Was hat Papst Franziskus wirklich zum Vorsitzenden des Jüdischen Weltkongresses gesagt? – Heftige Polemik in Polen


Papst Franziskus und WJC-Präsident Ronald Lauder: Was sagte Papst Franziskus wirklich bei dieser Audienz? Heftige Polemiken in Polen(War­schau) Die juden­freund­li­chen Wor­te, die Papst Fran­zis­kus am Mon­tag zum Vor­sit­zen­den des Jüdi­schen Welt­kon­gres­ses (WJC) sag­te, und von die­sem dafür auch aner­ken­nen­des Lob erhielt, sor­gen in Polen für hef­ti­ge Pole­mik. Die offi­zi­el­le Erklä­rung des Vati­kans über die Audi­enz, die der Papst der höch­sten Füh­rungs­spit­ze des WJC gewähr­te, und die offi­zi­el­le Erklä­rung des WJC stim­men näm­lich nicht überein. 

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Wäh­rend der Vati­kan nichts davon erwähn­te, hieß es in der WJC-Erklä­rung, daß auch über jüdi­sche Ange­le­gen­hei­ten in Euro­pa gespro­chen wor­den sei. In die­sem Zusam­men­hang ging es um Geset­ze zum Schächt- und Beschnei­dungs­ver­bot, die von der bedeu­tend­sten und ein­fluß­reich­sten jüdi­schen Orga­ni­sa­ti­on als „anti-jüdisch“ beklagt wur­den. Der WJC berich­te­te dem Papst von einem „neu­en Anti­se­mi­tis­mus“ und nann­te in die­sem Zusam­men­hang aus­drück­lich Polen. Ein Zusam­men­hang, der vie­len Polen und auch in pol­ni­schen Kir­chen­krei­sen aufstößt.

„Sonderauftrag“ für Kardinal Koch in Polen? – Päpstliche Solidarität mit Juden stößt auf Kritik

Mehr noch für Kri­tik sorgt, daß Papst Fran­zis­kus die Polen nicht in Schutz nahm, son­dern der jüdi­schen Kri­tik zuge­stimmt haben soll. In der WJC-Erklä­rung heißt es, der Papst habe sich „besorgt“ über das Schächt­ver­bot gezeigt und Kar­di­nal Koch, den Vor­sit­zen­den des Päpst­li­chen Rats zur För­de­rung der Ein­heit der Chri­sten beauf­tragt, zu der Ange­le­gen­heit „to inve­sti­ga­te“ (zu ermit­teln) und inner­halb der kom­men­den Woche ein Son­der­tref­fen einzuberufen.

Die päpst­li­che “Soli­da­ri­tät“ mit den Juden und päpst­li­che „Ermitt­lun­gen“ gegen Polen fin­den in der pol­ni­schen Pres­se brei­ten Nie­der­schlag. In den Medi­en wird die Äuße­rung des Pap­stes als „unpas­send“ bezeich­net. Die Kri­tik wird in abge­wo­ge­ner Wort­wahl, aber deut­lich vor­ge­bracht. Auf den Stra­ßen sind hef­ti­ge­re Aus­sa­gen zu hören in einer Mischung aus Ent­täu­schung, Unver­ständ­nis und empör­tem Natio­nal­stolz. In Kra­kau stellt eine Frau um die 40 auf die Fra­ge, was sie zur päpst­li­chen Aus­sa­ge meint, sicht­lich ver­är­gert die Gegen­fra­ge: „Muß der Papst nicht uns ver­tei­di­gen? Wir sind Katho­li­ken. War­um ver­tei­digt er die Juden, die Chri­stus ver­leug­nen?“ Die umste­hen­den Frau­en, sie kom­men gera­de vom Ein­kauf, pflich­ten bei.

Vatikansprecher Lombardi dementiert Jüdischen Weltkongreß

Inzwi­schen berich­te­te auch die Jeru­sa­lem Post. Am Diens­tag kam die Sache beim täg­li­chen Tref­fen von Vati­kan­spre­cher Pater Feder­i­co Lom­bar­di SJ mit Jour­na­li­sten zur Spra­che. Lom­bar­di sah sich genö­tigt, den Jüdi­schen Welt­kon­greß zu kor­ri­gie­ren. „Es gibt kei­nen beson­de­ren Auf­trag des Pap­stes an Kar­di­nal Koch bezüg­lich der Bestim­mun­gen zur Tier­schlach­tung in Polen“, so der Vatikansprecher.

Der Kon­flikt um das ritu­el­le jüdi­sche Schäch­ten war in Polen aus­ge­bro­chen, nach­dem der Ver­fas­sungs­ge­richts­hof die Metho­de wegen der Tier­quä­le­rei als ver­fas­sungs­wid­rig bezeich­net hat­te. Damit löste er hef­ti­ge Pro­te­ste der jüdi­schen Orga­ni­sa­tio­nen in ganz Euro­pa und auf inter­na­tio­na­ler Ebe­ne aus. Die jüdi­schen Ver­bän­de spra­chen von einer „ver­nich­ten­den Aus­wir­kung auf die Religionsfreiheit“.

Polnisches Parlament lehnte Sondergenehmigung für rituelles jüdisches Schächten ab

Jüngst lehn­te das pol­ni­sche Par­la­ment mehr­heit­lich einen Gesetz­ent­wurf der bür­ger­lich-libe­ra­len Regie­rung ab, die damit die jüdi­sche Ritu­al­schäch­tung wie­der zulas­sen woll­te. Die Regie­rung stütz­te sich dabei auf eine im Janu­ar von der EU erlas­se­ne Richt­li­nie, die aus­drück­lich den Juden die ritu­el­le Schäch­tung erlaubt. Auch Isra­el wur­de auf diplo­ma­ti­schem Par­kett aktiv und bezeich­ne­te das pol­ni­sche Schächt­ver­bot als „völ­lig inakzeptabel“.

Die Reak­tio­nen der jüdi­schen Orga­ni­sa­tio­nen beein­druck­ten die pol­ni­sche Mehr­heit nicht. Die Soli­da­ri­tät des Pap­stes hat­te man sich in Polen aller­dings nicht erwar­tet. Ent­spre­chend hef­tig sind die Dis­kus­sio­nen samt einem klei­nen „Kri­mi“, was Papst Fran­zis­kus nun wirk­lich zur WJC-Spit­ze gesagt hatte.

Die Pole­mi­ken fal­len zudem mit der Akre­di­tie­rung des neu­en pol­ni­schen Bot­schaf­ters beim Hei­li­gen Stuhl zusam­men. Piotr Nowi­na-Konop­ka wird am kom­men­den Mon­tag dem Papst sei­nen Antritts­be­such abstatten.

Große Nähe des argentinischen Papstes zum Judentum

Durch die pol­ni­schen Reak­tio­nen tritt die Freund­schaft und gro­ße Nähe des argen­ti­ni­schen Pap­stes zu den Juden ins öffent­li­che Ram­pen­licht. Mit dem Rab­bi von Bue­nos Aires gab der dama­li­ge Erz­bi­schof Berg­o­glio ein Gesprächs­buch her­aus. Die Gast­freund­schaft, die er jüdi­schen Orga­ni­sa­tio­nen, dar­un­ter auch dem logen­ähn­li­chen B’nai B’rith in katho­li­schen Kir­chen gewähr­te, war bereits vor sei­ner Wahl zum Papst in katho­li­schen Krei­sen Argen­ti­ni­ens nicht unum­strit­ten. Auch als Papst las­sen sei­ne Audi­en­zen für jüdi­sche Per­sön­lich­kei­ten oder Ver­tre­ter jüdi­scher Orga­ni­sa­tio­nen und sei­ne Bot­schaf­ten an die jüdi­sche Reli­gi­ons­ge­mein­schaft und an die israe­li­ti­sche Kul­tus­ge­mein­de in Rom die­se beson­de­re Nähe erken­nen. Bei einem Emp­fang für hohe WJC-Ver­tre­ter im Juni hat­te Papst Fran­zis­kus gesagt: „Wegen der gemein­sa­men Wur­zeln kann ein Christ nicht Anti­se­mit sein“. Am Mon­tag bekräf­tig­te er die­se Aus­sa­ge und ergänz­te sie, daß ein Christ, um eine „guter Christ“ zu sein, die jüdi­sche Geschich­te und Tra­di­ti­on ver­ste­hen müsse.

In Polen wer­den nun auch die­se Aus­sa­gen the­ma­ti­siert und teils kri­ti­siert. Die Inten­ti­on der Juni-Aus­sa­ge sei zwar klar, die Wort­wahl aber unpas­send, denn was hei­ße „Anti­se­mit“ denn genau. Die Mon­tag-Ergän­zung sei zwei­deu­tig, denn was sei mit „jüdi­scher Geschich­te und Tra­di­ti­on“ gemeint. Die jüdi­sche Geschich­te und Tra­di­ti­on des Alten Bun­des oder bis heu­te. War­um müs­se ein Mensch, um ein guter Christ zu sein, die Geschich­te und Tra­di­tio­nen der Juden nach der Geburt Chri­sti kennen?

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Tra­di­tio catholica

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