(Erba/Rom) Radio Maria trennte sich vom Historiker Roberto de Mattei (siehe eigenen Bericht Radio Maria trennt sich auch von Robert de Mattei: „Kritische Haltung“ gegenüber Papst Franziskus). Er ist nach dem Rechtsphilosophen Mario Palmaro und dem Publizisten Alessandro Gnocchi bereits der dritte Mitarbeiter, der von Radio Maria entlassen wurde. Innerhalb weniger Monate stellte der Sender damit drei Sendungen ein, die von den Genannten eigenverantwortlich gestaltet wurden. Gemeinsam ist den Entlassenen, daß sie traditionsverbunden sind, die katholische Kirche und Lehre verteidigen und Kritik am Pontifikat von Papst Franziskus übten.
Roberto de Mattei lehrt Zeitgeschichte und Kirchengeschichte an der Europäischen Universität Rom und ist ebendort Dekan der Philosophischen Fakultät.
Grund der Entlassung von Professor de Mattei ist dessen jüngster Aufsatz Motu in fine velocior. Daraus ergab sich ein Schriftwechsel zwischen Pater Fanzaga und Roberto de Mattei, den Corrispondenza Romana veröffentlichte und den Katholisches.info dokumentiert.
13. Februar 2014 – Pater Livio Fanzaga an Roberto de Mattei
Lieber Professor Roberto de Mattei,
ich habe Ihren jüngsten Artikel „Motus in fine velocior“ gelesen und bemerkt, daß sich Ihre kritische Haltung zum Pontifikat von Papst Franziskus immer mehr akzentuiert. Das bedauere ich sehr und hätte mir gewünscht, daß Sie Ihr großes kulturelles Rüstzeug in den Dienst des Nachfolgers Petri stellen würden.
Sie verstehen, lieber Professor, daß Ihre Position mit Radio Maria unvereinbar ist, das in seinen Richtlinien nicht nur die Zustimmung zum Lehramt der Kirche, sondern auch die Unterstützung des pastoralen Wirkens des Papstes vorsieht.
Mit Bedauern und aus Gewissenspflicht muß ich Ihre monatliche Sendung einstellen. Gleichzeitig danke ich Ihnen, auch im Namen der Zuhörer, für Ihren ergiebigen Einsatz, den Sie ehrenamtlich auf der Suche nach den christlichen Wurzeln Europas geleistet haben.
Lieber Professor, sollte sich Ihre Haltung gegenüber dem derzeitigen Papst ändern und positiver werden, gäbe es keine Schwierigkeit, daß Sie Ihre Sendung wieder aufnehmen könnten.
Herzlichst
Pater Livio Fanzaga (Programmdirektor)
13. Februar 2014 – Roberto de Mattei an Pater Livio Fanzaga
Lieber Pater Livio,
mit einer E‑Mail vom 13. Februar teilen Sie mir die Entscheidung mit, die Sendung „Christliche Wurzeln“ auf Radio Maria einzustellen, weil sich meine „kritische Haltung zum Pontifikat von Papst Franziskus immer mehr akzentuiert“. „Ihre Position“, so schreiben Sie mir, „ist mit Radio Maria unvereinbar, das in seinen Richtlinien nicht nur die Zustimmung zum Lehramt der Kirche, sondern auch die Unterstützung des pastoralen Wirkens des Papstes vorsieht.“
Zunächst möchte ich Ihnen danken für die Einladung, die Sie vor vier Jahren an mich richteten, die Sendung „Christliche Wurzeln“ auf Radio Maria zu gestalten. Seit damals bis zum vergangenen 15. Januar habe ich an jedem dritten Mittwoch im Monat versucht, so gut als möglich die mir von Ihnen anvertraute Aufgabe zu erfüllen, indem ich historische, apologetische, spirituelle und moralische Themen zur Verteidigung der Kirche und der christlichen Kultur aufbereitete. Ich danke Ihnen auch dafür, daß Sie mich öffentlich verteidigt haben, als ich wegen einiger Sendungen von der laizistischen Presse scharf angegriffen wurde. Mein ganzes Wirken und mein Apostolat stand und bleibt im Dienst der Kirche und des römischen Papstes, dem ich mein jüngstes Buch Der Stellvertreter Christi. Das Papsttum zwischen Normalität und Ausnahme gewidmet habe. Die Anhänglichkeit an das Papsttum stellt einen grundlegenden Teil meines geistlichen Lebens dar.
Die katholische Doktrin lehrt uns jedoch, daß der Papst nur unter bestimmten Voraussetzungen unfehlbar ist und daß er Fehler begehen kann, beispielsweise im Bereich der Kirchenpolitik, strategischer Entscheidungen, des pastoralen Wirkens und sogar des ordentlichen Lehramtes. In diesem Fall ist es für einen Katholiken keine Sünde, sondern eine Gewissenspflicht, ihn darauf hinzuweisen, vorausgesetzt, daß man es mit allem Respekt und mit Liebe tut, die man einem Papst schuldet. So haben es die Heiligen getan, die unser Lebensmodell sein sollen.
Die Kirche läßt ihren Kindern diese Freiheit der Kritik und es sündigt nicht, wer mit der geschuldeten Ehrerbietung die Verfehlungen der kirchlichen Hierarchie aufzeigt. Es sündigt hingegen, wer schweigt, ob aus Feigheit oder Konformismus. Das Drama der Kirche von heute liegt genau in der Angst der Priester und der Bischöfe, die die pars electa der Kirche bilden, die vorherrschende, schreckliche Krise beim Namen zu nennen, zu deren Gründen und Ursachen vorzustoßen und Abhilfe zu schaffen.
Ich habe noch einmal den Artikel gelesen, der den Grund meiner Entfernung bildet und mir scheint, daß sich darin nichts Respektloses gegenüber dem regierenden Papst findet, sondern nur einige mehr historische als theologische Anmerkungen, die aus reiner Liebe zur Wahrheit geäußert wurden. Zudem habe ich meine Sorge um die aktuelle Lage der Kirche nicht in meiner monatlichen Sendung auf Radio Maria dargelegt, sondern über die von mir geleitete Nachrichtenagentur.
Lieber Pater Livio, es steht natürlich in Ihrer völligen Freiheit, mich aus Ihrem Sender zu entlassen. Es wäre aber besser gewesen, Sie hätten es ohne Angabe von Gründen getan, anstatt so schwache und, wenn Sie mir erlauben, so haltlose vorzubringen. Sie steigen aus dieser Sache nicht gut aus und das tut mir ehrlich leid. Die Bewegung der Ereignisse beschleunigt sich immer mehr und früher oder später wird der Strudel auch Sie und Radio Maria mitreißen und Sie zwingen, im einen oder anderen Sinn Position zu ergreifen, obwohl Sie sich noch der falschen Hoffnung hingeben, dies vermeiden zu können. Es kommen aber Momente, in denen man Partei ergreifen muß. Was mich betrifft, werde ich weiterhin meine Freiheit eines Christen ausüben, um den Glauben, den ich durch meine Taufe empfangen habe und der mein höchstes Gut darstellt, zu verteidigen. Möge der Heilige Geist mir helfen, daß ich nie irgendeinem Druck oder Schmeicheleichen nachgebe, nie aufhöre die Wahrheit zu sagen und um so lauter zu sagen, je größer das Schweigen jener ist, die eigentlich ihre Stimme sein müßten.
Mit besten Grüßen
Roberto de Mattei
14. Februar 2014 – Pater Livio Fanzaga an Roberto de Mattei
Lieber Professor,
ich danke Ihnen für Ihre ruhige Antwort. Auf Ihren Artikel wurde ich mit Sorge von einem Ihrer Hörer hingewiesen. Bestimmte Entscheidungen trifft man leidend. Es ist meine feste Überzeugung, daß die Kirche aus den heutigen Problemen herauskommen wird, indem sie der Gottesmutter und dem Papst folgt. Wie uns Benedikt XVI. lehrt, ist mehr denn je die Stunde des Gebets.
Mit Wertschätzung
Pater Livio
Einleitung und Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Radio Maria/Corrispondenza Romana