Reform der Kirche: Aber wie die Kirche reformieren?


Die Reform der Kirche und der Heilige Ignatius von Loyola(Rom) „Reform“ ist ein Lieb­lings­wort der Pro­gres­si­ven. Je radi­ka­ler ihre Posi­tio­nen, desto lau­ter der Ruf nach Refor­men, die struk­tu­el­len Refor­men mei­nen. Vie­le Adjek­ti­ve, die aus der Welt auf die Kir­che über­tra­gen wer­den, wie „links“, „libe­ral“ und „pro­gres­siv“ oder „rechts“, „kon­ser­va­tiv“ und „reak­tio­när“ sind letzt­lich hin­ken­de, wenn nicht sogar unbrauch­ba­re Ver­glei­che. Ein­ge­setzt wer­den sie den­noch teils aus Bequem­lich­keit, aber auch man­gels ande­rer grif­fi­ger und all­ge­mein ver­ständ­li­cher Begriffs­ka­te­go­rien. Und etwas an Wah­rem haben sie ja durch­aus an sich. Dazu gehört der pro­gres­si­ve Drang zu „struk­tu­rel­len Refor­men“. Er kenn­zeich­net die poli­ti­sche Lin­ke, aber nicht min­der auch die kirch­li­che, um bei die­ser letzt­lich unbe­frie­di­gen­den Kon­no­ta­ti­on zu blieben.

Strukturelle Reformen als Allheilmittel?

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Nicht die Men­schen sol­len sich ändern, son­dern die Struk­tu­ren. Letz­te­re sei­en das for­men­de Ele­ment, das die Men­schen bedin­ge. Das treibt die poli­ti­sche Lin­ke zur Annah­me, daß Gefäng­nis­se mit Per­so­nen gefüllt sind, die durch struk­tu­rel­le Unge­rech­tig­keit zu einer Straf­tat ver­lei­tet wur­den und des­halb die eigent­li­chen Opfer „des Systems“ sei­en. Die kirch­li­che Lin­ke ist der Über­zeu­gung, daß „repres­si­ve“ kirch­li­che Struk­tu­ren, die wah­re Ent­fal­tung des Glau­bens ver­hin­dern, wes­halb sie die angeb­li­che „Macht­kir­che“ einer „Lie­bes­kir­che“, frei­lich nach links­ka­tho­li­scher Façon, gegen­über­stel­len und durch struk­tu­rel­le Refor­men, sprich Demo­kra­ti­sie­rung, Letz­te­re durch­set­zen wollen.

Doch von Struk­tur­re­for­men spre­chen weder Jesus noch die Apo­stel, ja nicht ein­mal das Alte Testa­ment. Viel­mehr ist das genaue Gegen­teil der Fall. Die Hei­li­ge Schrift lie­fert die Anlei­tung für die gött­li­che Ord­nung. Und die ent­hält durch­aus prä­zi­se Struk­tu­ren. Wie irrig der Ruf nach struk­tu­rel­len Refor­men heu­te wie zu allen Zei­ten war, weil die Grund­prä­mis­se falsch ist, belegt der anthro­po­lo­gi­sche Aus­gangs­punkt der Mensch­heit schon im Buch Gene­sis. Die Ver­trei­bung aus dem Para­dies geschah nicht auf­grund irgend­wel­cher Struk­tu­ren, und noch weni­ger auf­grund struk­tu­rel­ler Unge­rech­tig­kei­ten, son­dern durch eine freie, wenn auch fata­le Ent­schei­dung des ersten Men­schen­paa­res. Struk­tur­re­for­men wür­den wahr­schein­lich der Schlan­ge die Schuld geben und sie abschaf­fen wol­len. Doch beho­ben wäre dadurch nichts, da die Hal­tung von Adam und Eva die­sel­be bliebe.

Der Heilige Ignatius von Loyola und die Reform der Kirche

Damit vom fal­schen Reform­an­satz der Lin­ken zur Fra­ge, wie die Kir­che zu erneu­ern ist. Die Kir­chen­ge­schich­te ist reich an Vor­bil­dern und Hin­wei­sen. In der jüng­sten Aus­ga­be der Jesui­ten­zeit­schrift Civil­tà  Cat­to­li­ca befaßt sich Pater Enri­co Cat­ta­neo SJ mit dem The­ma: „Die Reform der Kir­che nach dem Hei­li­gen Igna­ti­us von Loyo­la“. [1]Enri­co Cat­ta­neo SJ: La rif­or­ma del­la Chie­sa secon­do Sant’Ignazio di Loyo­la, in: La Civil­tà  Cat­to­li­ca, Herft 3922 vom 16. Novem­ber 2013, S. 341–351 Der hei­li­ge Grün­der des Jesui­ten­or­dens, dem mit Papst Fran­zis­kus erst­mals sogar ein Papst ent­stammt, habe einen Weg auf­ge­zeigt, wie die Kir­che zu erneu­ern ist.

Der Hei­li­ge aus Spa­ni­en (1491–1556) leb­te in einer für die Kir­che aus­ge­spro­chen schwie­ri­gen Zeit. Der Pro­te­stan­tis­mus spal­te­te die Kir­che und zer­riß Euro­pa, gan­ze Land­stri­che und Völ­ker bis hin­ein in die Fami­li­en. Die Ant­wort dar­auf war die Ein­be­ru­fung des Kon­zils von Tri­ent (1545–1564), an dem eini­ge Ange­hö­ri­ge des noch jun­gen Jesui­ten­or­dens als Peri­ti teil­nah­men. Für sie ver­faß­te der Hei­li­ge Igna­ti­us eini­ge knap­pe, aber sehr prak­ti­sche Anwei­sun­gen. Auf sie kon­zen­triert sich der genann­te Bei­trag in der Jesuitenzeitschrift.

Die Wahl von Papst Marcellus II.

„Natür­lich hat­te auch Igna­ti­us sei­ne Vor­stel­lung davon, wie die Kir­che zu erneu­ern war, aber das von ihm gebrauch­te Instru­ment dazu waren Exer­zi­ti­en, die sich auf die arme und demü­ti­ge Nach­fol­ge Chri­sti kon­zen­trier­ten. Er hoff­te damit vor allem den Kle­rus zu erneu­ern und als Mar­cel­lo Cer­vi­ni zum Papst [Mar­cel­lus II.] gewählt wur­de, schie­nen sich sei­ne Hoff­nun­gen zu verwirklichen.“

Papst Mar­cel­lus (1551–1555), dem Gio­van­ni Pier­lui­gi Pal­e­stri­na die Mis­sa Papae Mar­cel­li wid­me­te, war 1539 von Papst Paul III. zum Kar­di­nal kre­iert wor­den und nahm ab 1545 als Päpst­li­cher Legat an den Sit­zun­gen des Kon­zils von Tri­ent teil. Er galt als mora­lisch inte­ger und mit hohen geist­li­chen Gaben aus­ge­stat­tet. Sei­ne Schwe­ster war die Mut­ter des Hei­li­gen Robert Bell­ar­mi­no (1542–1621), Kar­di­nal, Kir­chen­leh­rer und Jesu­it. Die Krö­nung und Inthro­ni­sa­ti­ons­fei­er von Papst Mar­cel­lus II. beein­druck­te die römi­sche Bevöl­ke­rung zutiefst. Sie fiel mit dem Grün­don­ners­tag des Jah­res 1555 zusam­men. Der Papst lehn­te eine Über­schat­tung des Tri­du­um Pascha­lis durch sei­ne Thron­be­stei­gung ab. Statt eines sei­ner Wür­de ent­spre­chen­den gro­ßen Festes wusch der neue Stell­ver­tre­ter Chri­sti auf Erden am Tag sei­ner Thron­be­stei­gung zwölf armen Män­nern aus Rom die Füße, wie ins­ge­samt die gan­ze Zere­mo­nie sei­ner Amts­ein­füh­rung sehr schlicht war, um nicht vom eigent­li­chen kul­ti­schen Gesche­hen abzulenken.

Reform durch Erneuerung des eigenen Lebens, dann erst der Strukturen

Igna­ti­us war über­zeugt, daß jede Reform von der „Erneue­rung des eige­nen Lebens“ aus­ge­hen muß­te und die­se Erneue­rung immer das Vor­bild Chri­sti zum Maß­stab haben muß­te, in Armut und Demut. Über die Erneue­rung des eige­nen Lebens wür­de man auch zur nöti­gen Reform der Struk­tu­ren gelan­gen. Das im Glau­ben erneu­er­te Leben wür­de Augen und Weg zu den struk­tu­rel­len Refor­men öff­nen, deren Zweck ein­zig die Ver­bes­se­rung und Stär­kung des Auf­trags der Kir­che sein konn­te, um dadurch die Erneue­rung des eige­nen Lebens ande­rer zu för­dern. Pater Cat­ta­neo zeigt die­sen Weg des Hei­li­gen Igna­ti­us in sei­nem Auf­satz auf. Der Aus­gangs­punkt jeder Kir­chen­re­form kön­nen nicht struk­tu­rel­le Refor­men sein. Sie blei­ben leer und lösen gar nichts. Aus­gangs­punkt muß die per­sön­li­che Erneue­rung im Glau­ben sein. Dar­aus ergibt sich dann als näch­ster Schritt auf ange­mes­se­ne Refor­men der Strukturen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Gesuiti

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1 Enri­co Cat­ta­neo SJ: La rif­or­ma del­la Chie­sa secon­do Sant’Ignazio di Loyo­la, in: La Civil­tà  Cat­to­li­ca, Herft 3922 vom 16. Novem­ber 2013, S. 341–351
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