Radio Vatikan, Papst Franziskus und die Allerlösungslehre?


Papst Franziskus auf dem römischen Friedhof Verano
Papst Franziskus auf dem römischen Friedhof Verano

(Rom) Ver­tritt Papst Fran­zis­kus eine Aller­lö­sungs­leh­re? Am Abend des Aller­hei­li­gen­fe­stes besuch­te das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt den römi­schen Fried­hof Cam­po Ver­ano um der Ver­stor­be­nen zu geden­ken, wo er eine Hei­li­ge Mes­se zele­brier­te. Er nahm damit eine Tra­di­ti­on wie­der auf, der in den 90er Jah­ren unter Papst Johan­nes Paul II. abge­kom­men war. Bis­her wur­de der Fried­hofs­be­such vor allem wegen der neu­en Feru­la des Pap­stes beach­tet, weni­ger wegen sei­ner Pre­digt. Die Wie­der­ga­be der Pre­digt in deut­scher Über­set­zung durch Radio Vati­kan wirft die Fra­ge auf, ob Papst Fran­zis­kus ein Ver­tre­ter der Aller­lö­sungs­leh­re sei. Eine Leh­re, die von der Kir­che immer ver­wor­fen wurde. 

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Im Bericht der deut­schen Redak­ti­on von Radio Vati­kan lau­tet der erste Satz des Pap­stes nämlich:

„Wir sind hier noch vor der Abend­däm­me­rung ver­sam­melt und den­ken an unse­re eige­ne Zukunft. Und wir den­ken an all jene, die uns ver­las­sen haben. Sie sind nun beim Herrn. Sie sind bereits dort, wo wir auch ein­mal hinkommen.“

Damit wird gesagt, daß alle Ver­stor­be­nen beim Herrn sind, und daß die noch Leben­den nach ihrem Tod eben­falls alle beim Herrn sein wer­den. Kurz­um: Alle sind erlöst.

Wört­lich sag­te der Papst im ita­lie­ni­schen Ori­gi­nal jedoch:

„Zu die­ser Stun­de, vor der Abend­däm­me­rung, ver­sam­meln wir uns und den­ken an unse­re Zukunft. Wir den­ken an all jene, die von uns gegan­gen sind, wir den­ken an alle die uns im Leben vor­an­ge­gan­gen sind und im Herrn sind.“

Liest man nicht die Teil­über­set­zung von Radio Vati­kan, son­dern hört die gesam­te Pre­digt, kann man fest­stel­len, daß in der Homi­lie des Pap­stes kei­ne Aller­lö­sungs­leh­re ent­hal­ten ist. Wohl aber eine gewis­se Ein­sei­tig­keit in der Beto­nung der Freu­de auf die Erlö­sung, als wür­de eine gewis­se Heils­si­cher­heit mit­schwin­gen. Die Dimen­si­on der Sün­de, das ban­ge Hof­fen auf die Barm­her­zig­keit Got­tes, der Dies irae, der Tag des Zorns, der das Jüng­ste Gericht meint und bis 1970 als Sequenz der Toten­mes­se besun­gen wur­de und durch Mozarts Requi­em noch heu­te welt­be­kannt ist, das alles fehlt zur Gän­ze, wie über­haupt das Erschau­ern vor Ehr­furcht. Kein Wort über die Mög­lich­keit einer ewi­gen Ver­dam­nis und nicht ein­mal ein Wort über das Fegefeuer.

Hier die wei­te­re voll­stän­di­ge Pre­digt von Papst Fran­zis­kus in deut­scher Übersetzung:

„Die Schau­ung des Him­mels, die wir in der ersten Lesung gehört haben, ist so schön: Der Herr­gott, die Schön­heit, die Güte, die Wahr­heit, die Lieb­ko­sung, die voll­kom­me­ne Lie­be. Das alles erwar­tet uns. Jene, die uns vor­an­ge­gan­gen und im Herrn gestor­ben sind, sind dort. Sie ver­kün­den, daß sie nicht wegen ihrer Wer­ke geret­tet wur­den – sie haben auch gute Wer­ke getan -, son­dern vom Herrn geret­tet wur­den: „Die Ret­tung kommt von unse­rem Gott, der auf dem Thron sitzt, und von dem Lamm“ (Off 7,10). Er ist es, der uns ret­tet, Er ist es, der uns am Ende unse­res Lebens wie ein Vater an der Hand führt genau in jenen Him­mel, wo unse­re Vor­fah­ren sind. Einer der Älte­sten stellt die Fra­ge: „Wer sind die­se, die wei­ße Gewän­der tra­gen, und woher sind sie gekom­men?“ (Off 7,13). Wer sind die­se Gerech­ten, die­se Hei­li­gen, die im Him­mel sind? Die Ant­wort: „Es sind die, die aus der gro­ßen Bedräng­nis kom­men; sie haben ihre Gewän­der gewa­schen und im Blut des Lam­mes weiß gemacht“ (Off 7,14).

Wir kön­nen nur dank des Blu­tes des Lam­mes in den Him­mel ein­tre­ten, dank Chri­sti Blut. Es ist genau das Blut Chri­sti, das uns gerecht­fer­tigt hat, das uns die Tore zum Him­mel geöff­net hat. Und wenn wir heu­te die­ser unse­rer Brü­der und Schwe­stern geden­ken, die uns im Leben vor­an­ge­gan­gen und im Him­mel sind, dann weil sie durch das Blut Chri­sti gewa­schen wur­den. Das ist unse­re Hoff­nung: die Hoff­nung des Blu­tes Chri­sti! Eine Hoff­nung, die nicht ent­täuscht. Wenn wir im Leben mit dem Herrn gehen, ent­täuscht Er nie!

Wir haben in der zwei­ten Lesung gehört, was der Apo­stel Johan­nes sei­nen Jün­gern sag­te: „Seht, wie groß die Lie­be ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir hei­ßen Kin­der Got­tes und wir sind es. Die Welt erkennt uns nicht (…) Jetzt sind wir Kin­der Got­tes. Aber was wir sein wer­den, ist noch nicht offen­bar gewor­den. Wir wis­sen, dass wir ihm ähn­lich sein wer­den, wenn er offen­bar wird; denn wir wer­den ihn sehen, wie er ist“ (1 Joh 3,1f). Gott sehen, Gott ähn­lich sein: das ist unse­re Hoff­nung. Und heu­te, gera­de am Tag Aller­hei­li­gen und vor Aller­see­len ist es not­wen­dig, ein wenig an die Hoff­nung zu den­ken: die Hoff­nung, die uns im Leben beglei­tet. Die ersten Chri­sten stell­ten die Hoff­nung mit einem Anker dar, so als wäre das Leben der Anker, der an das Ufer des Him­mels gewor­fen ist und wir alle auf dem Weg zum Ufer, das Seil des Ankers fest umklam­mert. Das ist ein schö­nes Bild der Hoff­nung: das Herz dort ver­an­kert zu haben, wo unse­re Vor­fah­ren, wo die Hei­li­gen sind, wo Jesus ist, wo Gott ist. Das ist die Hoff­nung, die nicht ent­täuscht; heu­te und mor­gen sind Tage der Hoffnung.

Die Hoff­nung ist ein biß­chen wie die Hefe, die dir die See­le auf­ge­hen läßt; es gibt schwie­ri­ge Momen­te im Leben, aber mit der Hoff­nung geht die See­le wei­ter und schaut auf das, was uns erwar­tet. Heu­te ist ein Tag der Hoff­nung. Unse­re Brü­der und Schwe­stern sind in der Gegen­wart Got­tes und auch wir wer­den dort sein, aus rei­ner Gna­de des Herrn, wenn wir auf dem Weg Jesu gehen. Der Apo­stel Johan­nes schließt: „Jeder, der dies von ihm erhofft, hei­ligt sich, so wie Er hei­lig ist.“ (1 Joh 3,3) Auch die Hoff­nung rei­nigt uns, erleich­tert uns; die­se Rei­ni­gung in der Hoff­nung in Jesus Chri­stus läßt uns schnel­ler gehen, sofort. In die­ser heu­ti­gen Vor­abend­däm­me­rung kann jeder von uns an sein Lebens­en­de den­ken: „Wie wird mein Lebens­en­de sein?“ Wir alle haben eine Däm­me­rung, alle! Schaue ich mit Hoff­nung dar­auf? Schaue ich mit jener Freu­de dar­auf, vom Herrn emp­fan­gen zu wer­den? Das ist ein christ­li­cher Gedan­ken, der uns Frie­den schenkt. Heu­te ist ein Tag der Freu­de, einer gelas­se­nen, ruhi­gen Freu­de, der Freu­de des Frie­dens. Den­ken wir an das Lebens­en­de vie­ler Brü­der und Schwe­stern, die uns vor­an­ge­gan­gen sind, den­ken wir an unser Lebens­en­de, wenn es kommt. Und den­ken wir an unser Herz und fra­gen wir uns: „Wo ist mein Herz ver­an­kert?“ Wenn es nicht gut ver­an­kert sein soll­te, dann ver­an­kern wir es dort, an jenem Ufer, wis­send, daß die Hoff­nung nie ent­täuscht, weil der Herr Jesus nicht enttäuscht.“

Text/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: CTV (Screen­shot)

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