„Schule von Bologna“ von „ihrem“ Papst verraten? – Papst Franziskus lobt „besten Hermeneutiker des Konzils“


Msgr. Agostino Marchetto für Papst Franziskus der "beste Hermeneutiker des Konzils"(Rom) Die wider­sprüch­li­chen Signa­le aus Rom. Eine Wert­schät­zung wie die­se hät­te sich nie­mand von Papst Fran­zis­kus erwar­tet und doch ist sie erfolgt. Man könn­te gera­de­zu von einer sen­sa­tio­nel­len Wert­schät­zung spre­chen, die der­ma­ßen erstaunt, daß sie, wie bereits ande­re Gesten und Aus­sa­gen des Pap­stes, mehr Fra­gen auf­wirft als beant­wor­tet. Und sie ver­wirrt, und das näm­lich alle.

Anzei­ge

„Ein­mal habe ich zu Ihnen gesagt, lie­ber Msgr. Mar­chet­to, und heu­te wün­sche ich es zu wie­der­ho­len, daß ich Sie für den besten Her­me­neu­ti­ker des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils halte.“

Der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster kom­men­tiert die­se Aus­sa­ge des Pap­stes mit den Wor­ten: „In Bolo­gna, im Hei­lig­tum jener ‚Schu­le‘, die heu­te von Pro­fes­sor Alber­to Mel­lo­ni gelei­tet wird und das Welt­mo­no­pol der Inter­pre­ta­ti­on des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils hält, wer­den sie die Ohren gespitzt haben und die Fah­nen zur Trau­er auf Halb­mast gesetzt haben“.

Der progressive Konzilsmonopolist, die „Schule von Bologna“ von Papst Franziskus links liegengelassen?

Zweites Vatikanisches KonzilDie päpst­li­che Aus­sa­ge muß in der „Schu­le von Bolo­gna“ wie eine Bom­be ein­ge­schla­gen haben. War­um die­ser Schock? Die Fra­ge ist schnell beant­wor­tet, wenn man weiß, daß Msgr. Ago­sti­no Mar­chet­to, für Giu­sep­pe Albe­ri­gos „Schu­le“ die „schwar­ze Bestie“ (Magi­ster) schlecht­hin ist, ihr här­te­ster und unbeug­sam­ster Kri­ti­ker. Msgr. Mar­chet­to gilt als Ver­tre­ter jener Inter­pre­ta­ti­ons­li­nie, die Bene­dikt XVI. als „Erneue­rung in der Kon­ti­nui­tät der ein­zi­gen Kir­che“ bezeich­ne­te. In die­sem Sinn griff er mit schar­fer Dia­lek­tik immer wie­der die „Schu­le von Bolo­gna“ an.

Als Papst Fran­zis­kus im ver­gan­ge­nen März gewählt wur­de, fei­er­te ihn Mel­lo­ni im Namen der „Schu­le von Bolo­gna“ als wah­ren „Papst des Kon­zils“, als ersten Papst, der sich den Kern­be­griff des Kon­zils, den Vor­rang der Pasto­ral vor der Leh­re zu eigen mache. Der Papst spre­che wenig vom Kon­zil, so Mel­lo­ni, weil er das Kon­zil durch sei­ne Taten umset­ze. Und das natür­lich im Sin­ne der „Schu­le von Bolo­gna“. Bis gestern. Auf die har­te Kri­tik von Msgr. Mar­chet­to blieb die „Schu­le“ meist eine Ant­wort schul­dig. Die pro­gres­si­ven Mono­pol­in­ter­pre­ten des Kon­zils mach­ten sich lustig über ihn. Und jemand, der „lächer­lich“ ist, dem sei man schließ­lich ja kei­ne Rechen­schaft schul­dig. Eine beque­me, aber intel­lek­tu­ell unred­li­che Ausrede.

Und nun begegnt die „Schu­le von Bolo­gna“ aus­ge­rech­net Msgr. Ago­sti­no Mar­chet­to als „besten Her­me­neu­ti­ker des Kon­zils“ wie­der und das aus­ge­rech­net aus dem Mund „ihres“ Pap­stes, den sie umge­hend für sich ver­ein­nahm­ten, so groß war der Jubel über den Abgang des ihnen ver­haß­ten Pap­stes Bene­dikt XVI.

Die Aner­ken­nung von Msgr. Mar­chet­to durch den Papst wur­de am 12. Novem­ber ver­öf­fent­licht. Anlaß war die Vor­stel­lung eines ihm gewid­me­ten Buches, das im Vati­kan­ver­lag Libre­ria Editri­ce Vati­ca­na erschie­nen ist.

Der Brief von Papst Franziskus an Kurienerzbischof Agostino Marchetto

In sei­nem Brief schrieb Papst Franziskus:

Lie­ber Msgr. Marchetto!

Mit die­sen Zei­len wün­sche ich mir, Ihnen nahe zu sein und mich der Vor­stel­lung des Buches Pri­ma­to pon­ti­fi­cio ed epis­co­pa­to. Dal pri­mo mil­len­nio al Con­ci­lio ecu­me­ni­co Vati­ca­no II [Päpst­li­cher Pri­mat und Epi­sko­pat. Vom ersten Jahr­tau­send zum Öku­me­ni­schen Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil] anzu­schlie­ßen. Ich bit­te Sie, mich als gei­stig anwe­send zu betrachten.

Die The­ma­tik des Buches ist ein Geschenk der Lie­be, das Sie der Kir­che brin­gen, eine loya­le und zur glei­chen Zeit poe­ti­sche Lie­be. Die Loya­li­tät und die Poe­sie sind kei­ne Han­dels­ob­jek­te: weder kauft man sie noch ver­kauft man sie, sie sind ein­fach im Her­zen eines Soh­nes ver­wur­zel­te Tugen­den, der die Kir­che wie eine Mut­ter sieht; oder um noch deut­li­cher zu sein und es mit fami­liä­rem „igna­tia­ni­schem“ Aus­druck zu sagen, wie „die Hei­li­ge hier­ar­chi­sche Mut­ter Kirche“.

Die­se Lie­be hat sich auf viel­fäl­ti­ge Wei­se gezeigt, ein­schließ­lich durch die Kor­rek­tur eines Feh­lers oder einer Unge­nau­ig­keit mei­ner­seits – und dafür bin ich Ihnen von Her­zen dank­bar -, vor allem aber hat sie sich in gan­zer Rein­heit in den Stu­di­en über das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil gezeigt.

Ein­mal habe ich zu Ihnen gesagt, lie­ber Msgr. Mar­chet­to, und heu­te wün­sche ich es zu wie­der­ho­len, daß ich Sie für den besten Her­me­neu­ti­ker des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils hal­te. Ich weiß, daß es eine Gabe Got­tes ist, aber ich weiß auch, daß Sie die­se Gabe frucht­brin­gend ein­ge­setzt haben.

Ich bin Ihnen dank­bar für all das Gute, das Sie uns mit Ihrem Zeug­nis der Lie­be zur Kir­che getan haben und bit­te den Herrn, daß er es Ihnen reicht­lich ver­gel­ten möge.

Ich ersu­che Sie, bit­te, nicht zu veges­sen, für mich zu beten. Möge Jesus Sie seg­nen und die Hei­li­ge Jung­frau Sie beschützen.

Vati­kan, 7. Okto­ber 2013

Brü­der­lich
Franziskus

Da die Dis­kus­si­on über das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil von beträcht­li­chen Tei­len der katho­li­schen Hier­ar­chie nicht gewünscht ist, wur­de Msgr. Mar­chet­to weni­ger durch sei­ne Stu­di­en zum Kon­zil bekannt, son­dern vor allem als „Ein­wan­de­rungs­mi­ni­ster“ des Hei­li­gen Stuhls. Der Ita­lie­ner, Jahr­gang 1940 trat im Alter von 29 Jah­ren nach Stu­di­um und Prie­ster­wei­he in den Diplo­ma­ti­schen Dienst der Katho­li­schen Kir­che. 2001 ernann­te ihn Papst Johan­nes Paul II. zum Sekre­tär des Päpst­li­chen Rates der Seel­sor­ge für die Migran­ten und Men­schen unter­wegs. Ein Amt, das er bis zur Voll­endung des 70. Lebens­jah­res aus­üb­te. Seit­her wid­met er sich ganz dem früh­zei­tig begon­ne­nen Stu­di­um des Zwei­ten Vatikanums.

Studien Marchettos ein „Kontrapunkt“ zum Monopol der „Schule von Bologna“

Die zahl­rei­chen Publi­ka­tio­nen von Erz­bi­schof Mar­chet­to über das Kon­zil bezeich­ne­te Kar­di­nal Camil­lo Rui­ni, ehe­ma­li­ger Kar­di­nal­vi­kar von Rom und ehe­ma­li­ger Vor­sit­zen­der der ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz als „Kon­tra­punkt“ zur fünf­bän­di­gen „Geschich­te des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils“, die im pro­gres­si­ven Sinn die Inter­pre­ta­ti­on des Kon­zils zu mono­po­li­sie­ren ver­sucht. Die deut­sche Aus­ga­be erschien mit Gel­dern der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz unter dem Vor­sitz von Kar­di­nal Karl Leh­mann. Mar­chet­to reha­bi­li­tier­te maß­geb­lich unter Papst Bene­dikt XVI. das kon­zils­kri­ti­sche Werk des Schwei­zers Roma­no Ame­rio. Als die­ser 1985 sei­ne Streit­schrift Iota Unum ver­öf­fent­lich­te, lan­de­te die Buch­be­spre­chung für den Osser­va­to­re Roma­no im Papier­korb. Die Bespre­chung war viel zu posi­tiv und wohl­wol­lend aus­ge­fal­len für das dama­li­ge Kli­ma. Das änder­te sich grund­le­gend mit der Rede von Papst Bene­dikt XVI. am 22. Dezem­ber 2005 an die Römi­sche Kurie. Auch der Osser­va­to­re Roma­no änder­te sei­ne Linie und es wur­de mög­lich, über Ame­rio zu schrei­ben und das sogar posi­tiv. Die­se Rol­le über­nahm Msgr. Ago­sti­no Mar­chet­to, des­sen Bücher im Vati­kan­ver­lag erscheinen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Set­ti­mo Cielo

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!