Stichwort „Sedisvakanz“ – aus aktuellem Anlaß


Sede_vacantevon Klaus Obenauer

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Vor ein paar Wochen hat­te ich auf die­sem Forum einen Bei­trag ver­öf­fent­licht unter dem Titel „Evan­ge­li­sti­scher Fran­zis­kus oder ‚papa hae­re­ti­cus‘? – Ein be­drückendes Unent­schie­den“.

Viel­leicht hat­te ich den Titel etwas zu rei­ße­risch gewählt: Wie in die­sem Bei­trag schon nach­drück­lich betont, woll­te ich aber kein Urteil über die persön­liche Recht­gläu­big­keit von Papst Fran­zis­kus gefällt haben. Und auch die jüng­sten „Ver­wer­fun­gen“ (um es ein­mal so zu nen­nen) bestim­men mich nicht dazu, die­se Hal­tung zu revi­die­ren: mehr oder weni­ger gelun­ge­ne oder miß­lun­ge­ne theo­lo­gisch-phi­lo­so­phi­sche Optio­nen und Aus­füh­run­gen tan­gie­ren per se noch nicht den ent­schie­de­nen Wil­len zur Glau­bens­treue (den Papst Fran­zis­kus abzu­sprechen ich nach wie vor kei­nen Grund sehe). – Sagen woll­te ich mit mei­nem Bei­trag nur, daß ich erste Indi­ka­to­ren zugun­sten einer „libe­ra­le­ren“ Pra­xis in Sachen Sakra­men­ten­zu­las­sung Wie­der­ver­hei­ra­tet-Geschie­de­ner sehe, die die Fra­ge auf­wer­fen, was denn ist für den Fall, daß der Papst so etwas macht. Ent­sprechend sag­te und sage ich, mit Bestimmt­heit, nicht: Wir haben einen häreti­schen Papst; son­dern nur: wenn der Papst die­se libe­ra­le­re Pra­xis abseg­nen soll­te, dann stün­den wir vor einer äußerst bela­sten­den Situa­ti­on, bis dahin, daß man legi­ti­mer­wei­se sogar die Fra­ge nach dem häre­tisch gewor­de­nen Papst samt den ein­schlä­gi­gen Konse­quenzen stel­len könn­te. Und das sehe ich immer noch so.

Ich wie­der­ho­le dies, da ich mir ein wenig Sor­gen mache: Denn offensicht­lich gibt es Leser die­ses Forums, die mei­nen, auf­grund anstö­ßi­ger Papstäuße­rungen in jüng­ster Zeit auf Sedis­va­kanz erken­nen zu kön­nen. Hier­zu muß ich in aller Form erklä­ren: Auf mich kann man sich dazu auf kei­nen Fall beru­fen. Hier­zu möch­te ich einen Lehr­satz in Erin­ne­rung rufen, wie ihn der berühm­te Kar­di­nal Lou­is Bil­lot SJ for­mu­liert hat:

„Was auch immer man nun von der Mög­lich­keit die­ser Hypo­the­se [sprich: des Falls des häre­tisch gewor­de­nen Pap­stes, der damit sein Amt ver­liert] … hält; das wenig­stens ist not­wen­di­ger­wei­se zuzu­ge­ste­hen: die fried­li­che Anhänger­schaft der uni­ver­sa­len Kir­che wird immer ein unfehl­ba­res Zei­chen der Rechtmä­ßigkeit der Per­son des Pap­stes sein und von daher auch der Exi­stenz aller Be­dingungen, die zu eben der Recht­mä­ßig­keit erfor­der­lich sind.“ (De Eccle­sia Chri­sti 3, Rom 1900, the­sis 29: 132sqq.)

Bei noch so viel Rumo­ren gera­de in glau­bens­treu­en Krei­sen – an besag­ter „fried­li­cher Anhän­ger­schaft der Uni­ver­sal­kir­che“ kann kein Zwei­fel bestehen: Jor­ge Berg­o­glio ist unter dem Namen „Fran­zis­kus“ gemeinhein als unser Papst aner­kannt. Also ist er es. Punkt. Das Aus­ru­fen von Sedis­va­kan­zen auf eige­ne Faust ist daher ein Unding.

Und ich sage es noch ein­mal: Bei der War­nung vor dem Unfall „häre­ti­scher Papst“ geht es mir nicht dar­um, den amtie­ren­den Papst in Miß­kre­dit zu brin­gen, oder dar­um, sei­nen Pon­ti­fi­kat vor­ab als miß­lun­gen zu denun­zie­ren; son­dern dar­um, einer Sor­ge ange­sichts eben besorg­nis-erre­gen­der erster Anzei­chen Aus­druck zu geben.

Anlaß zu sol­cher Sor­ge sehe ich, wie gesagt, kon­kret beim The­ma Sakra­mente für Wie­der­ver­hei­ra­tet-Geschie­de­ne. Durch das jüng­ste Inter­view des Pap­stes kann ich mich einer­seits in die­ser Sor­ge lei­der etwas bestärkt sehen. Trotz­dem möch­te ich an die­ser Stel­le auch gesagt haben, daß ich das pasto­ra­le Anlie­gen des Pap­stes bestens ver­ste­hen kann, das pasto­ra­le Anlie­gen, wie es sich am vom Papst gewähl­ten Bei­spiel fest­macht: Wie geht ein Prie­ster mit Men­schen um, die sich in so schwie­ri­gen psy­cho-sozia­len Lebens­si­tua­tio­nen befin­den, daß sie sich durch die For­de­rung, ihre Zweit­ehe o.ä. auf­zu­ge­ben, in eine per­ple­xe Situa­ti­on ver­setzt füh­len? Daß einen dies umtreibt, kann ich be­stens nachvollziehen.

Von daher: Was dis­ku­tiert gehört, sowohl syste­ma­tisch-theo­lo­gisch als auch pasto­ral-theo­lo­gisch, ist das Ver­hält­nis von Wahr­heit (mit deren indispen­sablem Anspruch) und Lie­be bzw. Barm­her­zig­keit sowie eine ent­spre­chend kon­sequente Pasto­ral. Somit: Der Angel­punkt im Pro­ble­man­gang kann nicht die Li­beralisierung, und sei es unter dem Deck­män­tel­chen der Barm­her­zig­keit, son­dern es muß die geist­li­che Beschaf­fen­heit der Gemein­den vor Ort sein: die­se muß von der unbe­stech­li­chen Treue zur Wahr­heit eben­so getra­gen sein wie von der Bereit­schaft, daß „einer des ande­ren Last trägt“ (Gal 6,2). Wenn sich daher jemand mit den Anfor­de­run­gen des Evan­ge­li­ums nicht im rei­nen sieht, ist das nicht ein­fach des­sen oder deren Sache (wor­an sie oder er „selbst schuld“ ist), son­dern es geht alle an. Ent­spre­chend müß­ten christ­li­che Kom­mu­ni­tä­ten der Ort sein, wo Men­schen so auf­ge­fan­gen wer­den, daß die schmerz­li­chen Ein­schnit­te, die die Treue zum Evan­ge­li­um (bzw. die Bekeh­rung zu die­ser Treue) schon ein­mal ver­lan­gen kann, gar nicht erst die Chan­ce haben, als zyni­sche Apo­rien zu erschei­nen. In die­se Rich­tung müß­ten also die Bera­tun­gen und Son­die­run­gen der näch­sten Zeit gehen.

Ein, und sei es nur par­ti­el­les und anfäng­li­ches, Nach­ge­ben gegen­über den refor­mi­sti­schen For­de­run­gen wäre nicht nur eine from­me Anlei­tung zum Selbst­betrug (Gott ent­läßt nicht aus den Ver­pflich­tun­gen, die wir ihm gegen­über und gegen­ein­an­der haben), son­dern es wäre auch eine Ver­sün­di­gung gegen die inne­re Ein­heit der Kir­che. Ich ver­wei­se hier­zu nur auf die Abschieds­pre­digt von Papst Bene­dikt am Ascher­mitt­woch die­ses Jahres.

Dr. theol. Klaus Oben­au­er ist Pri­vat­do­zent an der Katho­lisch-theo­lo­gi­schen Fakul­tät der Uni­ver­si­tät Bonn.
Abbil­dung: Wap­pen­tim­brie­rung bei Sedis­va­kanz des Apo­sto­li­schen Stuhles

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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