Evangelii Gaudium – Abkehr vom rechten Weg


Jesuitengeneral Claudius AquavivaGast­bei­trag von Hubert Milz

Anzei­ge

Clau­dio Aqua­vi­va (1543 – 1615), 5. Gene­ral des Jesui­ten­or­dens: „For­ti­ter in re, sua­vi­ter in modo“ – „Stark in der Sache, mil­de in der Art“

Die Lek­tü­re von „Evan­ge­lii Gau­di­um“ war für mich kein Gau­di­um; wohl­ge­merkt, in den Evan­ge­li­en zu lesen, ist ein Gau­di­um für mich.

Die polit-öko­no­mi­sche Kern­aus­sa­ge von „Evan­ge­lii Gau­di­um“ ist für mich, daß Papst Fran­zis­kus das gegen­wär­ti­ge System, ein System einer durch Regie­run­gen und poli­ti­schen Par­tei­en orga­ni­sier­ten Sym­bio­se von Big Govern­ment mit Big Busi­ness zum Scha­den ande­ren Men­schen, als „Markt­wirt­schaft, als Kapi­ta­lis­mus“ bezeich­net. Die­se Sicht rennt dem Zeit­geist hin­ter­her und ist grund­falsch. Die poli­tisch orga­ni­sier­te Sym­bio­se ist tat­säch­lich lupen­rei­ner „Eta­tis­mus“, der mit Markt­wirt­schaft nichts zu tun hat.

Letzt­end­lich läßt Papst Fran­zis­kus die Armen im Regen ste­hen, denn das frei­wil­li­ge Han­deln der Men­schen am Markt, wel­ches Johan­nes Paul II. noch als Treib­satz für Wohl­stand für alle akzep­tier­te, lehnt Papst Fran­zis­kus nun schroff ab. Die Ableh­nung soll sogar poli­tisch exe­ku­tiert wer­den. Soll­te die­sem Ansin­nen gefolgt wer­den, wür­de auf Papst Fran­zis­kus Inten­ti­on hin aller­dings Armut zemen­tiert wer­den und vie­len Men­schen eine Chan­ce genom­men wer­den, ihrem Elend zu ent­rin­nen. Roland Baa­der schrieb ein­mal: „Erst wenn wir alle als Pen­ner durch die Stra­ßen irren, ist ein Höchst­maß an sozia­ler Gerech­tig­keit erreicht.“

Das von Roland Baa­der ver­wor­fe­ne sozia­le Gerech­tig­keits­ide­al ist m. E. im apo­sto­li­schen Schrei­ben „Evan­ge­lii Gau­di­um“ gera­de­zu mit den Hän­den greif­bar. Es ist die polit-öko­no­mi­sche Kern­aus­sa­ge, die polit-öko­no­mi­sche Grund­po­si­ti­on des apo­sto­li­schen Schrei­bens schlecht­hin. Das zei­gen die vie­len frei­heits- und markt­feind­li­chen Aus­sa­gen des apo­sto­li­schen Schreibens.

Um die markt- und frei­heits­feind­li­chen Pas­sa­gen des Schrei­bens zu wider­le­gen, genügt es, empi­ri­sche Stu­di­en zum The­men­kreis: Glo­ba­li­sie­rung, Markt­wirt­schaft, Armut und all­ge­mei­ne Wohl­fahrt zu Rate zu zie­hen. Ins­be­son­de­re die Groß­stu­di­en, z.B. der Index of Eco­no­mic Free­dom und der Eco­no­mic Free­dom of the World Report, die die Aus­wir­kun­gen der Glo­ba­li­sie­rung der letz­ten drei Jahr­zehn­te ana­ly­sie­ren, kom­men ten­den­zi­ell zu ähn­li­chen Befun­den; das gilt auch für die Stu­di­en, die eigent­lich der Frei­heit und dem Markt skep­tisch gegen­über­ste­hen. Die Drit­te-Welt-Staa­ten, die in den letz­ten drei Jahr­zehn­ten den Weg der eta­ti­stisch-sozia­li­sti­schen Pla­nung der Man­gel- und Armuts­ver­wal­tung ver­las­sen und den Weg der Markt­wirt­schaft in der glo­ba­li­sier­ten Welt beschrit­ten haben, konn­ten rund eine Mil­li­ar­de Men­schen aus der bit­ter­sten, erdrück­sen­sten und erbärm­lich­sten Armut herausführen.

Die empi­ri­schen Groß­stu­di­en bestä­ti­gen für die letz­ten drei Jahr­zehn­te der Glo­ba­li­sie­rung die Ergeb­nis­se, die in ande­ren histo­ri­schen Unter­su­chun­gen für die Indu­stria­li­sie­rung im 19. Jahr­hun­dert vor­ge­legt wor­den sind. In der Früh­zeit der Indu­stria­li­sie­rung wuchs z. B. die Indu­strie­stadt Man­che­ster in kür­ze­ster Zeit um das 1000fache. Aus heu­ti­ger Sicht hau­sten die Arbei­ter­fa­mi­li­en, sie wohn­ten nicht. Doch die dama­li­ge Sicht war eine ande­re. Auf dem Land, als Tage­löh­ner, hät­ten jene Arbei­ter­fa­mi­li­en kei­ne Chan­ce auf Arbeit und Brot gehabt, ergo nicht über­le­ben kön­nen. Die Indu­strie­stadt bot die­sen Men­schen – trotz der aus heu­ti­ger Sicht –erbärm­li­chen Lebens­be­din­gun­gen – die Mög­lich­keit, Arbeit und Brot zu bes­se­ren Bedin­gun­gen als auf dem Land zu finden.

Noch­mals, die Dritt-Welt-Staa­ten, die in den letz­ten drei Jahr­zehn­ten den markt­wirt­schaft­li­chen Weg gegan­gen sind, führ­ten rund 1 Mil­li­ar­de Men­schen aus der erbärm­lich­sten Armut her­aus. Die­se empi­risch belast­ba­ren Fak­ten wer­den von Papst Fran­zis­kus nicht zur Kennt­nis genom­men und auch ver­leug­net. Aus die­ser päpst­li­chen Posi­ti­on her­aus erge­ben sich m. E. ein paar Fra­gen; Fra­gen, die in den Ohren man­cher wohl wie Auf­ruhr klin­gen mögen, aber tat­säch­lich der Sor­ge ent­sprin­gen, die Irrun­gen und Wir­run­gen von Papst Fran­zis­kus könn­ten Ver­brei­tung finden:

  • Möch­te Papst Fran­zis­kus die­se Men­schen in bit­ter­ste Armut zurückstoßen?
  • Nimmt Papst Fran­zis­kus die empi­ri­schen Ergeb­nis­se nicht zur Kennt­nis, weil die­se nicht in ein von Vor­ur­tei­len über­frach­te­tes Welt­bild passen?
  • Sieht Papst Fran­zis­kus gar die kom­plet­te Mensch­heit in der „mal­thu­si­schen Armuts­fal­le“ gefangen?

Sol­che und ähn­li­che Fra­gen dräng­ten sich aus polit-öko­no­mi­scher Per­spek­ti­ve gera­de­zu auf. Offen­kun­dig erschei­nen die gestell­ten Fra­gen und die impli­zier­ten Ant­wor­ten fürch­ter­lich zu sein, denn den­je­ni­gen, die in Armut und Elend leben, wür­de dem­nach die hel­fen­de Hand vor­sätz­lich ver­wei­gert werden!

In die­sem Rah­men eine per­sön­li­che Anmer­kung: Als beken­nen­der katho­li­scher Christ glau­be ich auf dem Boden der bibli­schen Leh­re zu ste­hen. Wobei ich die Bibel anders lese als Papst Fran­zis­kus es in sei­nem Rund­schrei­ben vor­aus­setzt. Ich wie­der­ho­le zur Ver­deut­li­chung mei­nes Stand­punkts Argu­men­te, die ich in mei­ner Rezen­si­on des Buches „Jesus, der Kapi­ta­list: Das christ­li­che Herz der Markt­wirt­schaft“ ange­führt habe:

Die Bibel und die Markt­wirt­schaft, die­sem The­ma wid­met sich Robert Grö­zin­ger, indem er die polit-öko­no­mi­schen Aus­sa­gen der Bibel, Altes Testa­ment (AT) und Neu­es Testa­ment (NT), in den Kon­text der Theo­rien der „Öster­rei­chi­sche Schu­le der Öko­no­mie“ (ÖS) stellt, die ein­zi­ge öko­no­mi­sche Schu­le, die kon­se­quent die Theo­rie des frei­en Mark­tes ver­tritt. Anzu­mer­ken ist, dass Robert Grö­zin­ger ein beken­nen­der Christ, ein Frei­heits­freund und Austri­an Eco­no­mist ist.

Mit dem Deka­log des AT ent­wickelt RG eine Argu­men­ta­ti­ons­ket­te, die zeigt, dass der Deka­log ein Mani­fest für eine spon­ta­ne Ord­nung lie­fert – die Markt­wirt­schaft ist eine spon­ta­ne Ord­nung; die Frei­heits­gra­de des ein­zel­nen Men­schen nega­tiv defi­niert – die Frei­heit ist in der Tra­di­ti­on des klas­si­schen Libe­ra­lis­mus eben­falls zunächst nega­tiv defi­niert, wes­halb die Bibel eine tra­gen­de Mau­er für die Leh­ren der Markt­wirt­schaft sein kann.

Anhand vie­ler Text­stel­len des AT vom rech­tem Maß und rich­ti­gem Gewicht stellt Robert Grö­zin­ger eine wei­te­re grund­le­gen­de Ana­lo­gie zur Markt­theo­rie dar. So sieht die Hei­li­ge Schrift die edlen Metal­le (Gold, Sil­ber, Kup­fer) als das natür­li­che Maß für den Han­del, für den frei­wil­li­gen Tausch. Das natür­li­che Tausch­mit­tel (Geld) in der Markt­theo­rie der ÖS sind wie in der Bibel eben­falls vor­zugs­wei­se Edel­me­tal­le wie Gold und Silber.

Robert Grö­zin­ger belegt, daß das heu­ti­ge staat­li­che Papier­geld-Zwangs­sy­stem im Sin­ne der Bibel und der ÖS nichts wei­ter ist als Schein­geld – ein fal­sches Maß und ein fal­sches Gewicht. Und daß das heu­ti­ge staat­li­che Zwangs­pa­pier­geld im eigent­li­chen Sinn ein Nichts ist, die Men­schen jedoch für die­ses Nichts alles haben wol­len; die­ses Nichts kei­nes­wegs mit frei­er Markt­wirt­schaft ver­wech­selt wer­den darf, son­dern ein rein eta­ti­stisch-inter­ven­ti­ons­ti­sches System darstellt.

Im Sin­ne der Bibel ent­spricht die Jagd des moder­nen Men­schen nach die­sem Nichts der Anbe­tung des Göt­zen Mam­mon und führt nach der ÖS zur Wohl­stand­ver­nich­tung, aber kei­nes­falls zu stei­gen­dem Wohl­stand. Das staat­li­che Zwangs­geld­sy­stem ist Betrug und Dieb­stahl. Aus dem staat­li­chen Zwangs­geld­sy­stem, dem biblisch ver­wor­fe­nen Mam­mon, kann mit­tels der Metho­den der ÖS die bibli­sche Kri­tik (z. B. bei Samu­el) an anma­ßen­der Königs-/Kai­ser­herr­schaft abge­lei­tet wer­den. Wie­der­um kom­men die Ana­ly­se der bibli­schen Leh­re und der ÖS-Markt­theo­rie zu ana­lo­gen Ergeb­nis­sen: Ein Guter hin­ter­läßt sein Erbe Kin­des­kin­dern; des Sün­ders Habe ist den From­men vor­be­hal­ten; Papier­geld hat einen inne­ren Wert von Null, somit wird der moder­ne Mensch sei­nen Kin­dern eine Fata Mor­ga­na hin­ter­las­sen – eben Nichts.

Das Buch von Robert Grö­zin­ger ist in man­cher Hin­sicht eine wah­re Fund­gru­be für Frei­heits­freun­de, die auch gläu­bi­ge Chri­sten sind. Sie fin­den dort eine Viel­zahl von Argu­men­ten gegen den anti­frei­heit­li­chen, anti-markt­wirt­schaft­li­chen und dem­zu­fol­ge auch anti-bibli­schen Zeit­geist, dem etli­che Reprä­sen­tan­ten der christ­li­chen Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten fol­gen, die mit ihrem Haß auf Markt­wirt­schaft und Frei­heit lei­der vie­le ein­fa­che Gläu­bi­ge prä­gen. Sie wol­len durch staat­li­che Gewalt ein Para­dies auf Erden schaf­fen und sehen im Staat – bewußt oder unbe­wußt – eine Art Erlö­ser. Lei­der miss­ach­ten die­se Reprä­sen­tan­ten die Erkennt­nis von Hugo Rah­ner „Die Kir­che ist das unsterb­li­che Nein gegen jeden Staat, der sein end­gül­tig beglücken­des Reich auf die­ser Erde allein bau­en will“. Dabei zei­gen gera­de die Gleich­nis­se von Jesus, daß er unrecht­mä­ßig erwor­be­nes Eigen­tum ablehnt, aber dem recht­mä­ßi­gen Eigen­tü­mer einer Sache auch die vol­le Ver­fü­gungs­ge­walt über die­ses Eigen­tum ein­räumt, die Men­schen gera­de­zu auf­for­dert Gewin­ne und kei­ne Ver­lu­ste zu machen, und auch das Neh­men von Zin­sen toleriert.

Damit bejaht Jesus nicht nur die grund­le­gen­den Posi­tio­nen, ja die Eck­pfei­ler einer funk­tio­nie­ren­den Markt­wirt­schaft, son­dern emp­fiehlt sie gera­de­zu. Vie­le wei­te­re Gedan­ken von Robert Grö­zin­ger zei­gen wie sehr Zeit­geist-Reprä­sen­tan­ten die bibli­sche Bot­schaft verfälschen.

Mit sei­nem Buch „Jesus, der Kapi­ta­list: Das christ­li­che Herz der Markt­wirt­schaft“ hat Robert Grö­zin­ger wun­der­schön gezeigt, daß die Bot­schaft der Bibel per­sön­lich und liber­tär ist. Die Markt­wirt­schaft ist die­je­ni­ge polit-öko­no­mi­sche Ord­nung, wel­che aus der Hei­li­gen Schrift ableit­bar ist. Hin­ge­gen erteilt die Bibel eta­ti­sti­schen Anma­ßun­gen, also allen sozia­li­stisch-faschi­stisch-kol­lek­ti­vi­sti­schen Spiel­ar­ten der Staats­ge­walt, eine kla­re Absa­ge und damit auch dem heut­zu­ta­ge vor­herr­schen­den tat­säch­lich men­schen­ver­ach­ten­den Zeit­geist des eta­ti­stisch-inter­ven­tio­ni­sti­schen Wohl­fahrts­staa­tes, der den Men­schen Eigen­ver­ant­wor­tung raubt und zu blo­ßem Hand­lungs­ma­te­ri­al der Staats­ge­walt degradiert.

Offen­kun­dig fin­den sich in dem Buch eines beken­nen­den pro­te­stan­ti­schen Chri­sten mehr katho­li­sche Erkennt­nis­se als in der Schrift von Papst Franziskus.

Papst Fran­zis­kus ver­mit­telt hin­ge­gen, daß er die Men­schen mil­de und freund­lich, aber den­noch bestimmt, zurück in die „mal­thu­si­sche Armuts­fal­le“ drän­gen will.

Der Bei­trag erschien im Forum Ord­nungs­po­li­tik (FOP), wir dan­ken für die Geneh­mi­gung für die Über­nah­me. Das im Arti­kel erwähn­te Buch kann u.a. hier erwor­ben wer­den.

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