Papst Franziskus: Das Rätsel des leeren Sessels – Popularität um den Preis des Schweigens?


Das Rätsel des leeren Sessels - Popularität um den Preis des Schweigens zu den "heißen Eisen"(Rom) Der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster hält den lee­ren Stuhl von Papst Fran­zis­kus in der Aula Pao­lo VI. am ver­gan­ge­nen Sams­tag für emble­ma­tisch. Der Papst hat­te kurz­fri­stig sei­ne Teil­nah­me an der Auf­füh­rung der 9. Sym­pho­nie von Beet­ho­ven abge­sagt. Die Absa­ge, so Magi­ster, sei „schwer zu ent­zif­fern“. Anders sei das, was den „Medi­en­er­folg“, den der neue Papst seit sei­ner Wahl genießt: die­ser habe „einen Grund und einen Preis“, so Magi­ster, „sein Schwei­gen zu den ent­schei­den­den poli­ti­schen Fra­gen der Abtrei­bung, der Eutha­na­sie, der Homo-Ehe“.

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Die ersten 100 Tage der päpst­li­chen Amts­zeit haben vie­le Kom­men­ta­to­ren zu einer ersten Zwi­schen­bi­lanz ver­an­laßt. Allein die anhal­ten­de, enor­me Popu­la­ri­tät des vor­mals fak­tisch unbe­kann­ten Kar­di­nals Jor­ge Mario Berg­o­glio ist dabei ein zen­tra­les Ele­ment. „Was am mei­sten dar­an ver­blüfft, ist das Wohl­wol­len, mit dem die lai­zi­sti­sche Öffent­lich­keit auf ihn schaut, die wäh­rend des Pon­ti­fi­kats von Bene­dikt XVI. beson­ders aggres­siv gegen die Kir­che und gegen das Papst­tum auftrat.“

„Die Statistik macht Gott“ – „Gleichzeitig will er und versteht er es, populär zu sein“

Papst Fran­zis­kus, so Magi­ster, glau­be aller­dings nicht an sta­ti­sti­sche Erfolgs­er­he­bun­gen. „Die Sta­ti­stik, die macht Gott“, sag­te er „bei der wahr­schein­lich reprä­sen­ta­tiv­sten Anspra­che um Ein­blick in sei­ne Sicht­wei­se zu erhal­ten“, wie Magi­ster meint. Es war eine halb­stün­di­ge, frei gehal­te­ne Rede an Tau­sen­de von Gläu­bi­gen der Diö­ze­se Rom, die am 17. Juni die Audi­enz­hal­le füllten.

„Gleich­zei­tig will er und ver­steht er es, popu­lär zu sein“, so Magi­ster. „Wäh­rend Papst Woj­ty­la mit außer­ge­wöhn­li­cher Bra­vour mit den Mas­sen zu kom­mu­ni­zie­ren ver­stand, ver­steht es Papst Berg­o­glio die ein­zel­nen Indi­vi­du­en zu erobern. Wäh­rend er den Men­schen­mas­sen begeg­net, schaut er nicht auf das Gan­ze, son­dern sucht immer den Kon­takt zu Ein­zel­nen: ein Blick, eine Geste mit dem einen oder ande­ren Men­schen, dem er auf sei­nem Weg begeg­net. Und wenn das auch für weni­ge zutrifft, wis­sen aber alle, daß ihnen das auch pas­sie­ren könn­te. Papst Fran­zis­kus hat die Fähig­keit, sich jedem zum Näch­sten zu machen.“

Noch „populärer“ sind die Predigten – „Doch was Improvisation scheint, ist akkurat einstudiert“

Noch „popu­lä­rer“, so Magi­ster, sei­en jedoch sei­ne Pre­dig­ten. „Sie bestehen aus weni­gen Grund­wahr­hei­ten, die sich unun­ter­bro­chen in sei­nem Mund wie­der­ho­len und die sich letzt­lich zusam­men­fas­sen las­sen – wie er es selbst in sei­ner Anspra­che vom 17. Juni tat – in einem trö­sten­den ‚alles ist Gna­de‘. Die Gna­de Chri­sti der unun­ter­bro­chen ver­gibt, obwohl wir alle wei­ter­hin Sün­der sind, und damit ver­wirk­licht er ‚die größ­te Revo­lu­ti­on der Menschheitsgeschichte‘.

Der Pre­digt­stil von Papst Fran­zis­kus ist in der Form ori­gi­nell, weil das spon­ta­ne Spre­chen deut­lich gegen­über dem geschrie­be­nen Wort über­wiegt. Was aber das Ergeb­nis von Impro­vi­sa­ti­on scheint, ist in Wirk­lich­keit jedoch genau ein­stu­diert, wie man bereits bei sei­nem ersten Erschei­nen auf der Log­gia des Peters­doms am Abend sei­ner Wahl erah­nen konnte.

„Ist das, was er nicht sagt, Grund für Wohlwollen in partibus infidelium?“

Die Inhal­te sei­ner Reden, wie auch sei­ne Gesten sind alle abge­wo­gen, auch was das Schwei­gen und die Aus­las­sun­gen betrifft, das, was er nicht sagt. Und viel­leicht liegt gera­de dar­in der Grund für das Wohl­wol­len, das Fran­zis­kus auch in par­ti­bus infi­de­li­um genießt, sprich in den Mas­sen­me­di­en und in der öffent­li­chen Meinung.

Da ist vor allem die Anru­fung einer ‚armen‘ Kir­che und einer Kir­che ‚für die Armen‘, die zu einer Art Erken­nungs­mar­ke für Fran­zis­kus gewor­den ist und durch sei­nen ein­fa­chen Lebens­stil noch stär­ker betont wird. Und vor allem sind alle gera­de­zu zwangs­läu­fig geneigt, dies zu schät­zen, wenn auch aus ganz unter­schied­li­chen Gründen.

Eben­so unmög­lich zu kri­ti­sie­ren sind die häu­fi­gen Angrif­fe des Pap­stes gegen die Mäch­ti­gen der Welt­fi­nanz. Solan­ge die Kri­tik ganz all­ge­mein und vage bleibt, wird sich nie­mand von die­sen tat­säch­li­chen oder ver­meint­li­chen ‚Mäch­ten‘ wirk­lich betrof­fen und zu einer Reak­ti­on her­aus­ge­for­dert fühlen.

Dann sind da noch die mit Nach­druck vor­ge­tra­ge­nen Ermah­nun­gen von Fran­zis­kus gegen den Kar­rie­ris­mus – wenn nicht sogar gegen die Kor­rup­ti­on – in der Kir­che. Zuletzt wie­der­hol­te er dies am 21. Juni beim Emp­fang für die Nun­ti­en, die er zum größt­mög­li­chen Ernst bei der Aus­wahl der Kan­di­da­ten für das Bischofs­amt ermahnte.“

Bischöfe sollen keine Fürsten sein? – „Man sieht, daß der Papst aus einem Land kommt, wo es keine Fürsten gibt“

Magi­ster zitiert an die­ser Stel­le die ent­spre­chen­de, län­ge­re Stel­le aus der Anspra­che des Pap­stes an die Nun­ti­en. Hier sei statt des­sen der Kom­men­tar des spa­ni­schen Kir­chen­hi­sto­ri­kers Fran­cis­co de al Cigo­ña erwähnt. Die­ser mein­te zur Stel­le, wo der Papst ermahn­te, daß die Bischö­fe kei­ne „Für­sten“ sein sollen:

„Viel­leicht ist es der argen­ti­ni­schen Her­kunft des Pap­stes geschul­det, einem Land, in dem es kei­ne Für­sten gibt, daß der Papst kei­ne kla­re Vor­stel­lung davon hat, wer und was Für­sten sind und deren Men­ta­li­tät nicht kennt. Die Schwä­chen unse­rer Bischö­fe sind näm­lich ande­re: Des­po­tis­mus, Zag­haf­tig­keit, Lau­heit, zu erlau­ben, was nicht erlaubt wer­den soll­te, nach­zu­se­hen, was nicht nach­ge­se­hen wer­den soll­te, die Ver­nach­läs­si­gung ihrer Diö­ze­sen, die Büro­kra­ti­sie­rung, sich mit fal­schen Per­so­nen zu umge­ben, denen sie die Macht über­las­sen, nur um sie still­zu­hal­ten, sich vom Kle­rus und den Gläu­bi­gen zu ent­fer­nen. Das alles aber hat nichts mit den Für­sten zu tun, son­dern wenn schon mit Cau­dil­los aus Bananenrepubliken.“

Aber zurück zur Ana­ly­se von San­dro Magi­ster, der meint, daß der Papst auch mit sei­ner Beschrei­bung des idea­len Bischofs, wie er sie am 23. Mai aus­führ­te, mit all­ge­mei­nem Zuspruch rech­nen kann. Die „Reform der römi­schen Kurie“ sei ohne­hin seit Jahr­zehn­ten, die schon vor die Zeit des Kon­zils zurück­rei­chen, eine Ober­chif­fre für das Unbe­ha­gen jeder Cou­leur mit Rom.

„Die Kurie ist stumm, kein Bischof pro­te­stiert. Berg­o­glio hat noch nicht gesagt, wie und wen er mit sei­ner Reform tref­fen will. Die bei­den beun­ru­hig­te­sten Rea­li­tä­ten im Vati­kan sind jene, auf die er ein­mal aus­drück­lich anspiel­te: die ‚Homo-Lob­by‘ und die Vatik­an­bank IOR, bei der er bereits am 15. Juni sei­nen ‚Prä­la­ten‘, Msgr. Bat­ti­sta Ric­ca, mit allen Voll­mach­ten ein­ge­setzt hat. Die­ser genießt das Ver­trau­en des Pap­stes gera­de wegen sei­nes Rufs, unbe­stech­lich zu sein, den er sich wäh­rend sei­ner Dienst­zeit in der zwei­ten Sek­ti­on des Staats­se­kre­ta­ri­ats erwarb, als er streng gegen­über ver­schwen­de­ri­schen und eit­len Nun­ti­en war, die zudem noch Urteils­ver­mö­gen bei der Aus­wahl der neu­en Bischö­fe ver­mis­sen lie­ßen. Einer von ihnen, der Papst Berg­o­glio gar nicht zu Gesicht steht, ist Titu­lar­erz­bi­schof Adria­no Ber­nar­di­ni, der von 2003 bis 2011 Apo­sto­li­scher Nun­ti­us in Argen­ti­ni­en war.“ Papst Fran­zis­kus, der ger­ne „argen­ti­ni­schen“ Besuch emp­fan­ge, habe es bis­her ver­mie­den, Msgr. Ber­nar­di­ni zu tref­fen, obwohl die­ser heu­te Nun­ti­us in Ita­li­en ist.

Preis für das Wohlwollen der Massenmedien ist das Schweigen zu den „heißen Eisen“

Damit lei­tet Magi­ster zum Kern sei­ner Zwi­schen­bi­lanz über. „Das Ele­ment, das jedoch mehr als alles ande­re das Wohl­wol­len der ver­öf­fent­lich­ten Mei­nung für Papst Fran­zis­kus erklärt, ist sein Schwei­gen zu poli­ti­schen Fra­gen, vor allem zu den Minen­fel­dern, zu den ‚hei­ßen Eisen‘, bei denen die katho­li­sche Kir­che im größ­ten Kon­trast zur vor­herr­schen­den Kul­tur steht.

Abtrei­bung, Eutha­na­sie, Homo-Ehe sind Wor­te, die aus­zu­spre­chen Fran­zis­kus in sei­nen Pre­dig­ten und Anspra­chen bis­her bewußt ver­mie­den hat.“

Am 16. Juni, dem von Papst Bene­dikt XVI. ein­ge­führ­ten Tag von Evan­ge­li­um vitae, „der kraft­vol­len Enzy­kli­ka von Johan­nes Paul II. gegen Abtrei­bung und Eutha­na­sie“, sprach Papst Berg­o­glio im Ver­gleich „zum Kampf auf glo­ba­ler Ebe­ne, den Papst Woj­ty­la in jenem Jahr 1995 und dem Jahr zuvor mit dem Epi­zen­trum der UNO-Welt­be­völ­ke­rungs­kon­fe­renz in Kai­ro kämpf­te, nur kurz und allgemein.

Vorgänger wandten immense Energien auf, um sich Kultur des Todes zu widersetzen

Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. haben immense Ener­gien auf­ge­wandt, um sich der epo­cha­len Her­aus­for­de­rung der heu­ti­gen Ideo­lo­gie zu Geburt und Tod ent­ge­gen­zu­stem­men, eben­so wie gegen die Auf­lö­sung der erschaf­fe­nen Dua­li­tät zwi­schen Mann und Frau.

Die­ser Fra­ge wid­me­te Papst Ratz­in­ger noch sei­ne letz­te gro­ße Weih­nachts­an­spra­che an die Römi­sche Kurie im ver­gan­ge­nen Jahr.

Und bei­de Päp­ste fühl­ten sich gera­de noch mehr in die Pflicht genom­men, die Katho­li­ken zu die­sen zen­tra­len Fra­gen zu füh­ren und in ihrem ‚Glau­ben zu stär­ken‘, weil sie sich der Ori­en­tie­rungs­lo­sig­keit vie­ler Gläu­bi­ger bewußt waren und der Lau­heit vie­ler Bischofs­kon­fe­ren­zen, mit weni­gen Aus­nah­men wie der ita­lie­ni­schen und der ame­ri­ka­ni­schen und nicht zuletzt neu­er­dings auch der französischen.

Zum aktu­el­len Fall Frank­reich mit sei­nem außer­ge­wöhn­li­chen Auf­bäu­men der Intel­lek­tu­el­len und des Vol­kes, der Katho­li­ken, aber nicht nur, gegen die Lega­li­sie­rung der Homo-Ehe, wur­de am mei­sten auf eine Stel­lung­nah­me des Pap­stes gewartet.

Frankreich bäumt sich für das Naturrecht auf – doch vom Papst kommt kein direktes Wort der Ermutigung

Von ihm kam jedoch nicht ein Wort der Unter­stüt­zung für den fran­zö­si­schen Wider­stand und für den Ein­satz der katho­li­schen Kir­che in Frank­reich, nicht ein­mal am 15. Juni als er die fran­zö­si­schen Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­ten der ‚Freund­schafts­grup­pe Frank­reich-Hei­li­ger Stuhl‘ emp­fing.“ Die Wor­te des Pap­stes waren so ange­legt, daß sie alle als Ermu­ti­gung und gegen das „Homo-Ehe“-Gesetz ver­stan­den wer­den konn­ten, aber er nann­te nichts beim Namen, wes­halb alles auch anders aus­ge­legt wer­den kann. Der Papst wähl­te sei­ne Wor­te so, daß er weder in die eine noch in die ande­re Rich­tung fest­ge­na­gelt wer­den könnte.

„Es ist vor­her­seh­bar“, so Magi­ster, „daß Fran­zis­kus auch in Zukunft die­se Zurück­hal­tung zu Fra­gen, die den poli­ti­schen Bereich berüh­ren, bei­be­hal­ten wird. Eine Zurück­hal­tung, die auch dem Staats­se­kre­ta­ri­at einen Maul­korb ver­pas­sen wird. Der Papst ist der Über­zeu­gung, daß sol­che Stel­lung­nah­men den Bischö­fen der ein­zel­nen Län­der zuste­hen. Den Ita­lie­nern hat er es klar gesagt: ‚Der Dia­log mit den poli­ti­schen Insti­tu­tio­nen ist eure Sache‘.

Papst Franzikus delegiert Schlüsselthemen unserer Zeit den Bischöfe, die delegieren sie…

Die­se Dele­gie­rung birgt vie­le Gefah­ren und erstaunt ange­sichts des pes­si­mi­sti­schen Urteils, das Berg­o­glio von der Durch­schnitts­qua­li­tät der Bischö­fe in der Welt hat. Zudem sind die­se ihrer­seits wie­der ver­sucht, die Ent­schei­dun­gen an die Lai­en wei­ter zu dele­gie­ren, die von noch gerin­ge­rer Ori­en­tie­rungs­si­cher­heit sind, und geben damit die Füh­rungs­rol­le auf, die ihnen durch die apo­sto­li­sche Suk­zes­si­on anver­traut ist.

Fran­zis­kus scheint die­se Gefah­ren nicht zu fürch­ten, denn er ist ja über­zeugt, wie er sag­te, daß dann, wenn der Bischof unsi­cher über den ein­zu­schla­gen­den Weg ist, ‚die Her­de selbst den Rie­cher hat, den Weg zu finden‘.“

Man könn­te Magi­ster so zusam­men­fas­sen: Der Papst gibt lästi­ge, sei­ne Popu­la­ri­tät gefähr­den­de The­men, die aus­ge­rech­net die gro­ßen Aus­ein­an­der­set­zun­gen unse­rer Zeit betref­fen, an sei­ne unter­ge­be­nen Bischö­fe wei­ter, die wie­der­um rei­chen sie flugs an die ihnen unter­ge­be­nen Lai­en wei­ter. Die­se sind über soviel Auf­wer­tung wahr­schein­lich begei­stert, doch in ihrem Urteils­ver­mö­gen und ihrer Glau­bens­si­cher­heit nicht immer aus­rei­chend gefe­stigt. Was jedoch kein Pro­blem ist, denn wenn die Her­de ori­en­tie­rungs­los unter­wegs ist, wird sie schon einen guten Hir­ten fin­den, und wenn der Hir­te ori­en­tie­rungs­los unter­wegs ist, wird er schon eine gute Her­de haben. Na dann, möch­te man aus­ru­fen, sind wir für die gro­ßen Her­aus­for­de­run­gen unse­rer Zeit als Katho­li­ken ja bestens gerü­stet. Ein System, das vor allem sehr „ver­trau­ens­er­weckend“ ist.

Das Schweigen zum Zweiten Vatikanischen Konzil – Stimmen Demokratisierer berechtigt Loblieder an?

Aber hören wir Magi­ster wei­ter: „Schließ­lich gibt es noch ein Schwei­gen, das die ersten 100 Tage von Papst Fran­zis­kus gekenn­zeich­net hat.

Es ist das Schwei­gen über das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil, das er bis­her nur sehr sel­ten und wenn nur neben­bei erwähn­te. Wäh­rend es für Papst Bene­dikt XVI. bis zum Schluß ein zen­tra­les Ele­ment war: man den­ke nur an die Wor­te an die römi­schen Semi­na­ri­sten und Prie­ster weni­ge Tage vor sei­nem Amtsverzicht.

Das Wun­der auch in die­sem Punkt liegt dar­in, daß fast alle inner­kirch­li­chen Pole­mi­ken ver­stummt sind über die Inter­pre­ta­ti­on und die Umset­zung des Zwei­ten Vati­ka­nums, die sich unter Bene­dikt XVI. ganz beson­ders gegen ihn ent­zün­det hatten.

Mit Papst Fran­zis­kus ist das lefeb­vria­ni­sche Schis­ma in einen Schlaf gefal­len und sei­ne Berei­ni­gung scheint in wei­te Fer­ne gerückt.

Umge­kehrt sin­gen die Wort­füh­rer einer Demo­kra­ti­sie­rung der Kir­che dem neu­en Papst ein Lob­lied nach dem anderen.

Ver­gleicht man jedoch die ersten 100 Tage von Papst Fran­zis­kus mit dem pro­gres­si­sti­schen „Pro­gramm der ersten 100 Tage“, das Giu­sep­pe Dos­set­ti, Giu­sep­pe Albe­ri­go und Alber­to Mel­lo­ni den Kar­di­nä­len der bei­den Kon­kla­ve des Jah­res 1978 über­reich­ten und das zu den Kon­kla­ve von 2005 und 2013 jeweils neu auf­ge­legt wur­de, dann fällt auf, daß der der­zei­ti­ge Papst mehr einem Gene­ral alten Schlags der Jesui­ten ähnelt.

Post Scriptum:

Knapp nach dem 100. Tag als Papst, hat Fran­zis­kus am 22. Juni eine Geste gesetzt, die auch eini­ge sei­ner über­zeug­te­sten Ver­eh­rer sprach­los machte.

Wegen einer nicht näher genann­ten ‚drin­gen­den und unauf­schieb­ba­ren Ver­pflich­tung‘, wie in letz­ter Minu­te bekannt­ge­ge­ben wur­de und ohne es dem Osser­va­to­re Roma­no mit­zu­tei­len, der zur sel­ben Zeit bereits in Druck ging – blieb der Stuhl des Pap­stes im Mit­tel­punkt der Audi­enz­hal­le leer, wo ihm zu Ehren zum Jahr des Glau­bens die 9. Sym­pho­nie von Beet­ho­ven auf­ge­führt wurde.

„Ich bin kein Renais­sance­fürst, der Musik hört, statt zu arbei­ten“, das sind die Wor­te, die ihm von eini­gen ‚Papi­sten‘ der Kurie in den Mund gelegt wur­den, ohne zu begrei­fen, daß sie damit den Scha­den nur noch vergrößerten.“

Für den Pro­gres­si­sten Alber­to Mel­lo­ni hat die Geste „etwas von der Grö­ße ‚eines fei­er­li­chen, stren­gen Schla­ges‘, der nur den inno­va­ti­ven Stil von Fran­zis­kus bestätigt.

Der leere Stuhl: Effizienz gegen Kuktur?

In Wirk­lich­keit macht sie den Beginn die­ses Pon­ti­fi­kats noch unent­zif­fer­ba­rer“, so Magister.

„Waren Sakra­men­te zu spen­den? Wir hät­ten alle mit tie­fem Respekt gro­ßes Ver­ständ­nis. Woll­te er aber nur die Arbeit vor­zie­hen? Ein Zei­chen von Effi­zi­enz set­zen? In einer ohne­hin ’so effi­zi­en­ten‘ Welt!? Dann wäre sei­ne Geste Kul­tur­fein­dich­keit. Effi­zi­enz ist kei­ne katho­li­sche Kate­go­rie, Kul­tur aber schon“, schrief Raf­fae­la Bol­di zum lee­ren Stuhl in der Audi­enz­hal­le am ver­gan­ge­nen Samstag.

„Der evan­ge­li­sti­sche Schwung von Papst Fran­zis­kus, sein Errei­chen­wol­len der ‚exi­sten­ti­el­len Rän­der‘ der Mensch­heit, hät­te näm­lich gera­de in der Spra­che der Musik ein groß­ar­ti­ges Instru­ment zur Ver­fü­gung“, so Magister.

„Mit der Neun­ten Beet­ho­vens erreicht die­se Spra­che groß­ar­ti­ge Höhen und macht sich ver­ständ­lich über alle Glau­bens­gren­zen hin­weg, sie wird mit kaum über­treff­ba­rer Wir­kung zu einer Art ‚Vor­hof der Heiden‘.

Jedem öffent­li­chen Kon­zert, ließ Bene­dikt XVI. eini­ge Über­le­gun­gen fol­gen, die in der Tie­fe den Geist und das Herz anrührten.

Vor einem Jahr, nach­dem er an der Sca­la in Mai­land genau die 9. Sym­pho­nie von Beet­ho­ven gehört hat­te, sag­te Papst Ratzinger:

‚Nach die­sem Kon­zert wer­den vie­le zur eucha­ri­sti­schen Anbe­tung gehen, zu Gott der sich unse­rer Lei­den annahm und es wei­ter­hin tut. Zum Gott, der mit uns und für uns lei­det und so die Män­ner und die Frau­en fähig gemacht hat, das Lei­den des ande­ren zu tei­len und in Lie­be zu ver­wan­deln. Genau dazu füh­len wir uns durch die­ses Kon­zert gerufen.‘ “

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Set­ti­mo Cielo

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