Katholische Kommunikation und was daran nicht stimmt – Das Beispiel Rolling Stone


Die Unterscheidung der Geister(Rom) Das Musik­ma­ga­zin Rol­ling Stone setzt Papst Fran­zis­kus auf die Titel­sei­te (Aus­ga­be vom 13. Febru­ar) und singt ein Lob­lied auf das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt. Gleich­zei­tig schüt­tet das Blatt jedoch Schmutz auf sei­nen Vor­gän­ger Bene­dikt XVI. und damit auf die gan­ze Kir­che. Eine per­fi­de Zwei­glei­sig­keit. Bene­dikt XVI. wird auf unsäg­li­che Wei­se beschimpft und nie­mand stellt sich wirk­lich vor ihn, denn der Jubel für Papst Fran­zis­kus ver­deckt den Angriff. Zudem schei­nen sich man­che katho­li­sche Ver­ant­wort­li­che gera­de­zu am unge­wohn­ten Zuspruch, der Fran­zis­kus zufliegt, zu berau­schen. Vati­kan­spre­cher Lom­bar­di kri­ti­sier­te zwar die Bericht­erstat­tung von Rol­ling Stone, doch sehr höf­lich und ver­hal­ten und mehr unter dem Blick­win­kel, daß damit eigent­lich Papst Fran­zis­kus nicht wirk­lich genützt wer­de. Und Bene­dikt XVI.? Eini­ge Anmer­kun­gen zum Ver­sa­gen katho­li­scher Kommunikationsprofis.

Katholischer Jubel für Rolling Stone-Titelseite für Papst Franziskus

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„Die­ses Mal bin ich es leid, noch ein­mal dar­über nach­zu­den­ken, noch ein­mal abzu­wä­gen, den Text zu über­ar­bei­ten, mich mit ande­ren zu bespre­chen, aus­zu­tau­schen, bera­ten zu las­sen. Dar­um kom­men wir gleich zum Punkt. Ich begin­ne ernst­haft zu den­ken, daß in der Kom­mu­ni­ka­ti­on des Hei­li­gen Stuhls und über­haupt vie­ler Katho­li­ken etwas nicht stimmt“, schrieb ein katho­li­scher Blog­ger in Italien.

Ein bel­gi­scher Gläu­bi­ger mein­te: „Es ist trau­rig, die Titel­sei­te von Rol­ling Stone mit begei­ster­tem Text auf der Face­book-Sei­te der fran­zö­si­schen Redak­ti­on von Radio Vati­kan zu sehen.“

Seit Diens­tag nach­mit­tag schei­nen vie­le katho­li­sche Medi­en­leu­te aus dem Häus­chen, weil Papst Fran­zis­kus es auf die Titel­sei­te von Rol­ling Stone geschafft hat. Stolz beeil­ten sie sich, die Titel­sei­te mit dem Kon­ter­fei des Pap­stes wei­ter­zu­ver­öf­fent­li­chen. Ein fran­zö­si­scher Katho­lik schrieb: „Ich tei­le nicht die Wert­schät­zung von Pater Lom­bar­di für die Titel­sei­te, weil ich mich fra­ge, was sich bereits der abge­tre­te­ne Papst Bene­dikt XVI. gefragt hat: ‚Wenn ich Lob und Zustim­mung der Welt sehe, muß ich mich fra­gen, ob ich das Evan­ge­li­um wirk­lich rich­tig verkünde‘“.

Flatterhaftes katholisches Gezwitscher von Pater Spadaro bis …

Auf Twit­ter gab es ein flat­ter­haf­tes katho­li­sches Gezwit­scher als wären Rohr­spat­zen unter­wegs. Die Nach­richt von der Rol­ling-Stone-Titel­sei­te ging auf katho­li­schen Twit­ter-Zugän­gen auf­ge­scheucht um die Welt von Pater Spa­da­ro, dem Chef­re­dak­teur der Civil­tà  Cat­to­li­ca, über die Fami­glia Cri­stia­na und Hun­der­ten ande­ren ähn­li­chen Accounts bis zu den ver­schie­de­nen Prie­stern 2.0. Was da hun­dert­fach zu lesen war, gibt ein Bei­spiel wie­der: „Hur­ra, end­lich sind wir in Mode! Wir sind nicht mehr die bela­ger­te Festung! Man muß nicht mehr die sticki­ge Sumpf­luft atmen, wie ein Mon­si­gno­re im ver­gan­ge­nen Früh­jahr sag­te. So wer­den wir zur Jugend spre­chen!“ Kolon­nen von Tweets und Ret­weets im Tenor: „Hur­ra! Es lebe der Papst! Es lebe Rol­ling Stone!“

Bedeutet Jubel für Franziskus-Titelseite Zustimmung zu Angriff auf Benedikt XVI.?

Doch der beschä­mend ober­fläch­lich-lob­hu­deln­de Arti­kel über Papst Fran­zis­kus ent­puppt sich beim Lesen in erster Linie als hin­rich­tungs­mä­ßi­ge Maschi­nen­ge­wehr­sal­ve mit gera­de­zu dia­bo­li­schen Beschimp­fun­gen gegen den Nach­fol­ger des Petrus, Bene­dikt XVI. Der Vor­wurf, er sei ein „Tra­di­tio­na­list“, ist dabei noch der harm­lo­se­ste Angriff. Und damit wir wis­sen, wovon wir spre­chen: Ein katho­li­scher Jour­na­list schrieb begei­stert über die Titel­sei­te in einem Tweet: „Die Titel­sei­te von Rol­ling Stone: was für eine Aus­zeich­nung für unse­ren Papst. Die Kir­che wird aner­kannt!“ Muß dar­aus geschlos­sen wer­den, daß die­se aus­ge­las­se­ne Zustim­mung im Umkehr­schluß auch der Kri­tik an Bene­dikt XVI. gilt?

Als Katho­lik wür­de ich sagen: Nicht das Lob die­ses Maga­zins, son­dern die Beschimp­fun­gen sind eine Aus­zeich­nung für ein katho­li­sches Kir­chen­ober­haupt, und zwar für Papst Bene­dikt XVI. Die wut­schnau­bend und ver­schla­ge­nen Kir­chen­geg­ner erken­nen die Grö­ße und Hei­lig­keit eines Pap­stes wahr­schein­lich instink­tiv besser.

Katholiken in der PR-Falle

Die Titel­sei­te von Rol­ling Stone zeigt, daß es gan­ze Kohor­ten von Katho­li­ken gibt, die akri­tisch einen will­kür­lich belei­di­gen­den Arti­kel gegen Bene­dikt XVI. für das höch­ste der Gefüh­le hal­ten und mit einem Lob­lied auf die Kir­che ver­wech­seln. Wie sag­te ein Theo­lo­ge unter Abwand­lung eines Her­ren­wor­tes: „Die Söh­ne der Fin­ster­nis sind viel schlau­er, aus­ge­koch­ter und ver­schla­ge­ner als die Söh­ne des Lichts.“ Wahr­schein­lich belebt der amtie­ren­de Papst das Geschäft. Wie man weiß, ist er Natur­ta­lent in Sachen Öffent­lich­keits­wirk­sam­keit. Das macht sei­nen Namen und sein Bild zu einem gewin­nen­den Mar­ke­ting­ob­jekt. Eine in ihrem Ein­zugs- und Fach­be­reich so bekann­te Zeit­schrift wie Rol­ling Stone konn­te letzt­lich nur auf sol­che Wei­se noch eine Spur zule­gen. Das Pro­blem sind daher nicht die Ver­kaufs- und Mar­ke­ting­über­le­gun­gen, die das Musik­ma­ga­zin ver­an­laßt haben, Papst Fran­zis­kus schmei­chelnd auf die Titel­sei­te zu knal­len, aber Bene­dikt XVI. und die Kir­che anzugreifen.

Nicht Rolling Stone ist das Problem, sondern Hurra-Katholiken

Das Pro­blem sind die katho­li­schen Infor­ma­ti­ons­pro­fis, die sich in ihrer offi­zi­el­len Arbeit und noch deut­li­cher in ihren halb-pri­va­ten Äuße­run­gen auf Twit­ter und Face­book von die­ser PR-Fal­le mit­rei­ßen las­sen. Und wenn man die­se Hur­ra-Katho­li­ken dar­auf auf­merk­sam macht, daß es viel­leicht doch ange­bracht wäre, den Arti­kel zu lesen, bevor man Hur­ra schreit, dann, ja dann kann man alles erle­ben. Das reicht vom Igno­riert­wer­den, ohne Ant­wort zu erhal­ten, wie von Pater Spa­da­ro, über das Ein­ge­deckt­wer­den mit einer sal­bungs­vol­len Pre­digt samt unter­schwel­li­ger Kri­tik nach dem Mot­to, man sol­le nicht den „Pha­ri­sä­er“ spie­len, der das Haar in der Sup­pe sucht (wie der Prie­ster D. P.) bis zur bil­li­gen Aus­re­de: man habe nur eine Nach­richt gebracht (wie eine katho­li­schen Wochen­zeit­schrift antwortete).

Schweigen zu Angriffen setzt kircheninternen Boykott gegen Benedikt XVI. fort

Ein ame­ri­ka­ni­scher Katho­lik schrieb daher: „Las­sen wir die Belei­di­gun­gen durch irgend­wel­che Kir­chen­fer­nen sein. Not­wen­di­ger wäre es, über die Aktio­nen gegen Bene­dikt XVI. in der Kir­che zu spre­chen und wie er intern boy­kot­tiert wur­de. Der Jubel über das Cover für F[ranzikus] und das Schwei­gen zu den Beschimp­fun­gen gegen B[enedikt] XVI. set­zen genau das fort.“
Wie bereits wäh­rend sei­ner Amts­zeit erfolg­te die offi­zi­el­le Ver­tei­di­gung für Bene­dikt XVI. ver­spä­tet und zahn­los. Vati­kan­spre­cher Lom­bar­di hät­te man noch nie über­mä­ßi­gen Eifer bei der Ver­tei­di­gung des deut­schen Pap­stes vor­wer­fen können.
Aus der zurück­hal­ten­den Erklä­rung Lom­bar­dis zum Rol­ling Stone-Arti­kel ist ledig­lich von „erstaun­li­cher Grob­heit“ die Rede. Kein Wort jedoch, daß es sich um einen gera­de­zu blas­phe­misch-dia­bo­li­schen Angriff han­delt gegen den Gesalb­ten des Herrn, den Stell­ver­tre­ter Chri­sti auf Erden und Nach­fol­ger des Apo­stels Petrus.

Banalisierung des Papsttums verdunkelt Sakralität des Amtes

Oder wirkt sich hier auch in den ober­sten Eta­gen des Vati­kans aus, daß wir seit Jahr­zehn­ten nur mehr den Men­schen im Papst sehen und „beur­tei­len“? Den „guten“ Papst, den „eili­gen“ Papst, den „Papst der Jugend“ usw. Wur­de die sakra­le Bedeu­tung des Papst­tums soweit in den Hin­ter­grund gedrängt, daß es uns nicht ein­mal mehr in den Sinn kommt, einen Papst zu ver­tei­di­gen, wenn er mit sol­cher Nie­der­tracht ange­grif­fen wird? Nicht der Mensch, son­dern die Sakra­li­tät des Amtes und sei­ne Lehr­au­tori­tät zeich­nen das Papst­tum aus. Atti­la der Hun­nen­kö­nig, der Euro­pa in Angst und Schrecken ver­setz­te, wich 452 nicht vor einem belie­bi­gen Men­schen zurück, son­dern vor dem Stell­ver­tre­ter Chri­sti, der sich ihm in der Per­son von Papst Leo dem Gro­ßen in den Hei­li­gen Gewän­dern entgegenstellte.

Das von Chri­stus gestif­te­te Amt, das noch vor kur­zem selbst Kir­chen­fein­den Respekt abrang, wird aus dem Inne­ren der Kir­che her­aus durch Bana­li­sie­rung bedroht. Nicht zuletzt, wenn auch viel­leicht unbe­ab­sich­tigt, von Hurra-Katholiken.

Als sich Paul VI. zur Wehr setzte

Papst Paul VI. ist wegen sei­ner Ent­schei­dun­gen schwer umstrit­ten. Gera­de des­halb lohnt es, sei­ne Wor­te nach­zu­le­sen, die er am Ende jenes berühm­ten Ange­lus am Sonn­tag, den 4. April 1976 aus­sprach, als er zum Opfer eines bis dahin undenk­ba­ren Angriffs gegen einen Papst, einer unfaß­ba­ren Gro­tes­ke eines „noto­ri­schen Skan­dal-Autors und Päd­era­sten“ (Der Spie­gel) gewor­den war, der aus heu­ti­ger Sicht als Pro­to-Homo-Pro­pa­gan­dist zu bezeich­nen wäre. Dar­aus wur­de ein beschä­men­der media­ler Angriff gegen den Papst. Wor­te, die berech­tig­ter­wei­se die Sakra­li­tät des Gesalb­ten her­vor­he­ben, gegen den die Ver­fol­gung durch den Fürst der Welt und sei­ner Ver­bün­de­ten ent­brannt war. Ein Angriff gegen die Hei­lig­keit des Amtes, der sich gegen Johan­nes Paul II. und vor allem Bene­dikt XVI. mit Hil­fe der moder­nen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­men und sub­ti­le­rer Metho­den noch ver­stärk­te. Metho­den, die bei genau­em Hin­se­hen per­ver­se Alli­an­zen in der Kir­che sicht­bar wer­den lie­ßen und bis heu­te sicht­bar wer­den lassen.

Lie­be Brü­der und Kinder!

Wir wis­sen, daß unser Kar­di­nal­vi­kar und dann die Ita­lie­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz euch auf­ge­for­dert haben, für unse­re demü­ti­ge Per­son zu beten, die zum Objekt des Gespötts und schreck­li­cher und ver­leum­de­ri­scher Ver­däch­ti­gun­gen einer gewis­sen Pres­se, die ohne Respekt vor der Red­lich­keit und der Wahr­heit ist, gewor­den ist.
Wir dan­ken euch allen für die­se Bekun­dun­gen kind­li­cher Zunei­gung und mora­li­scher Sen­si­bi­li­tät. Wir sind allen dank­bar, die die­ser Auf­for­de­rung zur geist­li­chen Soli­da­ri­tät ent­spro­chen haben. Dan­ke, dan­ke von Herzen.
Wir haben uns an ein wun­der­schö­nes Wort der Apo­stel­ge­schich­te erin­nert: „Von der Kir­che stieg ohne Unter­laß ein Gebet zu Gott auf für ihn“, Petrus (Ap 12,5).
Wir erwi­dern die­se Auf­merk­sam­keit reli­giö­ser Treue, indem wir den Herrn für alle um den Hei­li­gen Geist der Wahr­heit und um die christ­li­che Offen­her­zig­keit anru­fen, immer in die­sem christ­li­chen Sinn mit dem Wort und mit dem Leben groß­zü­gig Zeug­nis zu geben. Mehr noch, da die­ser und ande­re bekla­gens­wer­te Vor­fäl­le ihre wirk­li­che Ursa­che in einer jüng­sten Erklä­rung unse­rer Kon­gre­ga­ti­on für die Glau­bens­leh­re zu eini­gen Fra­gen der Sexu­al­ethik haben, for­dern wir euch auf, die­sem Doku­ment und der gesam­ten Leh­re, deren Teil es ist, auf­merk­sa­me Beach­tung und eine tugend­haf­te Befol­gung zu schen­ken, um in euch einen Geist der Rein­heit und der Lie­be zu stär­ken, der als Damm dient gegen den zügel­lo­sen Hedo­nis­mus, der sich in den Sit­ten der heu­ti­gen Welt aus­ge­brei­tet hat, und um in euren Sin­nen die Beherr­schung der mensch­li­chen Lei­den­schaf­ten zu för­dern und den star­ken und freu­di­gen Sinn für die Wür­de und die Schön­heit des christ­li­chen Lebens.
So geben wir euren Gebe­ten einen höhe­ren Zweck, der die Wohl­tat auf unse­re gesam­te Gesell­schaft aus­dehnt, damit sie gesund sei, stark sei, durch­drun­gen von den nüch­ter­nen und berau­schen­den Cha­ris­men des Hei­li­gen Gei­stes, wie der Hei­li­ge Ambro­si­us sagt.
Maria, die Rein­ste, möge uns an sich zie­hen und uns beistehen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: „Höl­le“ von Nuno Gonçalves/​Titelseite Rol­ling Stone (Mon­ta­ge)

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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