Religionsfreiheit im Westen bedroht? Kardinal Pell warnt vor „fataler“ Beschädigung der Menschenrechte


Kardinal George Pell und Papst Benedikt XVI.: Der Kardinal warnt vor fataler Beschäfigung der Menschenrechte durch Einschränkung der Religionsfreiheit(Sydney/​Rom) Der Erz­bi­schof von Syd­ney, Geor­ge Kar­di­nal Pell, erklärt, was in Austra­li­en pas­siert. Dort herr­sche kei­ne Ver­fol­gung, aber die Frei­heit der Gläu­bi­gen wer­de durch „neue“ Geset­ze bedroht. Kar­di­nal Pell, von Papst Fran­zis­kus für Ozea­ni­en in den C8-Kar­di­nals­rat beru­fen, schlägt mit einem Auf­satz in der vati­ka­ni­schen Tages­zei­tung Osser­va­to­re Roma­no Alarm.

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Die Kar­di­nal führ­te dar­in aus, daß die Her­aus­for­de­run­gen der Reli­gi­ons­frei­heit in den west­li­chen Staa­ten sehr ernst sind und nicht län­ger bana­li­siert wer­den kön­nen. Dabei gehe es aller­dings dar­um, die Din­ge in der rich­ti­gen Per­spek­ti­ve zu betrach­ten. Auf die gan­ze Welt bezo­gen und aus dem histo­ri­schen Blick­win­kel betrach­tet gehen die Schät­zun­gen der Zahl der christ­li­chen Mär­ty­rer des 20. Jahr­hun­derts von 27 Mil­lio­nen bis 45 Mil­lio­nen Men­schen, so der Kar­di­nal. Die Schät­zun­gen der christ­li­chen Mär­ty­rer für die ersten zehn Jah­re des drit­ten Jahr­tau­sends wer­den mit 100.000–150.000 ange­ge­ben. In Austra­li­en wie in vie­len ande­ren west­li­chen Staa­ten ist die Reli­gi­ons­frei­heit kei­ne Fra­ge von Leben oder Tod.

Politik und Justiz wollen bestimmte Weltsicht durchsetzen

In der ehe­ma­li­gen bri­ti­schen Kolo­nie gebe es der­zeit kei­ne reli­giö­se Ver­fol­gung. Die Her­aus­for­de­run­gen sind ande­rer Art, aber des­halb nicht weni­ger ernst. Die Bedro­hung der Reli­gi­ons­frei­heit in Austra­li­en kommt von den Regie­rungs­stel­len und Gerich­ten, die eine bestimm­te Welt­sicht durch­zu­set­zen ver­su­chen, vor allem in zwei mit­ein­an­der eng ver­bun­de­nen Berei­chen: dem Bereich Fami­lie und Sexua­li­tät auf der einen, und dem Bereich Abtrei­bung und repro­duk­ti­ve Tech­no­lo­gien auf der ande­ren Seite.

Im Staat Vik­to­ria ver­langt die jüng­ste Novel­le des Abtrei­bungs­ge­set­zes von 2008, daß die Ärz­te, die sich der Abtrei­bung aus Gewis­sens­grün­den ver­wei­gern, die Pati­en­ten zu Abtrei­bungs­ärz­ten  schicken. Anfang 2013 modi­fi­zier­te die Bun­des­re­gie­rung das Gesetz, das es kirch­li­chen Kran­ken­häu­sern und Orden­spi­tä­lern, die öffent­li­che Gel­der erhal­ten, bis­her garan­tier­te, die Arbeit zum Wohl der Kran­ken nach christ­li­chen Grund­sät­zen zu gestal­ten. Nun sol­len auch sie gezwun­gen wer­den, zum Bei­spiel unver­hei­ra­te­ten oder homo­se­xu­el­len Paa­ren Dop­pel­zim­mer zur Ver­fü­gung zu stellen.

Religionsfreiheit und Gewissensfreiheit eingeschränkt

Ein Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­ter von Neu-Wales for­der­te nach dem­sel­ben Grund­satz eine Geset­zes­än­de­rung, die es Schu­len in kirch­li­cher Trä­ger­schaft unter­sa­gen soll, zu über­prü­fen, ob ihr Per­so­nal, vor allem das Lehr­per­so­nal die Ethik und die reli­giö­se Über­zeu­gung des Schul­trä­gers teilt.

Die­ses Vor­ge­hen erfol­ge im Namen der Men­schen­rech­te. Dabei wer­den eini­ge Men­schen­rech­te sehr groß­zü­gig inter­pre­tiert, um davon wei­te­re Rech­te ablei­ten zu kön­nen, wäh­rend ande­re Men­schen­rech­te sehr eng aus­ge­legt wer­den. Eine Ent­wick­lung, so Kar­di­nal Pell, die auf län­ge­re Sicht für die Men­schen­rech­te ins­ge­samt sich als fatal erwei­sen wer­den. Eng und restrik­tiv wird vor allem die Reli­gi­ons­frei­heit aus­ge­legt. Sie scheint vie­len ein lästi­ger Teil der Men­schen­rech­te, den man am lieb­sten ganz strei­chen wür­de. Die Reli­gi­ons­frei­heit ist aber nicht nur Dreh- und Angel­punkt der Men­schen­rech­te, son­dern der Umgang mit ihr auch der ent­schei­den­de Grad­mes­ser, wie es ins­ge­samt um die Men­schen­rech­te bestellt ist. Wenn sie geschwächt wird, wer­den auch ande­re Grund­rech­te wie die Ver­samm­lungs­frei­heit, die Rede­frei­heit und die Mei­nungs­frei­heit geschwächt.

Recht der Frau auf Tötung ihres ungeborenen Kindes höherrangig als Recht auf Meinungsfreiheit?

Jüngst, so der Kar­di­nal, wur­de an der Uni­ver­si­tät Syd­ney die Lebens­rechts­grup­pe Life Choice gegrün­det, eine Grup­pe, die auf uni­ver­si­tä­rer Ebe­ne die Debat­te über Abtrei­bung und Eutha­na­sie för­dern will. Ihr erster Antrag um Finan­zie­rung an die Stu­den­ten­ver­tre­tung wur­de mit der Begrün­dung abge­lehnt, daß die­se Grup­pe nichts mit dem Stu­den­ten­le­ben zu tun habe. Dage­gen wur­de Ein­spruch erho­ben und bei der zwei­ten Abstim­mung wur­de auch Life Choice die Aner­ken­nung zuge­spro­chen, wegen einer ein­zi­gen Stim­me. Wie argu­men­tier­ten jedoch die Geg­ner der Aner­ken­nung, immer­hin sind an der Uni­ver­si­tät die ver­schie­den­sten ideo­lo­gi­schen Grup­pen anerkannt?

Der Phi­lo­soph Peter Sin­ger von der Uni­ver­si­tät Prin­ce­ton unter­stütz­te die Aner­ken­nung von Life Choice. Ein Geg­ner der Aner­ken­nung in der Stu­den­ten­ver­tre­tung behaup­te­te hin­ge­gen, daß das Recht einer Frau auf Abtrei­bung wich­ti­ger sei als das Recht auf freie Mei­nungs­äu­ße­rung. Die­se Posi­ti­on ist noch geschei­tert, aber nur ganz knapp. Sie macht deut­lich, was in Zukunft gesche­hen kann, so der Kardinal.

Kardinall Pell: Wer meint, katholische Kirche wird sich Forderung fügen, begeht einen großen Fehler

Eini­ge Per­so­nen und Grup­pen möch­ten, daß die reli­giö­sen Stim­men und Zeug­nis­se aus dem öffent­li­chen Raum aus­ge­schlos­sen wer­den. Kar­di­nal Pell ver­tritt den Stand­punkt, daß die­ses Ziel durch klei­ne schritt­wei­se Ände­run­gen der Geset­ze und der Bestim­mun­gen vor­an­ge­trie­ben wer­den wird. Klei­ne Schrit­te statt eines Fron­tal­an­griffs. Dabei kann es auch zu öffent­li­chen poli­ti­schen Kon­flik­ten kom­men, wie zum Bei­spiel in der Fra­ge der „Homo-Ehe“. Ein Kon­flikt, der – so der Kar­di­nal – auch für Austra­li­en nicht aus­zu­schlie­ßen sei. Soll­te die „Homo-Ehe“ lega­li­siert wer­den, wird star­ker Druck fol­gen, bei dem die „Homo-Ehe“ als der Ehe zwi­schen Mann und Frau gleich­wer­tig behaup­tet wird und ent­spre­chen­de Kon­se­quen­zen ver­langt wer­den, etwa ein Zwang, die „Homo-Ehe“ an Schu­len gleich­ran­gig zu pro­pa­gie­ren, ein Ver­bot der kirch­li­chen Sexu­al­leh­re, der Ehe- und Fami­li­en­leh­re an Schu­len. Auch an kirch­li­chen Schulen.

Zum Abschluß schreibt Kar­di­nal Pell: Soll­ten jene, die in Austra­li­en die­ses Ziel ver­fol­gen, den­ken, daß die katho­li­schen Pfar­rer, Schu­len und Ein­rich­tung sich die­sen For­de­run­gen fügen wer­den, bege­hen sie einen gro­ßen Fehler.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Tempi

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