(Rom) „Nie war ein Papst so deutlich und mutig bei der Aufdeckung der gewalttätigen Wurzeln des Islam als Benedikt XVI. Nicht vor ihm und auch nicht nach ihm.“ Der Vatikanist Sandro Magister nimmt die Islam-Analyse von Papst Benedikt XVI. in dessen Regensburger Rede vom 12. September 2006 als Hilfsmittel, um die blutigen Ereignisse der ägyptischen Krise zu verstehen und empfiehlt diese Lesart allgemein. Dabei wurde das katholische Kirchenoberhaupt für seine Rede an der Universität von Regensburg nicht nur von Islamisten angegriffen, sondern ebenso von westlichen Multikulturalisten und Relativisten und nicht zuletzt auch kirchenintern heftig kritisiert. Magister macht darauf aufmerksam, daß Benedikt XVI. mit seiner Rede das genaue Gegenteil dessen getan habe, was ihm vorgeworfen wurde. Er zerstörte nicht den „Dialog“ mit dem Islam, wie vor allem kircheninterne Kritiker behaupteten, sondern brachte erst dadurch, zumindest in bescheidenem Ausmaß, so etwas wie einen Dialog zum Laufen. Wegen seiner klaren Haltung gegenüber dem Islam, habe es sich Benedikt XVI. zwei Monate nach seiner Rede erlauben können, sich in einer Moschee in Istanbul zum stillen Gebet zu sammeln. Andere, gerade auch einige kircheninterne Kritiker, hätten sich damit dem Verdacht des Synkretismus ausgesetzt. Benedikt XVI. lief diese Gefahr nicht.
.
In Kairo bekommt die Regensburger Rede neue Aktualität
von Sandro Magister
In wenigen Tagen wurden Dutzende von Kirchen, Klöstern und Wohnhäusern von Christen in Ägypten angegriffen und in Brand gesteckt. Eine Tragödie in der Tragödie nach dem Staatsstreich, der das Land am Nil in einen Bürgerkrieg mit Hunderten wenn nicht Tausenden von Opfern gestürzt hat.
Als der Osservatore Romano am 18. August über die zahlreichen internationalen Appelle berichtete, auf Gewalt zu verzichten und von Gewalttätigkeiten abzulassen, konnte er nicht einen einzigen Appell aus der islamischen Welt anführen.
Dieses öffentliche Schweigen der geistlichen Führer des Islam überrascht nicht. Er begleitet vielmehr fast jeden politischen Gewaltakt, der Moslems in dieser oder jener Weltgegend im Einsatz sieht.
Es ist ein Schweigen, das sich nicht allein mit Opportunitätskalkül erklären oder mit der Angst vor Vergeltung läßt. Auch nicht allein damit, daß heute in Ägypten der Hauptzusammenprall zwischen unterschiedlichen moslemischen Gruppen stattfindet, die alle überzeugt sind, durch Gewalt die Vorschriften des Islam durchzusetzen. Denn nicht nur die Muslimbrüder des abgesetzten Staatspräsidenten Mohammed Mursi betrachten den politischen Kampf als Dschihad, als heiligen Krieg, sondern auch ihr Gegenspieler General Abdel Fattah al-Sisi, der von Mursi selbst an die Spitze der Streitkräfte gestellt worden war, weil er als der Islamistischste unter allen Generälen galt.
Um jedoch die eigentliche Wurzel für das Schweigen der moslemischen Religionsführer angesichts des islamisch motivierten Gewaltausbruchs zu verstehen, genügt es etwas sehr einfaches zu tun. Es genügt, den Eingangsteil der berühmten Lectio zu lesen, die Benedikt XVI. am 12. September 2006 im Festsaal der Universität Regensburg gehalten hat.
Die Aggressivität, mit der Moslems und islamische Gruppierungen auf die Vorlesung reagierten, waren die tragische Bestätigung der Richtigkeit der von Papst Joseph Ratzinger dargelegten These zur Rolle der Gewalt im Islam. Demnach ist die Verbindung von Gewalt und Religion im Islam ein unvermeidliches Produkt der schwachen Verbindung zwischen Glauben und Vernunft in der islamischen Glaubenslehre.
Kein Papst vor Benedikt XVI. hatte es je mit solcher Klarsicht und mit solchem Mut gewagt, ein so eindeutiges Urteil über den Islam auszusprechen und mit solcher Klarheit den Unterschied zwischen Islam und Christentum aufzuzeigen.
Weil er dies gewagt hatte, wurde Benedikt XVI. in der katholischen Kirche viel kritisiert. Er wurde beschuldigt, den „Dialog“ mit der islamischen Welt zerstört zu haben.
In Wirklichkeit sammelte sich Papst Ratzinger zwei Monate nach Regensburg in der Blauen Moschee von Istanbul zum stillen Gebet. Diese ansonsten unverständliche Geste konnte er sich leisten, gerade weil er seine Position zum Islam so eindeutig geäußert hatte.
Gerade durch die Regensburger Rede kam jener kleine Trieb eines christlich-islamischen Dialogs auf, der in einem „Brief der 138 Gelehrten“ Ausdruck fand, den islamische Vertreter verschiedener Richtungen dem Papst schrieben.
Nicht nur das. Immer im Herbst 2006, während seines Besuchs in der Türkei, sagte Benedikt XVI. der islamischen Welt, daß sie noch die Herausforderung vor sich habe, die das Christentum bereits positiv bestanden hat, nämlich die Annahme der „wahren Errungenschaften“ der Aufklärung, der Menschenrechte und der Religionsfreiheit und deren Anwendung.
Auch dazu hatte sich kein Papst vor Benedikt XVI. so weit vorgewagt. Und auch nicht nach ihm. Jedenfalls bis heute.
Dem Bürgerkrieg, der in Ägypten aufflammt, hat Papst Franziskus nach dem Angelus am Hochfest Maria Himmelfahrt folgende Worte gewidmet: „Es erreichen uns leider schmerzliche Nachrichten aus Ägypten. Ich versichere alle Opfer und ihre Familienangehörigen, alle Verletzten und Leidenden meines Gebets. Beten wir gemeinsam für den Frieden, den Dialog, die Versöhnung in jenem kostbaren Land und auf der ganzen Welt.“
Und drei Tage später folgte eine Anspielung beim Angelus am Sonntag, den 18. August an:
„Das Evangelium erlaubt nicht den Gebrauch von Gewalt, um den Glauben zu verbreiten. Vielmehr gilt das genaue Gegenteil: die wahre Kraft des Christen ist die Kraft der Wahrheit und der Liebe, die dazu führt, auf jede Gewalt zu verzichten. Glauben und Gewalt sind unvereinbar.“
Aber kehren wir zum Ratzinger des Jahres 2006 zurück und zu jenen denkwürdigen Worten über den Islam, die auch auschlaggebend sind, um die ägyptische Tragödie zu verstehen.
Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI. vom 12. September 2006 – Auszug [1]ohne Fußnoten, vollständige Rede siehe hier
[…] All dies ist mir wieder in den Sinn gekommen, als ich kürzlich den von Professor Theodore Khoury (Münster) herausgegebenen Teil des Dialogs las, den der gelehrte byzantinische Kaiser Manuel II. Palaeologos wohl 1391 im Winterlager zu Ankara mit einem gebildeten Perser über Christentum und Islam und beider Wahrheit führte. Der Kaiser hat vermutlich während der Belagerung von Konstantinopel zwischen 1394 und 1402 den Dialog aufgezeichnet; so versteht man auch, daß seine eigenen Ausführungen sehr viel ausführlicher wiedergegeben sind, als die seines persischen Gesprächspartners. Der Dialog erstreckt sich über den ganzen Bereich des von Bibel und Koran umschriebenen Glaubensgefüges und kreist besonders um das Gottes- und das Menschenbild, aber auch immer wieder notwendigerweise um das Verhältnis der, wie man sagte, „drei Gesetze“ oder „drei Lebensordnungen“: Altes Testament – Neues Testament – Koran. Jetzt, in dieser Vorlesung möchte ich darüber nicht handeln, nur einen – im Aufbau des ganzen Dialogs eher marginalen – Punkt berühren, der mich im Zusammenhang des Themas Glaube und Vernunft fasziniert hat und der mir als Ausgangspunkt für meine Überlegungen zu diesem Thema dient.
In der von Professor Khoury herausgegebenen siebten Gesprächsrunde (διάλεξις – Kontroverse) kommt der Kaiser auf das Thema des DjihÄd, des heiligen Krieges zu sprechen. Der Kaiser wußte sicher, daß in Sure 2, 256 steht: Kein Zwang in Glaubenssachen – es ist wohl eine der frühen Suren aus der Zeit, wie uns ein Teil der Kenner sagt, in der Mohammed selbst noch machtlos und bedroht war. Aber der Kaiser kannte natürlich auch die im Koran niedergelegten – später entstandenen – Bestimmungen über den heiligen Krieg. Ohne sich auf Einzelheiten wie die unterschiedliche Behandlung von „Schriftbesitzern“ und „Ungläubigen“ einzulassen, wendet er sich in erstaunlich schroffer, für uns unannehmbar schroffer Form ganz einfach mit der zentralen Frage nach dem Verhältnis von Religion und Gewalt überhaupt an seinen Gesprächspartner. Er sagt: „Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, daß er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten“. Der Kaiser begründet, nachdem er so zugeschlagen hat, dann eingehend, warum Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig ist. Sie steht im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen der Seele. „Gott hat kein Gefallen am Blut“, sagt er, „und nicht vernunftgemäß, nicht „σὺν λόγω“ zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Glaube ist Frucht der Seele, nicht des Körpers. Wer also jemanden zum Glauben führen will, braucht die Fähigkeit zur guten Rede und ein rechtes Denken, nicht aber Gewalt und Drohung… Um eine vernünftige Seele zu überzeugen, braucht man nicht seinen Arm, nicht Schlagwerkzeuge noch sonst eines der Mittel, durch die man jemanden mit dem Tod bedrohen kann…“.
Der entscheidende Satz in dieser Argumentation gegen Bekehrung durch Gewalt lautet: Nicht vernunftgemäß handeln ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Herausgeber, Theodore Khoury, kommentiert dazu: Für den Kaiser als einen in griechischer Philosophie aufgewachsenen Byzantiner ist dieser Satz evident. Für die moslemische Lehre hingegen ist Gott absolut transzendent. Sein Wille ist an keine unserer Kategorien gebunden und sei es die der Vernünftigkeit. Khoury zitiert dazu eine Arbeit des bekannten französischen Islamologen R. Arnaldez, der darauf hinweist, daß Ibn Hazm so weit gehe zu erklären, daß Gott auch nicht durch sein eigenes Wort gehalten sei und daß nichts ihn dazu verpflichte, uns die Wahrheit zu offenbaren. Wenn er es wollte, müsse der Mensch auch Götzendienst treiben.
An dieser Stelle tut sich ein Scheideweg im Verständnis Gottes und so in der konkreten Verwirklichung von Religion auf, der uns heute ganz unmittelbar herausfordert. Ist es nur griechisch zu glauben, daß vernunftwidrig zu handeln dem Wesen Gottes zuwider ist, oder gilt das immer und in sich selbst? Ich denke, daß an dieser Stelle der tiefe Einklang zwischen dem, was im besten Sinn griechisch ist, und dem auf der Bibel gründenden Gottesglauben sichtbar wird. Den ersten Vers der Genesis, den ersten Vers der Heiligen Schrift überhaupt abwandelnd, hat Johannes den Prolog seines Evangeliums mit dem Wort eröffnet: Im Anfang war der Logos. Dies ist genau das Wort, das der Kaiser gebraucht: Gott handelt „σὺν λόγω“, mit Logos. Logos ist Vernunft und Wort zugleich – eine Vernunft, die schöpferisch ist und sich mitteilen kann, aber eben als Vernunft. Johannes hat uns damit das abschließende Wort des biblischen Gottesbegriffs geschenkt, in dem alle die oft mühsamen und verschlungenen Wege des biblischen Glaubens an ihr Ziel kommen und ihre Synthese finden. Im Anfang war der Logos, und der Logos ist Gott, so sagt uns der Evangelist. Das Zusammentreffen der biblischen Botschaft und des griechischen Denkens war kein Zufall. Die Vision des heiligen Paulus, dem sich die Wege in Asien verschlossen und der nächtens in einem Gesicht einen Mazedonier sah und ihn rufen hörte: Komm herüber und hilf uns (Apg 16, 6 – 10) – diese Vision darf als Verdichtung des von innen her nötigen Aufeinanderzugehens zwischen biblischem Glauben und griechischem Fragen gedeutet werden. […]
Anmerkungen Benedikts XVI. nach der Rückkehr von seinem Pastoralbesuch in der Türkei [2]Weihnachtsansprache an die Römische Kurie vom 22. Dezember 2006, vollständiger Text
[…] Bei einem verstärkt zu führenden Dialog mit dem Islam werden wir vor Augen halten müssen, daß die islamische Welt heute mit großer Dringlichkeit sich vor einer ganz ähnlichen Aufgabe findet, wie sie den Christen seit der Aufklärung auferlegt ist und vom II. Vatikanischen Konzil als Frucht eines langen Ringens für die katholische Kirche zu konkreten Lösungen geführt wurde. Es geht um die Stellung der Gemeinschaft der Glaubenden angesichts der Einsichten und Forderungen, die in der Aufklärung gewachsen sind. Einerseits gilt es, einer Diktatur der positivistischen Vernunft zu widersprechen, die Gott aus dem Leben der Gemeinschaft und aus den öffentlichen Ordnungen ausschließt und dabei den Menschen seiner Maßstäbe beraubt. Andererseits müssen die wahren Errungenschaften der Aufklärung, die Menschenrechte und dabei besonders die Freiheit des Glaubens und seiner Ausübung als wesentliche Elemente gerade auch für die Authentizität der Religion aufgenommen werden. Wie es in der christlichen Gemeinschaft ein langes Ringen um den rechten Standort des Glaubens diesen Einsichten gegenüber gab, das freilich nie ganz zu Ende ist, so steht auch die islamische Welt mit ihrer eigenen Überlieferung vor der großen Aufgabe, hier die angemessenen Lösungen zu finden. Inhalt des Dialogs von Christen und Muslimen wird es in diesem Augenblick vor allem sein müssen, sich in diesem Mühen zu begegnen und die rechten Lösungen zu finden. Die Gottvergessenheit des Westens dient heute gewissen Kräften in der islamischen Welt als Vorwand, Gewalt als Teil der Religion zu propagieren. Wir Christen wissen uns solidarisch mit all denen, die gerade von ihrer religiösen Überzeugung als Muslime her gegen die Gewalt und für das Miteinander von Glaube und Vernunft, von Religion und Freiheit eintreten. […]
Text: Paix Liturgique/Giuseppe Nardi
Bild: Una Fides
-
↑1 | ohne Fußnoten, vollständige Rede siehe hier |
---|---|
↑2 | Weihnachtsansprache an die Römische Kurie vom 22. Dezember 2006, vollständiger Text |