Realitätsfremde Kritik von Papst Franziskus an Priestern: Beichtstuhl nicht zu „Folterkammer“ machen


Realitätsfremder Papst(Vati­kan) Die Zei­ten haben sich geän­dert. Frü­her haben die Pro­gres­si­ven den Päp­sten „Rea­li­täts­fremd­heit“ vor­ge­wor­fen. Papst Fran­zis­kus wird von glau­bens­treu­er Sei­te Rea­li­täts­fer­ne vor­ge­hal­ten. Wie das? Wir set­zen die Beschäf­ti­gung mit dem Apo­sto­li­schen Schrei­ben Evan­ge­lii Gau­di­um von Papst Fran­zis­kus fort. Bis­her sind dazu erschie­nen Evan­ge­lii Gau­di­um – Deut­li­che Wor­te zum Lebens­recht (von Johan­nes Paul II.) und Fran­zis­kus der Papst, der das Papst­tum abschafft – Die Revo­lu­ti­on, die die Kar­di­nä­le woll­ten.

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Das Wort „Sün­de“ kommt dar­in mehr­fach vor. Der Kon­text, in dem es Erwäh­nung fin­det, ist aller­dings viel­schich­tig und wür­de einer eige­nen ein­ge­hen­den Ana­ly­se bedür­fen. So gibt es etwa neben der per­sön­li­chen Sün­de auch eine „sozia­le“ Sün­de, die an ver­schie­de­nen Stel­len her­vor­tritt. Wie nun aber die Sün­de über­wun­den und die Erret­tung gesche­hen soll, fin­det kei­ne Erwäh­nung. Die Wor­te „Buße“ und „Reue“ feh­len voll­ends. Das Wort „Bekeh­rung“ kommt nur ein­mal als Zitat aus einer Instruk­ti­on der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on vor. Das Wort „Umkehr“ hin­ge­gen häu­fig. Wie die­se Umkehr jedoch voll­zo­gen wer­den soll, bleibt offen. Denn das Wort „Beich­te“ kommt im päpst­li­chen Doku­ment nicht vor. Damit bleibt der ent­schei­den­de Akt der Ver­söh­nung mit Gott durch Bekeh­rung, Reue, Beich­te und Buße unaus­ge­spro­chen. Er scheint für die „freu­di­ge“ Evan­ge­li­sie­rung kei­ne Rol­le zu spielen.

Doch nicht nur, daß die Beich­te kei­ner Erwäh­nung wert ist: Die ein­zi­ge indi­rek­te Erwäh­nung der Beich­te in Evan­ge­lii Gau­di­um erfolgt nega­tiv in Form von Kri­tik. Der Papst erwähnt unter Num­mer 44 ein ein­zi­ges Mal den „Beicht­stuhl“. In die­sem Zusam­men­hang for­dert er die Prie­ster auf, „daß der Beicht­stuhl kei­ne Fol­ter­kam­mer sein darf“. Bei der Lek­tü­re die­ser Stel­le, der ein­zi­gen indi­rek­ten Nen­nung der Beich­te, drängt sich die Fra­ge auf: „Ja wo lebt denn die­ser Papst!?“ Die Aus­sa­ge zeich­net sich durch Rea­li­täts­fremd­heit aus. Die Rea­li­tät ist das genaue Gegen­teil, daß die Hin­füh­rung zur Beich­te in der Kate­che­se und Unter­wei­sung der Gläu­bi­gen seit Jahr­zehn­ten kaum mehr eine Rol­le spielt, daß im deut­schen Sprach­raum an vie­len Orten die Kin­der ohne Beich­te zur Erst­kom­mu­ni­on geführt wer­den, daß die Beicht­stüh­le aus vie­len Kir­chen her­aus­ge­ris­sen wur­den, daß vie­le Prie­ster gar nicht mehr Beich­te hören, daß in man­chen Pfar­rei­en „Beich­te und Aus­spra­che“ ange­bo­ten wird, im „Beicht­zim­mer“ aber eine Pasto­ral­as­si­sten­tin sitzt. Die Liste über den Ver­fall des Beicht­sa­kra­ments könn­te lan­ge fort­ge­setzt wer­den. Die Beich­te scheint so wenig in ein „fröh­li­ches“ Chri­sten­tum zu pas­sen, daß ihre letz­te Erwäh­nung unter nega­ti­vem Vor­zei­chen gesche­hen muß.

Die Rea­li­täts­fremd­heit die­ser Aus­sa­ge von Papst Fran­zis­kus erin­nert an eine ande­re, nicht min­der rea­li­täts­fer­ne Wort­mel­dung des Pap­stes von Ende Sep­tem­ber. Damals bezeich­ne­te es Papst Fran­zis­kus als sei­ne „wich­tig­ste Sor­ge“, ob Prie­ster schon die Kin­der unver­hei­ra­te­ter Müt­ter taufen.

Dabei war es der­sel­be Papst, der am ver­gan­ge­nen Grün­don­ners­tag, zwei Wochen nach sei­ner Wahl, in einem pri­va­ten Gespräch mit Prie­stern der Diö­ze­se Rom gesagt haben soll: „Ich behar­re dar­auf: Laßt die Türen der Kir­chen offen, und die Men­schen wer­den auch kom­men, und laßt das Licht in den Beicht­stüh­len an, um zu zei­gen, daß ihr da seid, und ihr wer­det sehen, daß sich eine Schlan­ge davor bil­det.“ Eine der zahl­rei­chen Wider­sprüch­lich­kei­ten die­ses Pon­ti­fi­kats. Wobei die Aus­sa­ge vom Grün­don­ners­tag weder offi­zi­ell belegt noch Teil des Lehr­am­tes ist, Evan­ge­lii Gau­di­um hin­ge­gen schon.

44. Ande­rer­seits dür­fen sowohl die Hir­ten als auch alle Gläu­bi­gen, die ihre Brü­der im Glau­ben oder auf einem Weg der Öff­nung auf Gott hin beglei­ten, nicht ver­ges­sen, was der Kate­chis­mus der Katho­li­schen Kir­che mit gro­ßer Klar­heit lehrt: „Die Anre­chen­bar­keit einer Tat und die Ver­ant­wor­tung für sie kön­nen durch Unkennt­nis, Unacht­sam­keit, Gewalt, Furcht, Gewohn­hei­ten, über­mä­ßi­ge Affek­te sowie wei­te­re psy­chi­sche oder gesell­schaft­li­che Fak­to­ren ver­min­dert, ja sogar auf­ge­ho­ben sein.“

Daher muss man, ohne den Wert des vom Evan­ge­li­um vor­ge­zeich­ne­ten Ide­als zu min­dern, die mög­li­chen Wachs­tums­stu­fen der Men­schen, die Tag für Tag auf­ge­baut wer­den, mit Barm­her­zig­keit und Geduld beglei­ten. Die Prie­ster erin­ne­re ich dar­an, dass der Beicht­stuhl kei­ne Fol­ter­kam­mer sein darf, son­dern ein Ort der Barm­her­zig­keit des Herrn, die uns anregt, das mög­li­che Gute zu tun. Ein klei­ner Schritt inmit­ten gro­ßer mensch­li­cher Gren­zen kann Gott wohl­ge­fäl­li­ger sein als das äußer­lich kor­rek­te Leben des­sen, der sei­ne Tage ver­bringt, ohne auf nen­nens­wer­te Schwie­rig­kei­ten zu sto­ßen. Alle müs­sen von dem Trost und dem Ansporn der heil­brin­gen­den Lie­be Got­tes erreicht wer­den, der geheim­nis­voll in jedem Men­schen wirkt, jen­seits sei­ner Män­gel und Verfehlungen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Formiche

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