(Washington) Seit der ahistorischen Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI. wird ausgiebig über Reformen diskutiert, vor allem die Römische Kurie befindet sich im Visier. Ein erster, konkreter Vorschlag kommt aus den USA vom katholischen Intellektuellen und Biographen von Johannes Paul II., George Weigel. In einem Beitrag für First Things unterbreitet Weigel Anregungen für eine Reform des Kardinalskollegiums und damit des Konklaves.
Weigel bezeichnet das Gremium der Papstwähler, wie es sich im jüngsten Konklave präsentierte als „seltsame Wählerschaft“, die sich zu 20 Prozent aus pensionierten Mitgliedern zusammensetzte. „Nur acht wählende Kardinäle waren jünger als 65 (und die Hälfte davon waren Amerikaner, die Kardinäle Burke, Di Nardo, Dolan und Harvey).“
Zudem seien sowohl der Dekan als auch der Subdekan des Kardinalskollegiums nicht mehr wahlberechtigt gewesen. Weigel weist darauf hin, daß zum Beispiel Indien mehr Wähler im Konklave hatte als Frankreich (fünf und vier) und daß Großbritannien nach dem Verzicht des Schotten Keith Kardinal O’Brien gar keinen Wähler hatte. Ljubomyr Kardinal Husar, der Großerzbischof der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche, der größten mit Rom unierten Ostkirche, konnte nicht mehr am Konklave teilnehmen, weil er am 26. Februar, zwei Tage vor Beginn der Sedisvakanz das 80. Lebensjahr vollendete. Der Deutsche Walter Kardinal Kasper hingegen durfte am Konklave teilnehmen und scheint dabei eine nicht unerhebliche Rolle gespielt zu haben, weil er erst fünf Tage nach dem Stichtag 28. Februar 80 wurde.
Kardinalskollegium nicht repräsentativ – Purpur erst, wenn Neuevangelisierung Frucht bringt
George Weigel macht weiters darauf aufmerksam, daß das Kardinalskollegium für das katholische Volk nicht repräsentativ ist. Lateinamerika, wo die Hälfte aller Katholiken leben, entsandte 19 Kardinäle in das Konklave, während Italien, wo vier Prozent der Katholiken leben, hingegen 28 Wähler hatte.
Weigel beschränkt sich nicht auf eine Analyse, sondern macht konkret Vorschläge für eine Reform. An erster Stelle schlägt er die Abschaffung des Automatismus vor, der Kardinalserhebungen an bestimmte Erzbischofssitze bindet. Jedenfalls sollte die Erhebung in den Kardinalsstand nicht automatisch sein für Erzdiözesen, in denen der Glauben „am Erlöschen“ ist. „Wenn sieben Prozent der katholischen Bevölkerung die Sonntagsmesse besuchen“, wie dies in einigen Städten des Alten Europa der Fall ist, warum sollten dann deren Bischöfe einen sicheren Platz im Kardinalskollegium haben? Weigel schlägt stattdessen vor, zu warten, um zu sehen, ob die Bischöfe dieser Diözesen imstande sind, ihr Gebiet zu reevangelisieren, bevor ihnen das Purpur verliehen wird.
Päpstliche Räte in Forschungsinstitute umwandeln
Der zweite Vorschlag betrifft die Päpstlichen Räte, die erst nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil errichtet wurden. Der älteste ist der 1967 von Papst Paul VI. ins Leben gerufene Päpstliche Rat für die Laien. Der jüngste der 2010 von Benedikt XVI. errichtete Päpstliche Rat zur Förderung der Neuevangelisierung. 1988 wurden auch die Päpstlichen Räte neben älteren Kongregationen der Römischen Kurie als Dikasterien und damit als „Ministerien“ der Kirchenregierung anerkannt.
Weigel macht den Vorschlag, als Dikasterien nur die Kongregationen zu belassen, alle Päpstlichen Räte hingegen in „Forschungsinstitute“ umzuwandeln. Deren Leitung seien nicht Kardinälen, sondern qualifizierten Welt- oder Ordenspriestern anzuvertrauen. Der Vorschlag hätte zudem die Wirkung, die Zahl der Kurienkardinäle zu verringern.
Überhaupt, so der dritte Vorschlag Weigels, sollte auch für die Verwaltungsämter an der Römischen Kurie die automatische Kardinalserhebung gestrichen werden. Die Leiter der verschiedenen Verwaltungseinrichtungen wie das Governatorat, die Güterverwaltung des Apostolischen Stuhls oder die Präfektur für die ökonomischen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls sollten nicht mehr automatisch mit dem Kardinalspurpur ausgezeichnet werden.
Auf 144 erhöhte Kardinalswürden nach geographischem und demographischem Schlüssel verteilen
Der vierte und letzte Vorschlag Weigels betrifft eine Neugewichtung des Kardinalskollegiums nach geographischen und demographischen Gesichtspunkten. Die Gesamtzahl der Papstwähler sollte statt der derzeitigen 120 auf 144 Kardinäle erhöht werden. Die Zahl begründet Weigel als „biblisch“, die zwölf Stämme Israels (Alter Bund) multipiziert durch die 12 Apostel (Neuer Bund).
Alle Kardinäle sollten zudem automatisch das aktive Wahlrecht im Konklave unabhängig vom Alter mit dem Zeitpunkt verlieren, da sie als Bischöfe von der Leitung der ihnen anvertrauten Diözesen oder Kurienämter emeritieren. Die derzeitige Regelung legt das Erlöschen des aktiven Wahlrechts mit der Vollendung des 80. Lebensjahres fest. Weigel begründet seinen Vorschlag mit dem Hinweis, eine Wählerschaft, von der ein Fünftel aus dem aktiven Dienst ausgeschieden ist, sei „nicht gut konzipiert“. Weigel fügt noch hinzu, daß sich die potentiellen Papstwähler regelmäßig alle 18 Monate treffen sollten, um sich besser kennenzulernen. Eine Ergänzung, die überflüssig scheint, da dieser Rhythmus bereits durch Einberufung außerordentlicher Konsistorien durch den Papst Realität ist, wie ein Blick auf die Kirchengeschichte zeigt. Papst Benedikt XVI. berief während seines knapp acht Jahre dauernden Pontifikats fünf außerordentliche Konsistorien ein, bei denen neue Kardinäle kreiert wurden. Eine Ausnahme bildete Johannes Paul II., der in seinem langen Pontifikat nur neun außerordentliche Konsistorien zusammenrief, bei denen die Zahl der neukreierten Kardinäle entsprechend groß war.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: La Vigna del Signore