(Damaskus) Inzwischen wurden Einzelheiten über die Ermordung der 45 Christen in Sadad bekannt. Eine ganze Familie wurde von den Islamisten lebendig in einen Brunnen geworfen, wo sie starb. Im Norden nahmen islamistische Rebellen den aus dem 5. Jahrhundert stammenden „Fels des Symeon“ ins Visier. Der „Fels des Symeon“, auf arabisch Kalat Siman ist eine große Klosteranlage mit Kathedrale aus frühbyzantinischer Zeit. Sie entstand als geistliches Zentrum am Ort, an dem der Heilige Symeon der Stylit bis zu seinem Tod 37 Jahre auf einer Säule lebte. Symeon Stylites starb 459 und ging als erster Säulenheiliger in die Kirchengeschichte ein.
Bereits zu Lebzeiten suchten ihn Tausende von Pilgern, Hilfe- und Ratsuchende auf, da Symeon nicht nur im Ruf der Heiligkeit stand, sondern Gott durch ihn zahlreiche Wunder wirkte. Selbst Kaiser Theodosius II. (401–450) stieg zum Heiligen auf die Säule hinauf, um von ihm Rat zu erbitten. Der Andrang der Pilger war auch nach seinem Tod so groß, daß der byzantinische Kaiser Zenon (425–491) eine Straße von Antiochia zum Symeonkloster 35 Kilometer nordwestlich von Aleppo anlegen ließ. Während dessen Regierungszeit wurde auch die mächtige Kathedrale und das Kloster als Pilgerzentrum errichtet. Im Mittelpunkt des großen Kreuzganges stand die der Überlieferung nach etwa 15–18 Meter hohe Säule, auf der der Heilige auf einer Holzplattform gelebt hatte.
Islamische Eroberung 1164
Nach dem Eroberungszug des Islam und von diesem mehrfach überrollt, lag das Kloster in Grenznähe zwischen dem byzantinischen Reich und dem islamischen Machtbereich. Im 10. Jahrhundert wurde die Klosteranlage wegen des zunehmenden islamischen Drucks befestigt. 1164 erfolgte die Eroberung durch die islamischen Seldschuken und der Niedergang.
Die Dschihadisten des Islamischen Staates im Irak und der Levante, die einen Teil der Stadt Aleppo kontrollieren, nahmen jüngst die Kathedrale des Heiligen Symeon, des Styliten ins Visier. Sie zerstörten, was noch an Christlichem zu zerstören war und schleppten fort, was wertvoll sein könnte, wie Le veilleur de Ninive berichtete. Die beeindruckende Ruinenanlage gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO.
„Wie kann man nur so unmenschliche und bestialische Taten begehen?“
Die Gegend von Aleppo nahe der türkischen Grenze befindet sich in einer dramatischen Lage, wie der Christ Claude Z. berichtet: „Die Lage ist kritisch: wir haben seit zehn Tagen keinen elektrischen Strom, es fehlt an Nahrung, Rebellen und Armee bekämpfen sich und die islamistischen Terroristen haben in dem von ihnen kontrollierten Teil der Stadt die Scharia eingeführt“.
Wie inzwischen durch Kirche in Not bekannt wurde, wurden 30 der 45 in Sadad getöteten Christen in zwei Massengräbern gefunden. Viele der Toten wiesen Zeichen von Mißhandlungen auf. Unter ihnen waren Alte, Frauen und Behinderte. Sechs Mitglieder einer Familie, darunter eine 90 Jahre alte Frau, wurden von den Islamisten lebend in einen Brunnen geworfen, wo sie elend umkamen.
Der melkitische griechisch-katholische Patriarch von Antiochien, Gregor III. Laham sagte: „Wie kann man nur so unmenschliche und bestialische Taten an alten Menschen und ihren Familien begehen? Ich verstehe das nicht: Warum erhebt die Welt nicht ihre Stimme gegen eine solche Brutalität. Extremismus und Fanatismus nehmen in Syrien zu. Was in Sadad geschehen ist, steht beispielhaft für das, was alle Christen in Syrien erleben.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons