Martin Mosebach: „Von Papst Benedikts Wirken hat nur Summorum Pontificum eine Chance auf Zukunft“


Der überlieferte Ritus wurde erstmals wieder 2012 sichtbar im Petersdom zelebriert
Der überlieferte Ritus wurde erstmals wieder 2012 sichtbar im Petersdom zelebriert

Paix Lit­ur­gi­que ver­öf­fent­lich­te im Brief 40 eine Ana­ly­se des deut­schen Schrift­stel­lers Mar­tin Mose­bach zur aktu­el­len Lage der Kir­che, den Bemü­hun­gen von Papst Bene­dikt XVI. um die lit­ur­gi­sche Erneue­rung und des­sen Feh­ler, unter­schätzt zu haben, „wie tief der Geist der anti­lit­ur­gi­schen Häre­sie schon in den hohen Kle­rus ein­ge­drun­gen war“. 

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Die Kir­che erlebt unter Papst Fran­zis­kus eine Schwer­punkts-Ver­schie­bung auf die pasto­ra­le Arbeit und einen neu­en Stil in vie­ler­lei Hin­sicht. Die lit­ur­gi­schen Rat­ge­ber des Pap­stes wur­den bereits aus­ge­wech­selt. Auch für die Beob­ach­ter der päpst­li­chen Lit­ur­gien sind nach einer ste­tig wach­sen­den Sakra­li­tät unter dem letz­ten Pon­ti­fi­kat bereits Ver­än­de­run­gen bemerk­bar. Wie steht es nun um die von Bene­dikt XVI. ein­ge­lei­te­te „Reform der Reform“? Wie steht es um das Motu Pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum? Was kön­nen die Anhän­ger der außer­or­dent­li­chen Form in Zukunft vom Papst erwar­ten? Wie steht es um die Zukunft der Liturgie?

Mar­tin Mose­bach, preis­ge­krön­ter deut­scher Schrift­stel­ler und renom­mier­ter Autor (jüng­stes Buch: Der Ultra­mon­ta­ne. Alle Wege füh­ren nach Rom) hat bereits in sei­nem berühm­ten und in vie­le Spra­chen über­set­zen Buch „Häre­sie der Form­lo­sig­keit“ mit schar­fem Blick, treff­si­cher und ohne ein Blatt vor den Mund zu neh­men, die Ver­feh­lun­gen in der nach­kon­zi­lia­ren Ent­wick­lung der Lit­ur­gie aufs Korn genom­men und damit den Gläu­bi­gen, die beson­ders unter der weit ver­brei­te­ten lit­ur­gi­schen Expe­ri­men­tier­freu­dig­keit mit all ihrem Form­ver­lust der römi­schen Lit­ur­gie, der Mar­gi­na­li­sie­rung des Opfer­cha­rak­ters und der ver­brei­te­ten Umdeu­tung der Hei­li­gen Mes­se zu einer Gemein­de­ver­samm­lung lit­ten, zutiefst aus der See­le gespro­chen. Er schil­dert dort mit schrift­stel­le­ri­scher Bril­li­anz sei­ne per­sön­li­chen Erfah­run­gen in ver­schie­de­nen Län­dern und sei­ne dar­aus fol­gen­de Hin­wen­dung zur über­lie­fer­ten Liturgie.

Heu­te kom­men­tiert er scharf­sin­nig und exklu­siv für Paix Lit­ur­gi­que die momen­ta­ne Lage nach dem Pon­ti­fi­kats­wech­sel und sei­ne Ein­schät­zung der Zukunft

Was ist Ihrer Mei­nung nach die Zukunft der lit­ur­gi­schen Reform von Papst Ratz­in­ger? Kann sie noch Frucht tra­gen oder bewe­gen wir uns in eine Sack­gas­se hinein?

Mose­bach: Papst Bene­dikts wich­tig­stes lit­ur­gi­sches Anlie­gen ist sicher eine „Reform der Reform“ gewe­sen. Die­ses Vor­ha­ben war kaum begon­nen; man muss sich wohl ein­ge­ste­hen, dass Papst Bene­dikt es mit sei­nem Rück­tritt auf­ge­ge­ben hat. Gegen­wär­tig dürf­te es kei­ne Chan­ce mehr haben, wei­ter ver­folgt zu wer­den, zumal die Riten­kon­gre­ga­ti­on dem Ver­neh­men nach vom neu­en Papst mit erklär­ten Fein­den einer „Reform der Reform“ besetzt wird. Umso wich­ti­ger ist das Erbe, das Papst Bene­dikt in Gestalt von Sum­mo­rom Pon­ti­fi­cum hin­ter­las­sen hat: die Wie­der­ein­glie­de­rung des Alten Ritus in die Riten der Kirche.

Aber dies dürf­te zumin­dest für die Zeit des Pon­ti­fi­kats von Papst Fran­zis­kus das letz­te posi­ti­ve Wort sein, das wir nicht nur über den Alten Ritus, son­dern über Lit­ur­gie ganz gene­rell aus Rom zu hören bekom­men. Papst Bene­dikt hat die Situa­ti­on offen­sicht­lich voll­stän­dig falsch ein­ge­schätzt. Er hat offen­sicht­lich nicht gese­hen, wie tief der Geist der anti­lit­ur­gi­schen Häre­sie schon in den hohen Kle­rus ein­ge­drun­gen war.

In sei­nem Inter­view mit den Jesui­ten erklär­te Papst Fran­zis­kus, dass Sum­morum Pon­ti­fi­cum eine klu­ge Geste von Bene­dikt XVI. war, um eini­ge Gläu­bi­ge zufrie­den zu stel­len, die dem Vetus Ordo anhän­gen. Die tra­di­tio­nel­le Welt hin­ge­gen hält dar­an fest, – sich auf die Erklä­run­gen von Kar­di­nal Cañi­zares und Kar­di­nal Cas­tril­lón Hoyos stüt­zend – dass der Welt­kir­che damit ein Schatz offen­bart wird: Wer hat Recht?

Mose­bach: Von Papst Bene­dikts Wir­ken hat nur Sum­morum Pon­ti­fi­cum eine Chan­ce auf Zukunft. Wahr­schein­lich war eine „Reform der Reform“ von Anfang an ein aus­sichts­lo­ses Pro­jekt. Bei der all­ge­mei­nen lit­ur­gi­schen Unbil­dung und Ver­ständ­nis­lo­sig­keit des Kle­rus war es hoff­nungs­los, für die Rück­kehr ein­zel­ner sakra­men­ta­ler For­men zu wer­ben, die erst aus dem Gesam­ten des sakra­men­ta­len Cor­pus ihren Sinn und ihre Bedeu­tung emp­fan­gen. Papst Bene­dikts Schei­tern in die­ser Fra­ge bestä­tigt, daß das Maxi­mal­pro­gramm der „Unein­sich­ti­gen“ und „zu kei­nem Kom­pro­miss Berei­ten“, das Rea­li­stisch­ste war: die vor­be­halt­lo­se Rück­kehr zur Überlieferung.

Vom 24. bis zum 27. Okto­ber fand in Rom eine Pil­ger­fahrt des Coe­tus Sum­morum Pon­ti­fi­cum statt. Nach Kar­di­nal Cañi­zares hat die­ses Jahr Kar­di­nal Cas­tril­lón Hoyos im Peters­dom zele­briert: Wie wich­tig war es für die Kir­che, dass die Gläu­bi­gen, die der außer­or­dent­li­chen Form des römi­schen Ritus anhän­gen, bei die­sem Ereig­nis ihre Nähe zur tra­di­tio­nel­len Lit­ur­gie bezeugt haben? Kann auf die­se Wei­se auch der neue Papst eine Wirk­lich­keit ken­nen­ler­nen, die er viel­leicht nur wenig kennt?

Mose­bach: Wir erle­ben als Katho­li­ken das bedrücken­de Schau­spiel eines Pap­stes, der gegen­über der Öffent­lich­keit den Weg des gering­sten Wider­stan­des geht und der dafür, wie jeder, der dem Main­stream folgt, als „mutig“ beju­belt wird. Wir dür­fen Papst Bene­dikt glau­ben, wenn er die gro­ße Über­lie­fe­rung der Lit­ur­gie als Schatz der Kir­che ansah. Es war kei­ne schlaue diplo­ma­ti­sche Geste von ihm, die­ser Über­lie­fe­rung wie­der einen Platz in der Kir­che zu sichern. Dass Papst Fran­zis­kus das anders sehen mag, passt lei­der nur all­zu gut ins Bild.

Schließ­lich, wenn man an den Wider­stand gegen die lit­ur­gi­sche Restau­rie­rung von Papst Bene­dikt denkt, und auf der ande­ren Sei­te das Schei­tern der Ein­heit von Rom und Écô­ne gewahr wird: Müs­sen wir Angst vor einem neu­en lit­ur­gi­schen Kriegs­aus­bruch haben?

Mose­bach: Es ist sehr wich­tig, dass die Pil­ger­fahrt des Coe­tus Sum­morum Pon­ti­fi­cum vie­le Men­schen nach Rom führt. Für einen popu­li­stisch geson­ne­nen Papst mag eine ein­drucks­vol­le Betei­li­gung viel­leicht sogar ein klei­nes posi­ti­ves Argu­ment ent­hal­ten, aber die Anhän­ger des Alten Ritus soll­ten sich jetzt ganz fest ent­schlos­sen dar­auf ein­stel­len, in den näch­sten Jah­ren nicht mehr nach Rom zu blicken und auf Rom fixiert zu sein, son­dern die neu­ge­won­ne­ne Frei­heit am jewei­li­gen Ort zu befe­sti­gen und aus­zu­bau­en und die Hoff­nung ganz und gar auf eine neue Gene­ra­ti­on von Prie­stern zu set­zen. Ver­ges­sen wir nicht, das Schlimm­ste, das wahr­haft Unvor­stell­ba­re, liegt schon hin­ter uns: ein römi­scher Papst, Paul VI., der die Lit­ur­gie zerstört.

Sechs Mona­te nach der Wahl Papst Fran­zis­kus‘ scheint es, dass von der lit­ur­gi­schen Reform Papst Bene­dikts nicht viel übrig geblie­ben ist: Ist es so?

Mose­bach: Grund­sätz­lich ist das vor­stell­bar. Wir sehen zum Bei­spiel beim Ein­grei­fen des Vati­kans in das Ordens­le­ben der Imma­cu­la­ta-Fran­zis­ka­ne­rin­nen, dass jede tra­di­tio­nel­le geist­li­che Gemein­schaft, in der nicht ein unge­bro­che­ner gemein­sa­mer Wil­le alle Mit­glie­der ver­eint, in ihrem Bestand gefähr­det ist. Auf der ande­ren Sei­te dür­fen wir natür­lich fest­stel­len, dass die offi­zi­el­le Kir­che in West­eu­ro­pa ins­ge­samt viel schwä­cher gewor­den ist und des­halb auch nicht mehr ohne Wei­te­res über die Kraft ver­fügt, mit der sie in den 70er- und 80er-Jah­ren ihr Zer­stö­rungs­werk betrei­ben konn­te. Und auf der ande­ren Sei­te sind die Tra­di­ti­ons­grup­pen stär­ker gewor­den; man kann sie nicht mehr ein­fach ein­schüch­tern und weg­fe­gen, wie das so vie­le Bischö­fe „im Geist des Kon­zils“ getan haben.

Die Chan­cen für die Tra­di­ti­on ste­hen nicht so schlecht, wenn sie sich dar­auf kon­zen­triert, im Inne­ren stark zu blei­ben, sich nicht in Strei­te­rei­en zu ver­zet­teln und vor allem jun­ge Leu­te, jun­ge Prie­ster, für sich zu gewin­nen. Wir hat­ten eine kur­ze Rekrea­ti­ons­zeit, jetzt muss es wie­der ohne Rom gehen; aber das ken­nen wir ja schon.

Text: Paix Liturgique
Bild: Paix Liturgique

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