(Warschau) In Polen tobt ein Konflikt zwischen einem Ortspfarrer und seinem Bischof. Handelt es sich nur um einen persönlichen Konflikt, oder geht es um Grundsätzliche? Das ist die Frage, die man sich derzeit am Land an der Weichsel stellt. In den Konflikt wird alles Mögliche hineininterpretiert, wobei sich progressive Kreise besonders hervortun, vom „Generationenkonflikt“, über den Konflikt „einer alten und einer neuen Vision“ von Kirche bis zum Konflikt zwischen einer „kollegialen Kirche“, wie sie angeblich Papst Franziskus wolle und einer „vorkollegialen“ Kirche, wie sie bis zum 13. März existierte. Rebellischer Ungehorsam gehört allerdings in manchen Kirchenkreisen inzwischen zum „guten Ton“.
Die handelnden Personen sind der Priester Wojchiech Lemanski (52), Pfarrer in der 2400-Einwohner-Gemeinde Jasienica in der Nähe von Warschau, und Erzbischof Henryk Hoser (70) der Diözese Warschau-Praga. Der Pallottiner Hoser steht seit 2008 der 1992 von Papst Johannes Paul II. neugeschaffenen Diözese vor. Da der ehemalige Sekretär der römischen Kongregation für die Evangelisierung der Völker wenige Monate vor dem Tod des polnischen Papstes zum Titularerzbischof erhoben worden war, erlaubte ihm Papst Benedikt diesen Rang beizubehalten.
Polen, das sich auf die noch in diesem Jahr stattfindende feierliche Heiligsprechung „seines“ Papstes vorbereitet, verfolgt den Konflikt mit großem Interesse. Erzbischof Hoser stand bei Johannes Paul II. immerhin in Ehren.
„Hang zur Provokation“ – Mehrfache bischöfliche Ermahnung wegen Lemanskis Medienauftritten
Pfarrer Lemanski wird von allen Seiten viel „Engagement“ und „Aktivismus“ bescheinigt. Dabei schießt er allerdings für einen Teil der Katholiken manchmal über das Ziel hinaus. „Lemanski scheint manchmal die Provokation direkt zu suchen“, wird ein Nachbarpfarrer zitiert. Vor allem sucht Lemanski Medienauftritte, weswegen ihn sein Bischof bereits mehrfach ermahnte.
Der Pfarrer von Jasienica entschuldigte sich öffentlich bei allen durch künstliche Befruchtung Geborenen für die Verurteilung der Zeugungsmethode durch die katholische Kirche. Anlaß war die Aussage einer jungen Frau, die durch künstliche Befruchtung gezeugt worden war und die mit der katholischen Kirche brach, weil sie sich von dieser „zurückgewiesen“ fühlte.
Eine Unterscheidung zwischen der entschlossenen Ablehnung der künstlichen Methode durch die polnischen Bischöfe und der selbstverständliche Annahme der so gezeugten Menschen machte Pfarrer Lemanski nicht. Die Annahme durch die katholische Kirche wird allein daran deutlich, daß sie sich für die „überzähligen“ Embryonen einsetzt, die „herrenlos“ in Gefrierzellen gelagert werden.
Lemanskis Kritik an katholischer Bioethik – Absetzungsdekret
Lemanskis Entschuldigung war damit eine Anerkennung der künstlichen Befruchtung und damit ein Widerspruch gegen die katholische Lehre. Sein Bischof, Erzbischof Hoser gehört zu den entschiedensten Verteidigern der katholischen Lehre zum Lebensrecht und mußte sich durch den Alleingang seines Priesters besonders herausgefordert fühlen.
Lemanski wurde in Polen auch bekannt, weil er seine Pfarrangehörigen während der heiligen Messen für ihre angebliche „Fremdenfeindlichkeit“ und „Antisemitismus“ kritisierte. Der Pfarrer gehört nämlich zu den aktivsten polnischen Kirchenvertretern im Kampf gegen Antisemitismus und für den christlich-jüdischen Dialog. 2008 wurde er dafür von der Republik Polen zum Ritter des Ordens Polonia Restituta (5. Klasse) ernannt.
Da sich Lemanski um die Ermahnungen, dann Abmahnungen seines Bischofs nicht kümmerte, entzog ihm Erzbischof Hoser 2012 die Erlaubnis an öffentlichen Schulen Religionsunterricht zu erteilen. Am vergangenen 5. Juli setze er Lemanski schließlich als Pfarrer ab und versetzte den 52-Jährigen in den Vorruhestand. Erzbischof Hoser sah sich zu diesem Schritt genötigt, wegen Lemanskis wiederholten Ungehorsams gegenüber dem Diözesanbischof, wegen öffentlich erklärter Positionen, die im Widerspruch zum Kirchenrecht stehen und wegen Ungehorsams gegenüber der Lehre der Kirche zu Fragen der Bioethik. All das habe zu einer „schweren Verletzung der kirchlichen Gemeinschaft geführt und zu deren Verwirrung beigetragen“, wogegen einzuschreiten war.
Lemanski, gab als Reaktion bekannt, gegen das bischöfliche Dekret zu rekurrieren. Ihm wurde ein Priesteraltersheim als neuer Wohnsitz zugewiesen.
Lemanskis Spiel mit Anspielungen – „zu philosemitisch“
Erzbischof Hoser wurde von Pfarrer Lemanski bereits öffentlich schwer beleidigt. In seinem Eifer und verärgert über Disziplinarmaßnahmen seines Bischofs behauptete Lemanski, Erzbischof Hoser habe im Januar 2010 ihm gegenüber im bischöflichen Palais ein „zutiefst unangemessenes Verhalten, wie Kardinal O’Brien“ an den Tag gelegt. Sofort wurde die Anspielung mit einem sexuellen Übergriff in Verbindung gebracht. In Polen wird Lemanski zum Teil unterstellt, absichtlich damit spekuliert zu haben, um seinen Bischof „loszuwerden“.
Als die Sache schnell große Wellen zog, machte Lemanski einen Rückzieher und erzählte den Vorfall detailliert. Er habe damals mit Erzbischof Hoser über die Judenfrage und konkret Lemanskis Engagement für den christlich-jüdischen Dialog diskutiert. Dabei sei es etwas hitzig zugegangen. Der Erzbischof habe ihm vorgeworfen „zu philosemitisch“ zu sein und ihn an einem bestimmten Moment gefragt: „Sagen Sie mir Hochwürden, wurden Sie beschnitten, gehören Sie vielleicht jenem Volk an?“. Lemanski habe empört geantwortet: „Aber was fragen Sie mich da, was fällt Ihnen ein, Exzellenz!“
Nachdem Medien diese Schilderung Lemanskis veröffentlicht hatten, dementierte das bischöfliche Kurie. Der Bischof kenne den Lebenslauf des Pfarrers und habe natürlich zu jedem Zeitpunkt gewußt, daß er als Kind katholisch getauft und als Heranwachsender gefirmt wurde. Was natürlich eine rhetorische Frage des Bischofs an seinen Pfarrer nicht ausschließen muß. Aber dazu nahm die Erklärung der Kurie nicht Stellung.
Progressiver Versuch einen „Märtyrer“ der „neuen kollegialen“ Kirche zu stilisieren
Progressive Kreise sehen im abgesetzten Pfarrer von Jasienica einen „Märtyrer“ eines Kampfes zwischen dem „Alten“ und dem „Neuen“. Wobei das „Neue“ selbstredend sie selbst repräsentieren. Lemanski stehe, so seine Anhänger, für die „neue kollegiale Kirche“ von Papst Franziskus. Die Abspielung ist gezielt gesetzt, da es als offenes Geheimnis gilt, daß der polnische Episkopat bisher nicht zu den besonderen Verehrern von Papst Franziskus gehören.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Gazeta Wyborczka screenshot