Benedikt XVI. antwortet Atheisten Piergiorgio Odifreddi: „Ihre Religion der Mathematik bleibt leer“


Benedikt XVI. antwortet auf antikatholische Polemik des Atheisten Odifreddi(Vati­kan) Erst­mals seit sei­nem Rück­zug als Papst, hat Bene­dikt XVI. sich öffent­lich zu Wort gemel­det und dies mit einer höf­li­chen, aber ver­nich­ten­den Kri­tik an einem links­li­be­ra­len Medi­en­lieb­ling, dem popu­lär­wis­sen­schaft­li­chen Autor Pier­gi­or­gio Odifred­di. Der Mathe­ma­ti­ker und medi­al umheg­te Reli­gi­ons­kri­ti­ker hat­te ein Buch mit dem Titel „Lie­ber Papst, ich schrei­be dir“ (Caro Papa ti scri­vo, Fel­tri­nel­li 2011) ver­faßt. Dar­in macht sich Odifred­di mit der Über­heb­lich­keit eines „auf­ge­klär­ten“ Wis­sen­schaft­lers über das Chri­sten­tum lustig in einer Mischung aus Fron­tal­an­griff und der Behaup­tung, zu wis­sen, was der „wah­re“ Jesus sei und was nur nach­träg­lich von „fana­ti­schen Kir­chen­ver­tre­tern“ erfun­den wor­den sei.
Nun hat Bene­dikt XVI. etwas Uner­war­te­tes getan: Er hat ihm geantwortet.

Anzei­ge

Das Schrei­ben wur­de in Aus­zü­gen von der Tages­zei­tung La Repubbli­ca ver­öf­fent­licht, die Odifred­di zu ihren Autoren zählt. Der Brief des eme­ri­tier­ten Pap­stes soll voll­in­halt­lich im näch­sten Buch Odifred­dis abge­druckt wer­den. Zum „Dia­log“ zwi­schen Papst Fran­zis­kus und dem athe­isti­schen Jour­na­li­sten Euge­nio Scal­fa­ri, gesellt sich damit auch ein „Dia­log“ zwi­schen Bene­dikt XVI. und einem athe­isti­schen Mathematiker.

Im Mit­tel­punkt steht die Weih­nachts­an­spra­che Bene­dikts XVI. an die Römi­sche Kurie. Die­se jähr­li­che Anspra­che kurz vor dem Geburts­fest Jesu stell­ten die pro­gram­ma­ti­schen Höhe­punk­te des Pon­ti­fi­kats des deut­schen Pap­stes dar. Aus die­sem Grun­de ver­öf­fent­li­chen wir im Anschluß an die­sen Bei­trag die dama­li­ge Rede vollinhaltlich.

„Nicht zu den Übeln der Kir­che schwei­gen, doch der Glau­ben hin­ter­läßt eine leuch­ten­de Spur in der Geschich­te der Mensch­heit“, in die­sem Satz scheint sich die Replik des gewe­se­nen Pap­stes auf den Angriff Odifred­dis zu konzentrieren.

Antwort Benedikts XVI. auf „luziferische Einführung in den Atheismus“Atheist und polemischer Religionskritiker wird von Benedikt XVI. demontiert

Odifred­dis Buch Lie­ber Papst, ich schrei­be dir erhebt den Anspruch, so der Autor, eine „luzi­fe­ri­sche Ein­füh­rung in den Athe­is­mus“ sein. Die Anspie­lung auf den Titel von Bene­dikts Werk „Ein­füh­rung in das Chri­sten­tum“ ist gewollt. Dar­auf hat nun Bene­dikt XVI. mit einem elf­sei­ti­gen Brief geant­wor­tet. Der Brief, wie Odifred­di bekannt­gab, ist mit 30. August datiert und erreich­te ihn am 3. September.

Nach eini­gen Höf­lich­keits­for­meln schreibt Bene­dikt: „In ande­ren Tei­len aber, habe ich mich über eine gewis­se Aggres­si­vi­tät und Unüber­legt­heit der Argu­men­ta­ti­on gewun­dert.“ Bene­dikt XVI. zer­legt Odifred­dis Argu­men­ta­ti­on und erbringt den Nach­weis ihrer Halt­lo­sig­keit: „Was Sie über die Gestalt Jesu sagen, ist Ihres wis­sen­schaft­li­chen Ran­ges nicht wür­dig.“ Odifred­di, auch dar­in älte­ren kir­chen­feind­li­chen Autoren fol­gend, behaup­te­te, daß man über Jesus so gut wie gar nichts wis­se und nichts wirk­lich histo­risch beleg­bar wäre. Bene­dikt XVI. for­der­te nun Odifred­di auf, sich bei den Geschichts­wis­sen­schaf­ten doch etwas bes­ser zu erkun­di­gen und mehr Kom­pe­tenz zur Sache anzu­eig­nen. Bene­dikt XVI. weist gleich­zei­tig die Behaup­tung des Athe­isten zurück, er habe die histo­risch-kri­ti­sche Metho­de wie ein „Werk­zeug des Anti­chri­sten“ dar­ge­stellt. In Wirk­lich­keit habe er Wla­di­mir Solo­wjows The­se über­nom­men, der zufol­ge sich die histo­risch-kri­ti­sche Exege­se auch zum Miß­brauch durch den Anti­chri­sten eig­net, „was eine unwi­der­leg­ba­re Tat­sa­che ist“, so Bene­dikt XVI.

Benedikt XVI. Odifreddis Angriff gegen Jesus seines „wissenschaftlichen Ranges unwürdig“

In sei­ner Ant­wort kon­fron­tiert Bene­dikt XVI. sei­ner­seits Odifred­di mit zahl­rei­chen Fra­gen: „Wenn Sie Gott mit ‚der Natur‘ erset­zen wol­len, bleibt die Fra­ge, wer oder was ist die­se Natur. An kei­ner Stel­le defi­nie­ren Sie sie, wes­halb sie wie eine irra­tio­na­le Gott­heit erscheint, die nichts erklärt.“ Und Bene­dikt XVI. wei­ter: „Zudem möch­te ich vor allem auch dar­auf hin­wei­sen, daß in Ihrer Reli­gi­on der Mathe­ma­tik drei grund­le­gen­de The­men der mensch­li­chen Exi­stenz unbe­rück­sich­tigt blei­ben: die Frei­heit, die Lie­be und das Böse. Ich wun­de­re mich, daß Sie mit einem ein­zi­gen Hin­weis die Frei­heit abtun, die immer­hin der tra­gen­de Wert der Moder­ne war und ist“. Die Lie­be und das Böse kom­men in Odifred­dis Abhand­lun­gen über­haupt nicht vor. „Was auch immer die Neu­ro­bio­lo­gie über die Frei­heit sagen oder nicht sagen mag, im rea­len Dra­ma unse­rer Geschich­te ist sie als ent­schei­den­de Rea­li­tät vor­han­den und muß in Betracht gezo­gen wer­den. Aber Ihre mathe­ma­ti­sche Reli­gi­on kennt kei­ne Infor­ma­ti­on über das Böse. Eine Reli­gi­on, die die­se grund­le­gen­den Fra­gen außer acht läßt, bleibt leer.“

„Theologie ist Wissenschaft, Atheismus ist Science Fiction“

Odifreddis Polemik gegen die katholische Kirche und gegen Benedikt XVI.Der eme­ri­tier­te Papst wider­legt Odifred­dis Stecken­pferd, daß Reli­gi­on eine Art von „Sci­ence Fic­tion“ wäre. Die­se „Phan­ta­sie­wis­sen­schaft“ gebe es aller­dings wirk­lich, so Bene­dikt XVI., und zwar in zahl­rei­chen Wis­sen­schaf­ten. Jenen Wis­sen­schaf­ten, die Odifred­di kate­go­risch in einen Gegen­satz zur Reli­gi­on stellt. Dazu zitier­te der frü­he­re Papst meh­re­re Bei­spie­le, dar­un­ter auch einen Satz von Jac­ques Monod, mit dem die­ser auf abstrus atem­be­rau­ben­de Wei­se die Evo­lu­ti­ons­theo­rie darlegte.

Gegen den Vor­wurf Odifred­dis, Bene­dikt XVI. habe den Miß­brauchs­skan­dal zu ver­tu­schen ver­sucht, ein wei­te­res Lieb­lings­the­ma der Kir­chen­geg­ner, ant­wor­te­te das frü­he­re Kir­chen­ober­haupt: „Nie habe ich ver­sucht, die­se Din­ge zu ver­schlei­ern. Daß die Macht des Bösen bis zu einem sol­chen Punkt in das Innen­le­ben des Glau­bens ein­dringt, ist für uns ein Lei­den, das wir einer­seits ertra­gen müs­sen, wäh­rend wir gleich­zei­tig alles mög­li­che tun müs­sen, damit sich sol­che Fäl­le nicht wie­der­ho­len. Dabei ist es auch kein Trost zu wis­sen, daß laut Unter­su­chun­gen der Sozio­lo­gen, der Anteil von Prie­stern, die sich die­ser Ver­bre­chen schul­dig gemacht haben, nicht höher ist, als der ande­rer, ver­gleich­ba­rer Grup­pen. Jeden­falls soll­te man nicht ver­bis­sen die­se Abir­rung so dar­stel­len, als wür­de es sich um einen spe­zi­fisch katho­li­schen Schmutz han­deln.“ Wenn es auch rich­tig ist, die Übel in der Kir­che auf­zu­zei­gen, „darf man aber nicht die gro­ße leuch­ten­de Bahn der Güte und Rein­heit unter­schla­gen, die der christ­li­che Glau­ben durch die Jahr­hun­der­te gezo­gen hat… Es ist auch heu­te so, daß der Glau­ben vie­le Men­schen zu einer selbst­lo­sen Lie­be ver­an­laßt, im Dienst für die ande­ren, zu Ehr­lich­keit und Gerechtigkeit“.

 

 

ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
BEIM WEIHNACHTSEMPFANG FÜR DAS KARDINALSKOLLEGIUM
UND DIE MITGLIEDER DER RÖMISCHEN KURIE
SOWIE DES GOVERNATORATS

„Sala Cle­men­ti­na“, Apo­sto­li­scher Palast
Mon­tag, 21. Dezem­ber 2009

 

Mei­ne Her­ren Kardinäle,
ver­ehr­te Mit­brü­der im bischöf­li­chen und im prie­ster­li­chen Dienst,
lie­be Brü­der und Schwestern!

Das Hoch­fest von Weih­nach­ten ist – wie der Kar­di­nal Dekan Ange­lo Sod­a­no eben her­vor­ge­ho­ben hat – für die Chri­sten eine ganz beson­de­re Gele­gen­heit der Begeg­nung und des Mit­ein­an­ders. Jenes Kind, das wir in Bet­le­hem anbe­ten, lädt uns ein, die gren­zen­lo­se Lie­be Got­tes zu spü­ren, des Got­tes, der vom Him­mel her­ab­ge­stie­gen und einem jeden von uns nahe gewor­den ist, um uns zu sei­nen Kin­dern zu machen, zuge­hö­rig zu sei­ner Fami­lie. Auch die­ses tra­di­tio­nel­le weih­nacht­li­che Zusam­men­kom­men des Nach­fol­gers Petri mit sei­nen eng­sten Mit­ar­bei­tern ist ein Fami­li­en­tref­fen, das die Ban­de der Zunei­gung und des Mit­ein­an­ders festigt, um immer mehr den eben erwähn­ten »stän­di­gen Abend­mahls­saal« zu bil­den, der der Ver­brei­tung des Got­tes­rei­ches geweiht ist. Ich dan­ke dem Kar­di­nal Dekan für sei­ne herz­li­chen Wor­te, mit denen er die Glück­wün­sche des Kar­di­nals­kol­le­gi­ums, der Mit­glie­der der Römi­schen Kurie und des Gover­na­torats wie auch aller Päpst­li­chen Ver­tre­ter zum Aus­druck gebracht hat, die uns zutiefst ver­bun­den sind, indem sie den Men­schen unse­rer Zeit jenes Licht zutra­gen, das in der Krip­pe von Bet­le­hem gebo­ren ist. Ich emp­fan­ge Sie mit gro­ßer Freu­de und möch­te dabei auch allen mei­nen Dank sagen für den groß­her­zi­gen und kom­pe­ten­ten Dienst, den Sie für den »Vica­ri­us Chri­sti« und die gan­ze Kir­che leisten.

Wie­der­um geht ein Jahr zu Ende, das reich war an wich­ti­gen Ereig­nis­sen für die Kir­che und für die Welt. Nur auf ein paar Schwer­punk­te für das kirch­li­che Leben möch­te ich in die­ser Stun­de dank­bar rück­blickend die Auf­merk­sam­keit len­ken. Das Pau­lus­jahr ist in das Prie­ster­jahr über­ge­gan­gen. Von der wuch­ti­gen Gestalt des Völ­ker­apo­stels Pau­lus, der vom Licht des auf­er­stan­de­nen Chri­stus und von sei­nem Ruf getrof­fen das Evan­ge­li­um zu den Völ­kern der Welt trug, sind wir über­ge­gan­gen zu der demü­ti­gen Gestalt des Pfar­rers von Ars, der sein Leben lang in dem klei­nen Dorf blieb, das man ihm anver­traut hat­te und doch gera­de in der Demut sei­nes Dien­stes die ver­söh­nen­de Güte Got­tes weit­hin in der Welt sicht­bar mach­te. Von bei­den Gestal­ten her wird die Spann­wei­te des prie­ster­li­chen Dien­stes offen­bar und wird sicht­bar, wie gera­de das Klei­ne groß ist und wie Gott durch den schein­bar klei­nen Dienst eines Men­schen Gro­ßes wir­ken, die Welt von innen her rei­ni­gen und erneu­ern kann.

Für die Kir­che und für mich per­sön­lich stand das ver­flos­se­ne Jahr weit­ge­hend im Zei­chen Afri­kas. Da war zunächst die Rei­se nach Kame­run und nach Ango­la. Es war für mich bewe­gend, die gro­ße Herz­lich­keit zu erle­ben, mit der der Nach­fol­ger Petri, der »Vica­ri­us Chri­sti«, auf­ge­nom­men wur­de. Die fest­li­che Freu­de und die herz­li­che Zunei­gung, die mir auf allen Stra­ßen begeg­ne­te, galt ja nicht ein­fach irgend­ei­nem zufäl­li­gen Gast. In der Begeg­nung mit dem Papst wur­de die uni­ver­sa­le Kir­che erfahr­bar, die welt­wei­te Gemein­schaft, die Gott durch Chri­stus sam­melt – die Gemein­schaft, die nicht durch mensch­li­che Inter­es­sen begrün­det ist, son­dern aus der Zuwen­dung Got­tes zu uns kommt. Daß wir alle mit­ein­an­der Fami­lie Got­tes sind, Brü­der und Schwe­stern vom einen Vater her, das wur­de erlebt. Und es wur­de erlebt, daß Got­tes Zuwen­dung zu uns in Chri­stus nicht eine Sache der Ver­gan­gen­heit ist und nicht eine Sache gelehr­ter Theo­rien, son­dern eine ganz kon­kre­te Wirk­lich­keit, hier und jetzt. ER ist unter uns: Das spür­ten wir durch den Dienst des Petrus­nach­fol­gers hin­durch. So waren wir über die blo­ße All­täg­lich­keit hin­aus­ge­ho­ben. Der Him­mel stand offen, und das macht einen Tag zum Fest. Und dies ist zugleich etwas Blei­ben­des. Es gilt auch wei­ter, auch im All­tag, daß der Him­mel nicht mehr ver­schlos­sen ist. Daß Gott nahe ist. Daß wir in Chri­stus alle ein­an­der zugehören.

Beson­ders tief hat sich mir die Erin­ne­rung an die lit­ur­gi­schen Fei­ern ein­ge­prägt. Die Fei­ern der hei­li­gen Eucha­ri­stie waren wirk­li­che Feste des Glau­bens. Ich möch­te zwei Ele­men­te benen­nen, die mir beson­ders wich­tig erschei­nen. Da war zunächst eine gro­ße gemein­sa­me Freu­de, die sich auch kör­per­lich aus­drück­te, aber zucht­voll und von der Anwe­sen­heit des leben­di­gen Got­tes geformt. Damit ist schon das zwei­te Ele­ment benannt: der Sinn für das Sakra­le, für das gegen­wär­ti­ge Myste­ri­um des leben­di­gen Got­tes präg­te sozu­sa­gen jede ein­zel­ne Gebär­de. Der Herr ist da – der Schöp­fer, der, dem alles gehört, von dem wir kom­men und zu dem wir unter­wegs sind. Mir kamen spon­tan die Wor­te des hl. Cypri­an aus sei­ner Vater-unser-Aus­le­gung in den Sinn: »Den­ken wir dar­an, daß wir im Ange­blickt-Wer­den von Gott ste­hen. Wir müs­sen den Augen Got­tes gefal­len, sowohl mit der Hal­tung unse­res Kör­pers wie mit dem Gebrauch unse­rer Stim­me« (De dom. or. 4 CSEL III 1 p 269). Ja, die­ses Bewußt­sein war da: Wir ste­hen vor Gott. Dar­aus kommt nicht Angst oder Ver­klem­mung, auch kein äuße­rer Rubri­ken­ge­hor­sam, noch weni­ger gegen­sei­ti­ge Selbst­dar­stel­lung oder zucht­lo­ses Geschrei. Da war viel­mehr das, was die Väter »sobria ebrie­tas« nann­ten: das Erfüllt­sein von einer Freu­de, die doch nüch­tern und geord­net bleibt, die Men­schen von innen her eint in den gemein­sa­men Lob­preis Got­tes hin­ein, der zugleich die Lie­be zum Näch­sten, die Ver­ant­wor­tung für­ein­an­der weckt.

Zu der Afri­ka-Rei­se gehör­te natür­lich vor allem auch die Begeg­nung mit den Brü­dern im Bischofs­amt und die Eröff­nung der Afri­ka-Syn­ode durch die Über­ga­be des »Instru­men­tum labo­ris«. Sie geschah im Rah­men eines abend­li­chen Gesprächs am Fest­tag des hl. Josef, bei dem die Ver­tre­ter der ein­zel­nen Epi­sko­pa­te auf beein­drucken­de Wei­se ihre Hoff­nun­gen und Sor­gen dar­ge­stellt haben. Ich den­ke, daß der gute Haus­va­ter Sankt Josef, der das sor­gen­de und hof­fen­de Abwä­gen der wei­te­ren Wege der Fami­lie selbst gut kennt, uns lie­be­voll zuge­hört und uns auch sein Geleit in die Syn­ode selbst hin­ein­ge­ge­ben hat. Wer­fen wir nur einen kur­zen Blick auf die Syn­ode. Bei mei­nem Besuch in Afri­ka war vor allem die theo­lo­gi­sche und pasto­ra­le Kraft des päpst­li­chen Pri­mats als Sam­mel­punkt für die Ein­heit der Fami­lie Got­tes sicht­bar gewor­den. Hier, in der Syn­ode, erschien um so stär­ker die Bedeu­tung der Kol­le­gia­li­tät – die Ein­heit der Bischö­fe, die ihr Amt ja gera­de dadurch emp­fan­gen, daß sie in die Gemein­schaft der Apo­stel­nach­fol­ger ein­tre­ten: Jeder ist nur Bischof, Apo­stel­nach­fol­ger im Mit­sein der Gemein­schaft derer, in denen das »Col­le­gi­um Apo­sto­lorum« in der Ein­heit mit Petrus und sei­nem Nach­fol­ger wei­ter­geht. Wie in den Lit­ur­gien in Afri­ka und dann wie­der in Sankt Peter in Rom die lit­ur­gi­sche Erneue­rung des II. Vati­can­ums vor­bild­lich Gestalt annahm, so wur­de im Mit­ein­an­der der Syn­ode die Ekkle­sio­lo­gie des Kon­zils ganz prak­tisch gelebt. Bewe­gend waren auch die Zeug­nis­se, die wir von den Gläu­bi­gen aus Afri­ka hören durf­ten – Zeug­nis­se kon­kre­ten Lei­dens und Ver­söh­nens in den Dra­men der jüng­sten Geschich­te des Kontinents.

Die Syn­ode hat­te sich das The­ma gestellt: Die Kir­che in Afri­ka im Dienst von Ver­söh­nung, Gerech­tig­keit und Frie­den. Dies ist ein theo­lo­gi­sches und vor allem ein pasto­ra­les The­ma von bren­nen­der Aktua­li­tät, aber es konn­te auch als ein poli­ti­sches The­ma miß­ver­stan­den wer­den. Die Auf­ga­be der Bischö­fe war es, die Theo­lo­gie zur Pasto­ral zu machen, das heißt zu ganz kon­kre­tem Hir­ten­dienst, in dem die gro­ßen Visio­nen der Hei­li­gen Schrift und der Über­lie­fe­rung prak­tisch ange­wandt wer­den auf das Wir­ken der Bischö­fe und Prie­ster in einer bestimm­ten Zeit und an einem bestimm­ten Ort. Dabei durf­te man aber nicht der Ver­su­chung ver­fal­len, selbst die Poli­tik in die Hand zu neh­men und sich aus Hir­ten zu poli­ti­schen Füh­ren zu machen. In der Tat ist es ja immer wie­der die ganz prak­ti­sche Fra­ge, vor der die Hir­ten der Kir­che ste­hen: Wie kön­nen wir rea­li­stisch und prak­tisch sein, ohne uns eine poli­ti­sche Kom­pe­tenz anzu­ma­ßen, die uns nicht zusteht? Wir könn­ten auch sagen: Es ging um das Pro­blem einer prak­ti­zier­ten und recht aus­ge­leg­ten posi­ti­ven »laï cité«. Dies ist auch ein Grund­the­ma der am Peter- und Pauls-Tag ver­öf­fent­lich­ten Enzy­kli­ka »Cari­tas in veri­ta­te«, die damit die Fra­ge nach dem theo­lo­gi­schen und prak­ti­schen Ort der katho­li­schen Sozi­al­leh­re auf­ge­nom­men und wei­ter­ge­führt hat.

Ist es den Syn­oden­vä­tern gelun­gen, den eher schma­len Weg zwi­schen blo­ßer theo­lo­gi­scher Theo­rie und direk­ter poli­ti­scher Akti­on zu fin­den, den Weg des »Hir­ten«? In mei­ner klei­nen Rede zum Abschluß der Syn­ode habe ich dies bewußt und aus­drück­lich bejaht. Natür­lich wer­den wir bei der Aus­ar­bei­tung des post­syn­oda­len Doku­ments dar­auf ach­ten müs­sen, die­se Balan­ce ein­zu­hal­ten und damit den Bei­trag für Kir­che und Gesell­schaft in Afri­ka zu lei­sten, der der Kir­che von ihrer Sen­dung her auf­ge­tra­gen ist. Ich möch­te dies an einem ein­zel­nen Punkt ganz kurz zu erläu­tern ver­su­chen. Wie schon gesagt, nennt das The­ma der Syn­ode drei gro­ße Grund­wor­te theo­lo­gi­scher und sozia­ler Ver­ant­wor­tung: Ver­söh­nung – Gerech­tig­keit – Frie­de. Man könn­te sagen, daß Ver­söh­nung und Gerech­tig­keit die bei­den wesent­li­chen Vor­aus­set­zun­gen von Frie­de sind und so bis zu einem gewis­sen Grad auch des­sen Wesen defi­nie­ren. Beschrän­ken wir uns auf das Wort Ver­söh­nung. Ein Blick auf die Lei­den und Nöte der jün­ge­ren Geschich­te Afri­kas, aber auch in vie­len ande­ren Tei­len der Erde zeigt, daß unge­lö­ste und tief ver­wur­zel­te Gegen­sät­ze in bestimm­ten Situa­tio­nen zu Explo­sio­nen der Gewalt füh­ren kön­nen, in denen alle Mensch­lich­keit ver­lo­ren scheint. Frie­de kann nur wer­den, wenn es zu inne­rer Ver­söh­nung kommt. Als posi­ti­ves Bei­spiel für einen gelin­gen­den Ver­söh­nungs­pro­zeß kön­nen wir die Geschich­te Euro­pas seit dem Zwei­ten Welt­krieg anse­hen. Daß es in West- und Mit­tel­eu­ro­pa seit 1945 kei­ne Krie­ge mehr gege­ben hat, beruht sicher wesent­lich auf intel­li­gen­ten und mora­lisch geform­ten poli­ti­schen und öko­no­mi­schen Struk­tu­ren, aber die konn­ten sich doch nur bil­den, weil es inne­re Pro­zes­se des Ver­söh­nens gab, die ein neu­es Mit­ein­an­der ermög­licht haben. Jede Gesell­schaft braucht Ver­söh­nun­gen, damit Frie­de sein kann. Ver­söh­nun­gen sind für gute Poli­tik not­wen­dig, aber von der Poli­tik allein nicht zu lei­sten. Sie sind vor­po­li­ti­sche Pro­zes­se, die aus ande­ren Quel­len kom­men müssen.

Die Syn­ode hat ver­sucht, den Begriff Ver­söh­nung als Auf­trag an die Kir­che von heu­te aus­zu­leuch­ten und dabei auf sei­ne ver­schie­de­nen Dimen­sio­nen auf­merk­sam gemacht. Der Ruf, den der hl. Pau­lus an die Korin­ther gerich­tet hat, ist gera­de heu­te von neu­er Aktua­li­tät. »Wir sind Gesand­te an Chri­sti Statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bit­ten an Chri­sti Statt: Laßt euch mit Gott ver­söh­nen!« (2 Kor 5,20). Wenn der Mensch mit Gott nicht ver­söhnt ist, ist er auch mit der Schöp­fung im Unfrie­den. Er ist unver­söhnt mit sich selbst, möch­te sich selbst als einen ande­ren haben und ist daher auch unver­söhnt mit dem Näch­sten. Zur Ver­söh­nung gehört des wei­te­ren die Fähig­keit, Schuld zu erken­nen und um Ver­ge­bung zu bit­ten – Gott und den ande­ren Men­schen. Zum Vor­gang der Ver­söh­nung gehört schließ­lich die Bereit­schaft zur Buße, die Bereit­schaft, Schuld aus­zu­lei­den und sich selbst ändern zu las­sen. Und es gehört dazu die »gra­tui­tas«, von der die Enzy­kli­ka »Cari­tas in veri­ta­te« mehr­fach spricht: die Bereit­schaft, über das Not­wen­di­ge hin­aus­zu­ge­hen, nicht auf­zu­rech­nen, son­dern wei­ter­zu­ge­hen als die blo­ßen Rechts­ver­hält­nis­se es ver­lan­gen. Es gehört dazu jene Groß­zü­gig­keit, die Gott selbst uns vor­ge­macht hat. Den­ken wir an das Wort Jesu: Wenn du dei­ne Gabe zum Altar bringst und du erin­nerst dich, daß dein Bru­der etwas gegen dich hat, laß die Gabe lie­gen, brich auf, ver­söh­ne dich zuerst mit dei­nem Bru­der, und dann komm und bring dei­ne Gabe (Mt 5,23f.). Gott, der uns unver­söhnt wuß­te, der sah, daß wir etwas gegen ihn haben, ist auf­ge­stan­den und uns ent­ge­gen­ge­gan­gen, obwohl er allein im Recht war. Er ist uns ent­ge­gen­ge­gan­gen bis zum Kreuz hin, um uns zu ver­söh­nen. Das ist »gra­tui­tas«: die Bereit­schaft, zuerst auf­zu­bre­chen. Zuerst dem ande­ren ent­ge­gen­zu­ge­hen, ihm die Ver­söh­nung anzu­bie­ten, den Schmerz auf sich zu neh­men, der im Ver­zicht auf das eige­ne Recht­ha­ben liegt. Nicht nach­zu­las­sen im Wil­len des Ver­söh­nens: Das hat Gott uns vor­ge­macht, und dies ist die Wei­se, gott­ähn­lich zu wer­den, die wir in der Welt immer von neu­em brau­chen. Wir müs­sen heu­te die Fähig­keit neu erler­nen, Schuld anzu­er­ken­nen, den Unschulds­wahn abzu­schüt­teln. Wir müs­sen die Fähig­keit erler­nen, Buße zu tun, uns ändern zu las­sen; dem ande­ren ent­ge­gen­zu­ge­hen und von Gott her uns den Mut und die Kraft zu sol­cher Erneue­rung schen­ken zu las­sen. In die­ser unse­rer Welt von heu­te müs­sen wir das Sakra­ment der Buße und der Ver­söh­nung neu ent­decken. Daß es aus den Lebens­voll­zü­gen der Chri­sten weit­ge­hend ver­schwun­den ist, ist ein Sym­ptom für einen Ver­lust an Wahr­haf­tig­keit uns selbst und Gott gegen­über; ein Ver­lust, der unse­re Mensch­lich­keit gefähr­det und der unse­re Frie­dens­fä­hig­keit ver­min­dert. Der hl. Bona­ven­tura war der Mei­nung, daß das Sakra­ment der Buße ein Mensch­heits­sa­kra­ment ist, das Gott in sei­nem wesent­li­chen Grund schon unmit­tel­bar nach dem Sün­den­fall mit der Buße für Adam ein­ge­setzt habe, auch wenn es sei­ne gan­ze Gestalt erst in Chri­stus erhal­ten konn­te, der selbst die ver­söh­nen­de Kraft Got­tes ist und unse­re Buße auf sich genom­men hat. In der Tat, die Ein­heit von Schuld, Buße und Ver­ge­bung ist eine der Grund­be­din­gun­gen der Mensch­lich­keit, die im Sakra­ment ihre vol­le Gestalt erhal­ten, aber von den Wur­zeln her zum Mensch­sein als sol­chem gehö­ren. Die Bischofs­syn­ode für Afri­ka hat des­halb mit Recht Ver­söh­nungs­ri­tua­le der afri­ka­ni­schen Tra­di­ti­on mit in ihre Betrach­tun­gen ein­be­zo­gen als Lern­or­te und Vor­be­rei­tun­gen für die gro­ße Ver­söh­nung, die Gott uns im Buß­sa­kra­ment schenkt. Die­se Ver­söh­nung braucht aber den wei­ten Vor­hof der Aner­kennt­nis von Schuld und der Demut des Büßens. Ver­söh­nung ist ein vor­po­li­ti­scher Begriff und eine vor­po­li­ti­sche Rea­li­tät, die gera­de so von höch­ster Bedeu­tung für die Auf­ga­be der Poli­tik selbst ist. Wenn nicht in den Her­zen die Kraft des Ver­söh­nens geschaf­fen wird, fehlt dem poli­ti­schen Rin­gen um den Frie­den die inne­re Vor­aus­set­zung. In der Syn­ode haben sich die Hir­ten der Kir­che um jene inne­re Rei­ni­gung des Men­schen gemüht, die die wesent­li­che Vor­aus­set­zung für den Auf­bau der Gerech­tig­keit und des Frie­dens dar­stellt. Die­se inne­re Rei­ni­gung und Rei­fung zu wah­rer Mensch­lich­keit gibt es aber nicht ohne Gott.

Ver­söh­nung – bei die­sem Stich­wort kommt mir die zwei­te gro­ße Rei­se des ver­gan­ge­nen Jah­res in den Sinn: die Pil­ger­fahrt nach Jor­da­ni­en und ins Hei­li­ge Land. Dabei möch­te ich zual­ler­erst dem König von Jor­da­ni­en herz­lich dan­ken für die gro­ße Gast­freund­schaft, mit der er mich emp­fan­gen und auf dem gan­zen Weg mei­ner Pil­ger­schaft beglei­tet hat. Mein Dank gilt beson­ders auch für die vor­bild­li­che Wei­se, in der er sich um das fried­li­che Mit­ein­an­der von Chri­sten und Mos­lems müht, um die Ehr­furcht vor der Reli­gi­on des ande­ren und um das Mit­ein­an­der in der gemein­sa­men Ver­ant­wor­tung vor Gott. Eben­so dan­ke ich der Regie­rung von Isra­el herz­lich für alles, was sie getan hat, damit der Besuch fried­lich und in Sicher­heit ver­lau­fen konn­te. Beson­ders dank­bar bin ich für die Mög­lich­keit, zwei gro­ße öffent­li­che Got­tes­dien­ste – in Jeru­sa­lem und in Naza­ret – zu fei­ern, in denen die Chri­sten sich öffent­lich als Gemein­schaft des Glau­bens im Hei­li­gen Land dar­stel­len konn­ten. Schließ­lich gilt mein Dank der palä­sti­nen­si­schen Auto­ri­tät, die mich gleich­falls mit gro­ßer Herz­lich­keit auf­ge­nom­men, mir eben­falls einen öffent­li­chen Got­tes­dienst in Bet­le­hem mög­lich gemacht hat und mich die Lei­den wie die Hoff­nun­gen ihres Lan­des erfah­ren ließ. Alles, was in die­sen Län­dern zu sehen ist, ruft nach Ver­söh­nung, nach Gerech­tig­keit, nach Frie­den. Der Besuch in Yad Vas­hem bedeu­te­te eine erschüt­tern­de Begeg­nung mit der Grau­sam­keit mensch­li­cher Schuld, mit dem Haß einer ver­blen­de­ten Ideo­lo­gie, die Mil­lio­nen von Men­schen grund­los dem Tod preis­gab und damit letzt­lich auch Gott, den Gott Abra­hams, Isaaks, Jakobs und den Gott Jesu Chri­sti aus der Welt ver­drän­gen woll­te. So ist dies zual­ler­erst ein Mahn­mal gegen den Haß, ein Ruf nach Rei­ni­gung und Ver­ge­bung, nach Lie­be. Gera­de die­ses Denk­mal mensch­li­cher Schuld mach­te dann den Besuch bei den Erin­ne­rungs­or­ten des Glau­bens um so wich­ti­ger und ließ deren unver­brauch­te Aktua­li­tät spü­ren. In Jor­da­ni­en haben wir den tief­sten Punkt der Erde am Jor­dan gese­hen. Wie soll­te man sich da nicht erin­nert füh­len an das Wort aus dem Ephe­ser­brief, daß Chri­stus hin­ab­ge­stie­gen ist »in die unter­sten Tei­le der Erde« (Eph 4,9). In Chri­stus ist Gott hin­ab­ge­stie­gen bis in die letz­te Tie­fe des Mensch­seins, bis in die Nacht des Has­ses und der Ver­blen­dung, bis in die Dun­kel­heit der Got­tes­fer­ne des Men­schen, um dort das Licht sei­ner Lie­be zu ent­zün­den. Auch in der tief­sten Nacht ist er: Auch in der Unter­welt bist du zuge­gen – die­ses Wort aus Ps 139 [138], 8 ist im Abstieg Jesu Wahr­heit gewor­den. So war dann das Begeg­nen mit den Orten des Heils in der Ver­kün­di­gungs­kir­che in Naza­ret, der Geburts­grot­te zu Bet­le­hem, der Kreu­zi­gungs­stät­te auf Gol­go­ta, dem lee­ren Grab als Zeug­nis der Auf­er­ste­hung gleich­sam ein Berüh­ren der Geschich­te Got­tes mit uns. Der Glau­be ist kein Mythos. Er ist wah­re Geschich­te, deren Spu­ren wir anrüh­ren kön­nen. Die­ser Rea­lis­mus des Glau­bens tut uns in den Bedräng­nis­sen der Gegen­wart beson­ders gut. Gott hat sich wirk­lich gezeigt. In Jesus Chri­stus hat er wirk­lich Fleisch ange­nom­men. Er bleibt als Auf­er­stan­de­ner wah­rer Mensch, öff­net immer­fort unser Mensch­sein auf Gott hin und ist uns immer­fort Gewähr dafür, daß Gott ein naher Gott ist. Ja, Gott lebt, und er geht uns an. In all sei­ner Grö­ße ist er doch der nahe Gott, der Gott mit uns, der uns immer­fort zuruft: Laßt euch mit mir und mit­ein­an­der ver­söh­nen. Immer stellt er den Auf­trag des Ver­söh­nens in unser per­sön­li­ches und gemein­schaft­li­ches Leben hinein.

Schließ­lich möch­te ich auch noch ein Wort des Dan­kes und der Freu­de zu mei­ner Rei­se in die Tsche­chi­sche Repu­blik sagen. Immer wur­de ich vor­her dar­auf hin­ge­wie­sen, daß dies ein Land mit einer Mehr­heit von Agno­sti­kern und Athe­isten sei, in dem die Chri­sten nur noch eine Min­der­heit bil­den. Um so freu­di­ger war die Über­ra­schung dar­über, daß ich allent­hal­ben von einer gro­ßen Herz­lich­keit und Freund­schaft umge­ben war. Daß gro­ße Got­tes­dien­ste in einer freu­di­gen Atmo­sphä­re des Glau­bens gefei­ert wur­den. Daß im Bereich der Uni­ver­si­tä­ten und der Kul­tur mein Wort wache Auf­merk­sam­keit fand. Daß die Auto­ri­tä­ten des Staa­tes mir mit gro­ßer Freund­lich­keit begeg­ne­ten und alles getan haben, um dem Besuch zum Erfolg zu ver­hel­fen. Ich wäre jetzt ver­sucht, etwas über die Schön­heit des Lan­des und die groß­ar­ti­gen Zeug­nis­se christ­li­cher Kul­tur zu sagen, die die­se Schön­heit erst voll­kom­men machen. Vor allem aber ist mir wich­tig, daß auch die Men­schen, die sich als Agno­sti­ker oder als Athe­isten anse­hen, uns als Gläu­bi­ge ange­hen. Wenn wir von neu­er Evan­ge­li­sie­rung spre­chen, erschrecken die­se Men­schen viel­leicht. Sie wol­len sich nicht als Objekt von Mis­si­on sehen und ihre Frei­heit des Den­kens und des Wol­lens nicht preis­ge­ben. Aber die Fra­ge nach Gott bleibt doch auch für sie gegen­wär­tig, auch wenn sie an die kon­kre­te Wei­se sei­ner Zuwen­dung zu uns nicht glau­ben kön­nen. In Paris habe ich vom Gott­su­chen als grund­le­gen­dem Antrieb gespro­chen, aus dem das abend­län­di­sche Mönch­tum und mit ihm die abend­län­di­sche Kul­tur gebo­ren wur­de. Als ersten Schritt von Evan­ge­li­sie­rung müs­sen wir ver­su­chen, die­se Suche wach­zu­hal­ten; uns dar­um mühen, daß der Mensch die Got­tes­fra­ge als wesent­li­che Fra­ge sei­ner Exi­stenz nicht bei­sei­te schiebt. Daß er die Fra­ge und die Sehn­sucht annimmt, die dar­in sich ver­birgt. Hier fällt mir das Wort ein, das Jesus aus dem Pro­phe­ten Jesa­ja zitiert hat: daß der Tem­pel von Jeru­sa­lem ein Gebets­haus für alle Völ­ker sein sol­le (Jes 56,7; Mk 11,17). Er dach­te dabei an den soge­nann­ten Vor­hof der Hei­den, den er von äuße­ren Geschäf­tig­kei­ten räum­te, damit der Frei­raum da sei für die Völ­ker, die hier zu dem einen Gott beten wol­len, auch wenn sie dem Geheim­nis nicht zuge­hö­ren konn­ten, dem das Inne­re des Tem­pels dien­te. Gebets­raum für alle Völ­ker – dabei war an Men­schen gedacht, die Gott sozu­sa­gen nur von fer­ne ken­nen; die mit ihren Göt­tern, Riten und Mythen unzu­frie­den sind; die das Rei­ne und Gro­ße erseh­nen, auch wenn Gott für sie der »unbe­kann­te Gott« bleibt (Apg 17,23). Sie soll­ten zum unbe­kann­ten Gott beten kön­nen und damit doch mit dem wirk­li­chen Gott in Ver­bin­dung sein, wenn auch in vie­ler­lei Dun­kel­heit. Ich den­ke, so eine Art »Vor­hof der Hei­den« müs­se die Kir­che auch heu­te auf­tun, wo Men­schen irgend­wie sich an Gott anhän­gen kön­nen, ohne ihn zu ken­nen und ehe sie den Zugang zum Geheim­nis gefun­den haben, dem das inne­re Leben der Kir­che dient. Zum Dia­log der Reli­gio­nen muß heu­te vor allem auch das Gespräch mit denen hin­zu­tre­ten, denen die Reli­gio­nen fremd sind, denen Gott unbe­kannt ist und die doch nicht ein­fach ohne Gott blei­ben, ihn wenig­stens als Unbe­kann­ten den­noch anrüh­ren möchten.

Zuletzt noch ein­mal ein Wort zum Jahr der Prie­ster. Als Prie­ster sind wir für alle da: für die, die Gott aus der Nähe ken­nen und für die, denen er der Unbe­kann­te ist. Wir alle müs­sen ihn immer wie­der neu ken­nen­ler­nen und müs­sen ihn immer neu suchen, damit wir wirk­li­che Freun­de Got­tes wer­den. Wie anders als durch Men­schen, die Freun­de Got­tes sind, könn­ten wir zuletzt Gott ken­nen­ler­nen? Der tief­ste Kern unse­res prie­ster­li­chen Dien­stes ist es, Freun­de Chri­sti (Joh 15,15), Freun­de Got­tes zu sein, durch die auch ande­re Men­schen Gott nahe wer­den kön­nen. So ist mit mei­nem herz­li­chen Dank für alle Hil­fe das gan­ze Jahr hin­durch dies mein Wunsch zu Weih­nach­ten: Daß wir immer mehr Freun­de Jesu Chri­sti und so Freun­de Got­tes wer­den und dadurch Salz der Erde und Licht der Welt sein dür­fen. Geseg­ne­te Weih­nach­ten und ein gutes neu­es Jahr!

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Tempi/​Vatican Insider

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