Furcht oder Prophetie? – „Der nächste Papst wird Lateinamerikaner sein“


Scorzelli PastoraleEin Leser schrieb dem tra­di­ti­ons­ver­bun­de­nen Kunst- und Kul­tur­kri­ti­ker Fran­ces­co Cola­femmi­na fol­gen­den Kom­men­tar auf des­sen Blog Fides et For­ma:

„Möge Gott euch barm­her­zig sein … denn, statt euch um die Evan­ge­li­sie­rung der Hei­den zu küm­mern, ver­bringt ihr eure Zeit damit, euch um die Mode und die Gar­de­ro­be des Hl. Vaters, des Stell­ver­tre­ters Chri­sti auf die­ser Erde zu küm­mern! … (und nicht von Dol­ce & Gab­ba­na oder Valen­ti­no wie ihr glau­ben machen wollt! … Hm, und dann fragt ihr euch, war­um die Leu­te sich von der Hl. Römi­schen Kir­che abwen­den. Möge Gott euch ver­ge­ben.  L.F.“

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Dazu die Ant­wort Colafemminas:

Für acht Jah­re ertrug Bene­dikt XVI. die Kri­tik von Mel­lo­ni [1]Alber­to Mel­lo­ni, pro­gres­si­ver Kir­chen­hi­sto­ri­ker, Mit­ar­bei­ter von Giu­sep­pe Albe­ri­go an der Geschich­te des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils, Ver­tre­ter der pro­gres­si­ven „Her­me­neu­tik des Bruchs“, gegen … Con­ti­n­ue rea­ding, Man­cu­so [2]Vito Man­cu­so, ehe­ma­li­ger Prie­ster (1986 von Car­lo Maria Mar­ti­ni geweiht), pro­gres­si­ver Theo­lo­ge, unter­rich­tet Geschich­te der theo­lo­gi­schen Leh­ren an der Uni­ver­si­tät Padua, vom lin­ken Main­stream als … Con­ti­n­ue rea­ding, Enzo Bian­chi [3]Grün­der und Pri­or der öku­me­ni­schen Ordens­ge­mein­schaft von Bose, die er zum Ende des Zwei­ten Vati­ka­nums mit der Son­der­er­laub­nis von Miche­le Kar­di­nal Pel­le­gri­no grün­det, auch Pro­te­stan­ten auf­neh­men … Con­ti­n­ue rea­ding und vie­ler ähn­li­cher Stim­men. Es waren nur die soge­nann­ten „Tra­di­tio­na­li­sten“, bes­ser gesagt die Unter­stüt­zer Bene­dikts und des Papst­tums all­ge­mein, die sich über die­se Kri­tik empör­ten. Aus ver­schie­de­nen Grün­den, aber vor allem aus einem: Die gegen Bene­dikt XVI. erho­be­ne Kri­tik erwuchs aus einer stän­di­gen Unru­he, die nach „Erneue­rung“, „Ver­än­de­rung“ und „Revo­lu­ti­on“ ver­lang­te. Aus dem revo­lu­tio­nä­ren Geist des Zwei­ten Vati­ka­nums, das Bene­dikt XVI. uns aber lehr­te, in der Kon­ti­nui­tät der vor­kon­zi­lia­ren Kir­chen­ge­schich­te zu lesen.

Viel­leicht war Bene­dikt ein Träu­mer, viel­leicht übte er aber ein­fach nur kohä­rent sei­ne Rol­le als Kat­echon aus, und damit jene brem­sen­de Macht, die nicht sich selbst ver­kör­pert, nicht die eige­nen indi­vi­du­el­len Gedan­ken, son­dern die dia­chro­ni­sche, bewah­ren­de Kraft der Kirche.
Jeden­falls haben sich nach dem Ver­zicht von Bene­dikt alle dunk­len Wol­ken über dem Vati­kan mit einem Schlag auf­ge­löst. Hei­te­res Wet­ter kehr­te zurück. IOR, Kurie, Pädo­phi­lie, Vati­leaks usw. gehö­ren alle der Ver­gan­gen­heit an … Wie sag­te ein Prie­ster bei der Mes­se zu Ostern: „Mit Papst Fran­zis­kus atmet man neue Luft“.

Aber wie setzt sich die­se neue Luft zusam­men? Haupt­säch­lich aus sym­bo­li­schen Neuerungen:

  • Der Name ist völ­lig neu (Johan­nes Paul I. zählt nicht, weil er sei­ne bei­den Vor­gän­ger ehr­te. Um einen Papst mit einem neu­en Namen zu fin­den, muß man bis Papst Lan­do im Jahr 914 zurückgehen.
  • Ein Sil­ber­kreuz (nicht Eisen) statt Gold
  • Schwar­ze Schu­he statt rote.
  • Wei­ßer Talar ohne Mozet­ta, Rochett und Stola
  • Wei­ßer Stuhl statt Thron
  • Die Feru­la Pauls VI. statt der Benedikts
  • Die Mes­se nicht gesungen
  • Pre­dig­ten ohne Mitra und stehend
  • Pau­pe­ri­sti­sche und schwarz gerän­der­te Gewän­der statt der Meß­ge­wän­der Bene­dikts XVI.
  • Pre­dig­ten kurz und den­noch sich wiederholend
  • Woh­nung in Sanc­tঠMar­tঠund nicht im Apo­sto­li­schen Palast
  • Selbst­be­zeich­nung als Bischof von Rom und nicht als Sum­mus Pontifex

Die Auf­li­stung ist pro­vi­so­risch. Aus ihr ist den­noch eine offen­kun­di­ge Dis­kon­ti­nui­tät mit Papst Bene­dikt ables­bar. Dis­kon­ti­nui­tät, in vie­ler­lei Hin­sicht, nicht nur gegen­über Bene­dikt, son­dern mit allen bis­he­ri­gen Päp­sten. Ich lege Wert dar­auf fest­zu­hal­ten, daß die­se Dis­kon­ti­nui­tät nicht nur „von vier urteils­un­fä­hi­gen Tra­di­tio­na­li­sten behaup­tet“ wird, son­dern das Ergeb­nis des kla­ren, aus­drück­li­chen und ent­schlos­se­nen Wil­lens von Papst Fran­zis­kus ist.

Sicher, man wird nun wider­spre­chen und ein­wer­fen, daß der Stil von Papst Fran­zis­kus “nüch­tern“, “zart“ und “volks­na­he“ ist. Per­sön­lich bin ich der Mei­nung, daß es sich dabei nur um Dem­ago­gie han­delt. Anders aus­ge­drückt, um einen geplan­ten und über­leg­ten Wil­len, ein ande­res Zei­chen zu set­zen und all­ge­mein ein neu­es Bild des Pap­stes und des Papst­tums zu ver­mit­teln. Und um das zu tun, hat Fran­zis­kus – unab­hän­gig von allem übri­gen – den ein­hel­li­gen Kon­sens der Mas­sen­me­di­en. Er ist der „Befrei­er“, den man sich nach dem „Tyran­nen“ Bene­dikt XVI. erhoffte.

Viel­leicht redet er ja von Barm­her­zig­keit ohne von Bekeh­rung, Reue, Got­tes­furcht, Höl­le … Viel­leicht hat er sich das Mot­to Luthers zu eigen gemacht „pec­ca for­ti­ter sed cre­de for­ti­us“, aber man weiß ja, die Höl­le ist leer und die Kir­che, die einen erzürn­ten Gott zeigt, ist ein altes Über­bleib­sel einer Ver­gan­gen­heit, die nicht mehr Angst macht. War­um aber erwähnt dann der Papst so oft den Teu­fel? Ist der Teu­fel viel­leicht eine Art von inne­rem Dämon, der sich wie eine Trenn­wand zwi­schen die Gläu­bi­gen und Got­tes Lie­be schiebt? Ist viel­leicht die Wil­lens­frei­heit nur ein Zau­ber­wort ohne jede Bedeutung?

Wer weiß! Sicher, die Tat­sa­che muß eini­ge getrof­fen haben, daß der Papst die Füße jun­ger Gefan­ge­ner küß­te – eine abso­lut löb­li­che Geste, wenn sich nicht auch dort die auf­dring­li­che Dem­ago­gie der Bil­der dazwi­schen­ge­scho­ben hät­te – aber nach den Wand­lungs­wor­ten nicht vor Unse­rem Herrn nie­der­kniet, um einen Moment der Anbe­tung zu hal­ten. Ich sage muß, denn in Wirk­lich­keit haben sich kei­ne rele­van­ten Stim­men des Wider­spruchs gegen Papst Fran­zis­kus erho­ben. Viel­leicht aus einer gewis­sen Vor­sicht, die oppor­tun und klug ist.

Aber ich ver­zich­te heu­te lie­ber auf Oppor­tu­ni­tät und Klug­heit und behaup­te, daß mir Papst Fran­zis­kus nicht authen­tisch scheint. Ich sehe in sei­nen Gesten nicht naiv das Feh­len jeg­li­cher Pla­nung, die ande­re zu erken­nen mei­nen. Ich den­ke nicht, daß ein 76 Jah­re alter Mann, der bereits Kar­di­nal und Erz­bi­schof war, in sei­nen Hand­lun­gen so naiv und authen­tisch ist.

Nein, ich glau­be viel­mehr, daß alles kon­stru­iert und geplant ist, seit Jah­ren. Und es belu­stigt mich ein biß­chen zu sehen, daß die Kom­men­ta­to­ren, die mit einem Schlag alle Berg­o­glia­ner gewor­den sind, nun plötz­lich den „Tra­di­tio­na­li­sten“ Auf­merk­sam­keit schen­ken, die Papst Fran­zis­kus kri­ti­sie­ren, sich dabei aber ledig­lich auf die äuße­ren Aspek­te die­ser Kri­tik, ich wür­de von vati­can-fashion sei­ner Neue­run­gen spre­chen, beschränken.

Nein, die vati­ka­ni­sche Mode, ich kann es die­sen Kom­men­ta­to­ren ver­si­chern, inter­es­siert uns über­haupt nicht. Uns inter­es­siert die Kon­ti­nui­tät, eine Kir­che die weder aus vie­len klei­nen unab­hän­gi­gen Zel­len noch aus einem „davor“ und „danach“ besteht. Und im kon­kre­ten Fall ist es lei­der Papst Fran­zis­kus, der die­se Distanz zwi­schen einem „vor­her“ und einem „danach“ betont. Bes­ser gesagt, es sind sei­ne Wäh­ler, die ver­schie­de­nen Sod­a­nos (der jah­re­lang zum Scha­den Bene­dikts kom­plot­tier­te), und die ver­schie­de­nen Res, Dan­neels, Leh­manns, Hum­mes … Alles Leu­te, die in ihren Köp­fen den „Schock Fran­zis­kus“ seit Jah­ren planten.

Das habe ich schon 2009 geschrie­ben, als ich mei­nen Roman La Ser­pe fra gli Uli­vi (Die Schlan­ge im Oli­ven­hain) ver­faß­te, und viel­leicht bin ich des­halb gegen­über Papst Fran­zis­kus so skep­tisch. Heu­te nahm ich mein dama­li­ges Buch wie­der zur Hand und las die Sei­ten 278–279 nach:

Der Kar­di­nal mit sei­nem wür­de­vol­len und stren­gen, wenn auch manch­mal schlei­mi­gen und hämisch bos­haf­ten Gesicht hat­te es geschafft, eine beacht­li­che Grup­pe von Bischö­fen, Prie­stern und ande­ren Mit­glie­dern des Kol­le­gi­ums zu sam­meln. Ihr Ziel war es, die Kir­che in einem dau­er­haft schlech­ten Zustand zu hal­ten: die Rol­le des Pap­stes zu schwä­chen, die Glaub­wür­dig­keit der Ortho­do­xie zu unter­gra­ben, eine tief­grei­fen­de, glit­schi­ge Wider­sprüch­lich­keit zwi­schen dem katho­li­schen Anspruch und dem Pri­vat­le­ben der Hier­ar­chien zu fördern.

Die­se stän­di­ge Schwä­chung der Kir­che konn­te nicht offen bewerk­stel­ligt wer­den. Sonst wären sie Gefahr gelau­fen, als die wirk­li­chen Urhe­ber der Apo­sta­sie erkannt zu wer­den. Sie muß­ten hin­ter den Kulis­sen arbei­ten. Sie brauch­ten einen Papst, der wirk­lich hei­lig war! Einen ortho­do­xen, gerech­ten und auf­rech­ten Papst, im Glau­ben und in der Leh­re. Sei­ner hät­ten sie sich bedient, um die Kir­che zu zer­stö­ren, so wie die Welt sie kann­te. Ihr Pro­gramm war ja schließ­lich nicht banal.

Sie haben inner­halb des Vati­kans ein bestän­di­ges Werk auf­ge­zo­gen, um den ortho­do­xen und gerech­ten Papst zu dis­kre­di­tie­ren. Um zu zei­gen, daß sei­ne Ent­schei­dun­gen, sei­ne Sicht der Welt, ja selbst sein Glau­be über­holt, alt und für den moder­nen Men­schen unver­tret­bar sei­en. Sie setz­ten ihn welt­wei­ten Medi­en­kam­pa­gnen aus, indem sie Auf­se­hen um klei­ne kirch­li­che Ereig­nis­se insze­nier­ten, die sie ad hoc aufbliesen.

So berei­te­ten sie ihr Pon­ti­fi­kat vor. Das, bei dem der wirk­li­che Apo­stat gewählt wer­den soll­te, der wirk­li­che Gegen­papst. Die­sen heg­ten und umschmei­chel­ten sie sorg­sam. Sie erfüll­ten ihm jeden nur denk­ba­ren Wunsch, jede Ambi­ti­on, nur damit er sich still ver­hielt: ein Kar­di­nal unter vie­len. Zum geeig­ne­ten Zeit­punkt, wenn die Kir­che dis­kre­di­tiert, miß­han­delt, gede­mü­tigt durch die Staa­ten und deren frei­mau­re­ri­sche und auf­klä­re­ri­sche Staats­män­ner, wenn der hei­li­ge und auf­rich­ti­ge Papst aus den Her­zen der Chri­sten aus­ge­löscht sein wür­de, erst dann wür­den sie ihren Plan umsetzen.
Der neue Papst wird ein Latein­ame­ri­ka­ner sein.

Ich hof­fe nicht pro­phe­tisch gewe­sen zu sein.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Fides et Forma

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1 Alber­to Mel­lo­ni, pro­gres­si­ver Kir­chen­hi­sto­ri­ker, Mit­ar­bei­ter von Giu­sep­pe Albe­ri­go an der Geschich­te des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils, Ver­tre­ter der pro­gres­si­ven „Her­me­neu­tik des Bruchs“, gegen die Bene­dikt XVI. auftrat
2 Vito Man­cu­so, ehe­ma­li­ger Prie­ster (1986 von Car­lo Maria Mar­ti­ni geweiht), pro­gres­si­ver Theo­lo­ge, unter­rich­tet Geschich­te der theo­lo­gi­schen Leh­ren an der Uni­ver­si­tät Padua, vom lin­ken Main­stream als Kri­ti­ker der Kir­che unter Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. hofiert
3 Grün­der und Pri­or der öku­me­ni­schen Ordens­ge­mein­schaft von Bose, die er zum Ende des Zwei­ten Vati­ka­nums mit der Son­der­er­laub­nis von Miche­le Kar­di­nal Pel­le­gri­no grün­det, auch Pro­te­stan­ten auf­neh­men zu dür­fen, der Laie Bian­chi wird als Pre­di­ger in katho­li­schen, pro­te­stan­ti­schen und ortho­do­xen Kir­chen und durch sei­ne in Buch­form erschie­ne­nen Medi­ta­tio­nen bekannt, Stamm­au­tor in zahl­rei­chen nicht tra­di­ti­ons­ver­bun­de­nen katho­li­schen Medien
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