„Bruch im grundlegenden liturgischen Bewußtsein“ – 50 Jahre Sacrosanctum Concilium


Alter-Ritus-Neuer-RitusHeu­te vor 50 Jah­ren, am 4. Dezem­ber 1963, wur­de die Kon­sti­tu­ti­on über die hei­li­ge Lit­ur­gie Sacro­sanc­tum Con­ci­li­um mit 2147 Ja- zu ledig­lich 4 Nein-Stim­men als erstes Doku­ment des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils ver­ab­schie­det. Der auf das Kon­zil fol­gen­de bei­spiel­lo­se lit­ur­gi­sche Nie­der­gang in der katho­li­schen Kir­che wird wesent­lich auf die Lit­ur­gie­re­form zurück­ge­führt und mit dem Kon­zil in Zusam­men­hang gebracht. In Wirk­lich­keit erfolg­te die Lit­ur­gie­re­form erst 1969/​1970 und steht anders als viel­fach ange­nom­men in kei­nem direk­ten Zusam­men­hang mit den Aus­sa­gen des Kon­zils zur Hei­li­gen Lit­ur­gie. Dies belegt die Lek­tü­re der Kon­sti­tu­ti­on Sacro­sanc­tum Con­ci­li­um, die im übri­gen auch mit der Stim­me des fran­zö­si­schen Erz­bi­schofs Mar­cel Lefeb­v­re ver­ab­schie­det wur­de, einem, der ent­schie­den­sten Kri­ti­ker der spä­te­ren Lit­ur­gie­re­form. Die Ver­tei­di­ger der­sel­ben recht­fer­ti­gen zu Unrecht den Novus ordo und die dar­aus fol­gen­den Aus­wüch­se mit dem Konzil.

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Katho​li​sches​.info ver­öf­fent­licht aus Anlaß des 50-jäh­ri­gen Jah­res­ta­ges von Sacro­sanc­tum Con­ci­li­um eini­ge Zita­te zur Liturgiereform.

Der 1977 gera­de zum Erz­bi­schof von Mün­chen-Frei­sing ernann­te und zum Kar­di­nal erho­be­ne Joseph Ratz­in­ger im Inter­view mit der Zeit­schrift Com­mu­nio:

Her­nach [ist] vie­les zu abrupt gesche­hen, so daß für vie­le Gläu­bi­ge die inne­re Ein­heit mit dem Bis­he­ri­gen nicht mehr zu erken­nen war. Hier ist auch das Kon­zil ein­fach über­rollt wor­den, das zum Bei­spiel noch gesagt hat­te, die Spra­che des latei­ni­schen Ritus blei­be das Latein, doch sei der Volks­spra­che gebüh­ren­der Raum zu geben. Heu­te muß man sich fra­gen, ob es über­haupt noch einen latei­ni­schen Ritus gibt; ein Bewußt­sein dafür ist sicher kaum noch vor­han­den. Die Lit­ur­gie erscheint in den Augen der mei­sten viel­mehr als eine Gestal-tungs­auf­ga­be für die jewei­li­ge Gemein­de, in der ent­spre­chen­de Krei­se oft mit einem eben­so bewun­derns­wer­ten wie ver­fehl­ten Eifer von Woche zu Woche eige­ne „Lit­ur­gien“ basteln. Die­ser Bruch im grund­le­gen­den lit­ur­gi­schen Bewußt­sein scheint mir das eigent­lich Fata­le zu sein. Die Gren­zen zwi­schen Lit­ur­gie und Kom­mers, zwi­schen Lit­ur­gie und Gesel­lig­keit fal­len unmerk­lich dahin.

Pie­ro Mari­ni 2003 zum 40. Jah­res­tag der Lit­ur­gie­kon­sti­tu­ti­on (zum Zere­mo­nien­mei­ster von Papst Johan­nes Paul II. sie­he u.a. „Papst Woj­ty­la akzep­tier­te lit­ur­gi­schen Tanz“ – Pie­ro Mari­nis Erin­ne­run­gen und Recht­fer­ti­gun­gen und An Spek­ta­kel gren­zen­de päpst­li­che Lit­ur­gien):

Die Ver­wirk­li­chung der Lit­ur­gie­re­form des Kon­zils „ist ein stän­dig aktu­el­ler „Auf­trag“ für die lit­ur­gi­sche Pasto­ral, der mit neu­em Eifer über­nom­men wird wie der­je­ni­ge des anti­ken Vol­kes Got­tes in der Wüste des Aus­zugs, in dem es nicht an nost­al­gi­schen Augen­blicken, an Wider­sprü­chen und Wider­stän­den gefehlt hat. Und doch ist das Volk Got­tes immer unter­wegs, und wir alle sol­len voll Jubel fort­schrei­ten, denn wir sind sicher, daß der Geist uns als Wol­ke ein­hüllt und uns als Feu­er­säu­le führt. Ja, die Lit­ur­gie des Kon­zils sei für uns die Feu­er­säu­le des Hei­li­gen Gei­stes, der das Herz der Kir­che bei ihrem Aus­zug in das Reich stän­dig erneu­ert und es mit immer neu­er Schön­heit, Freu­de und Hoff­nung erfüllt.

Der deut­sche Schrift­stel­ler und Trä­ger des Georg-Büch­ner-Prei­ses Mar­tin Mose­bach (Autor von Häre­sie der Form­lo­sig­keit. Die röm­li­sche Lit­ur­gie und ihr Feind) im Inter­view mit dem Maga­zin The­Eu­ro­pean, am 3. April 2010:

„Lit­ur­gie­re­form“ wer­den die Ein­grif­fe Papst Pauls VI. in die über 1500 Jah­re lang über­lie­fer­te römisch-katho­li­sche Lit­ur­gie nur genannt – in Wirk­lich­keit han­del­te es sich hier um eine Revo­lu­ti­on, die vom Auf­trag des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils, die lit­ur­gi­schen Bücher „behut­sam“ durch­zu­se­hen, nicht gedeckt ist. Sie hat die auf die Anbe­tung Got­tes aus­ge­rich­te­te Fei­er der letz­ten zwei Jahr­tau­sen­de auf den Men­schen zen­triert, sie hat das Prie­ster­amt aus­ge­höhlt und die Leh­re der Kir­che von den Sakra­men­ten sehr weit­ge­hend ver­dun­kelt. … 1968 [ist] ein Ach­sen­jahr der Geschich­te mit von­ein­an­der schein­bar voll­kom­men unab­hän­gi­gen Anti-Tra­di­ti­ons­be­we­gun­gen in der gan­zen Welt. Ich bin aber davon über­zeugt, dass man eines Tages, wenn erst genü­gend Abstand da ist, die chi­ne­si­sche Kul­tur­re­vo­lu­ti­on und die römi­sche Lit­ur­gie­re­form in einem engen Zusam­men­hang begrei­fen wird.

Alfred Loren­zer, deut­scher Psy­cho­ana­ly­ti­ker und Sozio­lo­ge, in sei­nem 1981 erschie­ne­nen Buch Das Kon­zil der Buch­hal­ter. Die Zer­stö­rung der Sinn­lich­keit. Eine Reli­gi­ons­kri­tik:

Das Gesche­hen am Altar war eine Ein­heit aus sakral ver­hüll­tem Text, Gesang, ritu­el­ler Gestik, Musik, Weih­rauch­dämp­fen, fest­li­chem Raum als einem ‚Thea­ter‘ in jenem vor­züg­li­chen Sin­ne, der bis in Anti­ke zurück­weist. Die Lit­ur­gie­re­form hat die­se Ein­heit ins Herz getrof­fen. Was das Kon­zil her­vor­brach­te, war kei­ne Ver­än­de­rung, son­dern ein qua­li­ta­ti­ver Umschlag. An die Stel­le der alten Kul­tur eines prä­sen­ta­ti­ven Sym­bol­ge­fü­ges trat eine ad hoc erfun­de­ne Lehr­ver­an­stal­tung. … Kurz­um, die Reform hat das Kunst­werk ‚Ritu­al‘ von Grund auf zer­schla­gen und dadurch die Lit­ur­gie voll ideo­lo­gi­siert: als Lehr­ver­an­stal­tung mit didak­tisch ein­ge­rich­te­ten, cur­ri­cu­lar geglie­der­ten Texten.

Kar­di­nal Albert Mal­colm Ran­jith, Erz­bi­schof von Colom­bo 2011 in sei­nem Gruß­wort an die 20. Gene­ral­ver­samm­lung der Inter­na­tio­na­len Föde­ra­ti­on Una Voce: [1]Über­set­zung sum​morum​-pon​ti​fi​cum​.de

Für uns ist die Zeit gekom­men, nicht nur durch radi­ka­le Ver­än­de­run­gen den Inhalt der refor­mier­ten Lit­ur­gie zu erneu­ern, son­dern auch immer stär­ker auf eine Rück­kehr des Vetus Ordo hin­zu­wir­ken, der den Weg zu einer wahr­haf­ten Erneue­rung der Kir­che bie­tet, wie sie die Väter des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils so sehr erhofften.
Eine sorg­fäl­ti­ge Lek­tü­re der Kon­zils-Kon­sti­tu­ti­on Sacro­sanc­tum Con­ci­li­um über die Hei­li­ge Lit­ur­gie zeigt, daß die über­eil­ten Ver­än­de­run­gen, die spä­ter in die Lit­ur­gie ein­ge­führt wur­den, kei­nes­falls im Sin­ne der Kon­zils­vä­ter waren. Daher ist es jetzt an der Zeit, ent­schlos­sen auf eine wahr­haf­te Reform der Reform hin­zu­ar­bei­ten und auch auf eine Rück­kehr zu der wah­ren Lit­ur­gie der Kir­che, die sich in ihrer zwei­tau­send­jäh­ri­gen Geschich­te in einem bestän­di­gen Fluß ent­wickelt hat. Ich hof­fe und bete, daß das geschieht.

Kuri­en­kar­di­nal Ray­mond Leo Bur­ke am Ste­phans­tag 2010 in sei­ner Pre­digt in der römi­schen Pfar­rei San­ta Maria di Nazareth:

Nach dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil, aber nicht auf­grund des Kon­zils, hat die Art der Reform des Meß­ri­tus das gött­li­che Han­deln in der Hei­li­gen Mes­se durch die Ver­ei­ni­gung von Him­mel und Erde erheb­lich ver­dun­kelt und eini­ge zum irri­gen Den­ken ver­lei­tet, daß die Hei­li­ge Lit­ur­gie ein Han­deln von uns ist, die wir auf bestimm­te Wei­se erfun­den haben und mit der wir daher expe­ri­men­tie­ren können.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Mes­sa in latino

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