(Vatikan) Ist der Vatikan über Nacht eine konstitutionelle Monarchie geworden oder gar eine Republik? Hat Papst Franziskus auf den Titel „Souverän des Vatikanstaates“ verzichtet? Diese Frage trieb heute vormittag wie ein „Krimi“ die Vatikanisten um.
Der Rücktritt von Papst Benedikt XVI. wirft weiterhin unerwartete Fragen auf. Im heute vorgestellten Päpstlichen Jahrbuch 2013, in dem Papst Franziskus und sein Vorgänger angeführt werden, schien es in einem ersten Augenblick, als hätte der Amtsinhaber auf den Titel eines „Souveräns der Vatikanstaats“ verzichtet und damit des verbliebenen kleinen Rest der einstigen Kirchenstaaten, die 1500 Jahre Mittelitalien umfaßten. Der Vatikan präzisierte jedoch, daß der Titel weiterhin Geltung habe.
Nachdem italienischen Truppen 1870 mit Waffengewalt den Kirchenstaat besetzt hatten, lebte der Papst als „Gefangener“ im Vatikan. Erst 1929 mit der Unterzeichnung der Lateranverträge zwischen dem Heiligen Stuhl und Italien wurde das Gebiet der Vatikanstadt als souveräner Staat anerkannt, dessen Staatsoberhaupt der Papst ist. Seither wurde der Vatikanstaat von fast allen Staaten der Welt anerkannt und unterhält mit fast 180 von 193 Staaten und allen internationalen Institutionen diplomatische Beziehungen. Eine Situation, die von herausragender Bedeutung für die Aktivitäten der Kirche ist und ihr eine Stimme in den internationalen Gremien verschafft.
In der heute vorgestellten Ausgabe des Jahrbuchs steht erstmals auf der Titelseite zu Rom: „Sitz des Stellvertreters Jesu Christi, Nachfolger des heiligen Apostelfürsten Petrus“.
Neu ist auch, daß zwei Päpste genannt werden, das heißt, um genau zu sein, der amtierende Papst Franziskus als „Bischof von Rom, Summus Pontifex der Weltkirche, Primas von Italien, Erzbischof und Metropolit der Römischen Provinz“ und Benedikt XVI. „Summus Pontifex emeritus“. Damit ist die Frage der genauen Bezeichnung der beiden Päpste durch den Heiligen Stuhl geklärt. Ob damit auch alle kirchenrechtlichen Fragen geklärt sind, die seit der Rücktrittsankündigung die Kanonisten diskutieren lassen, bleibt abzuwarten.
Die Angaben zu beiden Päpsten finden sich im Jahrbuch auf der Seite der Diözese Rom. Nach der Nennung von Papst Franziskus heißt es in der Veröffentlichung: „Die geistliche Leitung der Diözese Rom ist dem Generalvikar seiner Heiligkeit: Eminentissimus ac Reverdissimus Dominus Kardinal Agostino Vallini anvertraut; für die Vatikanstadt ist der Erzpriester pro tempore der Päpstlichen Basilika von Sankt Peter im Vatikan Generalvikar: Eminentissimus ac Reverendissimus Dominus Kardinal Angelo Comastri“ zuständig. Unter der Nennung von Benedikt XVI. als „emeritierter Papst“, folgen hingegen einige biographische Angaben zu Joseph Ratzinger, die mit dem Hinweis enden: „verzichtet am 28. Februar 2013“.
Papst Benedikt XVI. ist zudem in der Reihe der Päpste nach Johannes Paul II. mit dem Datum seiner Wahl und dem Datum „28.II.2013“ als Pontifikatsende aufgeführt. Dem Datum folgt ein Verweis auf eine Fußnote, in der erklärt wird, daß es sich um das Datum seines Amtsverzichts handelt. Im Verzeichnis der Päpste folgt nach Benedikt XVI. Papst Franziskus mit dem Datum seiner Wahl.
Der „Pressesaal“ des Vatikans präzisierte, daß Papst Franziskus „Souverän des Vatikanstaates“ bleibt. Die Pressestelle hatte zunächst Fotokopien der ersten Seite des Päpstlichen Jahrbuchs verteilt, die nur die oben erwähnte, vereinfachte Fassung der päpstlichen Titel enthält. Das warf die Frage auf, ob der Papst auf den Titel verzichtet hatte. Die Kopien waren aber nicht wegen Papst Franziskus verteilt worden, sondern weil auf derselben Seite des Jahrbuchs auch der künftige offizielle Titel von Benedikt XVI. enthalten ist, nämlich der eines „Summus Pontifex emeritus“, eines emeritierten Papstes.
Auf Nachfrage zeigte der stellvertretende Leiter des „Pressesaals“, Pater Ciro Benedettini die Seite des Jahrbuchs mit den vollständigen Titeln des regierenden Papstes, die gegenüber der Ausgabe 2012 noch von Papst Benedikt XVI. unverändert geblieben ist. Papst Franziskus ist „Bischof von Rom, Stellvertreter Jesu Christi, Nachfolger des Apostelfürsten Petrus, Oberster Priester der Weltkirche, Primas von Italien, Erzbischof und Metropolit der Kirchenprovinz Rom, Souverän des Staates der Vatikanstadt, Diener der Diener Gottes“.
Papst Benedikt XVI. hatte nach seiner Wahl 2005 auf den Titel Patriarch des Abendlandes verzichtet, den die Päpste mehr als 1550 Jahre führten, um damit mit Blick auf die Ökumene die Beschränkung auf den westlichen Teil der Kirche abzulegen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Una Fides