(Rom/Peking) Die Gestalt des Jesuitenmissionars Matteo Ricci (1552–1610), der die dritte Welle der christlichen China-Mission begründete, bietet auch 400 Jahre nach seinem Tod faszinierend aufschlußreiche und aktuelle Seiten. Der Glaubensbote, Mathematiker, Kartograph, Linguist und Schriftsteller stand unter Papst Benedikt XVI. im Mittelpunkt zahlreicher Tagungen, Veröffentlichungen und Ausstellungen, die 2009 und 2010 zu seinem 400. Todesjahr durchgeführt wurden. Dahinter stand auch das besondere Augenmerk, das der deutsche Papst auf die Missionierung Chinas gelegt hatte. Nun wurde der von Ricci verfaßte Katechismus neu herausgegeben. Ein bemerkenswertes Dokument nicht nur seiner Zeit. Darin widerlegt der Jesuit unter anderem buddhistische und andere fernöstliche religiöse und philosophische „Absurditäten“.
Ricci als „Vorläufer“ des nachkonziliaren Missionsdenkens?
In seiner Botschaft an den Bischof von Macerata, der Heimatdiözese von Matteo Ricci, hob Benedikt XVI. vor allem das glaubenseifrige Charisma des China-Missionars hervor, dessen furchtloses Apostolat und seine unerschütterliche Glaubenstreue. Bis zu den 400-Jahrfeiern seines Todes wurde Ricci gerne als „Vorläufer“ des Zweiten Vatikanischen Konzils präsentiert. Dies galt vor allem wegen seines Eifers, die Sprachen der zu missionierenden Völker zu erlernen, deren Kleidung zu tragen und deren Kultur zu christianisieren. Alles Dinge, die für die Neuerer im Konzilsgeist bereits „Vorläufer“ jener Inkulturation waren, die für den heutigen katholischen Missionsgedanken so typisch sei.
Riccis „Inkulturation“ zielte auf Widerlegung der fernöstlichen Religion und Philosophie ab
Wenn Ricci jedoch mit so großer Aufmerksamkeit die spirituellen und philosophischen Traditionen Chinas, besonders des Buddhismus, des Taoismus und des Konfuzianismus studierte, dann tat er es immer aus dem Blickwinkel eines Missionars des 16. Jahrhunderts. Er suchte einerseits nach gültigen Elementen in einem kulturellen Kontext, dem das Christentum noch fremd war, um die Menschen über diese zum christlichen Glauben zu führen. Und er suchte gleichzeitig die philosophischen und spirituellen Grundlagen dieser Kultur zu ergründen und zu widerlegen.
Nun erschien als spätes Ergebnis der 400-Jahrfeiern der Katechismus, den Matteo Ricci für China verfaßte. Die Ausgabe ist zweisprachig. Auf der einen Seite Italienisch und auf der anderen Seite in einem vereinfachten Chinesisch. Der Katechismus stellt eine ausgezeichnete Zusammenfassung der katholischen Lehre und der katholischen Theologie seiner Zeit dar. Er setzt bei der Vernünftigkeit des Glaubens an, erklärt ihn und widerlegt den Einspruch dagegen. Ricci selbst schrieb über seinen Katechismus in der dritten Person: „Das hat angetrieben, die Chinesen durch die Vernunft zu bekehren, nicht weil das der strategischste Weg gewesen wäre, im Sinne von Effizienz und berechnender Rationalität; auch nicht wegen einer Vorliebe zum Dialog als Selbstzweck; und auch nicht der Begegnung zwischen den Kulturen wegen“ (Seite 65), sondern „weil alles, was die Vernunft als wahr erweist, nicht als falsch erkannt werden kann. Die Vernunft steht in derselben Beziehung zum Menschen wie die Sonne mit der Welt, indem sie überall ihr Licht verbreitet“ (Seite 111).
Die Vernunft als Grundlage des Katechismus
Im ersten Kapitel behandelt Ricci die Suche nach der religiösen Wahrheit. „Der edle Mensch gründet sein eigenes Leben auf der Wahrheit“ (Seite 113). Dazu legt er die klassischen Beweise für die Existenz Gottes dar, den er im Wortschatz der Chinesen häufig, den „Herrn des Himmels“ nennt. Das zweite Kapitel ist der Widerlegung der “irrigen menschlichen Kenntnisse“ über Gott, die Schöpfung und die Religion im allgemeinen gewidmet. Ricci gestaltet dieses Kapitel als Dialog zwischen zwei Figuren. Zum einen spricht ein chinesischer Literat, der die Positionen verschiedener Personen wiedergibt, denen der Missionar tatsächlich begegnet ist. Zum anderen ein christlicher Literat, der darauf antwortet. Diese zweite Figur stellt unzweideutig Ricci selbst dar.
„Lügenhafte Schriften des Buddha“ haben ahnungslose Menschen „vergiftet“
Der Jesuit widerlegt mit viel Takt und Gelassenheit, aber mit großer Klarheit alle Absurditäten des Buddhismus und der orientalischen Philosophien. Er läßt zum Abschluß seine Figur sagen: diese Absurditäten „verdienen keine Wertschätzung“, ihr Kreisen um das „Nichts“, die „Leere“, das „Nicht-Sein“ als Eigenschaft des höchsten Prinzips, sind „völlig ungeeignete Ausdrucksformen“: „Die symbolische Leere“ des alten Ostens „gründet auf keiner wirklichen Vernunft“. Durch die „lügenhaften Schriften des Buddha (…] wurde man ahnungslos von seinen vergifteten Worten angesteckt“.
Unsterblichkeit der Seele und ihr ewiges Heil
Im dritten und letzten Teil legt Ricci die Grundlehren des katholischen Glaubens dar: Im dritten Kapitel die Unsterblichkeit der Seele; im vierten Kapitel die wirkliche Unterscheidung zwischen den verschiedenen kosmischen Realitäten wie Tiere, Pflanzen, Minerale und Geister im Gegensatz zum orientalischen Pantheismus; im fünften Kapitel eine ausführliche Widerlegung der Reinkarnation und im sechsten Kapitel über das ewige Seelenheil, das Gericht und die Strafen im jenseitigen Leben.
Der Katechismus von Matteo Ricci zeigt, daß die Kraft und Bedeutung der Missionare nicht darin liegt, sich die Sprachen und die Formen der zu evangelisierenden Völker zu eigen zu machen, sondern ihre Familie und ihre Heimat, Sitten und Gebräuche zu verlassen und aufgegeben zu haben, um sich allen alles zu machen, um durch den Glaubenseifer alle oder zumindest so viele Seelen als möglich zu retten.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Asianews