(Freiburg/Rom) Das ungehorsame Vorpreschen der sedisvakanten Erzdiözese Freiburg bei der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zum Kommunionempfang sorgt für Aufsehen. Das Stichwort ist magisch für viele Journalisten. Der ehemals kommunistische, heute linksdemokratische Kanal des italienischen Staatsrundfunks RAI brachte die Meldung bereits um 6.45 Uhr bei den Morgennachrichten. Rom reagierte mit einer Präzisierung durch das Presseamt: „Es ändert sich nichts!“
Kein Freiburger „Alleingang“ – Schismatisierende Lehmann-Kirche lotet in Abständen Spielraum aus
Die Reaktionen aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart und aus der Erzdiözese München-Freising zeigen, daß es sich bei dem Freiburger Vorstoß um einen offenbar abgesprochenen „Alleingang“ handelt. Teile der deutschsprachigen Kirche befinden sich seit längerem im Zustand eines latenten Schismas. In Abständen wird „das offene Schisma geprobt“ (Messa in Latino), aber natürlich nicht vollzogen, weil dann die ganzen Pfründe und Einnahmen aus der Kirchensteuer verlorengingen. Die Vorstöße dienen vielmehr dazu, auszuloten, wie weit man jeweils aktuell im latenten Schisma gerade gehen kann, um die Kirche ein Stück weit umzubauen.
Die „deutsche“ Bresche, die in die Mauern des Vatikans geschlagen werden soll, erregt auch am Tiber einige Gemüter. Das Thema der wiederverheiratet Geschiedenen stand auf der Tagesordnung des C8-Treffens des neuen Kardinalrats. Papst Franziskus kündigte bereits an, daß sich die nächste Bischofssynode mit dem Thema befassen werde. Deutschen Druck und sogar eigenmächtiges Handeln weiß man in Rom allerdings nicht zu schätzen.
Vatikansprecher: „Lokales Pastoralamt, aber kein offizieller Ausdruck der diözesanen Autorität“
Vatikansprecher Pater Federico Lombardi winkt beim täglichen Pressegespräch ab: „Es ändert sich nichts! Es gibt keine Neuigkeit für die wiederverheiratet Geschiedenen“. Das „Dokument“, auf das der Leiter des vatikanischen Presseamtes angesprochen wird „stammt aus einem lokalen Pastoralamt“ und nicht vom Bischof. Es habe sich um eine „Flucht nach vorne“ gehandelt, die viel Lärm mache, aber „kein offizieller Ausdruck der diözesanen Autorität“ sei, so der Vatikansprecher.
Der emeritierte Erzbischof Robert Zollitsch, Apostolischer Administrator von Freiburg bis zur Ernennung eines Nachfolgers, „wurde nicht konsultiert und bürgt nicht für dieses Dokument“, so Pater Lombardi. Für den Vatikan ist Freiburg eine Diözese unter Tausenden. Dennoch ist man sich der Sprengkraft des Vorpreschens bewußt und weiß auch, daß hinter der Tür Nachahmer in allen Diözesen des deutschen Sprachraums, aber auch darüber hinaus lauern.
Kardinal De Paolis: „Bischöfe wurden zur Ordnung gerufen, die Eckpfeilern der Glaubenslehre widersprachen“
Velasio Kardinal De Paolis, ein bekannter Kirchenrechtler, bis 2011 Präsident der Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten und derzeit noch Apostolischer Delegat für die Legionäre Christi, zeigte sich überrascht über den deutschen Vorstoß. „Es ist erstaunlich, daß ein solcher Vorschlag von einer Diözese von so großer Bedeutung wie Freiburg kommt. Im Laufe der Zeit wurden verschiedene Bischöfe zur Ordnung gerufen, weil sie Weisungen erließen, die den Eckpfeilern der Glaubenslehre widersprachen, die vom ehemaligen Heiligen Offizium in den Jahren von Joseph Ratzinger bekräftigt wurden“.
„Die geltenden Bestimmungen verbieten daher auch weiterhin wiederverheiratet Geschiedenen den Zugang zu den Sakramenten“, so der Kardinal. „Um die Absolution in der Beichte und damit den Zugang zur Eucharistie zu erhalten, muß man sich im Stand der Gnade Gottes befinden. Die wiederverheiratet Geschiedenen befinden sich in einer Situation, die dem Gesetz Gottes zur Ehe widerspricht. Der Priester muß daher die Kommunion verweigern“, so Kardinal De Paolis.
„Aussagen des Papstes im Licht des überlieferten Lehramtes zu interpretieren“ – Progressive wittern Morgenluft
Warum aber beruft man sich in Freiburg auf Papst Franziskus, wurde der Kardinal gefragt. Und seine Antwort: „Alle Aussagen des Papstes zur Frage sind im Licht des überlieferten Lehramts zu interpretieren“, so Velasio Kardinal De Paolis.
Das hindert jene nicht, denen Begriffe wie „Gesetz Gottes“ und „Eckpfeiler der Glaubenslehre“ fremd sind, Morgenluft zu schnuppern. Ein progressiver Vatikanist von Vatican Insider schrieb zum Thema: „Aber mit einem Erneuerer als Papst wie Franziskus ist die Zeit nicht nach Kreuzzugs-Ultimaten. Die Synode über die Familie wird über die Ehenichtigkeiten sprechen, über die wiederverheiratet Geschiedenen, die Paare, die zusammenleben und über ihre Annahme in der Kirche. An der Kurie werden Fortschritte nicht ausgeschlossen, aber ‚der Ort, die Normen zu verändern, ist sicher nicht ein lokales Pastoralamt‘. In den kommenden Monaten wird man besser sehen, ob der ‚Fall Freiburg‘ als Ausrutscher in einer Diözese einzustufen ist oder als ‚Prohetie‘ einer Veränderung für die Weltkirche.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Cardinalrating