Das falsche Zeichen. Franziskus und der Papstornat


Papst Benedikt XVI., Petrus im Ornat mit Tiara, macht Königtum Jesu Christi sichtbar, während Amtsinhaber ganz zurücktritt, kein anthropozentrischer Pauperismusvon Peter Stephan

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Papst Fran­zis­kus’ Ent­schluß, bereits bei sei­nem ersten Auf­tritt auf der Log­gia des Peters­doms auf die Amts­ge­wän­der und Insi­gni­en zu ver­zich­ten, die sei­ne Vor­gän­ger seit über 800 Jah­ren getra­gen hat­ten, kam völ­lig über­ra­schend. Der Anblick eines Pap­stes ohne Samt­mo­zet­ta, ohne Rochett und – für die Gläu­bi­gen und die Kame­ras nicht sicht­bar – ohne die roten Schu­he – wirk­te mehr als nur unge­wohnt; die wei­ße Gestalt mit dem blech­far­be­nen Eisen­kreuz, die vom „Ende der Welt“ gekom­men war, erschien inmit­ten der maje­stä­ti­schen Rie­sen­fas­sa­de des Peters­doms irgend­wie ver­lo­ren und fremd.

Franz von Assisi nackt vor dem Bischof – ließ sich aber Bischofsmantel umlegen

Ähn­lich fremd muß sich der hei­li­ge Petrus gefühlt haben, als er, von den Gren­zen des Römi­schen Welt­reichs kom­mend, durch die mar­mor­nen Säu­len­hal­len des kai­ser­zeit­li­chen Rom schritt. Und auch der hei­li­ge Franz muß sich fremd gefühlt haben, als er, nach­dem er alle Klei­der sei­nem Vater zurück­ge­ge­ben hat­te, auf dem Markt­platz von Assi­si völ­lig nackt vor dem Bischof stand.

Gera­de mit Blick auf die frü­he­re Kir­che sehen nicht weni­ge Gläu­bi­ge, vor allem aber auch vie­le Theo­lo­gen und Jour­na­li­sten, in die­ser Fremd­heit einen Befrei­ungs­schlag: Nun end­lich besinnt sich die Kir­che wie­der auf ihre eigent­li­che Beru­fung. End­lich ein Papst, der sich wie der erste Bischof von Rom und wie der Pover­el­lo aus Assi­si der Armut ver­pflich­tet fühlt. Petrus erbau­te die Kir­che zu einer Zeit, als die­se von den Mäch­ti­gen der Welt ver­folgt wur­de. Der hei­li­ge Franz stütz­te die Kir­che, als die­se sel­ber mäch­tig gewor­den war und über die­se Macht ins Wan­ken geriet. Und Papst Fran­zis­kus erneu­ert sie, indem er sie aller Zei­chen welt­li­cher Macht entkleidet.

Gefahr eines Wiedereinzugs nachkonziliarer Hermeneutik des Bruchs und der Diskontinuität

Am dar­auf­fol­gen­den Tag, als Fran­zis­kus in der Six­ti­ni­schen Kapel­le sei­ne erste Mes­se fei­er­te, schien sich die­ser Ein­druck der Demut und Beschei­den­heit zu bestä­ti­gen. Der Papst ließ einen Volks­al­tar aus Sperr­holz auf­stel­len, wei­ger­te sich, die für ihn bereit­ge­leg­ten präch­ti­gen Para­men­te anzu­zie­hen und ließ aus dem Hotel sei­ne eige­ne, schlich­te Mitra holen. Doch spä­te­stens jetzt wur­de deut­lich, daß hier nicht nur ein paar neue Akzen­te gesetzt wur­den. Es besteht die gro­ße Gefahr, daß – zumin­dest auf dem Gebiet der Lit­ur­gie – wie­der jene nach­kon­zi­lia­re Her­me­neu­tik des Bruchs und der Dis­kon­ti­nui­tät Ein­zug hält, die Bene­dikt durch sei­ne Reform der Reform zu über­win­den hoff­te. Die Amts­ein­füh­rung ver­lief noch weit­ge­hend nach dem Bestim­mun­gen, die Bene­dikt XVI. erlas­sen hat­te, ver­mut­lich woll­te Fran­zis­kus, und das ehrt ihn, nicht pie­tät­los erschei­nen. Den­noch waren die betont ein­fa­che Klei­dung des neu­en Pon­ti­fex und sein Ste­hen bei der Pre­digt ein bewuß­ter Stil­bruch. Daher drängt sich die Fra­ge auf, wie es künf­tig wei­ter­ge­hen wird. Sieht Fran­zis­kus in einer wür­de­vol­len Abhal­tung der Papst­lit­ur­gie und in einer fei­er­li­chen Aus­ge­stal­tung des Papst­ze­re­mo­ni­ells nicht mehr als die Insze­nie­rung über­hol­ter kirch­li­cher Machtansprüche?

Liturgie und päpstliche Amtsinsignien Ausdruck der Herrschaft Jesu Christi

In der Tat drücken die Lit­ur­gie und die päpst­li­chen Amts­in­si­gni­en einen Macht­an­spruchs aus. Doch um wel­che Macht geht es? Sicher­lich nicht um die Macht der Päp­ste (sofern man von einer sol­chen über­haupt spre­chen kann). Es geht um die Macht, oder bes­ser: um die Herr­schaft Jesu Chri­sti. Als Knecht der Knech­te Got­tes hat der Papst gegen­über den Rei­chen und Mäch­ti­gen die­ser Welt den Wil­len Got­tes eben­so Gel­tung zu ver­schaf­fen wie Mose gegen­über dem Pha­rao. Außer­dem ist er wie die Pro­phe­ten gegen­über den Israe­li­ten ein Kün­der des kom­men­den Got­tes­reichs. Auf eben die­se Funk­tio­nen spie­len auch sei­ne Gewän­der an. So ver­ge­gen­wär­tigt das Rot der Mozet­ta das Blut Chri­sti, das über den Pur­pur der Kai­ser und den Schar­lach der Hure Baby­lon gesiegt hat. Das Gold des Pek­to­ra­le ver­weist auf den himm­li­schen Glanz, in dem das Kreuz von Gol­ga­tha nach der Auf­er­ste­hung erstrahlt. Die sei­de­nen Para­men­te erin­nern an die kost­ba­ren Gewän­der des Heils, mit denen Chri­stus sei­ne Braut, die Kir­che, geschmückt hat. Die Edel­stei­ne der Mitra ver­wei­sen auf die Glo­rie des himm­li­schen Jeru­sa­lem. Gestei­gert wird die Sym­bo­lik der Papst­in­si­gni­en durch die Archi­tek­tur der Peters­kir­che. Die päpst­li­che basi­li­ca ist ein Monu­ment der basi­leia tou Theou, der Königs­herr­schaft Got­tes. Als sol­che ist sie in Grö­ße und Stil selbst­ver­ständ­lich erha­ben über die Tem­pel heid­ni­scher Göt­ter und die Palä­ste welt­li­cher Macht­ha­ber. Inmit­ten die­ser Bau­ten fühl­te sich Petrus zu Recht wie ein Frem­der. Daß sein Nach­fol­ger nun aus­ge­rech­net in der Kir­che des Apo­stel­für­sten fremd wirkt, irritiert.

Durch päpstlichen Ornat wird kenntlich was Päpste sind: Bettler vor Gott

Gera­de im Kon­text von Lit­ur­gie und Sakral­kunst ist der päpst­li­che Ornat Gebet, Bekennt­nis, Ver­kün­di­gung und Ver­hei­ßung in einem. Kon­kret bedeu­tet dies, daß die Päp­ste, wenn sie ihre Gewän­der anle­gen, ihre eige­nen Herr­schafts­an­sprü­che, ihre Ambi­tio­nen auf Ver­wirk­li­chung des eige­nen Wil­lens, able­gen. Sie legen Chri­stus an, damit Er durch sie han­delt und sie auch verwandelt.

Anders als die Roben welt­li­cher Herr­scher ist der kirch­li­che Ornat kei­ne per­sön­li­che Aus­zeich­nung. Viel­mehr ist er Zei­chen für drei apo­sto­li­sche Grund­tu­gen­den: für den Gehor­sam, weil der Papst – wie auch bei der Zele­bra­ti­on der Mes­se – sich in vor­ge­ge­be­ne Struk­tu­ren fügt, über die er selbst nicht ver­fü­gen darf; für die Demut, weil deut­lich wird, daß der Papst aus sich her­aus nichts ist, daß er alles, was er ‚dar­stellt’, Chri­stus ver­dankt oder bes­ser: Chri­stus schul­det; für die Armut, weil die Päp­ste durch ihren Ornat als das kennt­lich gemacht wer­den, was sie Bene­dikt XVI. zufol­ge sind: Bett­ler vor Gott.

Bescheidenheit unsichtbar, im Verborgenen leben und nicht nach außen kehren

Mit die­sen Eigen­schaf­ten ist der Ornat letzt­lich das voll­kom­me­ne Zei­chen jener chri­sto­for­mi­t­as, nach der auch Franz von Assi­si streb­te. Doch tat der Pover­el­lo das nicht auf eine völ­lig ande­re Wei­se? Nicht durch eine nach außen getra­ge­ne Sym­bo­lik, son­dern durch eine real geleb­te Armut? Unter­schied er sich nicht gera­de dadurch grund­sätz­lich von den frü­he­ren Päp­sten? Die Ant­wort lau­tet nein. Da der hei­li­ge Franz sich nicht ein­mal für wür­dig hielt, die Prie­ster­wei­he zu emp­fan­gen und am Altar Dienst zu tun, kam er nie­mals in die Situa­ti­on, Meß- oder Amts­ge­wän­der zu tra­gen. Und doch ließ er sich, nach­dem er auf dem Markt­platz von Assi­si sei­ne welt­li­chen Klei­der abge­legt hat­te, den bischöf­li­chen Man­tel umle­gen, zum Zei­chen, daß er jetzt ganz der Kir­che gehö­re. Und wäre er selbst Bischof oder Papst gewor­den, hät­te er höchst­wahr­schein­lich genau­so gehan­delt wie der gro­ße Reform­papst sei­nes Ordens, wie Six­tus V. Die­ser trug – gleich sei­nem ver­ehr­ten Vor­bild, dem Domi­ni­ka­ner­papst Pius V., – auf der Haut die krat­zi­ge, zer­schlis­se­ne Kut­te eines Büßers, dar­über aber die Pracht­ge­wän­der eines vica­ri­us Chri­sti. Kei­nes­falls hät­ten Pius oder Six­tus ihre Demut auf eine Art und Wei­se bekannt, die das geschmä­lert hät­te, was der Ver­herr­li­chung und dem Lob­preis Got­tes dient. Mit ande­ren Wor­ten: sie leb­ten ihre Beschei­den­heit unsicht­bar, im Ver­bor­ge­nen und kehr­ten sie nicht nach außen. Erst recht gilt dies für den hei­li­gen Pfar­rer von Ars, der inner­halb sei­nes Pfarr­hau­ses in größ­ter Armut leb­te, bei der Mes­se aber alles zur höhe­ren Ehre Got­tes aufopferte.

Man kann sich fra­gen, was mit einem Ver­wal­ter (= vica­ri­us) geschieht, der die Talen­te, die er für sei­nen Herrn meh­ren soll, an die den Armen ver­schenkt, als han­de­le es sich um sein eige­nes Geld. Was von einem Herold zu hal­ten ist, der den gold­durch­wirk­ten Wap­pen­rock sei­nes kai­ser­li­chen Herrn aus­zieht, weil er meint, die­ser wür­de ihn zu sehr schmücken. Wenn dem groß­zü­gi­gen Geschenk die wider­recht­li­che Aneig­nung vor­aus­geht, nennt man das gewöhn­lich Ver­un­treu­ung. Und wenn der ver­meint­li­chen Beschei­den­heit eine Anma­ßung vor­aus­geht, spricht man von Heuchelei.

Je herrlicher die Paramente, desto mehr wirkte Benedikt als demütiger Bote der Königsherrschaft Christi

All das soll Papst Fran­zis­kus nicht unter­stellt wer­den. Aber es fällt der Unter­schied zu Bene­dikt auf, der es auf groß­ar­ti­ge Wei­se ver­stan­den hat, die Chri­sto­for­mi­t­as des Amtes mit der Chri­sto­for­mi­t­as der Per­son zu ver­bin­den. Je herr­li­cher die Para­men­te, desto mehr wirk­te Bene­dikt als erge­be­ner Die­ner und demü­ti­ger Bote der Königs­herr­schaft Chri­sti, desto mehr trat er als Per­son hin­ter sei­nem Amt zurück. Bene­dikt deu­te­te Amt und Lit­ur­gie von Gott her. Mit die­ser theo­zen­tri­schen Sicht­wei­se grenz­te er sich von der popu­li­sti­schen Anthro­po­zen­trik nach­kon­zi­lia­rer Theo­lo­gen eben­so ab wie vom ideo­lo­gi­schen Pau­pe­ris­mus der Sozio­lo­gen nach 1968. Bei­de Strö­mun­gen hat­ten (und haben) in den Rei­hen der Jesui­ten vie­le Anhänger.

Abgrenzung von populistischer Anthropozentrik nachkonziliarer Theologen

Lei­der besteht die Gefahr, daß die sicher gut­ge­mein­ten Gesten von Papst Fran­zis­kus zu einem fal­schen Zei­chen wer­den. Auf der poli­ti­schen Ebe­ne drängt sich der Ver­dacht auf, der Papst fin­de eine Klei­dung, mit der er über die Ver­kün­di­gung der Lie­bes­bot­schaft Jesu hin­aus auch den Herr­schafts­an­spruch Chri­sti in der Welt ver­mit­teln wür­de, buch­stäb­lich ‚uner­träg­lich’. Auf lit­ur­gi­scher Ebe­ne droht der West­kir­che eine ähn­li­che Kri­se wie die, wel­che die Ost­kir­che vor 1200 Jah­ren wäh­rend des Bil­der­sturms erlebt hat.

In den katho­li­schen Kir­chen des Ostens wie des Westens bil­den Fides-Ver­bum-For­ma eine unauf­lös­li­che Ein­heit. Ein Glau­be, in dem die Wahr­heit des gött­li­chen Wor­tes sich nicht in der Schön­heit der sicht­ba­ren Form auf­leuch­tet, kann die Men­schen viel weni­ger errei­chen. Aus eben die­ser Erkennt­nis her­aus hat der Orden, dem Papst Fran­zis­kus ange­hört, einst das Mono­gramm des Namens Jesu mit dem Strah­len­kranz der Son­ne hin­ter­legt. Fran­zis­kus hat die­ses Emblem in sein Papst­wap­pen über­nom­men. Möge er sich sei­ner Bedeu­tung als Papst eben­so bewußt sein wie die Jesui­ten des 16. und 17. Jahrhunderts.

Aus Scheune einen Thronsaal Gottes, nicht aus Petersdom eine Garage machen

Wie man hört, hat Jor­ge Mario Berg­o­glio als Bischof die Prie­ster auf­ge­for­dert, auch in Scheu­nen und Gara­gen Mes­sen zu lesen. Voll­zieht sich die Lit­ur­gie wür­dig, so kann auf die­se Wei­se die Herr­lich­keit Got­tes durch­aus in die Armut der Welt hin­ein­ge­tra­gen wer­den. Im Extrem­fall wird sogar aus einer Gara­ge eine Kir­che und aus einer Scheu­ne ein Thron­saal Got­tes. Doch wenn die Lit­ur­gie nicht wür­dig gefei­ert wird, geschieht das Gegen­teil. Dann wird Gott in einer selbst­herr­li­chen Welt arm gemacht. Dann wer­den die Thron­sä­le Got­tes, die immer auch die Palä­ste der Armen sind, zu Scheu­nen. Dann läuft selbst der Peters­dom Gefahr, zu einer Gara­ge zu werden.

Prof. Dr. Peter Ste­phan hat Geschich­te, Kir­chen­ge­schich­te und Kunst­ge­schich­te stu­diert und ist apl. Pro­fes­sor für Kunst­ge­schich­te an der Uni­ver­si­tät Frei­burg im Breis­gau. Zugleich lehrt er als Pro­fes­sor für Archi­tek­tur­theo­rie an der Fach­hoch­schu­le Pots­dam und ist Dozent für Phi­lo­so­phie der Ästhe­tik am Insti­tut St. Phil­ipp Neri in Berlin.

Zwi­schen­ti­tel von der Redak­ti­on eingefügt.

Bild: Acci­on Liturgica

 

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