Heilige Messe in Ho-Chi-Minh-Stadt – Reiseeindrücke von einer gesunden katholischen Kirche


Katholische Kirche in Vietnam: dichtgedränkt folgen vietnamesische Katholiken mit größter Disziplin und Aufmerksamkeit der heiligen Liturgie(Hanoi) Die Lage der Chri­sten in Viet­nam, einem der letz­ten kom­mu­ni­sti­schen „Para­die­se“ ist sehr schwie­rig. Das Regime schwankt im Umgang mit der katho­li­schen Kir­che und sieht in ihr einen Kon­kur­ren­ten sei­nes abso­lu­ten Macht­an­spruchs. Viet­nam löst bei US-Ame­ri­ka­nern der mitt­le­ren und älte­ren Gene­ra­ti­on nach wie vor ein Schau­dern aus und ist den euro­päi­schen Alters­ge­nos­sen nicht min­der bekannt. Der Nor­den des Lan­des war 1954 im Indo­chi­na­krieg gegen Frank­reich unter kom­mu­ni­sti­sche Kon­trol­le gera­ten, der Süden 1975 im Viet­nam­krieg gegen die USA eben­falls. Ein Erfolg, der nur mög­lich war, weil es in bei­den Krie­gen vie­len Viet­na­me­sen vor allem um einen natio­na­len Befrei­ungs­kampf von Fremd­herr­schaft ging. „Die Aus­sicht, die eige­nen Töch­ter in einem kom­mu­ni­sti­schen, aber viet­na­me­si­schen Land auf­wach­sen zu sehen, schreck­te die mehr­heit­lich bud­dhi­sti­schen Viet­na­me­sen damals weni­ger, als sich für sie eine Zukunft in Bor­del­len für GI’s und rei­che Ame­ri­ka­ner vor­zu­stel­len“, so ein fran­zö­si­scher Frem­den­le­gio­när, der in Dien Bien Phu kämpf­te. Die Katho­li­ken ent­schie­den sich zwi­schen der Unfrei­heit und einem schlech­ten Umgang mit der Frei­heit, für letz­te­re Vari­an­te, die ihnen die nöti­ge Frei­heit sichern soll­te, sich ent­fal­ten und nach christ­li­chem Maß­stab mit der Frei­heit umge­hen zu kön­nen. Die Ame­ri­ka­ner unter­la­gen in einem erbit­ter­ten Kampf. Seit 1976 ist Viet­nam unter der amt­li­chen Bezeich­nung Sozia­li­sti­sche Repu­blik Viet­nam wie­der­ver­eint. Für die Chri­sten des Lan­des brach eine har­te Zeit an. Bereits 1954 waren gan­ze Pfar­rei­en aus dem Nor­den in den Süden geflüch­tet. Den­noch hat die Kir­che überlebt.

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Eli­sa­bet­ta Gal­ef­fi ist von einer Rei­se in das süd­ost­asia­ti­sche Land zurück­ge­kehrt. Sie berich­tet nicht über reli­gi­ons­po­li­ti­sche Fra­gen, auch nicht über die Ver­fol­gung der Chri­sten unter der Roten Fah­ne. Sie zeich­net durch ein­fühl­sa­me, auf­merk­sa­me Beob­ach­tun­gen das Bild einer vita­len, gesun­den katho­li­schen Gemein­schaft, die einen gro­ßen Andrang bei den Beru­fun­gen zum Prie­ster­tum und den geist­li­chen Orden erlebt.

Zur Messe in Ho-Chi-Minh-Stadt

Den Platz zu über­que­ren, um Not­re-Dame, die Kathe­dra­le von Ho-Chi-Minh-Stadt (frü­her Sai­gon) zu errei­chen, ver­langt etwas Kalt­blü­tig­keit. Der Sla­lom zwi­schen Hun­der­ten von Motor­rä­dern, die im Gewirr Fuß­gän­gern nur um einen Hauch aus­wei­chen, ist ein Unter­fan­gen mit Nervenkitzel.

Die gro­ße Kathe­dra­le mit den bei­den Tür­men wur­de von den Fran­zo­sen zwi­schen 1877 und 1880 erbaut, mit roten Zie­gel­stei­nen, die eigens aus Tou­lou­se ein­ge­führt wur­den. Es ist die größ­te katho­li­sche Kir­che des Lan­des. Sie bil­det den Mit­tel­punkt des Plat­zes de la Comu­ne de Paris mit­ten im Stadt­ver­kehr. An einer Sei­te des Plat­zes steht das unver­kenn­bar fran­zö­si­sche Gebäu­de der Haupt­post. Gegen­über sind die Gär­ten mit der gro­ßen Mari­en­sta­tue, einem wah­ren städ­ti­schen und lite­ra­ri­schen Denk­mal, das in zahl­rei­chen Auf­sät­zen der Kriegs­be­richt­erstat­ter aus aller Welt und dem Roman Der stil­le Ame­ri­ka­ner von Gra­ham Gree­ne, der in Sai­gon spielt, beschrie­ben wird. Hier im ele­gan­te­sten Teil des wirt­schaft­li­chen Zen­trums von Viet­nam kann man sich noch die alte Haupt­stadt Indo­chi­nas vor­stel­len. Am Sonn­tag strömt die gan­ze Stadt hier zusam­men, sitzt an den Tisch­chen der Kaf­fee­häu­ser oder zum Pick­nick auf den aus­ge­dehn­ten Rasen­flä­chen der Gär­ten, die Mäd­chen und Bur­schen, um sich rund um die Kathe­dra­le oder mit der Mari­en­sta­tue foto­gra­fie­ren zu lassen.

Es kommt vor, daß um 11 Uhr vor­mit­tags, einer welt­weit gün­sti­gen Zeit, die Sonn­tags­mes­se zu besu­chen, die Tore von Not­re-Dame geschlos­sen blei­ben wie eine unein­nehm­ba­re Festung. Erst in den frü­hen Nach­mit­tags­stun­den öff­nen sie sich und die Kathe­dra­le füllt sich inner­halb weni­ger Minu­ten mit Gläu­bi­gen. Alle Bän­ke sind bis auf den letz­ten Platz gefüllt. Die Men­schen brin­gen win­zig klei­ne Klapp­hocker mit und drän­geln sich in den Sei­ten­schif­fen, bis kein Meter in der Kir­che mehr frei ist. Die Letz­ten müs­sen die Zele­bra­ti­on vor den Ein­gangs­to­ren mit­fei­ern, vie­le sit­zen auf ihren Motor­rol­len, Hunderte.

Sobald die Mess­fei­er beginnt, weicht der Lärm der unun­ter­bro­chen den Platz über­que­ren­den Motor­rä­der der Kir­chen­mu­sik, die über star­ke Laut­spre­cher ins Freie über­tra­gen wird, so daß man sie auch in den Kaf­fee­häu­sern und den Neben­stra­ßen hören kann. Häu­fig sind es sich wie­der­ho­len­de Melo­dien im lan­des­üb­li­chen Stil, wie man sie auch in bud­dhi­sti­schen Tem­peln antref­fen kann, die aber hier mit christ­li­chen Tex­ten gesun­gen wer­den, wie sie auch in west­li­chen Kir­chen bekannt sind. Es ist Zusam­men­tref­fen der Kul­tu­ren, der durch die anmu­ti­gen Stim­men der Viet­na­me­sen und ihrer Lei­den­schaft für den schö­nen Gesang erfolgt.

In Hanoi lockt ein Kon­zert von Blä­sern und Tromm­lern nach Ly Quoc Su, dem Mit­tel­punkt der Alt­stadt. Am Ende der engen Gas­sen taucht uner­war­tet und maje­stä­tisch die Kathe­dra­le des hei­li­gen Joseph in neu­go­ti­schem Stil auf, die an Not­re Dame in Paris im Klei­nen erin­nert. Eine gewal­ti­ge Pro­zes­si­on von Gläu­bi­gen folgt der weiß­ge­klei­de­ten Blas­ka­pel­le und Kin­dern in lan­gen, blau­en Gewän­dern, die einen Bal­da­chin mit einer klei­nen Sta­tue der Got­tes­mut­ter tra­gen. Der Kle­rus in fei­er­li­chen lit­ur­gi­schen Gewän­dern hält vor der Fas­sa­de der Kir­che, um die Gläu­bi­gen zu seg­nen, Weih­rauch steigt in dich­ten Schwa­den auf. Die Josephs­ka­the­dra­le wur­de 1886 mit blo­ßem Beton erbaut. Der Beton ist alt und dun­kel gewor­den, fähig einen Ort tie­fer Spi­ri­tua­li­tät anzuzeigen.

Hin­ter der Kir­che bie­tet ein Gar­ten mit tro­pi­schen Pflan­zen und wohl­rie­chen­den Blu­men etwas Abküh­lung für das Pfarr­haus, eine Schu­le für arme Kin­der und deren Schlaf­sä­le. Ein zau­ber­haf­ter Gar­ten unter­bricht die Rei­hen der klei­nen Stra­ßen wie eine Oase inmit­ten des geschäf­ti­gen Cha­os der dicht­be­sie­del­ten Wohn­vier­tel Hanois. Die Hei­li­ge Mes­se ist ein uralter Ritus. Jene in der viet­na­me­si­schen Haupt­stadt um 18 Uhr nach­mit­tags ist eine auf­re­gen­de Rück­kehr in die Ver­gan­gen­heit. Die Frau­en tra­gen für den Anlaß ihr bestes Ao dai, die Natio­nal­tracht mit weit­ge­schnit­te­nen Sei­den­ho­sen unn dar­über einem lan­gen knie- oder knö­chel­lan­gen engen Sei­den­ober­ge­wand in leuch­ten­den Far­ben. Sie sehen dar­in aus­ge­spro­chen ele­gant aus und bewe­gen sich mit größ­ter Gra­zie. Die Lit­ur­gie wird in Latein zele­briert, was die Brü­der­lich­keit unter­streicht, sogar hier, inmit­ten eines so ande­ren Kul­tur­krei­ses mit einer unent­zif­fer­ba­ren Schrift. Das ver­trau­te Latein lädt gera­de­zu ein, laut­stark ein­zu­stim­men in die Gesän­ge, um mit die­sen Men­schen einen Glau­ben zu tei­len, der so ehr­lich wirkt.

In Viet­nam sind 9–10 Pro­zent der Bevöl­ke­rung Katho­li­ken. Die Zahl der prak­ti­zie­ren­den Katho­li­ken ist sehr hoch und die Beru­fun­gen sind zahl­reich. Sie bil­den nach den Bud­dhi­sten die zweit­größ­te Min­der­heit in einem Land, das nach offi­zi­el­len Anga­ben in sei­ner über­gro­ßen Mehr­heit athe­istisch ist.

Bereist man das Land von Süd nach Nord, trifft man an der Haupt­ach­se auf zahl­rei­che Kir­chen, die im Lau­fe der fran­zö­si­schen Kolo­ni­al­herr­schaft von 1858–1954 errich­tet wur­den. Neben den Kir­chen in den Städ­ten über­rascht vor allem die ele­gan­te reli­giö­se Archi­tek­tur inmit­ten der sma­ragd­grü­nen Land­schaf­ten und vor der tief­blau­en Kulis­se der gro­ßen viet­na­me­si­schen Flüs­se, des Süd­chi­ne­si­schen Meers oder des Golfs von Ton­kin. Selbst die Holz- und Stroh­hüt­ten­kir­chen ganz im Nor­den an der Gren­ze zur Volks­re­pu­blik Chi­na in den Reis­fel­dern der Ber­ge um Sa Pa sind ein­la­dend und mit fröm­mi­ger Hin­ga­be gestal­tet, und alle sind gefüllt mit Gläu­bi­gen, egal wo man hin­kommt, und mit Musik und Gesän­gen. Für die Schwar­zen Hmong, eine eth­ni­sche Min­der­heit katho­li­schen Glau­bens, sind die Kir­chen der Lebens­mit­tel­punkt ihrer klei­nen Bauerngemeinschaft.

Text: Tem­pi
Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Tempi

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