(Madrid) Spaniens Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy beschloß einen Gesetzentwurf, mit dem die Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes der sozialistischen Vorgängerregierung Zapatero wieder aufgehoben werden soll. Wer sich ein Verbot der Tötung ungeborener Kinder erwartet, erwartet sich zuviel. Zu diesem Schattensprung scheint keine westliche Regierung, egal welcher politischen Couleur bereit zu sein. Spaniens konservative Regierung will jedoch die jüngsten Maßnahmen im Sinne der Abtreibungslobby rückgängig machen und ein umfassendes Recht auf Gewissensverweigerung festschreiben.
Die physische und psychische „Gefahr“ für Leben und Gesundheit der Mutter sollen künftig von Fachärzten geprüft werden. Laut dem Zapatero-Gesetz genügt derzeit faktisch eine Selbsterklärung der Frau, um das Kind legal töten lassen zu können. Minderjährige Mädchen sollen künftig nicht mehr ohne die Erlaubnis ihrer Eltern abtreiben dürfen. Die sozialistische Vorgängerregierung betrachtete es als besondere Errungenschaft, daß noch nicht volljährige Mädchen eigenmächtig eine Abtreibung durchführen lassen können.
Die spanische Regierung hat dem neuen Gesetzentwurf grünes Licht erteilt. Der Entwurf wurde von Justizminister Alberto Ruiz-Gallardon ausgearbeitet und vorgelegt. Das Zapatero-Gesetz wird damit stark demontiert. „Das organische Gesetz zum Schutz des Gezeugten und der schwangeren Frau“, dem die spanische Volkspartei ihre Zustimmung erteilte, folgt den Richtlinien von 1985, die bis 2010 Geltung hatten, als die Regierung Zapatero Hand daran legte.
Neue Bedingungen für Abtreibung
Zapatero schaffte auch für 16–17jährige Mädchen einen „hürdenlosen Zugang“ zum Kindermord. Das neue Gesetz sieht nur mehr zwei Situationen vor, in denen eine Frau ihre Schwangerschaft durch Tötung des ungeborenen Kindes beenden lassen kann: Vergewaltigung, sofern sie bei der Polizei ordnungsgemäß zur Anzeige gebracht wurde; Gefahr für die physische und psychische Gesundheit der Mutter. Diese „Gefahr“ muß künftig von einem Facharzt festgestellt und beglaubigt werden. In beiden Fällen wird die Tötung des ungeborenen Kindes allerdings weiterhin bis zur 22. Schwangerschaftswoche möglich sein.
Die Möglichkeit, das Kind wegen einer nicht näher spezifizierten „Mißbildung“ töten lassen zu können, ist nicht mehr vorgesehen. Im Gesetz werden die Formen von Mißbildung ausdrücklich aufgelistet, für die eine vorgeburtliche Abtreibung rechtlich zulässig ist.
Gewissensverweigerung
Auch künftig braucht keine Frau, die das Gesetz verletzt, Angst vor dem Gefängnis zu haben. Jede Frau, die abtreiben läßt, gilt auch für die konservative Regierung als Opfer und nicht als Täterin: da es sich „um ein Opfer und nicht um eine Kriminelle handelt“, so die Regierung. Bestraft wird hingegen, wer eine illegale Abtreibung durchführt oder daran mitwirkt. Das Gesetz stärkt das Recht auf Gewissensverweigerung und zwar für alle. Niemand kann gegen seinen Willen zur Mitwirkung an einer Abtreibung genötigt werden.
Der von der Regierung beschlossene Gesetzesentwurf muß nun ins Parlament, in dem die Volkspartei von Ministerpräsident Mariano Rajoy über eine Mehrheit verfügt.
Das Gesetz bringt eine Verbesserung, aber nicht den entscheidenden Durchbruch. Das Unrecht des staatlich legalisierten Kindermordes wird weiterhin akzeptiert. Der epidemische Kindermord kann durch das neue Gesetz stark eingedämmt werden, er muß es aber nicht. Die Formulierungen bieten große Auslegungsspielräume.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons