Roberto de Mattei: „Habe starke Vorbehalte gegen die Kommunikationsstrategie von Papst Franziskus“


Roberto de Mattei über die Kommunikationsstrategie von Papst Franziskus(Rom) Seit dem umfang­rei­chen Inter­view von Papst Fran­zis­kus mit der Jesui­ten-Zeit­schrift Civil­tà  Cat­to­li­ca herrscht neu­es Durch­ein­an­der im katho­li­schen Lager. Wäh­rend die Mas­sen­me­di­en jubeln und Papst Fran­zis­kus als „Revo­lu­tio­när“ fei­ern, ver­tei­digt ein Teil der Katho­li­ken den Papst mit der For­mel, die Mas­sen­me­di­en wür­den Fran­zis­kus bewußt miß­ver­ste­hen und absicht­lich sei­ne Äuße­run­gen zurecht­bie­gen, wäh­rend der Papst nichts an der katho­li­schen Leh­re ände­re, son­dern nur einen eige­nen, ganz beson­de­ren Stil habe. Papst Fran­zis­kus spre­che nicht als Aka­de­mi­ker, son­dern als Pre­di­ger zu den Men­schen, wie der katho­li­sche US-Publi­zist Geor­ge Weigel mein­te. Ein ande­rer Teil der Katho­li­ken beob­ach­tet die Art, wie Papst Fran­zis­kus mit der Welt kom­mu­ni­ziert mit zuneh­men­der Sor­ge. Nicht zuletzt auch wegen des Applau­ses von der fal­schen Seiten.

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Es wer­den Zwei­fel am Nut­zen einer Kom­mu­ni­ka­ti­ons­form geäu­ßert, die offen­sicht­lich anfäl­lig für Miß­ver­ständ­nis­se ist. Mehr noch, man­che hegen Zwei­fel, ob es dem Papst nur um eine neue Form des Kom­mu­ni­zie­rens mit den Men­schen geht, die umstrit­ten ist, oder auch um inhalt­li­che Ände­run­gen. Nicht um einen offe­nen Bruch mit Tei­len der Glau­bens­leh­re, aber viel­leicht um eine indi­rek­te Auf­wei­chung durch Zwei­deu­tig­keit. Offi­zi­ell wäre damit nichts geän­dert, prak­tisch aber in den Köp­fen der Men­schen sehr viel. Genau, das, so eini­ge Kri­ti­ker, sei bereits jetzt der Fall, gera­de zu den „hei­ßen Eisen“, wie Abtrei­bung und Homo­se­xua­li­tät. Der Papst beto­ne, daß die Leh­re der Kir­che dazu klar defi­niert sei, spricht sie aber nicht aus, oder jeden­falls nicht in der brei­ten Öffent­lich­keit, son­dern nur vor ein­schlä­gi­gen Kreisen.

So gesche­hen zum The­ma Abtrei­bung, bei dem es um Leben oder Tod geht. Im Civil­tà  Cat­to­li­ca-Inter­view, das um die Welt ging, ver­wen­de­te der Papst eine für Lebens­schüt­zer sogar „ver­let­zen­de“ Dik­ti­on, wie der ame­ri­ka­ni­sche, katho­li­sche Phi­lo­soph Micha­el Nowak bean­stan­de­te. Wäh­rend der Papst im Inter­view erklär­te, daß er auch in Zukunft nicht viel zum The­ma sagen wer­de und damit die Abtrei­bungs­be­für­wor­tern jubeln ließ, fand er am Tag dar­auf vor den katho­li­schen Ärz­ten sehr kla­re Wor­te zum Schutz des Lebens. Wor­te, die aller­dings nur in katho­li­schen Krei­sen bekannt wurden.

Kri­tik an der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­art von Papst Fran­zis­kus übte nun der bekann­te katho­li­sche Histo­ri­ker Rober­to de Mat­tei in einem Inter­view für Fomic​he​.net. Das Inter­view führ­te Fran­ces­co de Palo.

Die Pres­se instru­men­ta­li­siert, aber der Papst hat ihnen dabei gehol­fen: Das ist die Mei­nung des tra­di­ti­ons­ver­bun­de­nen Rober­to de Mat­tei, Pro­fes­sor für Geschich­te der Neu­zeit und des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom und bis 2011 stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der des Natio­na­len For­schungs­rats der Repu­blik Ita­li­en. De Mat­tei ist Her­aus­ge­ber und Chef­re­dak­teur der Monats­zeit­schrift Radi­ci Cri­stia­ne, Nova Histo­ria und des katho­li­schen Infor­ma­ti­ons­dien­stes Cor­ri­spon­den­za Roma­na. Im Gespräch mit For​mi​che​.net ana­ly­siert er das erste Seme­ster des neu­en Pon­ti­fi­kats und äußert star­ke Vor­be­hal­te gegen die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gie von Papst Franziskus.

Wie erlebt ein „Katho­lik ohne Kom­pro­mis­se“, wie Sie sich selbst bezeich­nen, die Öff­nun­gen von Papst Fran­zis­kus gegen­über Homo­se­xu­el­len und Geschiedenen?

Mei­ne Mei­nung ist, daß es eine gro­ße Instru­men­ta­li­sie­rung der Wor­te des Pap­stes gibt, in dem Sin­ne, daß ich die­se gro­ßen Öff­nun­gen nicht sehe. Zumin­dest aus Sicht der Glau­bens­leh­re, auch weil Papst Fran­zis­kus selbst betont hat, daß sei­ne Hal­tung in die­sen The­men nicht von jener des Kate­chis­mus abweicht.

Wie ana­ly­sie­ren Sie das Mani­fest ähn­li­che Inter­view Berg­o­gli­os in der Civi­tà  Cat­to­li­ca?

Gera­de weil der Papst beton­te, daß er bezüg­lich der Glau­bens­leh­re in der Kon­ti­nui­tät der kirch­li­chen Leh­re ste­he und kei­ne lehr­mä­ßi­gen Neue­run­gen beab­sich­ti­ge, ist die Ebe­ne, auf die er sich mit die­sem Inter­view begibt, pasto­ra­ler oder stra­te­gi­scher Natur. Das heißt; was er vor­schlägt, ist nicht eine neue Leh­re, son­dern eine neue Metho­de, sich die­sen Pro­ble­men zu nähern.

Mit wel­chen Rückwirkungen?

Da Berg­o­glio sich, laut eige­nen Wor­ten, von der Ebe­ne der Glau­bens­leh­re auf jene der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gie bege­ben hat, ist es für jeden Katho­li­ken recht­mä­ßig, über die­sen Ansatz zu dis­ku­tie­ren. Und von die­sem Blick­win­kel aus betrach­tet, han­delt es sich mei­ner Mei­nung nach um einen unglück­li­chen Ansatz, weil er eine Instru­men­ta­li­sie­rung sei­ner Wor­te mög­lich macht. Ver­ant­wort­lich für die­se Instru­men­ta­li­sie­rung ist aber nicht allein die Pres­se, die, wenn wir so wol­len, ihre Arbeit tut, son­dern auch, wer sie mit einer Spra­che mög­lich macht, die in eini­gen Punk­te abso­lut zwei­deu­tig ist.

Was ist das Ergeb­nis die­ser neu­en Sprache?

Ich mei­ne, daß sie sehr gefähr­lich sein kann, denn die Welt der Kom­mu­ni­ka­ti­on wird nicht vom Papst beherrscht und eben­so­we­nig von den Katho­li­ken, son­dern von Lob­bys und kir­chen­fer­nen Mäch­ten, die imstan­de sind, einen ver­zer­ren­den Gebrauch davon zu machen. Per­sön­lich habe ich star­ke Vor­be­hal­te gegen die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gie des Papstes.

Hat die Tages­zei­tung Il Foglio von Giu­lia­no Fer­ra­ra also recht mit der Fest­stel­lung, daß die nicht ver­han­del­ba­ren Grund­sät­ze inzwi­schen nur mehr toter Buch­sta­be sind?

Das scheint mir über­zo­gen. Es han­delt sich um Grund­sät­ze, die auf­grund ihrer Natur Momen­te der Ver­dun­ke­lung erle­ben kön­nen. Mir scheint aber, daß der Papst gesagt hat, ohne sie zu leug­nen, daß er  in sei­ner Kom­mu­ni­ka­ti­on ande­re Punk­te bevor­zugt, weil er, nach eige­nen Wor­ten, von der Vor­aus­set­zung aus­geht, daß das Recht auf Leben und auf Fami­lie bereits all­ge­mein bekann­te Grund­sät­ze sind. Das eigent­li­che Pro­blem aber ist, daß die Posi­tio­nen der Kir­che dazu der brei­ten Öffent­lich­keit eben nicht bekannt sind und dazu auch in der katho­li­schen Welt eine gro­ße Ver­wir­rung  herrscht. Die ein­zi­gen zwei Päp­ste, die sich dem ent­ge­gen­stell­ten, waren Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. Berg­o­glio, obwohl er sich lehr­mä­ßig in die Kon­ti­nui­tät mit sei­nen Vor­gän­gern stellt, scheint eine stra­te­gi­sche Dis­kon­ti­nui­tät aus­drücken zu wollen.

Wie schät­zen Sie die­se Ent­schei­dung ein?

Ich bevor­zu­ge die vor­he­ri­ge Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gie, aber natür­lich wird die Zeit Ant­wort geben und man wird sehen, wel­che Früch­te der Baum trägt. Ich hof­fe, daß die Fol­gen die­ses Ansat­zes nicht zer­stö­re­risch sein werden.

Und der Brief von Ratz­in­ger an Odifred­di, ist das ein Weg Mark­stei­ne zu setzen?

Es ist ein Brief, der mei­nes Erach­tens die schon herr­schen­de Ver­wir­rung noch ver­grö­ßert hat, denn obwohl er kla­re Grund­sät­ze ver­tritt, ver­mit­telt er den Ein­druck, als könn­ten es, wenn auch auf der Ebe­ne eines Pri­vat­lehr­am­tes, zwei Pha­sen geben, die gleich­zei­tig auf der­sel­ben Büh­ne inter­ve­nie­ren [Papst Fran­zis­kus und Bene­dikt XVI.], im kon­kre­ten Fall in der Tages­zei­tung La Repubbli­ca. Ich hat­te wie vie­le gedacht, daß Bene­dikt XVI. sich völ­lig aus dem öffent­li­chen Leben zurück­zie­hen woll­te, um ein Leben des Gebets und des Schwei­gens zu füh­ren. Damit will ich kei­nes­wegs sagen, daß er etwas falsch gemacht hat, denn sei­ne Kri­tik an Odifred­di ist prä­zi­se und punkt­ge­nau. Ich stel­le also nicht den Inhalt in Fra­ge, hege aber Zwei­fel dar­an, ob es oppor­tun war.

Den­ken Sie, daß nun die Kuri­en­re­form kom­men wird?

Sie hat noch nicht begon­nen. War­ten wir also ab, ehe wir urtei­len. Vor­erst gab es nor­ma­le Vor­gän­ge, aber kein Zei­chen einer Reform. Im Okto­ber wird sich der Papst mit der Grup­pe von Kar­di­nä­len tref­fen, denen er die Auf­ga­be anver­trau­te, Vor­schlä­ge zu unter­brei­ten. Wir wer­den also in den kom­men­den Mona­ten sehen und beurteilen.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: For​mi​che​.net

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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