(London/Moskau) Justin Welby hat soeben erst mit einer prunkvollen Zeremonie den Thron des Erzbischofs von Canterbury bestiegen und ist damit zum geistlichen Oberhaupt der anglikanischen Weltgemeinschaft aufgestiegen. Und der Haussegen zwischen Anglikanern und Orthodoxen hängt bereits schief. Im Mittelpunkt lautstarker Polemiken steht die Zulassung von Frauen zum Pastorendienst und zum Bischofsamt.
Die Beziehungen gestalten sich seit Jahren zusehends schwieriger. Das war schon unter Welbys Vorgänger Rowan Williams so. Ein zunehmend liberalerer Kurs sorgte für immer neue Irritationen in Moskau.
Welby, ein ehemaliger Industriemanager, hat innerhalb der anglikanischen Gemeinschaft lediglich die Stellung eines Primus inter pares. Bei seiner Inthronisation am 21. März erklärte er, daß seiner Meinung nach in Zukunft auch eine Frau an seiner Stelle sitzen könnte.
Welby ergreift bei Amtseinführung Partei für Bischöfinnen
Kritiker werfen Welby vor, seine Amtseinführung mißbraucht zu haben, um in einem der härtesten Konflikte der vergangenen Jahre einseitig für eine Seite zu werben. Daß Welby für die Zulassung von Frauen zum Bischofsamt ist, war bereits vorher bekannt gewesen. Es war ein entscheidender Grund, weshalb er überhaupt zum Erzbischof von Canterbury gewählt wurde.
Erst im vergangenen November war die Zulassung von Bischöfinnen gescheitert. Dabei hatte die Hierarchie dafür gestimmt. Eine starke Minderheit unter den Gläubigen, verhinderte jedoch den Durchbruch. Während Pastoren und Bischöfe in getrennten Abstimmungen mit Zwei-Drittel-Mehrheit für Bischöfinnen stimmten, war das beim Stand der Gläubigen nicht der Fall.
Die liberalen Kräften geben sich siegessicher. Sie wollen solange abzustimmen lassen, bis der letzte Widerstand durch Überzeugungsarbeit und Umbesetzungen gebrochen ist. Die nächste Abstimmung wurde bereits für Juli angesetzt.
Moskau reagierte umgehend mit scharfer Ermahnung
Aus Moskau kam aber sofort eine scharfe Ermahnung. „Wir wissen, daß die anglikanische Kirche eine schwierige Zeit durchlebt und daß in ihrem Inneren unterschiedliche Meinungen, Ideen und Fraktionen koexistieren. Dennoch hoffen wir lebhaft, daß das traditionelle Verständnis der christlichen Moral und der Kirche aus dieser Polemik siegreich hervorgehen wird“, erklärte Metropolit Hilarion von Wolokolamsk bei einem Treffen mit dem neuen anglikanischen Primas im Rahmen des Festaktes von Canterbury.
Für die Russisch-orthodoxe Kirche, daran ließ Moskau keinen Zweifel, ist mit einer Zulassung von Bischöfinnen die Tür für eine Anerkennung der anglikanischen Hierarchie definitiv zu. Hilarion warnte Welby unumwunden: „Ich möchte, daß Sie sich dessen im Klaren sind und daß Sie unsere Position berücksichtigen, wenn dieses Thema erneut aufgeworfen werde sollte“.
Bei Einführung von Pastorinnen waren Russisch-Orthodoxe noch mit sich selbst beschäftigt
Die Unvereinbarkeit besteht bereits bei der Frauenordination, die in den USA von den Episkopalen bereits 1976, von der Kirche von England 1994 eingeführt wurde. Die meisten anglikanischen Kirchenprovinzen lehnen sie jedoch kategorisch ab. Anfang der 90er Jahre war die Russisch-orthodoxe Kirche nach dem Ende der langen Sowjetherrschaft zu sehr damit beschäftigt, den kommunistischen Kahlschlag zu überwinden und die orthodoxe Kirche in Rußland wiederaufzubauen, um sich mit der Frage der Frauenordination in England zu befassen.
Der Metropolit und Vertreter des Moskauer Patriarchen äußerte nun auch mit Nachdruck die Hoffnung, daß Welby sich für die Verteidigung der traditionellen Ehe zwischen Mann und Frau stark mache, „damit vermieden wird, daß die Kirche von England von der säkularisierten Gesellschaft gezwungen wird, einige Formen des Zusammenlebens anzuerkennen, die von den christlichen Kirchen nie als Ehe anerkannt wurden“.
Welby bekräftigte Übereinstimmung gegen Homo-„Ehe“ – Zu anderen Themen schwieg es
Welby bekräftigte, daß zumindest zum Thema Homo-„Ehe“ die anglikanische Position mit jener Moskaus übereinstimmt. Die Ehe, so Welby, könne selbstverständlich nur aus einem Mann und einer Frau bestehen. Zu den anderen Thema nahm der neue Erzbischof von Canterbury nicht Stellung.
Die Entwicklung der anglikanisch-orthodoxen Beziehungen ist auch für die katholische Kirche von großer Bedeutung und wird von Rom genau beobachtet, nicht zuletzt wegen der „strategischen Allianzen“ zur Verteidigung einiger grundlegender Aspekte der christlichen Ordnung auf europäischer Ebene, die vom Moskauer Patriarchat mit Rom angestrebt werden und die sich unter Papst Benedikt gut entwickelt hatten.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Anglikan Ink