicht einen Frie­den, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch. Euer Herz beun­ru­hi­ge sich nicht und ver­za­ge nicht“ (Johan­nes 14,27). „Frie­den ist ein Geschenk Got­tes“, das wuß­te die Kir­che schon immer und so steht es auch in der Enzy­kli­ka Pacem in Ter­ris von Johan­nes XXIII.

Das Pla­kat der Kund­ge­bung zeigt eine sti­li­sier­te Are­na von Vero­na, eine zer­bro­che­ne Bom­be aus der Blu­men sprie­ßen und das alles vor dem Hin­ter­grund der Regen­bo­gen-Fah­ne der Frie­dens­be­we­gung, die für Nicht-Exper­ten genau­so gut die Fah­ne der Homo-Bewe­gung sein könn­te (sie­he eige­nen Bericht Möwen und Raben jagen Tau­ben des Pap­stes – Von Zei­chen und Sym­bo­len).

„Wir leben in einer Zeit der Säku­la­ri­sie­rung, die dazu neigt, den Glau­ben und das christ­li­che Leben zu einem pri­va­ten Hob­by zu redu­zie­ren, von dem man in der Öffent­lich­keit nicht spre­chen soll­te. Wir Mis­sio­na­re, die Mis­si­ons­zeit­schrif­ten und die mis­sio­na­ri­schen Lai­en­or­ga­ni­sa­tio­nen haben noch vor 50 Jah­ren gro­ße Mis­si­ons­kam­pa­gnen orga­ni­siert, um das Mis­si­ons­ide­al unter den Men­schen bekannt zu machen und Beru­fun­gen für die Mis­si­on ad gen­tes zu wecken und zu för­dern. Wir gaben damit auch den Nicht­chri­sten in Euro­pa Zeug­nis und ver­kün­de­ten ihnen Jesus Chri­stus durch unse­re Über­zeu­gung und unse­re Begei­ste­rung für die Missionsberufung.

Missionare schwimmen zu Hause nicht mehr gegen den Strom

Dann aber waren wir aus inne­rer Schwä­che und äuße­rem Ein­fluß nicht imstan­de, aus­rei­chend gegen den Strom zu schwim­men. Schritt für Schritt haben wir uns statt­des­sen von der vor­herr­schen­den Kul­tur mit­t­rei­ben las­sen, von einer kul­tu­rel­len Strö­mung, die Säku­la­ri­sie­rung und Rela­ti­vis­mus heißt. Wir haben unse­rer spe­zi­fi­sches Mis­si­ons­cha­ris­ma in den Glas­ka­sten gesperrt und unser beson­de­res Beru­fungs­ide­al in unse­re Klö­ster und Sakri­stei­en ein­ge­schlos­sen. Sobald wir aber aus unse­rem inner­sten Bereich hin­aus­ge­gan­gen sind, um zu schrei­ben, zu spre­chen, zu bekun­den, anzu­re­gen, haben wir begon­nen alle mög­li­chen welt­li­chen Kam­pa­gnen zu betrei­ben, uns ihnen anzu­schlie­ßen, sie zu för­dern und in den Mit­tel­punkt zu stel­len. Wir haben als Mis­sio­na­re gegen die Auf­rü­stung gekämpft, gegen die Aus­lands­ver­schul­dung, gegen die inter­na­tio­na­len Kon­zer­ne, gegen getürk­te Bil­lig­me­di­ka­men­te, gegen die Abhol­zung des Regen­wal­des, gegen die Pri­va­ti­sie­rung des Trink­was­sers und vie­le ande­re Kam­pa­gnen mehr. Jede hat natür­lich unter einem bestimm­ten Blick­win­kel ihre Berech­ti­gung. In der Regel rit­ten wir jedoch Kam­pa­gnen einer ganz bestimm­ten poli­ti­schen Rich­tung und ver­lie­hen die­ser gewis­ser­ma­ßen ein beson­de­res mora­li­sches Güte­sie­gel. Das aber war nicht berech­tigt, vor allem nicht die Ach­sen­ver­schie­bung von unse­rem Beru­fungs­auf­trag, unser Leben zu einer unun­ter­bro­che­nen, von Glau­bens­ei­fer beseel­ten Kam­pa­gne für Chri­stus zu machen. Für Chri­stus den Sohn Got­tes, unse­ren Ret­ter und Hei­land, und nicht zu einem Chri­stus, des­sen Wor­te ein­mal auf die­se, dann für jene Kam­pa­gne redu­ziert werden.

Zwei Nebenwirkungen des Politaktionismus

Die berech­tig­ten Anlie­gen der Kam­pa­gnen der ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­te haben zwei ent­schei­den­de Nebenwirkungen:

1.) Wir Mis­sio­na­re haben uns poli­ti­siert. Wir sind Orga­ni­sa­tio­nen, Zei­tun­gen und Par­tei­en gefolgt, die bestimm­te poli­tisch-ideo­lo­gi­sche Aus­rich­tun­gen haben und uns natür­lich für ihre Zwecke instru­men­ta­li­siert haben. Fol­gen sie auch Chri­stus oder fol­gen nur wir ihren Zielen?

2.) In den Mis­si­ons­in­sti­tu­ten besteht die Arbeit der Prie­ster, Brü­der und Ordens­frau­en, die in der Hei­mat blei­ben, vor allem dar­in, die Mis­si­ons­me­di­en zu gestal­ten und zu ver­brei­ten; dar­in, unser Cha­ris­ma ad gen­tes zu ver­mit­teln und unter den Men­schen das Inter­es­se und die Begei­ste­rung für die Mis­si­on zu wecken, so daß mit der Gna­de Got­tes, Mis­si­ons­be­ru­fun­gen wach­sen. Der seli­ge Mis­sio­nar Paul Man­na schrieb: Wenn die Mis­si­ons­me­di­en kei­ne Beru­fun­gen für die Mis­si­on her­vor­brin­gen, die­nen sie nicht dem ersten und eigent­li­chen Zweck, für den sie ver­öf­fent­licht werden.

Bild des Missionars hatte in 50er Jahren noch deutliche Umrisse – heute ist es verblaßt und wird versteckt

Das Bild des Mis­sio­nars, das Anfang der 50er Jah­re unter den Katho­li­ken in Euro­pa noch ganz deut­li­che Umris­se hat­te und im Bewußt­sein der Men­schen fest ver­an­kert war, ist inzwi­schen weit­ge­hend ver­blaßt. Das Mis­si­ons­ide­al und daher auch die Mis­sio­na­re und die Mis­si­ons­ge­sell­schaf­ten wer­den fast ver­schämt ver­steckt in einer glo­ba­li­sier­ten Welt, deren Glo­ba­li­sie­rung vor allem unter öko­no­mi­schen, aber nicht unter gei­sti­gen oder gar geist­li­chen Gesichts­punk­ten gemes­sen wird. Kam­pa­gnen für die Abrü­stung und ähn­li­che The­men, hel­fen uns nicht bei der Errei­chung unse­res Zie­les. Vor bald einem Jahr zeig­te eine klei­ne Grup­pe von Prie­stern und Ordens­schwe­stern beim Ange­lus des Pap­stes auf dem Peters­platz ein Trans­pa­rent mit der Auf­schrift: „Wir Mis­sio­na­re wol­len öffent­li­ches Was­ser“. Vor zwei Jah­ren orga­ni­sier­ten Mis­si­ons­grup­pen einen Sitz­streik vor einer Waffenfabrik.

Mein Traum: Statt Politkampagnen ein Gebetstag „Christus ist unser Frieden“

Das sind alles ver­ständ­li­che For­de­run­gen, doch wir Alten haben auch noch Träu­me. Mein Traum ist es, daß eines Tages, von mir aus in der Are­na von Vero­na, ein Gebets­tag zum The­ma: „Chri­stus ist unser Frie­den“ (Ephe­ser 2,14) statt­fin­det. Mit Prie­stern, Ordens­brü­dern, Ordens­schwe­stern und Lai­en, die Zeug­nis geben und auf­zei­gen, wie Chri­stus dem Men­schen und der Welt Frie­den bringt, indem wir Ihm nach­fol­gen. Wür­den nur weni­ge kom­men? Ich den­ke nicht. Viel­leicht anfangs, doch dann wür­den vie­le sagen: End­lich schwim­men die Mis­sio­na­re wie­der gegen den Strom und ver­kün­den der Welt ihren Glau­ben. Kei­ne Pro­test­kund­ge­bung „gegen“ etwas, son­dern eine Glau­bens­kund­ge­bung, die sich an alle Men­schen guten Wil­lens richtet.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Tempi

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