(Vatikan) Papst Franziskus hat einen Mitbruder aus dem Jesuitenorden zu seinem Hauptberater in theologischen Fragen gemacht. Es handelt sich um Pater Luis Francisco Ladaria Ferrer. Der spanische Kurienerzbischof ist Sekretär der Glaubenskongregation. Papst Benedikt XVI. berief ihn 2008 auf diesen Posten und erhob ihn zum Erzbischof. Er ist der erste Jesuit in dieser Position. Ladaria war bereits seit 1995 Consultor der Glaubenskongregation und 2004 von Papst Johannes Paul II. zum Vorsitzenden der Internationalen Theologenkommission ernannt worden.
Obwohl er eines der wichtigsten Ämter an der Römischen Kurie innehat, ist der Kurienerzbischof einer breiteren Öffentlichkeit kaum bekannt. Der Spanier tritt kaum öffentlich in Erscheinung und gibt noch seltener Interviews. In einem der wenigen, die er 2008 kurz nach seiner Ernennung zum Sekretär des Heiligen Uffiziums der Monatszeitschrift 30Giorni gab, sagte er zur Frage, ob er damals auch der Faszination des Sturmjahres 1968 erlegen sei: „Ein bißchen waren wir wahrscheinlich alle von ’68 beeinflußt, aber in meinem Fall galt das nicht besonders.“ 1992 lernte ihn der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Joseph Kardinal Ratzinger kennen und schätzen.
Der Förderer und Verteidiger des Glaubens – und die „katholischen Universitäten voller Häresien“
Kurienerzbischof Ladaria, 1944 auf Mallorca geboren, war nach dem Studium der Rechtswissenschaften 1966 in den Jesuitenorden eingetreten. Seine Philosophie und Theologiestudien absolvierte Ladaria, der über gute Deutschkenntnisse verfügt, in Madrid und Frankfurt am Main. 1973 wurde er zum Priester geweiht. Kurz darauf promovierte er an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom in Theologie und wurde Professor für Dogmatik an der Päpstlichen Universität Comillas in Madrid, später an der Gregoriana in Rom. Seine fachlichen Schwerpunkte sind Theologische Anthropologie und Christologie. Im Juni 2011 machte der Erzbischof Ladaria zugeschriebene Satz die Runde: „Ihr wißt, es gibt die Priester, die Bischöfe, die katholischen Universitäten, die voller Häresien sind!“ Bekannt wurde der Satz durch den Generaloberen der Priesterbruderschaft St. Pius X., Msgr. Bernard Fellay. Erzbischof Ladaria, immerhin als Nummer Zwei der Glaubenskongregation für die Bewahrung und Verteidigung des Glaubens zuständig, bestätigte weder die Aussage noch dementierte er sie, weshalb sie als authentisch gelten darf.
Als seine Lehrmeister bezeichnete Ladaria 2008 in Deutschland die Jesuiten Alois Grillmeier und Otto Semmelroth, die einflußreiche Konzilstheologen waren, sowie Hermann Josef Sieben, der zu einem führenden Experten der Konzilsidee wurde. In Rom waren es ebenso Jesuiten: sein Doktorvater, der Patrologe Antonio Orbe, bei dem er über den Kirchenvater Hilarius von Poitiers promovierte, und Juan Alfaro und Zoltan Alszeghy. Er gilt theologisch als „gemäßigter Konservativer“ (30Giorni). Von sich selbst sagt er: „Ich muß sagen, daß mir die Extremismen nicht gefallen, weder die progressiven noch die traditionalistischen. Ich glaube, daß es einen Mittelweg gibt, die von der Mehrheit der Theologieprofessoren hier in Rom und in der Kirche allgemein gegangen wird, der mir der richtige Weg scheint, den es zu gehen gilt, auch wenn jeder von uns seine Besonderheiten hat, weil wir, Gott sei Dank, nicht alle gleich, keine Klone sind.“
Kritik an Ladarias Schriften – „Wenn ich ernannt wurde, muß ich ein solches Urteil nicht verdienen“
Seine Ernennung zum Sekretär der Glaubenskongregation wurde in traditionsverbundenen Kreisen nicht mit Begeisterung aufgenommen. Der spanische Theologe José Maràa Iraburu warf Ladaria vor, daß dessen 1993 erschienenes Buch Teologàa del pecado original y de la gracia (Theologie der Erbsünde und der Gnade, Madrid 1993) nicht mit der kirchlichen Glaubenslehre übereinstimme. Die Zeitschrift Si si, No no schrieb, daß Ladarias Buch Antropologàa teológica (Anthropologische Theologie, Madrid 1983) „völlig außerhalb der dogmatischen, katholischen Tradition steht“. Ladaria meinte zu dieser Kritik: „Wenn ich in dieses Amt berufen wurde, muß ich annehmen, daß meine Arbeiten nicht ein solches Urteil verdienen.“
Bisher zeichnete sich das soeben begonnene Pontifikat mehr durch ebenso ungewöhnliche wie umstrittene Gesten aus als durch die Worte, die der neue Papst an die Welt richtete. Der Papst schreibt seine Predigten selbst und trägt sie immer in Italienisch vor, oft durch spontane Ergänzungen bereichert. Er ist charismatisch veranlagt, was ihn näher an Johannes Paul II. heranrückt als an Benedikt XVI. Es war allerdings Benedikt XVI., der zu wesentlichen Teilen der theologische Stichwortgeber für den polnischen Papst war. Nach dem Lehramt des deutschen Papstes erscheinen die Predigten von Franziskus mehr an alltäglichen Lebenserfahrungen orientiert und nicht die des obersten Glaubenshüters. Die diskrete Mitarbeit des Jesuiten Ladaria soll die Spontaneität von Papst Franziskus unter dem Gesichtspunkt der Glaubenslehre unterstützen und theologisch untermauern.
Ladaria soll Spontaneität von Papst Franziskus theologisch untermauern
Mitarbeiter des Staatssekretariates sprechen davon, daß „Ladaria der Ratzinger Bergoglios“ werden könnte. Papst Franziskus wird seinen informalen, einfachen und direkten Predigtstil beibehalten. Ladaria sorgt für den theologischen Feinschliff. Allein aus sprachlichen Gründen wird die Zahl der spanischsprachigen Mitarbeiter um den Papst deutlich zunehmen.
Msgr. Ladaria war bereits als Erzbischof von Madrid im Gespräch. Mit der Wahl von Papst Franziskus dürfte er an der Römischen Kurie bleiben, wo allerdings die Stelle des Präfekten der Glaubenskongregation noch wenige Monate vor seinem Rücktritt von Benedikt XVI. durch den deutschen Erzbischof Müller besetzt wurde. 2010 übertrug Papst Benedikt XVI. dem Sekretär des ehemaligen Heiligen Uffiziums Vollmachten, uneingeschränkte Ermittlungen gegen Bischöfe unter Umgehung aller bischöflichen Zuständigkeiten einzuleiten und durchzuführen, die im Rahmen des Pädophilie-Skandals des sexuellen Mißbrauchs beschuldigt wurden. Der Papst erteilte dem spanischen Kurienerzbischof die Befugnis, bei Bestätigung der Anschuldigungen alle Vorbereitungen für die Amtsenthebung zu treffen.
Unterdessen versuchte die Jesuitenzeitschrift Popoli zu beschreiben, wohin Papst Franziskus die Kirche führen werde, hin zu einer „Kirche der Armut, der Reinheit des Herzens, der Barmherzigkeit, der Milde und der Demut“, die universeller sein werde, weil sie „nicht mehr als europäische und westliche oder romzentrierte Institution“ identifizierbar sein werde. Was konkret hinter den vielen Worten gemeint ist, ist hingegen weniger klar. Weniger klar ist auch noch, welche Theologie Jorge Mario Bergoglio, der nunmehrige Papst Franziskus vertritt, die derzeit von manchen überschwenglich als „neu“, „modern“, „der heutigen Welt zugewandt“, „offen für die Moderne, aber gegen die marxistische Befreiungstheologie“ geschildert wird.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Jornal Santuario