(Vatikan) Am 22. Februar wird Papst Franziskus die ersten Kardinäle seines Pontifikats kreieren. Für Ende Januar wird die Bekanntgabe der neuen Purpurträger erwartet. Ihre Zahl wird bei etwa fünfzehn neuen Mitgliedern des Kirchensenats liegen. Die Anzahl ergibt sich aus der Gesamtzahl der von Papst Paul VI. festgelegten 120 Papstwähler. Die Ernennungen werden Auskunft über Sympathien und Zielrichtung des Pontifikats geben.
Die Ernennung von Kardinälen steht allein dem Papst zu. Er ist an ungeschriebene Gesetze gebunden, die ihn jedoch nicht verpflichten. Die ersten Ernennungen werden zeigen, ob sich Papst Franziskus an die kirchlichen Gepflogenheiten hält, wie dies Papst Benedikt XVI. und die anderen Päpste vor ihm taten. Mit der Ernennung der Kardinäle kann ein Papst maßgeblichen Einfluß auf die Wahl seines Nachfolgers nehmen.
Das Konklave und die Überraschungen
Mehr als die Hälfte der Papstwähler im vergangenen Konklave waren von Benedikt XVI. ernannt worden. 2013 waren höchsten ein Dutzend Kardinäle noch wahlberechtigt, die 2005 nicht den Papst aus Bayern gewählt hatten. Dennoch brachte das Konklave eine unerwartete Überraschung.
In der Vergangenheit konnten die Kardinalserhebungen mit wenigen Ausnahmen sehr genau vorhergesagt werden. Das neue Pontifikat birgt hingegen Ungewißheiten, wie Papst Franziskus es handhaben wird. Die Kardinalswürde ist traditionell mit bestimmten Ämtern an der Römischen Kurie und bestimmten Erzbischofssitzen verbunden. Persönliche, also wirklich freie Ernennungen nahmen die Päpste zuletzt nur mehr durch Verleihung der Kardinalswürde an katholische Persönlichkeiten vor, die bereits das 80. Lebensjahr überschritten und damit nicht mehr in einem Konklave wahlberechtigt waren. Damit vermieden sie eine direkte und offene Einflußnahme auf die eigene Nachfolge.
Erzbischöfen auf Metropolitansitzen, die mit der Kardinalswürde verbunden sind, wird der Kardinalshut erst dann verliehen, wenn der emeritierte Vorgänger nicht mehr im Konklave stimmberechtigt ist. Diese Regeln machten die Kardinalserhebungen überschaubar. Mit Papst Franziskus sind Unwägbarkeiten verbunden.
Innerhalb von vier Jahren 50 neue Kardinäle
Am 22. Februar, dem Tag des außerordentlichen Konsistoriums, werden 106 Kardinäle wahlberechtigt sein. Der Papst kann damit mindestens 14 neue Kardinäle ernennen, um die Sollzahl der Papstwähler voll zu machen. In der Vergangenheit wurde bereits mehrfach diese Zahl leicht überschritten, wenn in absehbarer Zeit weitere Kardinäle aus Altersgründen ausscheiden sollten, weil außerordentliche Konsistorien verhältnismäßig selten stattfinden und Nachbesetzungen nicht sofort erfolgen können. Der emeritierte Erzbischof von Mailand, Kardinal Dionigi Tettamanzi etwa wird am 14. März 80 und scheidet als Papstwähler aus.
In den kommenden drei Jahren werden insgesamt 32 Kardinäle die Altersgrenze erreichen. Wie der Vatikanist Sandro Magister errechnete, wird Papst Franziskus in den ersten vier Jahren seines Pontifikats bereits 50 der 120 künftigen Papstwähler ernennen können. Zum vierten Jahrestag seines Pontifikats 2017 würde sich ein Konklave wie folgt zusammensetzen: 53 von Benedikt XVI. ernannte Kardinäle, 47 von Papst Franziskus und 20 von Johannes Paul II.
Die Kurienkandidaten: Absteiger und Aufsteiger
Von den etwa 15 neuen Kardinälen dürften vier oder fünf der Römischen Kurie angehören. An erster Stelle gilt das für den Glaubenspräfekten Erzbischof Gerhard Ludwig Müller und den neuen Staatssekretär Erzbischof Pietro Parolin, den neuen Präfekten der Kleruskongregation Beniamino Stella und den Sekretär der Bischofssynode Lorenzo Baldisseri. Die drei Letztgenannten wurden alle von Papst Franziskus ernannt und entstammen dem Diplomatischen Corps des Vatikans. Erzbischof Baldisseri hat als Generalsekretär der Synode zwar kein Amt inne, das mit der Kardinalswürde verbunden ist, dennoch gilt er seit dem Abend, an dem Papst Franziskus gewählt wurde, als Anwärter auf die Kardinalswürde, weil ihm der neue Papst noch in der Sixtinischen Kapelle unter dem Applaus der Kardinäle seinen Kardinalshut aufsetzte.
Nicht berücksichtigt werden könnte der französische Dominikaner Jean-Louis Brugues. Der Apostolische Archivar und Bibliothekar bekleidet zwar ein Amt, das traditionell mit der Kardinalswürde verbunden ist. Der Kurienerzbischof fiel jedoch bei Jorge Mario Bergoglio in Ungnade, als er ihm als Sekretär der Bildungskongregation Schwierigkeiten bei der Ernennung eines Rektor der Katholischen Universität von Buenos Aires machte, den der damalige Erzbischof ausgesucht hatte. Die Versetzung von Msgr. Brugues durch Papst Franziskus wurde in diesem Zusammenhang gelesen.
Wird Patriarch Moraglia von Venedig weil Sirianer abgestraft?
Die verbleibenden zehn bis elf Kardinalswürden werden sich auf residierende Erzbischöfe verteilen. In Rom wird damit gerechnet, daß die italienischen Anwärter wie der Patriarch von Venedig und der Erzbischof von Turin leer ausgehen könnten, weil mit Parolin, Stella und Baldisseri bereits drei Italiener an der Kurie zu den Ernannten gehören dürften. Laut Lateranverträgen von 1929 stehen der italienischen Kirche neun Purpurträger zu: der Kardinalvikar von Rom und die Erzbischöfe der Größe ihrer Metropolitanprovinz nach gereiht von Mailand, Turin, Neapel, Palermo, Bologna, Florenz, Genua und Venedig.
Falls noch ein Italiener ernannt werden sollte, dürfte die Wahl von Papst Franziskus auf Erzbischof Cesare Nosiglia von Turin fallen und nicht auf Patriarch Francesco Moraglia von Venedig. Moraglia gilt als Sirianer und Ratzingerianer, wie die von Papst Franziskus abgesetzten Kardinäle Mauro Piacenza und Angelo Bagnasco. Eine Richtung in der Kirche, die Papst Franziskus offensichtlich abstraft.
Vielleicht ernennt Papst Franziskus aber auch Erzbischöfe deren Bischofssitze nicht mit der Kardinalswürde verbunden sind. Zu den vom Papst Geförderten gehört etwa Erzbischof Gualtiero Bassetti von Perugia, derzeit Vizepräsident der Bischofskonferenz. Mit ihm ersetzte Papst Franziskus erst jüngst Kardinal Bagnasco als Mitglied der Bischofskongregation.
Europa mit den Anwärtern Nichols und Leonard
In Europa wären zudem Erzbischof Vincent Nichols von Westminster und Erzbischof Andre Leonard von Mecheln-Brüssel Anwärter auf die Purpurwürde. Nichols geriet zuletzt ins Visier der Glaubenskongregation wegen der „Homo-Messen“, die er in London duldete und die von Glaubenspräfekt Müller abgestellt wurden. Erzbischof Leonard wurde von Benedikt XVI. als „Hoffnung“ für eine kirchliche Erneuerung Belgiens ernannt. Der Erzbischof ist Kirchengegnern und liberalen Kirchenkreisen gleichermaßen ein Dorn im Auge. Bereits zwei Mal wurde Msgr. Leonard Zielscheibe persönlicher Angriffe der Politaktionisten von Femen. Er bildet seit seiner Ernennung den Kontrastpunkt zu seinem progressiven Vorgänger Godfried Kardinal Danneels, der im März noch an der Wahl von Papst Franziskus mitwirken konnte, inzwischen aber das 80. Lebensjahr erreicht hat.
Im östlichen Mitteleuropa gehört Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk der griechisch-katholischen Kirche der Ukraine zu den Anwärtern. Den Papst kennt er persönlich, da Erzbischof Bergoglio auch Ordinarius für die unierten Katholiken in Argentinien war.
Lateinamerika bevorzugt?
Es wird erwartet, daß Papst Franziskus die Purpurwürde großzügig über Lateinamerika ausschütten wird. Zu den Anwärtern gehören sein Nachfolger als Erzbischof von Buenos Aires, Mario Aurelio Poli, der Erzbischof von Santiago de Chile, Ricardo Ezzati Andrello und der Erzbischof von Rio de Janeiro, Orani Joao Tempesta. Brasilien könnte zudem einen weiteren Kardinalssitz erhalten. Das katholikenreichste Land der Welt hat heute vier Kardinalssitze, die USA haben elf und Italien 26.
Der Mexikaner und Vorsitzende der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz Carlos Aguiar Retes von Tlalnepantla könnte unter Papst Franziskus Kardinal werden. Auch Paraguay könnte den ersten Kardinal seiner Geschichte erhalten. In den USA gäbe es zwar Anwärter, doch wird eine Ernennung durch den Papst derzeit ausgeschlossen. Ob der Nachfolger von Kardinal Ouellet als Erzbischof von Quebec auch Kardinal wird, ist offen.
Korea, Japan, Naher Osten, Afrika
Papst Franziskus dürfte Lateinamerika, Asien und Afrika gegenüber Europa und Nordamerika bevorzugen. Korea könnte einen ersten Kardinalssitz erhalten, vielleicht auch Japan, wo der junge Bergoglio gerne als Missionar hingegangen wäre.
Mit Interesse schauen Beobachter, ob der Papst die geschundenen Kirchen des Nahen Ostens mit einer Kardinalswürde auszeichnen wird. Ozeanien hat mit Kardinal George Pell, den traditionsfreundlichen Erzbischof von Sydney nur einen einzigen Kardinal. Das verschaffte Kardinal Pell den Sprung in den achtköpfigen Kardinalsrat. Manche wären ihn lieber heute als morgen los.
Persönliche Ernennungen des Papstes spiegeln am deutlichsten Kirchenverständnis wider
Schließlich kann der Papst noch Priester und Theologen mit dem Kardinalshut auszeichnen, die ihm besonders verdienstvoll scheinen. Seit Paul VI. 1970 die Altersgrenze für Papstwähler mit 80 Jahren festlegt, nahm kein Papst mehr persönliche Ernennungen darunter vor. Zu den von Papst Benedikt XVI. solchermaßen Geehrten gehören die deutschen Kardinäle Brandmüller und Becker, ebenso der vor kurzem verstorbene ehemalige Kapellmeister der Sixtinischen Kapelle Kardinal Bartolucci.
Die persönlichen Ernennungen bringen am deutlichsten die Einstellung eines Papstes zum Ausdruck.
Text: Settimo Cielo/Giuseppe Nardi
Bild: Settimo Cielo