„Wer macht im katholischen Lager gemeinsame Sache mit dem Feind?“ Palmaro und Gnocchi nach dem Telefonanruf des Papstes


Denzinger und Papst Franziskus(Rom) Der tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ne Rechts­phi­lo­soph Mario Pal­ma­ro, den Papst Fran­zis­kus an Aller­hei­li­gen mit einem Tele­fon­an­ruf beschenk­te, und der Jour­na­list Ales­san­dro Gnoc­chi befas­sen sich in ihrem jüng­sten Auf­satz mit der Kri­tik am „Den­zin­ger“, die stark in Mode gekom­men sei. Gemeint ist das „Enchi­ri­d­ion Sym­bo­lorum“, das 1854 erst­mals vom Würz­bur­ger Dog­ma­ti­ker Hein­rich Den­zin­ger als Samm­lung der wich­tig­sten Lehr­do­ku­men­te der Katho­li­schen Kir­che erschie­nen ist. Pal­ma­ro und Gnoc­chi machen sogar eine tief­sit­zen­de Abnei­gung gegen die­se dog­ma­ti­sche Prä­zi­si­on aus, die die Kir­che immer aus­zeich­ne­te, und spü­ren den Grün­den für die­se Aver­si­on nach. Aus­gangs­punkt dabei ist das inzwi­schen von der Inter­net­sei­te des Vati­kans gelösch­te Inter­view, das Papst Fran­zis­kus dem Athe­isten Euge­nio Scal­fa­ri gewährt hat­te. Ein Inter­view, das viel Ver­wir­rung stif­te­te: durch sei­nen Inhalt, durch die unkri­ti­sche Auf­nah­me in man­chen katho­li­schen Krei­sen, durch die Ver­tei­di­gung des­sel­ben gegen inner­kirch­li­che Kri­tik und nicht zuletzt auch durch die Art, wie es vom Vati­kan gehand­habt wur­de, etwa durch die Aus­sa­gen von Vati­kan­spre­cher Pater Feder­i­co Lom­bar­di und die kom­men­tar­lo­se voll­in­halt­li­che Ver­öf­fent­li­chung durch den Osser­va­to­re Roma­no und die Inter­net­sei­te des Hei­li­gen Stuhls. Wohl­wol­lend grei­fen die bei­den katho­li­schen Publi­zi­sten die jüng­ste Kri­tik von Papst Fran­zis­kus am „Geist der Welt“ auf. Kon­se­quen­ter­wei­se müs­se jedoch auch offen beim Namen genannt wer­den, wer im katho­li­schen Lager „gemein­sa­me Sache mit dem Feind“ macht, so die Ein­la­dung an den Papst, denn die Ver­wir­rung sei groß, daß vie­le Katho­li­ken nicht mehr wis­sen, was über­haupt katho­lisch ist und Freund von Feind nicht mehr zu unter­schei­den wis­sen. So gesche­he es, daß Katho­li­ken, oft ohne es zu mer­ken, unka­tho­li­sche Posi­tio­nen ver­tre­ten gegen ande­re Katho­li­ken, die an der katho­li­schen Leh­re festhalten.
Papst Fran­zis­kus bedank­te sich beim Tele­fon­ge­spräch mit Mario Pal­ma­ro für die Kri­tik, die er „brau­che“. Radio Maria Ita­li­en hat­te die bei­den katho­li­schen Publi­zi­sten wegen ihrer kri­ti­schen Anmer­kun­gen zum Pon­ti­fi­kat ent­las­sen. Ob sie nach dem Tele­fo­nat des Pap­stes wie­der ein­ge­stellt wer­den, ist nicht bekannt. Pro­gramm­di­rek­tor Pater Livio Fanz­a­ga begrün­de­te den Raus­wurf in den ver­gan­ge­nen Wochen mehr­fach mit Gegen­kri­tik an den „Den­zin­ger-Katho­li­ken“.
Der Auf­satz von Pal­ma­ro und Gnoc­chi erschien am 20. Novem­ber in der Tages­zei­tung „Il Foglio“. Die Zwi­schen­ti­tel wur­den von der Redak­ti­on gewählt. 

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Der „Denzinger“ und die halbierte Weltlichkeit

von Mario Pal­ma­ro und Ales­san­dro Gnocchi

Es wur­de „mit Freu­de“ auf­ge­nom­men, wie es in der Kir­che von heu­te üblich ist, ver­tei­digt ohne Wenn und Aber, her­me­neu­ti­siert wie man es braucht und schließ­lich von der Inter­net­sei­te des Vati­kans gelöscht, wo es für andert­halb Mona­te ver­öf­fent­licht stand: die Rede ist vom Inter­view, das Papst Fran­zis­kus Euge­nio Scal­fa­ri gab. Es wur­de mit einem ein­fa­chen Klick zu den Akten gelegt. Es sei als Gan­zes zuver­läs­sig, erklär­te der Lei­ter des vati­ka­ni­schen Pres­se­am­tes, Pater Lom­bar­di, nicht aber in eini­gen Ein­zel­stel­len, auch wenn die umstrit­te­ne Pas­sa­ge über das Gewis­sen „völ­lig mit dem Kate­chis­mus der Katho­li­schen Kir­che ver­ein­bar“ sei.

„Keinen Kuhandel mit Gottes Treue treiben“ oder Kirche als äquidistanter Vermittler zwischen Gott und Welt?

Obwohl nun in den Akten­ord­nern für blo­ße Chro­ni­k­ereig­nis­se abge­legt, bleibt der Vor­fall ein Indi­ka­tor für einen Grad an Ver­wir­rung, der selbst für ein Feld­la­za­rett zuviel ist. Es ist schon selt­sam, daß sich nie­mand die Fra­ge stell­te, vor­her und vor­sichts­hal­ber, ob der Inter­view­er der Vol­taire-Pres­se ein Kran­ker war, der kam, um sich hei­len zu las­sen, oder ein gar nicht son­der­lich getarn­ter Gift­schmie­rer. Zu erken­nen, was das Anlie­gen des welt­li­chen Gesprächs­part­ners ist, ist eine Fra­ge, die Papst Fran­zis­kus selbst in sei­ner Pre­digt in San­ta Mar­ta am ver­gan­ge­nen Mon­tag als von grund­le­gen­der Bedeu­tung bezeich­ne­te. Eine Stel­le aus dem Buch der Mak­ka­bä­er aus­le­gend, warn­te der Papst davor mit der Treue Got­tes einen Kuh­han­del zu betrei­ben, denn der Geist der Welt ver­han­delt alles. Doch der Ist-Zustand der post­mo­der­nen Kir­che prä­sen­tiert sich seit Jahr­zehn­ten mehr als neu­tra­ler Ort der Ver­mitt­lung statt einer Festung, die ent­schlos­sen ist, der Welt zu wider­ste­hen. Sie scheint ein Ort, an dem vie­le selbst­zu­frie­den Maß­stä­be, Metho­den und Instru­men­te ver­wen­den, mit denen sie sowohl die Schmei­che­lei­en der Welt als auch die Kla­gen der Kir­che verstehen.

Die Span­nung einer begrün­de­ten Stren­ge, die unter Bene­dikt XVI. Wie­der­ein­zug gehal­ten hat­te und zusam­men mit Aske­se und Gebet vor den Sire­nen­ge­sän­gen der Welt schütz­te, scheint ver­dampft. Heu­te genügt es, die mes­ser­schar­fe, aber lie­be­vol­le Prä­zi­si­on in Erin­ne­rung zu rufen, mit der die Kir­che sich immer zum Glau­ben, zur Leh­re und zur Moral äußer­te, um als ideo­lo­gi­sier­ter Spe­zia­list des Logos abge­stem­pelt zu wer­den. Wehe, wer es wagt, das gro­ße Werk eines ver­dien­ten Pio­niers der dog­ma­ti­schen Theo­lo­gie eines Hein­rich Den­zin­ger zu erwäh­nen: Er wird sofort bezich­tigt, das Evan­ge­li­um mit dem Enchi­ri­d­ion Sym­bo­lorum erset­zen zu wol­len, jenem kri­stall­kla­ren Kom­pen­di­um der Haupt­tex­te des Lehr­am­tes, die als Damm die­nen soll­ten, wo die Welt hin­ter­fragt, pro­vo­ziert, ver­han­delt und kor­rum­piert. Stän­dig aktua­li­siert im Lauf der Jahr­zehn­te, ist der „Den­zin­ger“, benannt nach sei­nem ersten Her­aus­ge­ber, einer der sicher­sten Bezugs­punk­te für jeden, der das immer­gül­ti­ge Den­ken der Kir­che ken­nen­ler­nen und prak­ti­zie­ren möch­te. Aber er gefällt nicht mehr. Er irri­tiert und nervt.

Abneigung gegen „Denzinger“? Karl Rahner weiß warum

Um den Grund für die­se Abnei­gung her­aus­zu­fin­den, genügt es auf Wiki­pe­dia nach­zu­le­sen. In einer Mit­leid erre­gen­den ein­zi­gen Zei­le heißt es in der ita­lie­ni­schen Ver­si­on: „Der gro­ße Fun­da­men­tal­theo­lo­ge, der Jesu­it Karl Rah­ner warn­te Stu­den­ten und Gelehr­te vor der reduk­tio­ni­sti­schen Gefahr einer ‚Theo­lo­gie des Den­zin­ger‘“. Wenn man bedenkt, daß der Erfin­der der Theo­rie von den „anony­men Chri­sten“ in der Kir­che von heu­te den Hei­li­gen Tho­mas von Aquin als doc­tor com­mu­nis ersetzt hat, wird die gene­rel­le Abnei­gung gegen den „Den­zin­ger“ ver­ständ­lich, der ein stren­ger Rich­ter gegen jeden ist, der sich dar­in gefällt, sich ganz irgend­ei­ner per­sön­li­chen Begeg­nung mit dem Evan­ge­li­um zu über­las­sen. Auf irgend­ei­ne Wei­se kommt wie­der das The­ma des per­sön­li­chen Gewis­sens an die Ober­flä­che, das Rah­ner, ein Mit­bru­der von Papst Fran­zis­kus, in der Schwie­rig­keit zu glau­ben mit Begrif­fen beschrieb, die ohne Zwei­fel Schu­le gemacht haben und was für eine: Jeder folgt sei­nem eige­nen Gewis­sen, sei es weil er meint, Christ sein zu müs­sen oder Nicht-Christ, sei es weil er meint, Athe­ist sein zu müs­sen oder gläu­big, ein sol­ches Indi­vi­du­um ist akzep­tiert und akzep­tiert von Gott und kann jenes ewi­ge Leben errei­chen, das wir in unse­rem christ­li­chen Glau­ben als Ziel aller Men­schen beken­nen. Mit ande­ren Wor­ten: die Gna­de und Recht­fer­ti­gung, die Ein­heit und die Gemein­schaft mit Gott, die Mög­lich­keit das ewi­ge Leben zu erlan­gen, das alles fin­det eine Hür­de nur im schlech­ten Gewis­sen eines Menschen.

Vor dem Evan­ge­li­um kann ein sol­cher Gedan­ken gar nicht anders, als eine Über­prü­fung durch die zwin­gen­de Stren­ge „Den­zin­ger“ zu scheu­en, die die zwin­gen­de Stren­ge der Kir­che ist. Der katho­li­sche Glau­ben kann sich nicht ein­fach mit einer per­sön­li­chen Begeg­nung mit dem Evan­ge­li­um begnü­gen. Der Domi­ni­ka­ner Roger-Tho­mas Cal­mel erklärt das War­um in der „Kur­zen Apo­loge­tik der ewi­gen Kir­che“: „Es gibt eine star­ke Wech­sel­wir­kung zwi­schen der Hei­li­gen Schrift und den Kon­zils­tex­ten und dem Kate­chis­mus. Wech­seln wir also von der Lek­tü­re des Alten und Neu­en Testa­ments zu den Defi­ni­tio­nen der Kon­zi­le oder der Päp­ste, um den genau­en Inhalt, die wah­re Bedeu­tung der Hei­li­gen Tex­te zu ver­ste­hen. Dann keh­ren wir von den Kon­zi­len und vom Kate­chis­mus zur Hei­li­gen Schrift zurück, um nie den leben­di­gen, kon­kre­ten, über­na­tür­li­chen, uner­schöpf­li­chen Text aus den Augen zu ver­lie­ren, des­sen not­wen­di­ge Prä­zi­si­on und des­sen Tie­fe des Geheim­nis­ses in den Tex­ten des kirch­li­chen Lehr­am­tes zum Aus­druck kommt.“

Glaubenswahrheit für modernen Menschen unverständlich?

Der Krieg gegen den „Den­zin­ger“ und damit gegen die har­mo­ni­sche Dar­le­gung und Kon­kre­tie­rung der ewig­gül­ti­gen Leh­re der Kir­che, kommt von weit her. Nicht von unge­fähr sagt Rah­ner, daß die „Ver­laut­ba­run­gen des über­lie­fer­ten Glau­bens zu einem gro­ßen Teil unge­eig­net sind, zumin­dest was die erste und wich­tig­ste Sache betrifft: die Glau­bens­ver­kün­di­gung“. Vor­ga­ben wie „Gott besteht aus drei Per­so­nen“ oder „wir sind durch das Blut Jesu Chri­sti geret­tet“, sei­en „für den moder­nen Men­schen schlicht und ein­fach unver­ständ­lich“. Sie wür­den den­sel­ben Ein­druck ver­mit­teln, wie die Mytho­lo­gie einer Reli­gi­on ver­gan­ge­ner Zei­ten. Laut dem Jesui­ten­theo­lo­gen habe Jesus, der Laza­rus von den Toten erweckt, für den moder­nen Men­schen den­sel­ben Geschmack wie Hera­kles, der Hydra oder The­seus, der den Mino­tau­rus besiegt. Daher bleibt nichts ande­res, als die Ver­kün­di­gung zu refor­mie­ren, auf die Wel­len­län­ge der Moder­ne ein­zu­stel­len und die Wor­te dafür den Wün­schen des neu­en Publi­kums zu entnehmen.

Giu­sep­pe Siri, ein Kar­di­nal, der ris­kier­te Papst zu wer­den, erfaß­te die Fra­ge mit bestechen­der Klar­sicht, wenn er in „Getse­ma­ni“ schrieb: „Mit dem Beginn der Säku­la­ri­sie­rung setz­te der gro­ße Tod ein: die Welt ent­hält die Kräf­te zur voll­stän­di­gen Ent­fal­tung der Men­schen und ist auch das Umfeld, in dem der Zweck des mensch­li­chen Lebens erreicht wer­den muß; es wür­de dem­nach genü­gen, die Unter­schei­dung zwi­schen Sakra­lem und Pro­fa­nem, zwi­schen Kir­che und Welt abzu­schaf­fen.“ Die Dia­gno­se wur­de, aller­dings zustim­mend gedacht, von Edward Schil­le­be­eckx bestä­tigt, der 1970 sag­te: „In Chri­stus ist es nun mög­lich Amen zur Rea­li­tät der Welt zu sagen und sie als Kult zu betrach­ten, denn seit der Erschei­nung Jesu lebt die Voll­kom­men­heit Got­tes auf Erden.“

Kirche als Feldlazarett: Darin wirken aber Ärzte, die den Patienten heilen und solche, die ihn euthanasieren

Wenn die Welt das Objekt des neu­en Kul­tes ist, ist es natür­lich unmög­lich in irgend­ei­nen Kon­flikt mit ihr zu tre­ten. Die ame­ri­ka­ni­schen Bischö­fe, die Barack Oba­ma Wider­stand lei­sten, fol­gen daher natür­lich nicht Rah­ner und Schil­le­be­eckx. Aber Hun­der­te von Jesui­ten mit ihren katho­li­schen Uni­ver­si­tä­ten und Hun­der­te von rebel­lie­ren­den Ordens­frau­en sagen Amen zum US-Prä­si­den­ten und voll­zie­hen den Kult der Welt. Das eigent­li­che Pro­blem des Feld­la­za­retts ist es daher zu erken­nen und zu unter­schei­den, wer dar­in die heil­sa­me Medi­zin ver­teilt und wer hin­ge­gen den Pati­en­ten euthanasiert.

Wenn es wahr ist, daß der welt­li­che Geist sogar dazu ver­führt, Got­tes Treue zu ver­han­deln, wie der Papst in sei­ner Pre­digt sag­te, dann soll­te man auch den Mut haben, zu sagen, wer im katho­li­schen Lager mit dem Feind gemein­sa­me Sache macht. Es ist nicht mög­lich, mit dem Fin­ger auf die Schmei­che­lei­en der Welt zu zei­gen, aber Rah­ner zu dul­den, der sagt: „Mit dem Fort­schrei­ten der Gna­den­ge­schich­te, wird die Welt immer unab­hän­gi­ger, rei­fer, pro­fa­ner und muß dar­an den­ken, sich selbst zu ver­wirk­li­chen. Die­se wach­sen­de geschicht­li­che Welt­lich­keit (…) ist kein Unglück, das sich hart­näckig der Gna­de und der Kir­che wider­setzt, son­dern die Art, in der die Gna­de sich lang­sam in der Schöp­fung verwirklicht“.

Im Kiel­was­ser des zwei­deu­ti­gen und zwang­haf­ten „Pri­mats des Wor­tes“ und des luthe­ri­schen sola fide, ist die Kir­che soweit gekom­men, daß sie sich im ver­kehr­ten Hori­zont eines Pela­gia­nis­mus wider­spie­gelt, der die Sün­de leug­net und die Welt feiert.

Das Ergeb­nis ist jeden­falls eine Schwä­chung der Über­lie­fe­rung und ihres Auf­trags als Mater et Magi­stra. Das freie Gewis­sen, der Sub­jek­ti­vis­mus, die sola scrip­tu­ra über­neh­men die Kon­trol­le und höh­len die Bedeu­tung der Bischö­fe und des Pap­stes aus. Der logi­sche Rah­men die­ser Ope­ra­ti­on ist aller­dings äußert schwach, denn es ist die Über­lie­fe­rung die dem Wort vor­aus­geht und es defi­niert. Es ist die Kir­che, die fest­legt, wel­ches die Hei­li­gen Tex­te sind und wie sie zu inter­pre­tie­ren sind. Eine Tat­sa­che, die es letzt­lich unmög­lich macht, das Chri­sten­tum als „Buch­re­li­gi­on“ zu bezeich­nen, ein miß­ver­ständ­li­cher Begriff, der aus dem Pro­te­stan­tis­mus in die katho­li­sche Kir­che ein­ge­drun­gen ist. Die Kir­che geht histo­risch und logisch der Schrift vor­aus und des­halb, so Kar­di­nal Siri, „rela­ti­viert der, der die Tra­di­ti­on rela­ti­viert, auch die Schrift.“

Die ewige und einmalige Schönheit der Katholischen Kirche

Die ewi­ge und ein­ma­li­ge Schön­heit der Katho­li­zi­tät besteht in der Fähig­keit, alle die­se Ele­men­te zusam­men­zu­fü­gen und zu har­mo­ni­sie­ren. In der stän­di­gen Span­nung zwi­schen Ver­nunft und Geheim­nis, zwi­schen welt­li­cher Sehn­sucht und himm­li­scher Ant­wort, ent­steht in Geduld ein Abdruck, in den sich die mag­ma­ti­sche und form­lo­se Krea­tur bet­tet, um wie ein Schmet­ter­ling aus Pup­pe neu zu erste­hen. Denn die Leh­re zu ken­nen, heißt sie zu lie­ben und zu befol­gen, indem man ihren For­men und Defi­ni­tio­nen zustimmt und sie annimmt. Es sind Gebe­te nach For­mu­lie­run­gen zu spre­chen, die durch uner­gründ­li­che Ein­ge­bung, aber mit Prä­zi­si­on von ande­ren for­mu­liert wur­den. Dann spru­delt her­vor, fern von Gefüh­len, Abschwei­fun­gen, unnö­ti­gen Reden und ohne ein Iota zuviel, das, was von der Glück­se­lig­keit auf die­ser Erden gewährt ist, ein Flü­stern, ein Tun und Leben statt eines Dis­ku­tie­rens: „Die vie­len Reden nüt­zen der See­le nicht“, lehrt die Nach­fol­ge Chri­sti, „aber ein gutes Leben ver­schafft dem Geist Stärkung“.

Die Ver­kün­di­gung an Maria vom Evan­ge­li­sten Lukas erzählt, wür­de in der beten­den See­le nicht die­sel­be Span­nung für die Got­tes­ge­bä­re­rin erzeu­gen, von der der Hei­li­ge Ambro­si­us pre­dig­te, wenn nicht das Kon­zil von Ephe­sus 431 nicht die Wahr­heit so durch­drun­gen hät­te und in der Leh­re die Jung­frau als Theo­to­kos, Mut­ter Got­tes, defi­niert hät­te. Dort heißt es, wenn jemand nicht bekennt, daß Emma­nu­el in Wahr­heit Gott ist und die hei­li­ge Jung­frau des­halb Got­tes­ge­bä­re­rin ist, weil sie das fleisch­ge­wor­de­ne, aus Gott ent­stamm­te Wort dem Flei­sche nach gebo­ren hat, der sei aus­ge­schlos­sen.  Die Chri­sten lieb­ten nichts mehr als die­se Klar­heit. „Das gan­ze Volk der Stadt war­te­te vom Mor­gen bis zum Abend auf die Ent­schei­dung des Hei­li­gen Syn­od“, berich­tet der Hei­li­ge Kyrill von Alex­an­dri­en, der maß­geb­lich am Zustan­de­kom­men des Beschlus­ses mit­wirk­te. „Als wir aus der Kir­che her­aus­tra­ten, wur­den wir zu unse­ren Unter­künf­ten beglei­tet. Es war abends, die gan­ze Stadt wur­de beleuch­tet, Frau­en gin­gen vor uns mit Weih­rauch. Jenen, die Sei­nem Namen fluch­ten, zeig­te der Herr Sei­ne Allmacht.“

Denen die ihn lesen, die ihn in lie­be­vol­ler Wech­sel­wir­kung mit der Hei­li­gen Schrift lesen, denen erzählt der „Den­zin­ger“ die­se Zeug­nis­se der Geschich­te und nährt damit das recht­schaf­fe­ne Leben, das wie­der­um den Geist nährt. Das ist das Leben der Kir­che, das durch die Jahr­hun­der­te fließt und ihnen Form ver­leiht, es ist die Tra­di­ti­on, die gebie­te­risch immer neu an die See­le klopft und sie zu einer Ent­schei­dung auffordert.

Es gibt keine Alternative zum Kampf gegen den Geist der Welt

Es gibt kei­ne Alter­na­ti­ve zum Kampf gegen den Geist der Welt. Der Ver­su­chung, sogar über den Glau­ben und die Treue Got­tes zu ver­han­deln, kann man nur die Unver­än­der­lich­keit und Ewig­gül­tig­keit des Lehr­am­tes ent­ge­gen­set­zen. Ihr gan­zes Leben hin­durch hat dies die Kir­che getan, indem sie der Welt die Zeit und den Raum strei­tig mach­te, die bei­den Dimen­sio­nen, in denen sich die Tra­di­ti­on ent­fal­tet. Die Defi­ni­tio­nen, die der „Den­zin­ger“ sam­melt, wur­den ohne Ände­rung im Lauf der Jahr­hun­der­te wei­ter­ge­ge­ben, ohne Ver­än­de­rung gelang­ten sie bis an die ent­fern­te­sten Gren­zen der Erde und des Glau­bens. Die­se Sei­ten, die man heu­te so leicht im Buch­han­del erwer­ben kann, leg­ten die aben­teu­er­lich­sten Wege durch alle Erd­tei­le zurück, wie Arold Innis in sei­nem epi­schen Werk Empire and Com­mu­ni­ca­ti­ons (Oxford 1950) erzähl­te. Sie rei­sten auf Per­ga­ment, einem „schwe­ren Trä­ger“, geeig­net für die Bewah­rung der unver­änd­li­chen und ewig­gül­ti­gen rel­giö­sen Wahr­heit im Gegen­satz zu dem, was auf Papy­rus und Papier rei­ste, „leich­ten Trä­gern“, wie sie die welt­li­che Büro­kra­tie bevor­zug­te, ver­gäng­lich und trügerisch.

So hat die Kir­che von Rom das Reich Chri­sti ver­kün­det und See­le um See­le dafür gewon­nen, See­len von ein­fa­cher und von aus­ge­feil­te­rer Intel­li­genz, die aber alle der­sel­ben Nah­rung bedür­fen. Wenn der seli­ge John Hen­ry New­man nicht der Wahr­heit gegen­über­ge­se­hen hät­te, aus­ge­drückt in unver­än­der­li­chen Aus­sa­gen in Raum und Zeit, hät­te er nie die Kraft und das Bedürf­nis gehabt, die angli­ka­ni­sche Gemein­schaft zu ver­las­sen, um der Kir­che von Rom anzu­ge­hö­ren. In sei­ner Apo­lo­gia pro vita sua, erklärt der Kar­di­nal, wie er den gro­ßen Schritt nach Hau­se erst dann mach­te, als er sich bewußt wur­de, daß die Argu­men­te der Angli­ka­ner gegen die Kon­zils­vä­ter von Tri­ent die­sel­ben waren, die auch gegen die Kon­zils­vä­ter von Chal­ce­don vor­ge­bracht wur­den, und daß die Päp­ste des 16. Jahr­hun­derts zu ver­ur­tei­len, bedeu­te­te, auch die Päp­ste des 5. Jahr­hun­derts zu ver­ur­tei­len. Das Dra­ma der Reli­gi­on, der Kampf zwi­schen Wahr­heit und Irr­tum war immer der­sel­be. Die Grund­sät­ze und Vor­gangs­wei­se der Kir­che sind heu­te die­sel­ben wie jene der Kir­che von damals. Die Grund­sät­ze und Vor­gangs­wei­se der Häre­ti­ker von damals sind die­sel­ben wie jene der Pro­te­stan­ten von heu­te. „Ich habe es mit Ent­set­zen fest­ge­stellt“, so Newman.

Doch die Kir­che läßt kei­ne See­le allein vor einer Wahr­heit, die in Angst ver­set­zen könn­te. Jedem bie­tet sie die stren­ge und sanf­te Lieb­ko­sung des Ritus an. Die Tra­di­ti­on zeigt sich dem Men­schen immer durch ein hei­li­ges Poem, das in der Katho­li­zi­tät, wie Dome­ni­co Giu­liot­ti schreibt, sei­nen himm­li­schen Aus­druck in der eucha­ri­sti­schen Zele­bra­ti­on hat: „Die Hei­li­ge Mes­se, und nicht die Gött­li­che Komö­die, ist das wirk­lich hei­li­ge ‚Poem‘, an das Him­mel und Erde Hand ange­legt haben (…) Gott, die Drei­fal­tig­keit und alle Engel bil­den das Argu­ment. Die Wand­lung, die die Fleisch­wer­dung erneu­ert, ist der Höhe­punkt in die­sem immensen Myste­ri­um. Und der Prie­ster ist gleich­zei­tig Thau­ma­turg und Poet“. Die Aus­strah­lung des Him­mels auf die Erde, Tra­di­ti­on und Lit­ur­gie sind fast kon­sub­tan­ti­ell sogar in der Metho­de, mit der die Men­schen an ihrer Aus­for­mung bei­getra­gen haben. Wäh­rend das eine das Reper­to­ri­um der Gedan­ken ist, gerei­nigt von allem, was nicht defi­ni­tiv das Gött­li­che sagt, ist das ande­re die Kom­po­si­ti­on aus Gesten und unver­än­der­li­chen Wor­ten, befreit von allem, was nur mensch­lich ist.

Die Kirche hat immer dem Sünder vergeben. Vergibt sie heute der Sünde?

Es sind zwei Zugän­ge zur sel­ben Welt, wo jeder immer bekommt, was ihm zusteht, wo immer er sich auch befin­det und in wel­cher Zeit auch immer er lebt. Auf Erden gibt es nichts Gerech­te­res. John Hen­ry New­man erzählt dies mit sanf­ter Prä­zi­si­on in sei­nem Roman Ver­lust und Gewinn (Lon­don 1848), wenn er die Gedan­ken und die Ein­drücke der jun­gen Haupt­fi­gur beschreibt, die zum ersten Mal einer katho­li­schen Meß­fei­er bei­wohnt. Damals waren die­sel­be Leh­re und die­sel­be Lit­ur­gie für alle gut, für die Hei­li­gen und für die Sün­der, für die Leben­den und für die Ver­stor­be­nen, für die Römer und für die Bar­ba­ren. Es gab noch nicht jenes Kla­gen, das Nico­las Gomez Davila spä­ter wahr­neh­men soll­te: „Die Kir­che ver­gab einst den Sün­dern, heu­te hat sie beschlos­sen, den Sün­den zu vergeben.“

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Verlag/​Polis (Mon­ta­ge)

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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