Kirchenzeitungs-Chefredakteur liefert kritische Bestandsaufnahme des Konzils und seiner „Früchte“ – Der Ausweg?


Stefano Fontana: Das Konzil der Kirche zurückgeben. 10 Fragen an das Zweite Vatikanische Konzil(Tri­est) Ste­fa­no Fon­ta­na, der Direk­tor des Inter­na­tio­nal Obser­va­to­ry Car­di­nal Van Thu­an for the Social Doc­tri­ne of the Church (Kar­di­nal Van Thu­an Beob­ach­tungs­stel­le für die Sozi­al­leh­re der Kir­che) und Chef­re­dak­teur der Kir­chen­zei­tung der Erz­diö­ze­se Tri­est gab im April das Buch Il Con­ci­lio resti­tui­to alla Chie­sa (Das Kon­zil der Kir­che zurück­ge­ge­ben. 10 Fra­gen an das Zwei­ten Vati­ka­num, Turin 2013) her­aus. Der Autor bemüht sich dar­in um eine „Wie­der­ent­deckung“ des Kon­zils durch sei­ne Inter­pre­ta­ti­on als Teil der kirch­li­chen Tra­di­ti­on und aus der Tra­di­ti­on her­aus. Das Vor­wort zum Buch schrieb der Erz­bi­schof von Tri­est, Msgr. Giam­pao­lo Crepaldi.

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Fon­ta­na ver­sucht das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil und die anschlie­ßen­de Ent­wick­lung bis heu­te aus dem Blick­win­kel eines ein­fa­chen Katho­li­ken zu betrach­ten, der frei von theo­lo­gi­schen und kir­chen­po­li­ti­schen Rich­tungs­in­ter­es­sen ist. „Die­ser Gläu­bi­ge, irgend­ein Gläu­bi­ger, bin ich selbst, sind wir, die wir die­se Zeit erlebt haben, ohne einen Lehr­stuhl an einer päpst­li­chen Uni­ver­si­tät inne­zu­ha­ben, ohne alle fünf Bän­de der Geschich­te des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils von Giu­sep­pe Albe­ri­go [1]Geschich­te des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils (1959–1965), 5 Bän­de, Mainz 2000–2007, die von der Schu­le von Bolo­gna her­aus­ge­ge­be­ne und von der deut­schen Bischofs­kon­fe­renz stark bezu­schuss­te … Con­ti­n­ue rea­ding gele­sen zu haben, ohne Roma­no Ame­rio, den Autor des berühm­ten Iota Unum [2]Ame­rio, Roma­no: Iota Unum. Eine Stu­die über die Ver­än­de­run­gen in der katho­li­schen Kir­che im 20. Jahr­hun­dert, Rup­picht­eroth 2000. Einer der füh­ren­den tra­di­ti­ons­ver­bun­de­nen Kri­ti­ker des Kon­zils und … Con­ti­n­ue rea­ding gekannt zu haben, ohne an den in die­sen Jahr­zehn­ten und noch mehr im von Bene­dikt XVI. aus­ge­ru­fe­nen Jahr des Glau­bens, das mit dem 50. Jahr­tag der Kon­zils­er­öff­nung am 11. Okto­ber 1962 zusam­men­fällt, so zahl­rei­chen Tagun­gen und Kon­gres­sen über das Zwei­te Vati­ka­num teil­ge­nom­men zu haben“ (S. 14).

Der Autor beginnt mit einem Rück­blick, den Erin­ne­run­gen aus sei­ner Kind­heit, die er in einer durch und durch katho­li­schen Umwelt erleb­te, als die Kin­der von Ordens­frau­en und Prie­stern im Talar unter­rich­tet wur­den; als der Prie­ster beim hei­li­gen Meß­op­fer zu Gott hin gerich­tet war; als die kon­se­krier­te Hostie kniend und in den Mund emp­fan­gen wur­de und auf kei­nen Fall gekaut wer­den durf­te; als man ab Mit­ter­nacht nüch­tern blei­ben muß­te, um die Kom­mu­ni­on emp­fan­gen zu kön­nen. „Alle die­se Din­ge ende­ten mit dem Kon­zil. Die­ser unser irgend­ein Gläu­bi­ger weiß nicht recht zu sagen, ob sie wegen des Kon­zils ende­ten oder ob sie sich bereits erschöpft hat­ten und das Kon­zil nur die­se Aus­zeh­rung behe­ben woll­te. Der Zusam­men­hang zwi­schen dem Kon­zil und dem Ende einer Epo­che ist in sei­nem Den­ken aber ganz deut­lich prä­sent“ (S. 17).

Die katho­li­sche Publi­zi­stin und Histo­ri­ke­rin Cri­sti­na Sic­car­di schrieb in einer Bespre­chung des Buches: „Es sind nicht die jam­mer­vol­len Trä­nen von einem, der Nost­al­gie nach einer Ver­gan­gen­heit hat, die nicht wie­der­kehrt. Es ist die intel­li­gen­te Fas­sungs­lo­sig­keit von jeman­dem, der plötz­lich und durch eine sol­che Seel­sor­ge einer unver­brüch­li­chen Unter­wei­sung beraubt wur­de, die die See­len nähr­te und ihnen den Weg zeig­te, wie sie har­mo­nisch und ohne Schi­zo­phre­ni­en zum Heil gelan­gen konn­ten. Es ist die Stim­me des Glau­bens, die aus dem Inne­ren des Gläu­bi­gen eine Kohä­renz in den Grund­sät­zen ein­for­dert und die begrei­fen will, war­um plötz­lich, ab einem bestimm­ten Punkt, wäh­rend der Hei­li­gen Mes­se mit Gan­dhi und Mar­tin Luther King gebe­tet, wäh­rend der Ele­va­ti­on die Musik von Pink Floyd gespielt und der Kate­chis­mus auf der Grund­la­ge der Lied­tex­te von Fabri­zio De André und Gior­gio Gaber erteilt wurde.“

Der Autor stellt sei­ne Über­le­gun­gen zum Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil mit der kla­ren Absicht an, eine Lösung für das Dilem­ma zu suchen. Eine Lösung, die er dar­in aus­fin­dig macht, das Kon­zil im Dis­kurs einer „rich­ti­gen Inter­pre­ta­ti­on“ zu kana­li­sie­ren, jener Linie einer „Her­me­neu­tik der Erneue­rung in der Kon­ti­nui­tät“, die Bene­dikt XVI. auf­zeig­te. „Das Unter­neh­men ist schwie­rig, wie der Chef­re­dak­teur von Vita Nuo­va sel­ber zugibt. Und wir fügen hin­zu, daß es gera­de­zu unmög­lich ist, weil eine rich­ti­ge Inter­pre­ta­ti­on des Kon­zils allein nicht aus­reicht. Um auf rea­li­sti­sche Wei­se die Pro­ble­me lösen zu kön­nen, müs­sen die Kno­ten in den Kon­zils­do­ku­men­ten gefun­den und ent­wirrt wer­den. Nur auf die­se Wei­se wird das Kon­zil wirk­lich der Kir­che zurück­ge­ge­ben“, so Siccardi.

„Fon­ta­na sucht nach einem Heil­mit­tel, weil er die gan­ze Last des Abgrunds sieht, der sich in die­sen 50 Jah­ren der Früch­te des Kon­zils auf­ge­tan hat. Es han­delt sich um eine Bestands­auf­nah­me der Brü­che zwi­schen dem Vor­her und dem Nach­her des Kon­zils ohne jede Heu­che­lei und Ver­schleie­rungs­ver­su­che. Er sieht sich durch die Ehr­lich­keit einer unge­wis­sen und ver­wir­ren­den Situa­ti­on gegen­über. Und letzt­lich ruht sei­ne Hoff­nung, wie bei jedem treu­en Gläu­bi­gen auf einem Ein­grei­fen der Vor­se­hung, die imstan­de ist, die Irr­tü­mer, Feh­ler und Spal­tun­gen zu über­win­den, auch und um so mehr in der Kir­che, deren Haupt und Grün­der allein Chri­stus ist.“

Text: Cor­ri­spon­den­za Romana/​Giuseppe Nardi

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1 Geschich­te des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils (1959–1965), 5 Bän­de, Mainz 2000–2007, die von der Schu­le von Bolo­gna her­aus­ge­ge­be­ne und von der deut­schen Bischofs­kon­fe­renz stark bezu­schuss­te Kon­zils­ge­schich­te aus pro­gres­si­ver Sicht.
2 Ame­rio, Roma­no: Iota Unum. Eine Stu­die über die Ver­än­de­run­gen in der katho­li­schen Kir­che im 20. Jahr­hun­dert, Rup­picht­eroth 2000. Einer der füh­ren­den tra­di­ti­ons­ver­bun­de­nen Kri­ti­ker des Kon­zils und der nach­kon­zi­lia­ren Ent­wick­lung in der katho­li­schen Kirche.
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