Der überlieferte Ritus „nur eine Mode“ – Päpstliche Form der Realitätsverweigerung?

Fehlende Sensibilität für den überlieferten Ritus


Die tschechischen Bischöfe in Audienz bei Papst Franziskus, Februar 2014.
Die tschechischen Bischöfe in Audienz bei Papst Franziskus, Februar 2014.

(Vati­kan) Die tsche­chi­sche Redak­ti­on von Radio Vati­kan befrag­te die Bischö­fe aus Böh­men und Mäh­ren nach ihrem Ad-Limi­na-Besuch in Rom über die Audi­enz bei Papst Fran­zis­kus. Erz­bi­schof Jan Graub­ner von Olmütz gab dabei wie­der, was der Papst ihnen zur über­lie­fer­ten Lit­ur­gie sag­te. Die fol­gen­de Über­set­zung erfolg­te anhand einer Über­set­zung aus dem Tsche­chi­schen ins Eng­li­sche, die Rora­te Cae­li veröffentlichte.

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Arci­bisk­up Jan Graub­ner, Olomouc

„Zau­ja­la mne ještě jiná věc. Napří­klad, když byla řeč o těch, kteří mají rádi sta­rou lit­ur­gii a vrací se k ní, bylo patrné že papež mlu­ví s veli­kou lás­kou, pozor­no­stí a cit­li­vo­stí vůči kaž­dé­mu, aby nez­r­anil. Kromě toho měl však i poměrně silný výraz, když řekl, že u sta­ré generace tomu rozu­mí, jest­li se vrací k něče­mu, co zaži­la, ale že není scho­pen pocho­pit mla­dou genera­ci, která se k tomu vrací. »Když se ptám kon­krét­ně­ji a víc – dodal papež – zjišťu­ji, že je to spí­še jaká­si móda. A pokud je to móda, tak je to věc přechod­ná, kte­ré není potřeb­né věno­vat tolik pozor­n­o­sti. Jenom je tře­ba s urči­tou trpě­li­vo­stí a las­ka­vo­stí se cho­vat k lidem, kteří pro­pad­li urči­té módě. Považu­ji však za obrov­sky důleži­té jít na hlu­binu, pro­tože pokud nepůj­de­me do hloubky, tak nás nez­ach­rá­ní lit­ur­gická for­ma ani tako­vá, ani taková«.“

Erz­bi­schof Jan Graub­ner, Olmütz:

Als wir über jene dis­ku­tier­ten, die die alte Lit­ur­gie lie­ben und wün­schen zu ihr zurück­zu­keh­ren, war offen­sicht­lich, daß der Papst mit gro­ßer Zunei­gung, Auf­merk­sam­keit und Sen­si­bi­li­tät für alle sprach, um nie­man­dem weh­zu­tun. Den­noch gab er eine sehr star­ke Erklä­rung ab, als er sag­te, daß er ver­steht, wenn die alte Gene­ra­ti­on zurück­kehrt zu dem, was sie erlebt hat, aber er nicht die jün­ge­ren Gene­ra­tio­nen ver­ste­hen kann, die zurück­keh­ren wol­len. „Wenn ich gründ­li­cher dar­über nach­den­ke“ – sag­te der Papst – „fin­de ich, daß es eher eine Art Mode [móda, ita­lie­nisch moda] ist. Und weil es eine Mode ist, daher muß man ihr nicht so viel Auf­merk­sam­keit schen­ken. Es ist nur not­wen­dig, eine gewis­se Geduld und Freund­lich­keit den Men­schen gegen­über zu zei­gen, die von einer gewis­sen Mode abhän­gig sind. Ich hal­te es aber für sehr wich­tig, in die Tie­fe der Din­ge zu gehen, denn wenn wir nicht in die Tie­fe gehen, kann uns kei­ne lit­ur­gi­sche Form ret­ten, weder die eine noch die andere.“

Private Aussage des Papstes, die nicht Teil des Lehramtes ist

Es han­delt sich um eine pri­va­te Aus­sa­ge des Pap­stes, die nur von drit­ter Sei­te hin­ter­bracht wur­de, die nicht Teil des päpst­li­chen Lehr­am­tes ist. Für tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ne Katho­li­ken mag die­se Fest­stel­lung den­noch kein Trost sein. Es besteht aller­dings auch kein Grund, an der Authen­ti­zi­tät von Erz­bi­schof Graub­ners Aus­sa­ge zu zwei­feln. Das von ihm Hin­ter­brach­te bekräf­tigt jenen „rein funk­tio­na­len“ Zugang zur Hei­li­gen Lit­ur­gie, den das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt seit sei­nem Amts­an­tritt an den Tag legt.

Liturgisches Unverständnis

Zusam­men mit ande­ren pri­va­ten Aus­sa­gen des Pap­stes, etwa gegen­über dem Vor­stand der Latein­ame­ri­ka­ni­schen Ordens­kon­fe­renz im Juni 2013 und dem Prä­si­di­um der Latein­ame­ri­ka­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz im Juli 2013, bestä­tigt die Aus­sa­ge von Erz­bi­schof Graub­ner, daß Papst Fran­zis­kus tat­säch­lich ein wirk­li­ches Ver­ständ­nis für die über­lie­fer­te Lit­ur­gie zu feh­len scheint. Er scheint sie im wahr­sten Sinn des Wor­tes nicht zu ver­ste­hen, wie er den tsche­chi­schen Bischö­fen erklär­te. Für Papst Fran­zis­kus gibt es eine Lit­ur­gie, den Novus Ordo. Den Vetus Ordo sieht er offen­bar aus­schließ­lich unter dem Blick­win­kel eines zwei­ten Ritus. Das aber scheint in sei­nem lit­ur­gisch wenig sen­si­blen Den­ken über­flüs­sig, eine Marot­te, eben nur eine „Mode“ zu sein, für die es aus sei­ner Sicht weder Grund noch Nut­zen zu geben scheint.

Verdächtig, aber völlig unzutreffend „pelagianisch“

Wozu also will jemand ein sol­che Extra­wurst, scheint sich der Papst zu fra­gen? Und, weil er sich den Wunsch nach dem Alten Ritus trotz „gründ­li­chem“ Nach­den­ken nicht anders als erklä­ren kann, unter­stellt er tra­di­ti­ons­ver­bun­de­nen Chri­sten eine Form von Hoch­mut, eine Son­der­grup­pe zu bil­den sich für etwas Bes­se­res, viel­leicht sich sogar für eine Erste Klas­se zu hal­ten, die sich vom „Volk“ abhe­ben oder min­de­stens eben­so schlimm einen ideo­lo­gi­schen Kon­tra­punkt set­zen wol­len. All die­se sozio­lo­gi­schen Über­le­gun­gen, über die der Papst nicht hin­aus­zu­kom­men scheint, machen ihm tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ne Katho­li­ken im wahr­sten Sinn des Wor­tes ver­däch­tig. Ein Ver­dacht den er, aller­dings stau­nens­wert unzu­tref­fend, „pela­gia­nisch“ nennt.

Eine „Mode“ ist, wenn schon, der Neue Ritus

Der gesam­te Gedan­ken­gang, von dem der Papst über­zeugt scheint, lie­ße sich leicht wider­le­gen. Und es erstaunt tat­säch­lich, daß das Kir­chen­ober­haupt die Schwä­che die­ser Über­le­gung nicht selbst erkennt. Sie läßt zunächst zumin­dest ein defi­zi­tä­res Lit­ur­gie­ver­ständ­nis ver­mu­ten. Eine „Mode“ ist, um bei der päpst­li­chen Wort­wahl zu blei­ben, wenn schon, die Neue Mes­se. Sie bil­det lit­ur­gie­ge­schicht­lich betrach­tet mit ihren gera­de ein­mal 44 Jah­ren gewis­ser­ma­ßen den neue­sten modi­schen Schrei. Der über­lie­fer­te Ritus kennt mit sei­nen bald 2000 Jah­ren kei­ne Moden und kann auf die direk­te Stif­tung durch Jesus Chri­stus verweisen.

Überliefertem Ritus wird gleiche Würde verweigert

Die päpst­li­che Über­zeu­gung wür­de, wenn dem so ist, auch ein erschreckend ver­zerr­tes Bild von den tra­di­ti­ons­ver­bun­de­nen Chri­sten offen­ba­ren, die er per­sön­lich als Erz­bi­schof von Bue­nos Aires peni­bel zu mei­den ver­such­te. Der amtie­ren­de Papst will die Alte Mes­se bestimmt nicht abwür­gen. Sie ist für ihn eine Marot­te, die er bereit ist zu akzep­tie­ren, aber sicher nicht zu för­dern. Und wer von den tra­di­ti­ons­ver­bun­de­nen Gemein­schaf­ten zu offen auf­tritt, wird abge­würgt, wie es den Fran­zis­ka­nern der Imma­ku­la­ta ergeht. Damit stellt das Pon­ti­fi­kat von Fran­zis­kus einen objek­ti­ven Rück­schritt dar gegen­über dem Ver­such von Papst Bene­dikt XVI. den bei­den For­men des Römi­schen Ritus, wie er es nann­te, die glei­che Wür­de in der Kir­che zu ver­lei­hen. Die­se glei­che Wür­de setz­te sich nur in weni­gen Diö­ze­sen durch. Die Novus Ordi­sten bestim­men über den Alten Ritus und behar­ren auf eine ein­deu­ti­ge Hier­ar­chie von oben und unten. Einen Stand­punkt, den ein lit­ur­gisch unsen­si­bler Papst bewußt oder unbe­wußt unterstützt.

Gegenüber Tradition Sensibilität eines Holzklotzes

Erz­bi­schof Graub­ner mein­te, der Papst habe in einer Wei­se über die Lit­ur­gie gespro­chen, um „nie­man­dem weh­zu­tun“. Davon kann kei­ne Rede sein, wenn man dem Papst nicht unter­stel­len will, die Sen­si­bi­li­tät eines Holz­klot­zes zu haben. Den Wunsch nach der über­lie­fer­ten Mes­se als „Mode“ zu bezeich­nen, kommt letzt­lich näm­lich einer Ver­un­glimp­fung, die tra­di­ti­ons­ver­bun­de­nen Katho­li­ken als „mode­ab­hän­gig“ zu beti­teln, einer Beschimp­fung gleich. Glei­ches gilt für das selt­sam anmu­ten­de Aus­ein­an­der­di­vi­die­ren in Gene­ra­tio­nen. „Im Brief an die Bischö­fe zum Motu Pro­prio vom 7. Juli 2007 erwähn­te Bene­dikt XVI., dass nicht die alte, son­dern die jun­ge Gene­ra­ti­on von der der Alten Mes­se ange­zo­gen wird“, wie Glo​ria​.tv anmerkte.

Tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ne Katho­li­ken brau­chen und wol­len kein Mit­leid. Sie brau­chen und wol­len die voll­wer­ti­ge Aner­ken­nung, die es ihnen erlaubt, offen zu wir­ken, zu evan­ge­li­sie­ren, wie alle ande­ren öffent­lich Stel­lung neh­men zu kön­nen. Statt­des­sen wer­den sie in den mei­sten Diö­ze­sen gedul­det, aber in Qua­ran­tä­ne gehal­ten, so daß sie kaum nach außen wir­ken können.
Die Kir­che hat eben­so wenig bald 2000 Jah­re eine „Mode“ zele­briert, wie 1970 auch nicht durch eine Kom­mis­si­on am grü­nen Tisch das lit­ur­gi­sche Ei des Kolum­bus gelegt wurde.

Nicht „Mode“, sondern Notstand

Der Papst scheint über den Zustand in man­chen Pfar­rei­en und Diö­ze­sen schlecht infor­miert zu sein. Wäh­rend er bereits mehr­fach unter­schwel­li­ge Kri­tik an tra­di­ti­ons­ver­bun­de­nen Katho­li­ken übte, fehl­te bis­her jede Kri­tik an den in man­chen Gegen­den erschrecken­de Aus­ma­ße anneh­men­den lit­ur­gi­schen Miß­bräu­chen in fast jeder Hei­li­gen Mes­se. In man­chen Pfar­rei­en herrscht der rein­ste Not­stand, weil Prie­ster die Hei­li­ge Mes­se zu Eigen­krea­tio­nen ver­bie­gen, wenn nicht über­haupt Pasto­ral­as­si­sten­ten, Gemein­de­re­fe­ren­ten und ande­re Lai­en das Heft des Han­delns an sich geris­sen haben und ein pseu­do­lit­ur­gi­sches Spek­ta­kel abhal­ten. Die­se Not treibt gläu­bi­ge Katho­li­ken flucht­ar­tig in den siche­ren Hort der Tra­di­ti­on und der Prie­ster­be­ru­fun­gen. Man kann natür­lich vor der Rea­li­tät die Augen ver­schlie­ßen. Auch das mag eine Form des „Nicht­ver­ste­hens“ sein. Viel­leicht soll­te sich der der Papst bes­ser infor­mie­ren oder bes­ser infor­miert werden.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Radio Vatikan

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