(Rom) Raymond Kardinal Burke, der Präfekt der Apostolischen Signatur hat in einem Appell die europäischen Bischöfe aufgefordert, in ihren Ländern am jeweiligen Marsch für das Leben teilzunehmen. Der Aufruf steht im Zusammenhang mit der am 12. Mai zum dritten Mal in Rom stattfindenden Marcia per la vita. An dem Marsch hatten 2012 je nach Angabe 15.000–20.000 Menschen teilgenommen. Der Amerikaner Kardinal Burke, der zu den traditionsverbundenen Kardinälen zählt und im Vorfeld des jüngsten Konklave als Papabile galt, forderte alle Bischöfe auf, sich persönlich gegen die Tötung ungeborener Kinder und für die Verteidigung des Lebens einzusetzen. Konkret nannte er dabei die Teilnahme an den verschiedenen Märschen für das Leben, die inzwischen in zahlreichen Ländern durchgeführt werden.
Jeder Bischof soll persönlich Kampf gegen die Kultur des Todes aufnehmen
In einem Interview mit der Lebensrechtsseite LifeSiteNews sagte der Kardinal am Dienstag, daß die Bischöfe der ganzen Welt „jeder und ganz persönlich in seiner Diözese den Kampf für eine Kultur des Lebens und gegen eine Kultur des Todes anführen soll, ohne auf die Bischofskonferenz zu warten“. Jeder Bischof „hat eine klare Verantwortung in der Sache. Manchmal zögern die einzelnen Bischöfe jedoch etwas zu tun, weil sie auf die Initiative der jeweiligen Bischofskonferenz warten“, so Kardinal Burke.
Die Bischöfe müßten sich vor einer „Tendenz zur Bürokratisierung“ hüten, so der Kardinal, vor einer „Wahrheit auf Auftrag“ anderer, im konkreten Fall der Bischofskonferenz. „Allein schon wegen der Art, wie diese Bischofskonferenzen funktionieren, können Jahre vergehen, bevor sie einem bestimmten Thema eine konkrete Richtung geben, eine Richtung, die dann erst diskutiert und debattiert wird und dadurch erheblich verwässert werden kann“, so der Kardinal.
Bischofskonferenzen zu langsam und verwässern – Es braucht konstanten Einsatz der Bischöfe, nicht einmalige Erklärung
Msgr. Burke forderte zudem einen „konstanten Einsatz der Bischöfe“, die sich nicht darauf beschränken sollten, einmal eine Erklärung abzugeben, die dann für immer reichen soll. „Wir schreiben keine Hausarbeiten für die Universität, in denen es reicht, auf ein vorheriges Dokument zu verweisen und fertig“. Im öffentlichen Leben müsse die Botschaft immer neu bekräftigt und bestätigt und immer aktualisiert werden, so Kardinal Burke.
Erklärungen seien aber nur eine Seite dieser Botschaft: „Es ist eine ganz andere Sache, die Menschen aktiv in ihrem Wunsch zu ermutigen, daß das Moral- und Naturgesetz respektiert wird“, das auch in einer „pluralistischen“ Gesellschaft als universales Recht zu gelten habe. Deshalb kann und muß es in der geltenden Gesetzgebung zum Ausdruck kommen.
Kardinal Burke, der Präfekt der Apostolischen Signatur und damit des Obersten Gerichtshofs des Vatikans, ist an der Römischen Kurie als einer der entschiedensten Verfechter der Heiligkeit des menschlichen Lebens in all seinen Momenten von der Zeugung bis zum natürlichen Tod bekannt. In seinem Interview betonte Msgr. Burke, daß die Entwicklung und Ausbreitung, die der in den USA entstandene Marsch für das Leben in den vergangenen Jahren genommen habe, ein Signal für einen Meinungswandel beim Thema Abtreibung in vielen Ländern der westlichen Welt ist, „vor allem unter den Jungen“.
Abtreibungsfrage „absolut wichtigste soziale Frage unserer Zeit“
Der Kardinal betonte, daß die Abtreibungsfrage, die „absolut wichtigste soziale Frage unserer Zeit“ ist, auch wenn Teile der kirchlichen Hierarchie, sogar im Vatikan, nicht danach handeln würden. Mangelnder Enthusiasmus und Einsatzfreudigkeit im Kampf gegen die Tötung ungeborener Kinder, der unschuldigsten Geschöpfe dieser Erde, als oberste Priorität „in bestimmten hohen Sphären der Kirchenführung ist etwas, das geändert werden muß“, so Kardinal Burke.
Der Kardinal betonte, daß alles in allem, unter den Kardinälen wegen der Abtreibung „Sorge herrscht“. Allerdings „die konkrete Art und Weise, wie sie meinen, daß für die Verteidigung des Lebens Zeugnis abzulegen sei, ist eine ganz andere Sache“, so der Kardinal. „In manchen Ländern herrscht ein großes Zögern unter den Prälaten, an öffentlichen Kundgebungen teilzunehmen. Viele sehen darin eine Verwicklung in eine Art von politischem Aktivismus, der für die Rolle eines Kirchenoberen nicht geeignet sei.“
Abtreibung keine Frage politischer Parteiung, sondern des Allgemeinwohls – Recht auf Leben erste Instanz sozialer Gerechtigkeit
Er, so Burke, habe nie gezögert, „weil es um ein allgemeines Problem geht, es geht darum Zeugnis für das Allgemeinwohl abzulegen. Es geht nicht um eine politische Parteinahme für diesen oder jenen Kandidaten bei einer Wahl, es geht um das Allgemeinwohl, das alle betrifft und eint“. Unter Verweis auf die Enzyklika von Papst Benedikt XVI. Caritas in Veritate unterstreicht der Kardinal, daß das Problem Abtreibung oberste Priorität hat, wenn es um das Allgemeinwohl eines Landes und seiner Bevölkerung geht: „Das Recht auf Leben stellt die erste und höchste Instanz sozialer Gerechtigkeit dar“.
Immer neue Märsche für das Leben, „auch in ultra-liberalen europäischen Städten wie Berlin, Paris und Brüssel“, zeigen, daß das Interesse an der Frage unter den Jungen groß ist. Die Menschen beginnen zu verstehen, daß die Kultur dem Bankrott zusteuert und sucht nach Wegen, sich dieser Entwicklung entgegenzustellen“. In den USA habe es zunächst auch unter den Bischöfen nur wenig Interesse gegeben. Das habe sich inzwischen geändert. Heute sei das Interesse vor allem für den Marsch für das Leben von Washington unter den Oberhirten groß. Das Totschweigen durch die Massenmedien war nicht imstande, die Ausbreitung der Initiative aufzuhalten, „weil Menschen bereit sind für ihre Überzeugung einzustehen. Dieses direkte und öffentliche Zeugnis verfehlt ihre Wirkung auf andere nicht“, so der Kardinal.
Marsch für das Leben: Massenmedien konnten Ausbreitung nicht verhindern – Lebensrechtler sollen Priester und Bischöfe zur geistlichen Führerschaft drängen
Der amerikanische Purpurträger forderte zudem die neuen Generationen von Lebensrechtlern auf, ihr Anliegen auch zum Klerus zu tragen. „Ich meine, daß die Gläubigen in den Pfarreien und Diözesen zu ihren Priestern und Bischöfen gehen und diese drängen sollen, die geistliche Führung im Kampf für das Leben zu übernehmen, denn dazu sind sie auch berufen. Sicher kommt den Laien die Hauptaufgabe zu in allen Bereichen des öffentlichen Lebens, vor allem im Zeugnisgeben für das Evangelium.“ Es brauche aber eine fruchtbringende geistliche Wechselwirkung zwischen Priestern, Bischöfen und Laien. „Es ist der Klerus, der die geistliche Grundlage legen und immer wieder erneuern muß. Es geht um die geistliche Führerschaft, das ist der Punkt“.
Marsch für das Leben: Termine 2013 im deutschen Sprachraum
Der nächste Marsch für das Leben im deutschen Sprachraum findet 2013 statt:
1000 Kreuze Marsch für das Leben in München am 11. Mai 2013
Gebetszug 300 kleine Europäer jede Stunde in Straßburg am 12. Juni 2013
Gebetszug 1000 Kreuze für das Leben in Salzburg am 25. Juli 2013
1000 Kreuze Marsch für das Leben in Fulda am 24. August 2013
Marsch für’s Läbe in Zürich am 13. September 2013
Marsch für das Leben in Berlin am 21. September 2013 (einen Tag vor der Bundestagswahl)
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Adoratio/Corrispondenza Romana