Kardinal Kasper zu wiederverheiratet Geschiedenen: „Neue Wege“ gehen wie das Konzil – Papst Franziskus: „Danke. Danke“


Kardinalskonsistorium zur Familie Papst Franziskus(Vati­kan) Kar­di­nal Wal­ter Kas­per war gestern der ein­zi­ge Refe­rent zum The­ma Fami­lie beim ordent­li­chen Kon­si­sto­ri­um des Kar­di­nals­kol­le­gi­ums. Der deut­sche Kar­di­nal for­der­te „Neue Wege“ zum The­ma wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ne, „wie sie das Kon­zil auch gegan­gen ist“, und wur­de von Papst Fran­zis­kus für sei­ne Aus­füh­run­gen gelobt: In sei­nen Wor­ten „habe ich die Lie­be zur Kir­che gefun­den“. Das Kon­si­sto­ri­um, das seit gestern tagt, endet am Frei­tag Abend. Am Sams­tag folgt ein außer­or­dent­li­ches Kon­si­sto­ri­um mit der Kre­ierung der neu­en Kar­di­nä­le. Die fol­gen­den Aus­füh­run­gen fol­gen zusam­men­fas­send der Wie­der­ga­be des Vati­ka­ni­sten Andrea Tor­ni­el­li, dem die Rede Kar­di­nal Kas­pers zugäng­lich gemacht wor­den sein muß. 

Große Erwartungshaltung erzeugt

Anzei­ge

Das Kar­di­nals­kol­le­gi­um befaßt sich in Vor­be­rei­tung der Bischofs­syn­ode im Okto­ber mit dem The­ma Fami­lie. Die „Auf­bruch­stim­mung“ unter Papst Fran­zis­kus, bestimm­te Signa­le des Pap­stes, der Fra­ge­bo­gen des Sekre­ta­ri­ats der Bischofs­syn­ode an alle Bischö­fe und die deut­sche Unge­duld haben einen Erwar­tungs­druck geschaf­fen. Wie Papst Fran­zis­kus mit dem von ihm maß­geb­lich mit­ver­ur­sach­ten Druck umge­hen wird, läßt sich noch nicht sagen. Kommt die päpst­li­che Wahl von Kar­di­nal Kas­per als ein­zi­gem Refe­ren­ten einer Vor­ent­schei­dung gleich? Ein deut­li­ches Signal ist es alle­mal. Der deut­sche Kar­di­nal sprach sich bereits mehr­fach für die Auf­wei­chung des Ehe­sa­kra­ments und die Zulas­sung von wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen zu den Sakra­men­ten aus.

Kasper: „Unauflöslichkeit der Ehe stehe nicht zur Diskussion, aber…“

Kar­di­nal Kas­per sag­te in sei­ner Rede am Don­ners­tag, daß die Kir­che die Wor­te Jesu über die Unauf­lös­lich­keit der Ehe nicht in Fra­ge stel­len kön­ne. Wer sich erwar­te, daß beim Kon­si­sto­ri­um oder dann der Bischofs­syn­ode „leich­te“ und gene­rel­le Lösun­gen für alle gefun­den wer­den, bege­he einen gro­ßen Feh­ler. Aller­dings könn­ten, so der Kar­di­nal, ange­sichts der Schwie­rig­kei­ten, die die Fami­li­en heu­te erle­ben und dem enor­men Anstei­gen geschei­ter­ter Ehen „neue Wege“ erkun­det wer­den, um auf die „tie­fen Bedürf­nis­se“ jener zivil­recht­lich wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen zu ant­wor­ten, die ihr Schei­tern aner­ken­nen, sich bekeh­ren und nach einer Buß­zeit die Wie­der­zu­las­sung zu den Sakra­men­ten bean­tra­gen. Der Vor­schlag Kas­pers ent­spricht mit deut­li­chen Abwand­lun­gen dem „ortho­do­xen Weg“, der zuletzt mehr­fach in die Dis­kus­si­on ein­ge­führt wurde.

Papst Franziskus zu Kasper: Keine Antworten geben, sondern Fragen stellen

Papst Fran­zis­kus, der Kas­per als Red­ner aus­ge­wählt hat­te, habe ihn gebe­ten, kei­ne Ant­wor­ten zu for­mu­lie­ren, son­dern Fra­gen her­aus­zu­for­dern. Eine Vor­ga­be an die sich der deut­sche Theo­lo­ge nur bedingt gehal­ten zu haben scheint.

Der Kar­di­nal for­der­te das Kar­di­nals­kol­le­gi­um auf, die Fra­ge der wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen vor allem unter dem Blick­win­kel jener zu betrach­ten, die unter die­ser Situa­ti­on „lei­den und um Hil­fe bit­ten“. Sie sei­en zur Teil­nah­me am Leben der Kir­che ein­zu­la­den, denn es sei offen­sicht­lich, daß in man­chen Fäl­len alle Ver­su­che zur Ret­tung einer Ehe ver­ge­bens sei­en. Es gebe das „Hel­den­tum“ jener, die dann allei­ne blei­ben und auch ihre Kin­der allei­ne groß­zie­hen. Vie­le ande­re, von ihrem Ehe­part­ner ver­las­se­ne Geschie­de­ne wür­den, auch zum Wohl der Kin­der, wie­der hei­ra­ten und könn­ten nicht ohne neue Schuld auf die­se Zweit­ehe verzichten.

„Barmherzigkeit und Treue gehören zusammen“

Die Kir­che kön­ne die Wor­te Jesu von der Unauf­lös­lich­keit der Ehe nicht ändern und nichts im Wider­spruch zu die­sen Wor­ten tun oder leh­ren. Die Unauf­lös­lich­keit des Ehe­sa­kra­ments und die Unmög­lich­keit einer neu­en Ehe, solan­ge der Ehe­part­ner noch lebt, kön­ne nicht durch eine Beru­fung auf die Barm­her­zig­keit auf­ge­ho­ben wer­den. Denn, so der Kar­di­nal, „Barm­her­zig­keit und Treue gehö­ren zusammen“.

Es gebe aber Situa­tio­nen, so Kas­per, die hoff­nungs­los sei­en. So tief der Mensch auch fal­le, kön­ne er nie aus der Barm­her­zig­keit Got­tes hinausfallen.

Die Kir­che habe in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten bereits wich­ti­ge Schrit­te gesetzt. Im Kir­chen­recht von 1917 wur­den wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ne noch als Biga­mi­sten bezeich­net, die im öffent­li­chen Kon­ku­bi­nat leben und damit Gegen­stand der Exkom­mu­ni­ka­ti­on waren. Im neu­en Kir­chen­recht wer­den sie aus­drück­lich als nicht exkom­mu­ni­ziert bezeich­net, son­dern als Teil der Kirche.

Kirche heute in ähnlicher Situation wie beim Zweiten Vatikanischen Konzil?

Für Kas­per befin­de sich die Kir­che heu­te in einer ähn­li­chen Situa­ti­on wie beim Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil. Damals habe es zu The­men wie Öku­me­ne und Reli­gi­ons­frei­heit Enzy­kli­ken und Ver­laut­ba­run­gen gege­ben, die neue Wege unmög­lich erschei­nen lie­ßen. Das Kon­zil habe dann aber, ohne die dog­ma­tisch bin­den­de Tra­di­ti­on zu ver­let­zen, neue Türen geöff­net. In die­sem Sin­ne schlug der Kar­di­nal vor, auch im Zusam­men­hang mit den wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen neue Wege zu gehen, ohne die ver­bind­li­che Über­lie­fe­rung des Glau­bens zu verletzen.

„Es kann keine generellen Lösungen geben“

Es kön­ne aber kei­ne „gene­rel­len“ Lösun­gen geben. Nur die Ehe­nich­tig­keits­ver­fah­ren zu erleich­tern, wür­de den Ein­druck erwecken, daß die Kir­che unehr­lich hand­le und eine ver­steck­te „katho­li­sche Schei­dung“ anbiete.

Kas­per ver­wies auf eine Erklä­rung der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on und von Bene­dikt XVI. beim Welt­fa­mi­li­en­tref­fen in Mai­land wie­der­holt, daß wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen der Emp­fang der eucha­ri­sti­schen Kom­mu­ni­on unmög­lich ist, daß sie aber die geist­li­che Kom­mu­ni­on emp­fan­gen kön­nen, sofern sie geist­lich dafür bereit sei­en. Der Kar­di­nal kri­ti­sier­te die­se The­se und stell­te die Fra­ge, wie jemand für die geist­li­che Kom­mu­ni­on befä­higt sein kön­ne, nicht aber für die sakramentale?

Kasper: „Geistliche Kommunion ja, warum dann nicht auch sakramentale Kommunion?“

Kar­di­nal Kas­per führ­te dage­gen eine Andeu­tung des dama­li­gen Theo­lo­gen Joseph Ratz­in­ger aus dem Jahr 1972 ins Feld, wonach es wäh­rend der früh­christ­li­chen Ver­fol­gun­gen für jene, die aus inne­rer Schwach­heit­die eige­ne Tau­fe ver­leug­net hat­ten, in der Kir­che eine beson­de­re Buß­pra­xis gege­ben habe, eine Art zwei­te Tau­fe, nicht mit Was­ser, son­dern mit den „Trä­nen der Buße“. Der Schiff­brü­chi­ge habe kein zwei­tes Schiff zur Ver­fü­gung gehabt, son­dern ein Ret­tungs­boot, so der Kar­di­nal. Ein sol­ches Ret­tungs­boot habe es, so Kas­per, in man­chen Orts­kir­chen auch für wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ne gege­ben. Nach einer Buß­zeit habe es für sie kei­ne zwei­te Ehe­schlie­ßung in der Kir­che gege­ben, aber die Zulas­sung zur Kom­mu­ni­on. „Wird das in Zukunft ein gang­ba­rer Weg sein?“, frag­te Kas­per das Kar­di­nals­kol­le­gi­um. Dar­über dis­ku­tie­ren die Kar­di­nä­le seit­her. Damit ist auch eine wesent­li­che Vor­ga­be für die Dis­kus­si­on in der Bischofs­syn­ode absehbar.

Lob von Papst Franziskus für Kardinal Kasper: „Danke. Danke. Eine auf den Knien gemachte Theologie“

Papst Fran­zis­kus fand am Frei­tag Mor­gen viel Lob für den deut­schen Kar­di­nal. In sei­nen Aus­füh­run­gen „habe ich die Lie­be für die Kir­che gefun­den“. Und wei­ter: „Gestern vor dem Ein­schla­fen, aber nicht um ein­zu­schla­fen, habe ich die Arbeit von Kar­di­nal Kas­per gele­sen, noch ein­mal gele­sen“, sag­te der Papst heu­te zur Eröff­nung des zwei­ten Tages des Kon­si­sto­ri­ums. Fran­zis­kus mein­te die Rede von Kar­di­nal Kas­per. „Ich möch­te ihm dan­ken, weil ich eine tie­fe Theo­lo­gie vor­ge­fun­den habe, ein gelas­se­nes und unbe­schwer­tes theo­lo­gi­sches Den­ken. Es ist ange­nehm, eine unbe­schwer­te Theo­lo­gie zu lesen. Und ich habe das vor­ge­fun­den, was der Hei­li­ge Igna­ti­us den sen­sus eccle­siae nennt, die Lie­be für die Mut­ter Kir­che. Es hat mir gut getan und es kam mir dazu eine Idee, aber bit­te, ver­zei­hen Sie mir, Emi­nenz, wenn ich Sie in Ver­le­gen­heit brin­ge. Die Idee ist: Das nennt sich, Theo­lo­gie auf den Knien zu betrei­ben. Dan­ke. Danke.“

Wie wer­den die Kar­di­nä­le dar­auf reagie­ren? Wie die Bischöfe?

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati­can Insider

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!