700.000 orthodoxe Juden bei Beerdigung von Großrabbiner – Ovadja Josef lehnte Treffen mit Benedikt XVI. als „Götzendienerei“ ab


Großrabbiner Ovadia Joseph tot(Jeru­sa­lem) Mehr als 700.000 Juden nah­men an der Bei­set­zung des Groß­rab­bi­ners Ovad­ja Josef, des ein­fluß­rei­chen und in sei­ner Wort­wahl wenig zim­per­li­chen geist­li­chen Ober­haupts des sephar­di­schen Juden­tums und der Schas-Bewe­gung  teil. Ovad­ja Josef war einer der bei­den Groß­rab­bi­ner Isra­els, die de fac­to den israe­li­schen Ver­fas­sungs­ge­richts­hof bil­den. Der­zei­ti­ger sephar­di­scher Groß­rab­bi­ner ist Ovad­ja Josefs Sohn Yitz­hak Josef. Isra­els Mini­ster­prä­si­dent Ben­ja­min Netan­ja­hu bezeich­ne­te den Ver­stor­be­nen als „einen der wei­se­sten Men­schen unse­rer Gene­ra­ti­on“. Gegen­über Chri­sten und Mos­lems fand der Groß­rab­bi­ner weni­ger schmei­chel­haf­te Wor­te. Eine Begeg­nung mit Papst Bene­dikt XVI. bei des­sen Besuch des Hei­li­gen Lan­des lehn­te er strikt ab und unter­sag­te sie auch sei­nen Anhän­gern als „Göt­zen­die­ne­rei“.

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Laut Anga­ben des isrea­li­schen sta­ti­sti­schen Amtes nahm min­de­stens jeder Zehn­te Israe­li an der Bei­set­zung teil.

Ovad­ja Josef starb im Alter von 93 Jah­ren. Gebo­ren wur­de der sephar­di­sche Jude 1920 in Bag­dad mit dem ara­bi­schen Namen Abdul­lah Yous­sef. Im Alter von vier Jah­ren über­sie­del­te sei­ne Fami­lie nach Jeru­sa­lem. Er galt als das geist­li­che Ober­haupt des sephar­di­schen Juden­tums, das sich auf die Tra­di­ti­on der 1492 aus Spa­ni­en ver­trie­be­nen Juden beruft. Kon­kret sam­melt das Sephar­den­tum die Juden des Mor­gen­lan­des, vor allem Nord­afri­kas und des Nahen Ostens. Im Unter­schied dazu umfas­sen die Asch­ke­na­sim die euro­päi­schen Juden und deren Nach­kom­men. Der in Kai­ro aus­ge­bil­de­te Rab­bi hat­te von 1973 bis 1983 das Amt des sephar­di­schen Groß­rab­bi­ners inne, das bis 2023 sein Sohn beklei­den wird. Das Groß­rab­bi­nat ist eine Regie­rungs­funk­ti­on, die je ein sephar­di­scher und ein asch­ke­na­si­scher Rab­bi­ner auf zehn Jah­re für Isra­el aus­üben und gewis­ser­ma­ßen als Ver­fas­sungs­ge­richt des Staa­tes fungieren.

Im Gegen­satz zu dem stark zio­ni­stisch gepräg­ten asch­ke­na­si­schen Juden­tum aus Euro­pa, ste­hen die sephar­di­schen Juden dem Staat Isra­el kri­tisch gegen­über. Sie betrach­ten den Zio­nis­mus als athe­isti­sche Idee, die sich den Plä­nen Got­tes wider­setzt. Die sephar­di­schen Juden machen etwas weni­ger als ein Fünf­tel des Juden­tums aus. In Isra­el ist etwa jeder vier­te Jude Sephar­dim, in den USA und Kana­da etwa jeder zehnte.

Ovad­ja Josef galt als her­aus­ra­gen­der Gelehr­ter der Tora und des rab­bi­ni­schen Geset­zes. Zahl­rei­che Rab­bi­nen lie­ßen sich durch ihn aus­bil­den. Bekannt wur­de er vor allem auch als geist­li­ches Ober­haupt der poli­tisch-reli­giö­sen Schas-Bewe­gung. Die 1984 gegrün­de­te Bewe­gung ist auch eine poli­ti­sche Par­tei auf reli­gi­ös-kul­tu­rel­ler Basis. Sie sam­melt die sephar­di­schen Juden, die sich im poli­ti­schen Leben Isra­els durch die euro­päi­schen Juden aus­ge­grenzt fühlen.

Ovadja Josefs Weg in einen religiösen Nationalstaat

Ovad­ja Josef fei­ern die einen und kri­ti­sie­ren die ande­ren als einen der Archi­tek­ten eines Umbaus des Staa­tes Isra­el von einem lai­zi­sti­schen Natio­nal­staat in einen reli­giö­sen Nationalstaat.

Bei den Par­la­ments­wah­len 1999 wur­de die Schas-Par­tei zur drit­ten poli­ti­schen Kraft des Lan­des. Seit den frü­hen 80er Jah­ren war sie bei den Regie­rungs­bil­dun­gen nicht zu umge­hen. Ovad­ja Josef wur­de damit zum poli­ti­schen Königs­ma­cher Isra­els. Zahl­rei­che ange­hen­de Poli­ti­ker such­ten sei­ne Nähe, um ihre Kar­rie­re zu beschleu­ni­gen. Den sephar­di­schen Juden, vor allem sei­ner Schas-Bewe­gung brach­te dies beträcht­li­che Zuwen­dun­gen in Form staat­li­cher Finanz­lei­stun­gen. Ovad­ja Josef ver­stand es geschickt, reli­giö­se Stren­ge und poli­ti­schen Prag­ma­tis­mus zu kom­bi­nie­ren. Dabei konn­te er ein eben­so geschmei­di­ger wie har­ter Ver­hand­lungs­part­ner sein.

In den 90er Jah­ren hielt er eine Poli­tik „Land für Frie­den“ für legi­tim. Den Palä­sti­nen­sern, Mos­lems und Chri­sten, soll­te besetz­tes Land zurück­ge­ge­ben wer­den, wenn im Gegen­zug Frie­den herr­sche. Nach Aus­bruch der zwei­ten Inti­fa­da im Jahr 2000 kehr­te Ovad­ja Josef zu sei­nen alten Posi­tio­nen der Här­te gegen­über den Palä­sti­nen­sern zurück. Ver­hand­lun­gen über den Sta­tus von Jeru­sa­lem wur­den von ihm kate­go­risch abge­lehnt. Kri­ti­ker war­fen ihm, sei­ner Fami­lie und füh­ren­den Schas-Ver­tre­tern vor, rund um Jeru­sa­lem mit besetz­ten Grund­stücken Immo­bi­li­en­spe­ku­la­ti­on gro­ßen Stils  zu betreiben.

Ovadja Josefs Verfluchungen

Als der dama­li­ge israe­li­sche Mini­ster­prä­si­dent Ari­el Scha­ron 2005 den ein­sei­ti­gen Rück­zug Isra­els aus dem Gaza­strei­fen durch­führ­te, sprach Ovad­ja Josef öffent­lich einen Fluch gegen ihn aus: „Gott wird in mit einem Schlag stra­fen und er wird ster­ben; er wird schla­fen und nicht wach sein“. Kurz dar­auf erlitt Scha­ron einen Schlag­an­fall und liegt seit­her im Koma. Das Zusam­men­tref­fen der Ereig­nis­se erhöh­te Ovad­ja Josefs Anse­hen in der sephar­di­schen Gemein­de, aber auch unter sei­nen Gegnern.

2009 ver­fluch­te Josef auch den ira­ni­schen Staats­prä­si­den­ten Mah­mud Ahma­di­ned­schad in der Hoff­nung, daß die­ser krank zusam­men­bre­chen wür­de. Dazu kam es aller­dings nicht. Ahma­di­ned­schad wur­de im sel­ben Jahr bei den Prä­si­dent­schafts­wah­len im Amt bestä­tigt. Erst am 3. August 2013 löste ihn Hassan Roha­ni als Staats­prä­si­dent ab. Das hin­der­te Ovad­ja Josef nicht, sei­ne Anhän­ger dazu auf­zu­ru­fen, für die „Ver­nich­tung und Aus­lö­schung der Fein­de Isra­els“ zu beten. Kon­kret gemeint waren unter ande­ren der Iran und die His­bol­lah.

Als 2009 Papst Bene­dikt XVI. das Hei­li­ge Land besuch­te, sprach Ovad­ja Josef ein Ver­bot aus, an Begeg­nun­gen mit dem Papst teil­zu­neh­men, um nicht der Sün­de der „Göt­zen­die­ne­rei“ zu ver­fal­len. Das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt betrach­te­te Ovad­ja Josef offen­bar als „Göt­zen­die­ner“.

Ovadja Josef: „Nicht-Juden haben nur als Frondiener für die Juden einen Platz in der Welt“

Ovad­ja Josef kamen Aus­sa­gen wie, für Gojim, das sind alle Nicht-Juden, gebe es „kei­nen Platz in der Welt, es sei denn in Fron­dien­sten für das Volk von Isra­el“, leicht über die Lip­pen. Abtrei­bung unge­bo­re­ner Kin­der ver­ur­teil­te er nur bei Juden. Die Tötung der eige­nen Nach­kom­men­schaft durch die Gojim war für den Groß­rab­bi­ner kein Pro­blem. Die israe­li­sche Tages­zei­tung Haa­retz zitier­te Ovad­ja Josef am 20. Okto­ber 2010 mit den Wor­ten: „Wozu wer­den die Nicht­ju­den gebraucht? Sie wer­den schuf­ten, sie wer­den pflü­gen, sie wer­den mähen. Wir wer­den sit­zen wie ein Efen­di und wer­den Mahl hal­ten“. Eine Rei­he von jüdi­schen Orga­ni­sa­tio­nen ging auf Distanz von die­ser Aussage.

Vie­le sei­ner Äuße­run­gen und Urtei­le rich­te­ten sich gegen poli­ti­sche Geg­ner auch inner­halb des Juden­tums oder zur Ret­tung von Schas-Mit­glie­dern, die der Kor­rup­ti­on und ande­rer Unre­gel­mä­ßig­kei­ten beschul­digt wur­den. Für wen sich Ovad­ja Josef aus­sprach, der galt in der Schas-Bewe­gung als unan­tast­bar. Als Vor­sit­zen­der eines Rab­bi­nen­ge­richts übte Ovad­ja Josef gro­ßen Ein­fluß aus.

Nach 30 Jahren ist Schas erstmals in der Opposition – Welcher Sohn wird Ovadja Josefs Nachfolger?

Bei den Par­la­ments­wah­len 2013 errang die Schas-Par­tei rund neun Pro­zent der Stim­men und ver­tei­dig­te ihre elf Man­da­te. Nach 30 Jah­ren in der Regie­rung befin­det sich die Par­tei der­zeit auf der Oppo­si­ti­ons­bank. Zen­tra­ler Punkt des Schas-Pro­gramms ist die Absi­che­rung der staat­li­chen Unter­stüt­zung für die reli­giö­sen Schu­len der Bewe­gung, die von lai­zi­sti­schen Juden kri­ti­siert werden.

Noch nicht geklärt ist die Fra­ge nach Ovad­ja Josefs Nach­fol­ge. Wel­cher sei­ner Söh­ne wird an die Spit­ze der Schas-Bewe­gung tre­ten? Sein Sohn Yitz­hak beklei­det das Amt des israe­li­schen Groß­rab­bi­ners. Sein Sohn David sag­te in sei­ner Bei­set­zungs­re­de: „Du warst der Moses unse­rer Gene­ra­ti­on, Vater: Wem wer­den wir nun unse­re Fra­gen unter­brei­ten? Mit wem wer­den wir nun sprechen?“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Asianews

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3 Kommentare

  1. Hat­te Mar­tin Luther nicht doch Recht in sei­nen Brand­re­den gegen die Juden‘? Wo er Recht hat­te hat­te er Recht.Würde Luther Heu­te Leben,würde er bestimmt gegen den Islam so reden.

    • Mar­tin Luther (der behaup­te­te, der Teu­fel stecke ihm im A…) wür­de gegen alles het­zen. Beein­drucken Sie Hetz­re­den grund­sätz­lich und erwäh­nen Luther deswegen?

  2. Man­che sei­ner The­sen sind nicht ganz von der Hand zu wei­sen: es ist tat­säch­lich ein Pro­blem, dass der athe­isti­sche Zio­nis­mus nicht begrün­den kann, was er eigent­lich im Land Isra­el will. Es ist über­haupt ein Pro­blem, sich selbst als Juden zu defi­nie­ren, wenn man athe­istisch ist. Was soll das sein, wenn man nicht auf das Glatt­eis eines ras­si­sti­schen Men­schen­bil­des gera­ten will? Das Pro­blem hat­ten im Ansatz bereits die assi­mi­lier­ten Juden in Deutsch­land, die kei­ne Ver­bin­dung zu den ein­wan­dern­den Ost­ju­den in den 20ern erken­nen konn­ten und sich z.T. aus­drück­lich von ihnen distan­zier­ten, dann aber zu ihrem Ent­set­zen von den Nazis selbst wie­der als „Juden“ iden­ti­fi­ziert wur­den. Kon­zep­te wie das von W. Rathen­au, die dt. Juden als einen der „deut­schen Stäm­me“ zu betrach­ten wie die Bay­ern oder Sach­sen, konn­te zu Recht nie­man­den überzeugen…

    Wie auch bei vie­len mus­li­mi­schen Geist­li­chen zeigt Josef eine Kon­se­quenz und Kom­pro­miss­lo­sig­keit, die uns eini­ges lehrt. Sie lehrt, dass es zwar sicher­lich gut und wich­tig ist, Kom­pro­mis­se zu schlie­ßen und kon­zi­li­ant zu sein. Dass aber ander­seits dabei nicht aus den Augen ver­lo­ren wer­den darf, dass erstens nicht alles misch­bar ist, dass logi­sche Wider­sprü­che Wider­sprü­che sind und blei­ben und es nicht nur eine Fra­ge des „guten Wil­lens“ ist, ob man sie har­mo­ni­siert bekommt und dass man sol­che fal­schen Har­mo­ni­sie­run­gen nur unter Ver­lust der eige­nen Iden­ti­tät und Kul­tur errei­chen kann.
    Es ist ein Pro­blem, dass wir einen Papst hat­ten, der den Koran küsst und in Assi­si Bud­dha­sta­tu­en auf einen Altar stellt, sich zum Affen macht in aller Welt, wäh­rend wich­ti­ge Ver­tre­ter der ande­ren Reli­gio­nen eine Bibel nicht ein­mal mit spit­zen Fin­gern anrüh­ren oder gar mit einem „Göt­zen­die­ner“ spre­chen würden.
    Der Unfrie­den zwi­schen den Reli­gio­nen ist seit Assi­si immer hef­ti­ger gewor­den bis zum heu­ti­gen Tag. Der Islam eska­liert in sei­nem Cha­rak­ter als bru­ta­le, herz­lo­se Mili­tär­re­li­gi­on und selbst der angeb­lich so fried­lie­ben­de Bud­dhis­mus zeigt spit­zeste Zäh­ne, von Hin­du-Ter­ror ein­mal ganz abge­se­hen – alles Phä­no­me­ne, die, solan­ge man christ­li­cher­seits bei allem mensch­li­chen Respekt kla­re Gren­zen wahr­te, in die­ser Schär­fe nicht anzu­tref­fen waren.
    Wer kei­ne kla­re Iden­ti­tät zeigt, unter­höhlt den Frie­den mehr als der, der „kla­re Kan­te“ zeigt. Die­ser Rab­bi ist ein Zyni­ker und sein Ver­hält­nis zum AT müss­te sau­ber geklärt wer­den. Aber sol­che Phä­no­me­ne wie er wer­den nur mög­lich durch den geist­lo­sen, anma­ßen­den Athe­is­mus bzw. die­sen dümm­li­chen „Öku­me­nis­mus“, der die Güter der Reli­gi­on auf All­tags­ba­na­li­tä­ten und einen sen­ti­men­ta­len Lie­bes­be­griff her­un­ter­bre­chen muss, um den Wider­sinn sei­nes Kon­zep­tes zu ver­tu­schen. Ist der Weg ein­mal beschrit­ten, sinkt die reli­giö­se Bil­dung mas­siv und kon­ti­nu­ier­lich und die Gläu­bi­gen einer Reli­gi­on kön­nen von allem und jedem kas­siert wer­den – Haupt­sa­che, sie wer­den dabei gebauch­pin­selt – ob „spi­ri­tu­ell“, psy­cho­lo­gisch oder gleich ganz sinn­lich, spielt dann kei­ne Rol­le mehr.

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